schreiberling
18.01.2005, 19:41
ich weiß nicht recht... empört sich da jemand?
Das Gesicht eines Menschen
Es ist sechs Uhr, Pendlerzeit.
Jeder Arbeiter, Bediensteter und Beamte wartet auf den um 5 Minuten verspäteten und mit lauten, allgemeinen Stöhnen quittierten Zug. Laute, gehässige Ausrufe die über den Bahnsteig hallen vertreiben die nächsten 5 Minuten.
Der langersehnte und schon mit Flüchen herbeigewünschte Zug trifft 25 Minuten nach der 5-Minuten-Verspätung-Ansage ein, was dem resignierten Volk nur noch ein müdes, trauriges Grinsen abverlangt. Dem alten Herren, der die letzten 30 Minuten die Wartenden mit Witzen bis wüsten Beschimpfungen, die Bahn betreffend, unterhielt, wird nun kein taubes Ohr mehr gegönnt.
Stillschweigend steigt die Menge ein...
...um beim ersten Schritt auf den kaugummiblühenden Boden des Zuges wieder in Panik zu geraten, man könnte ja keinen Sitzplatz mehr bekommen.
Der Zug ruckt an.
Ich renne mit krückstockschlagenden Omas um die Wette.
Der Zug rattert über die Gleise.
Und atme schwer, als ich mich auf meinen erkämpften Thron, der des Siegers, fallen lasse.
Lasse Taschen und Rucksack von mir fallen, und habe jetzt erst Zeit meine Nachbarn für die 15 minütige Fahrt zu betrachten.
Dabei fällt mein Blick vor allem auf den in neuster Herrenmode gekleideten alten Herren.
Die Kleidung verspricht einen wahren Schnösel mit näselnder Stimme, einen Yuppie.
Das Gesicht kann das Versprechen nicht halten.
Unter buschigen Brauen blicken dort die stahlblauen Augen eines wachsamen Greifs hervor.
Die Augen liegen so eng zusammen, dass die schmale Nase wie die spitze eine Schwertes aus dem Kopf sticht, bereit jemanden zu erstechen.
Der Zug untermalt mit rhythmischem Rattern der Rädern die Szenerie.
Es könnte aber auch sein, dass er gerade erst gemeuchelt wurde.
Der verkniffene Mund lässt bestimmt kein Lächeln zu, welches die unzähligen mit pikanten Blondinenwitzen garnierten E-Mails seiner Kollegen fordern.
Das stelle ich mir vor, während er sein Laptop umständlich aus der dafür vorgesehenen Koffer holt.
Regungslos, im Bann der Technik, welche er anscheinend beherrscht, sitzt er nun auf der Sitzgelegenheit der deutschen Bahn.
Der Zug hoppelt weiter.
Fasziniert beobachte ich die Augenbrauen, die nicht mehr buschig- burschikos wirken, sondern wahrscheinlich beim Lesen, belustigt zucken.
Wahrscheinlich liest er gerade seinen neusten Download, ein E-Book, nachdem er eine E-Mail mit Blondinenwitzen gelöscht hat.
Nein, kein Bestseller-Thrillern, der sonst in Supermärkten zu erhalten wäre, eine Romanze stelle ich fest, denn er lächelt, ehrlich, etwas verliebt.
Vor Vergnügen, welches ich ihm gar nicht zutraute, schlägt er immer wieder die Beine geräuschvoll übereinander.
Der Zug legt sich in eine Kurve.
Geschockt, ja, wirklich erschrocken, starre ich auf sein rechtes Hosenbein, dass mir in diesem, von ihm ungeachteten Moment, in der lang ausschweifenden Kurve, welche der Zug mit Hilfe der Neigetechnik gut meistert, das tiefste und vor Entdeckung meist gefürchtete, von den Kollegen nie geahnte, Geheimnis meines Gegenübers, feilbietet.
Der Zug liegt immer noch in der Kurve.
Der allem Anschein nach werte Herr, der mir in diesem Zug, welcher sich seit, nach meiner Zeiteinschätzung, 5 Minuten in einer Kurve befindet, gegenübersitzt, trägt nicht nur feine Seidensöckchen, wie sich das für einen ordentlichen Geschäftsmann gehört, retrospektive wie man das von einem ordentlichen Geschäftsmann gewöhnt ist, sondern auch Strapse.
Der Zug ist wieder auf einer Geraden und beschleunigt wahnsinnig.
Das Fenster spiegelt die entgültige Enthüllung meines Reisebegleiters, praktisch ein Striptease, vielleicht ist er ja Exhibitionist, es zeigt den Bildschirm des Laptops, der durch eine Uhr und das Glas eines Werbeplakates reflektiert wurde, und offenbart mir somit sein letztes Geheimnis, welches nicht mal die engsten Freunde, die es nicht gibt, wissen, wahrscheinlich nicht mal die Familie, die es nicht gibt, sondern höchstens der kastrierte Hauskater hören kann, er schaut Fotos von kleinen Jungs an.
Der Zug stoppt.
Das Gesicht eines Menschen
Es ist sechs Uhr, Pendlerzeit.
Jeder Arbeiter, Bediensteter und Beamte wartet auf den um 5 Minuten verspäteten und mit lauten, allgemeinen Stöhnen quittierten Zug. Laute, gehässige Ausrufe die über den Bahnsteig hallen vertreiben die nächsten 5 Minuten.
Der langersehnte und schon mit Flüchen herbeigewünschte Zug trifft 25 Minuten nach der 5-Minuten-Verspätung-Ansage ein, was dem resignierten Volk nur noch ein müdes, trauriges Grinsen abverlangt. Dem alten Herren, der die letzten 30 Minuten die Wartenden mit Witzen bis wüsten Beschimpfungen, die Bahn betreffend, unterhielt, wird nun kein taubes Ohr mehr gegönnt.
Stillschweigend steigt die Menge ein...
...um beim ersten Schritt auf den kaugummiblühenden Boden des Zuges wieder in Panik zu geraten, man könnte ja keinen Sitzplatz mehr bekommen.
Der Zug ruckt an.
Ich renne mit krückstockschlagenden Omas um die Wette.
Der Zug rattert über die Gleise.
Und atme schwer, als ich mich auf meinen erkämpften Thron, der des Siegers, fallen lasse.
Lasse Taschen und Rucksack von mir fallen, und habe jetzt erst Zeit meine Nachbarn für die 15 minütige Fahrt zu betrachten.
Dabei fällt mein Blick vor allem auf den in neuster Herrenmode gekleideten alten Herren.
Die Kleidung verspricht einen wahren Schnösel mit näselnder Stimme, einen Yuppie.
Das Gesicht kann das Versprechen nicht halten.
Unter buschigen Brauen blicken dort die stahlblauen Augen eines wachsamen Greifs hervor.
Die Augen liegen so eng zusammen, dass die schmale Nase wie die spitze eine Schwertes aus dem Kopf sticht, bereit jemanden zu erstechen.
Der Zug untermalt mit rhythmischem Rattern der Rädern die Szenerie.
Es könnte aber auch sein, dass er gerade erst gemeuchelt wurde.
Der verkniffene Mund lässt bestimmt kein Lächeln zu, welches die unzähligen mit pikanten Blondinenwitzen garnierten E-Mails seiner Kollegen fordern.
Das stelle ich mir vor, während er sein Laptop umständlich aus der dafür vorgesehenen Koffer holt.
Regungslos, im Bann der Technik, welche er anscheinend beherrscht, sitzt er nun auf der Sitzgelegenheit der deutschen Bahn.
Der Zug hoppelt weiter.
Fasziniert beobachte ich die Augenbrauen, die nicht mehr buschig- burschikos wirken, sondern wahrscheinlich beim Lesen, belustigt zucken.
Wahrscheinlich liest er gerade seinen neusten Download, ein E-Book, nachdem er eine E-Mail mit Blondinenwitzen gelöscht hat.
Nein, kein Bestseller-Thrillern, der sonst in Supermärkten zu erhalten wäre, eine Romanze stelle ich fest, denn er lächelt, ehrlich, etwas verliebt.
Vor Vergnügen, welches ich ihm gar nicht zutraute, schlägt er immer wieder die Beine geräuschvoll übereinander.
Der Zug legt sich in eine Kurve.
Geschockt, ja, wirklich erschrocken, starre ich auf sein rechtes Hosenbein, dass mir in diesem, von ihm ungeachteten Moment, in der lang ausschweifenden Kurve, welche der Zug mit Hilfe der Neigetechnik gut meistert, das tiefste und vor Entdeckung meist gefürchtete, von den Kollegen nie geahnte, Geheimnis meines Gegenübers, feilbietet.
Der Zug liegt immer noch in der Kurve.
Der allem Anschein nach werte Herr, der mir in diesem Zug, welcher sich seit, nach meiner Zeiteinschätzung, 5 Minuten in einer Kurve befindet, gegenübersitzt, trägt nicht nur feine Seidensöckchen, wie sich das für einen ordentlichen Geschäftsmann gehört, retrospektive wie man das von einem ordentlichen Geschäftsmann gewöhnt ist, sondern auch Strapse.
Der Zug ist wieder auf einer Geraden und beschleunigt wahnsinnig.
Das Fenster spiegelt die entgültige Enthüllung meines Reisebegleiters, praktisch ein Striptease, vielleicht ist er ja Exhibitionist, es zeigt den Bildschirm des Laptops, der durch eine Uhr und das Glas eines Werbeplakates reflektiert wurde, und offenbart mir somit sein letztes Geheimnis, welches nicht mal die engsten Freunde, die es nicht gibt, wissen, wahrscheinlich nicht mal die Familie, die es nicht gibt, sondern höchstens der kastrierte Hauskater hören kann, er schaut Fotos von kleinen Jungs an.
Der Zug stoppt.