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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Ohne Titel -mir fällt wirklich nix passendes ein



schreiberling
27.01.2005, 20:51
Ohne Titel

Es dunkelt auf der langen Straße, die von der Innenstadt bis hinaus aufs Land führt, die von einem prächtigen, breiten Boulevard mit seinen anliegenden Boutiquen, Banken und Rosenhändlern zu einer schmalen, staubigen Vorstadtstraße zerfließt, mit unbefestigtem Bürgersteig auf der rechten Seite, mit anliegenden Rosenfeldern, Bauernhöfen und Nähereien.
Seit sehr Langem liegt sie so, an einem Stück, was nie zueinander passt, aber doch mit gleichem Namen getauft wurde, ohne Biegung oder Abzweigung was die schnurgerade Straße brechen könnte, oder den Vorwand erbrächte sie umzubenennen,
so liegt sie wie sie liegt.
Der Abend fällt bald über die Vorstadtstraße, die nur von niedrigen, einzelnen, weit auseinander stehenden Gaslaternen dürftig beleuchtet, ein unheimliches Bild bietet, welches glücklicherweise schnell von der heranfliegenden Nacht übermalt wird. Höchstens die Sterne, die man nachts fast immer sehen kann, beleuchten die Straße an ihrem äußersten Zipfel, dort wo nur selten Menschen auf dem Bürgersteg gehen, aber heute schlafen sie schon, den ganzen Tag über, unter einer altgrauen Wollewolkendecke.
Nun fällt auch das Dunkel über den Innenstadtteil der Straße, der von hohen, vielen, dicht beieinander stehenden mit Elektrizität betriebenen Laternen hell ausgeleuchtet, die Bühne und das Rampenlicht für schönes Leben bietet. Sterne könnte man hier gar nicht sehen, auch wenn die altgraue Wollewolkendecke nicht wäre, es ist zu licht.
Viel hat sie schon erlebt, die kilometerlange, ungleiche Straße, aber solches noch nicht, was sich in der Vorstadtstraße im Dunkeln und in der Innenstadtstraße im Hellen abspielte.

Gewohnt still war es, dort wo die Laternen weit voneinander entfernt stehen.
Dort, wo die Laternen sich dicht an dicht drängen und die Nacht zum Tage machen, war es hingegen ungewohnt still.
Ein sehr mulmiges Gefühl muss die schöne Frau beschlichen haben, die dort in der ungewöhnlich ruhigen Innenstadtstraße sich aufmachte um ans andere Ende der Straße, aufs Land zu kommen. Nur die spitzen Stöckelschuhe vermochten es dem nassen Pflaster, es hatte heute mittag aus den altgrauen Wollewolken geregnet, einige spitze schmerzkreischende Geräusche zu entlocken.
Und vom spitzen Geräusch der spitzen Stöckelschuhe aufgeschreckt, hätte man als Anwalt, der seine Kanzlei im Obergeschoss der vornehmen mehrstöckigen Häuser hat, eine schöne Frau auf ihrem nächtlichen Spaziergang, aus dem kleinen Fenster beobachten können. Sie trug einen schönen Rock, in schwarz und so lang, dass Frauen ihn als schön bezeichnen würden, so einen wie die Sekretärinnen der renommierten Anwaltskanzleien, die sich vornehmlich im Obergeschoss der vornehmen mehrstöckigen Häuser einmieten, trugen. Dazu eine schöne, weiße Bluse und darüber ein schönes, schwarzes Jäckchen, so wie eine der Bedienungen, die in einem der unzähligen, im Sommer draußen bestuhlten Cafes bedienten.
Das spitze Klacken der spitzen Stöckelschuhe hallte, beim vornehmen dahinschreiten auf der noch gepflasterten Innenstadtstraße bald nur noch asphaltierten, schließlich in Kies auslaufenden Vorstadtstraße, so laut, dass man als Anwalt, der aus seinem geöffneten Fenster im zweiten Stock die Frau beobachtend, nicht das schöne, leise Schluchzen gehört oder die schönen, im milchigen Licht der hohen, dicht an dicht stehenden Laternen, golden schimmernden Tränen gesehen hätte.
An noch weit entferntem Ort, aber an gleicher Straße, dort wo die Gaslaternen weit voneinander entfernt stehen, gelegen, kann man, wenn man ganz genau hinhört, das schräge Quietschen hässlicher Turnschuhe, die beim Auftreten auf den schmalen asphaltieren Bürgersteig auf der rechten Straßenseite kleine Luftbläschen hinterlassen, vernehmen. Der unweibliche Schritt gehört einer hässlichen Frau, die ihn forsch in Richtung der vornehmen Innenstadtstraße lenkt.
Und vom schrägen Quietschen der schräg abgelaufenen Turnschuhe erwacht, hätte man als Bauer, der seinen Hof auf dem unfruchtbaren Boden, nahe der in Kies auslaufenden Vorstadtstraße gebaut hat, eine hässliche Frau auf ihrer Wanderung im Dunkeln, aus dem kleinen Küchenfenster, sehen können. Sie trug eine hässliche Jeans, so eine, wie die Leute sie hier immer tragen, hässlich, zerrissen und vom Dreck des Landes, auf dem sie leben, beschmutzt, eben das, was die Leute, die hier leben, als normal erachten. Ihre Oberbekleidung war ein hässliches T-Shirt, ohne tiefen Ausschnitt oder durchsichtigem Stoff, nicht wie die vornehmen Frauen Innenstadtstraße, die mit tiefausgeschnittener Bluse Männerblicke heischend auf dem prächtigen, breiten Boulevard mit spitzen Stöckelschuhen stöckelten, nein, sie trug gerade so eines, wie es die Mägde, auf den auf unfruchtbarem Boden gebauten Höfen, beim melken der Kühe trugen.
Und wenn man als Bauer, der bei der milden Nachtluft sein Küchenfenster geöffnet hat, näher hingeschaut hätte, dann wäre einem aufgefallen, dass auf den hässlichen Lippen der hässlichen Frau sich ein hässliches Lächeln im Dunkel der Nacht spiegelte.

Eine hässliche Frau und eine schöne Frau gingen beide aus dem gleichen Grund, mit ganz unterschiedlichen Gefühlen, wie man das von zwei unterschiedlichen Frauen auch erwartet, auf ein und der selben Straße, jedoch auf entgegengesetzten Richtungen direkt aufeinander zu.
Die schönen Tränen und das hässliche Lächeln erstrahlten dabei als Sterne, die sich aus Angst, vor dem was geschehen wird, hinter einer altgrauen Wollewolkendecke schlafen gelegt hatten.
In der Mitte des Weges, den sie beide, die eine hässlich frohen Gehmuts, die andere in schön trübsinniger Stimmung, bestritten hatten, trafen sie sich, dort, wo die kleinen, weit voneinander entfernten Laternen, die mit Gas betrieben wurden, aufhörten, und die hohen, dicht an dicht gereihten mit Elektrizität helles Licht spendenden Laternen anfingen.
Still traten sie sich gegenüber, die Eine nun hässlich lachend, mit freudig hässlichem Augenschlag und hässlich, vor Freude, gar hüpfend, die Andere, schön tief schluchzend, mit schönen Tränen verschmiertem Gesicht und den schönen Beinen, die leicht zittern mussten.
Die Eine trat einen Schritt auf die Andere zu.
Die Eine trat einen Schritt auf die Andere zu.
Die Andere gab der Anderen die Hand.
Die Andere gab der Anderen die Hand.

Dann trennten sie sich wieder voneinander.
Eine Frau ging in Richtung der Innenstadtstraße, wahrscheinlich war sie schön.
Eine Frau ging in Richtung der Vorstadtstraße, wahrscheinlich war sie hässlich.
Als Anwalt, der immer noch aus dem Fenster seiner im zweiten Stockwerk gelegenen Kanzlei, blickte, hätte man sich wundern müssen, da man schon wieder eine schöne Frau mit spitzen Stöckelschuhen ein spitzes Geräusch hinterlassend, den breiten Boulevard der Innenstadtstraße hinaufstöckeln sah.
Auch als Bauer, der sich nun aus dem Fenster seines auf unfruchtbarem Land gebauten Hofes lehnte, um eine Zigarette zu rauchen, hätte man nicht schlecht staunen können, wenn man schon wieder eine hässliche Frau zu sehen bekam, die mit quietschenden, schräg abgelaufenen hässlichen Turnschuhen, auf der in Kies endenden Vorstadtstraße ging.
Beide Frauen, ob hässlich oder schön, wendeten abermals, am Ende ihrer Straße angekommen, ihren Schritt und gingen wieder in entgegengesetzter Richtung, direkt aufeinander zu, die eine hässlich lächelnd, die andere schön weinend, zurück.
Weder als Anwalt, noch als Bauer, hätte man dies sehen können, denn beide wären wohl zu Bett gegangen, und die Laternen, ob nun dicht an dicht gedrängt oder weit voneinander entfernt stehend konnten auch nicht mehr leuchten, sie waren zu so später Stunde abgestellt oder ausgeblasen worden.
In der Innenstadtstraße konnte man nun Sterne sehen, die hinter einer altgrauen Wollewolkendecke hervorguckten.
Tiefste Nacht war es, und dunkel dazu, als sich beide wieder gegenüber standen, die eine hässlich die andere schön.
Die Eine trat einen Schritt auf die Andere zu.
Die Eine trat einen Schritt auf die Andere zu.
Die Andere gab der Anderen die Hand.
Die Andere gab der Anderen die Hand.
Da gab es eine heftige Explosion, das die Erde bebte, eine niedere und eine hohe Laterne umfiel und man als Anwalt oder Bauer erwacht wäre.

Erst am nächsten Morgen, im Morgengrauen, als die Laternen, die jetzt dort eine dunkle Lücke darbieten, wieder angemacht oder entzündet wurden, konnte man sehen, dass nichts, weder von der hässlichen noch von der schönen Frau, übriggeblieben war.
Nur eine kleine Knolle wurzelte dort, wo wohl ein Fetzen der hässlichen und ein Fetzen der schönen Frau auf fruchtbaren Boden fiel.

La Cipolla
28.01.2005, 16:43
*_* Mal wieder was philosophisches. :p
Habs mir ausgedruckt, sag später was. Mein Vater meinte beiläufig über den Rücken (Hab ihn gar nicht bemerkt òÓ ), du würdest ein Schreibmuster verwenden, weil irgendwie immer zwo ähnliche Sätze auftauchen. Allerdings ist mein Vater deutschlehrer und muss zwangsweise über irgendwas meckern. -.-° Mach dir keine Sorgen, ich halts für ein Gerücht, und das der "fehler" so makaberen Natur ist, spricht für dich. :D

Wie gesagt, bis dato.

Cyberwoolf
29.01.2005, 14:58
Woah, echt schwer zu lesen. Stilistisch sehr schön, mit den Konjunktiven und so, prima. Inhaltlich interessant, doch das Ende hat mich sehr enttäuscht. Erst zieht sich die Geschichte hin und dann: Bumm! Viel zu abrupt, passt gar nicht zum Rest der Geschichte.

Ach ja: Wie kann man bite sehen, dass da nichts ist?


... konnte man sehen, dass nichts (...) übriggeblieben war.

Das würde vorraussetzen, dass man von diesen Frauen wusste, da der Leser jedoch mit dem Anwalt/Bauer gleichgesetzt wird, welcher eindeutig nichts davon weiß, so frage ich mich, wer damit angesprochen wird.

schreiberling
04.02.2005, 18:55
hmm...
schade,dass sich nur so wenige zu Wort gemeldet haben( nichts gegen euch Wolfi und Cipo),aber da liegt so viel Herzblut drin-da push ich das jetzt einfach nochmal,außerdem antworte ich mal meinen treuen Kritikern :D

also cipo, wegem dem Schreibmuster,ich weiß nicht so genau was du meinst und wie das aussehen soll, es gibt natürlich Parallelen zwischen den beiden Damen, und wie das geschrieben ist,aber dies gleich als Schreibmuster zu bezeichnen, es ist mehr ein stilistisches Mittel...oder verstehe ich dich gerade falsch?

wolfi,lege ja sehr viel Wert auf nen besonderen Stil,versuche einfach mehr auszudrücken wie das einfach geschriebene Wort,deswegen immer der ganze Firlefanz :D
ja,somit kommen wir auch zum Ende,auch hier ist das gewollt, das aprubte Ende steht für einen aprubten Wandel,du verstehst?-da ist es mir egal ob es zum Rest passt,es soll nicht zu Rest passen,es verfolgt eine bestimmte Aussage
wird der Leser wirklich mit dem Bauer/Anwalt gleichgesetzt?ist es nicht mehr nur eins der zwei Augen? ;)

Cyberwoolf
04.02.2005, 19:18
Nun ja, das hab ich mir auch überlegt, als ich das geschrieben habe, besonders wegen des Konjunktives habe ich gezögert, doch der Leser wird ja immer wieder aufgefordert, sich die Situation aus der Sicht des Bauern/Anwalts zu betrachten.

Nun ja, wie gesagt, die Geschichte ist ganz nett, aber ich hab schon besseres von dir gesehen. Tja, das ist das Leben eines Künstlers, erst steckt er all seine Kraft in sein Meisterwerk und dann bewundern die Leute die Stücke in seinem Papierkorb.

West Coast
17.02.2005, 17:17
Erst mal muss ich sagen das es mir ziemlich gut gefällt, allerdings ist es relativ schwer zu lesen. :confused:

Aber ich hab mir gedanken über den Titel gemacht ,
wie wäre es zum Beispiel mit "Schatten"

schreiberling
19.02.2005, 15:02
hmm...
freut mich ja,dass jemand das noch ausgräbt und auch noch liest.
Aber "Schatten"?was soll das aussagen?in welchem Zusammenhang zum Text? ;)
...und was war schwer zu lesen,der Schreibstil oder Inhalt?

Cyberwoolf
19.02.2005, 15:11
*g* Genau das hab ich auch gedacht, als ich seinen Vorschlag gelesen hab.

Der Stil, schwerer Stil.

Ach ja:


die eine hässlich frohen Gehmuts, die andere in schön trübsinniger Stimmung

Ich nehme mal an du meinst: "die andere schön, in trübsinniger Stimmung."

schreiberling
19.02.2005, 15:23
hmm...
soweit ich mich noch erinnern kann habe ichd as extra so geschrieben.-tiefere Intention ;)
da erschlagen dich meine geballten stilistischen Mittel...es geht darum die Gegensätze ineinander fließen zu lassen und der Schönen die Schönheit zu nehmen,retrospektive sie auf das Äußere zu beziehen um die innere Schönheit der Hässlichen im Frohsinn kenntlich zu machen-was dann wiederum sich in der Synthese verflüchtigt...ja,so war das damals :D

West Coast
19.02.2005, 19:45
Mit "schwer zu lesen" meinte ich eigentlich nur, dass ich es zweimal lesen musste um ganz durchzusteigen! Aber um ehrlich zu sein den "tieferen Sinn" habe ich imer noch nicht entdeckt.
Und der Titel ist mir spontan gekommen, ich dachte es passt einfach gut weil die Geschichte auf einer dunklen strasse spielt.
Nehmt mir das aber bitte nicht übel, war mein erster Post überhaupt!! :D

Cyberwoolf
19.02.2005, 21:31
Hier wird niemandem was übel genommen.

@ Schreiberling: ??? huh? Ich dachte die Hässliche wäre frohen Gemüts und die Schöne wäre trübsinnig. Wenn du es so meinen würdest wie du es geschrieben hast, dann wäre der Frohsinn hässlich und die Trübsinnigkeit schön, was ich wiederum nicht ganz verstehe. Allerdings quäle ich mich noch immer durch deinen letzten Post, vllt. hab ich den einfach falsche verstanden.

schreiberling
20.02.2005, 14:04
hmm...
also irgendwie wird Das hier zu ner Endlosschleife ;)
ich weiß nie recht ob ich jetzt wirklich antworten soll oder nicht,denn es ist,glaube ich zumindest, unnötig.

@West Coast:kein Problem,tobe dich ruhig bei deine ersten Posts aus.Ist ja bei mir auch nicht solange her :D -aber nimms mir nicht übel,wenn ich deinen Titelvorschlag nicht berücksichtige
@Wolfi:ähm...Ich glaube du hast es im Grunde richtig verstanden. Warum sollen Gegensätze nicht in einem Satz stehen,warum darf der Trübsinn nicht schön sein?
Die Gegensätze die später verschmelzen(Synthese) und somit in Einem nichtig werden, sollen dadurch betont werden,außerdem ist doch die Schöne immer schön,ist dir dass mal aufgefallen?
-aber wenn du lange genug da noch rumwerkelst wirst dus soweit bringen und mich vollends verwirren ;)