Lonegunman81
27.08.2004, 06:48
Man kennt das... plötzlich und unerwartet stürtzt Inspiration von allen Seiten auf einen ein! Und dann man muss man schreiben!
Ich hoffe, ihr sagt mir was zu dieser Story!! Bitteschön!
Zum Nachtisch...
Teil1 – Die Risiken von Rauchen und Pinkeln
Das mit dem Rauchen ist schon so eine Sache! Man nimmt sich vor damit aufzuhören, sobald man zum ersten Mal die Fähigkeit verliert, sich anderen mitzuteilen.
Bei mir war das auch so!
Eines Morgens wache ich auf, und wie immer zünde ich mir, um diesen grandiosen Neubeginn meines Lebens zu begrüßen, eine Camel an.
Ziehen, warten, ausatmen, und zwar so, dass der Rauch möglichst ästhetisch im ersten Sonnenschein tanzend zur Decke steigt.
Ich ziehe mir meine Hausschuhe an, um zum Bad zu gehen, denn ich habe schreckliche Angst vor Fußpilz, selbst in meinem eigenen Haus! Ich hatte nie Fußpilz, doch ich achte mehr darauf, dieses Übel zu vermeiden, als meinen beginnenden Lungenkrebs zu bemerken.
Dann stehe ich im Bad, sehe mich im Spiegel und wundere mich wie so oft über den hässlichen, alten Sack, dem neuerdings Haare aus den Ohren wachsen.
Dieser Kerl da vor mir hat die Vierziger bereits hinter sich gelassen, doch der, der ihn so erstaunt betrachtet, fühlt sich noch immer wie Zwanzig.
Nein, das ist gelogen, er bildet sich ein sich so zu fühlen, allerhöchstens denkt er zuweilen wie ein Zwanzigjähriger, was immer man sich darunter vorstellen mag.
Nach dieser unvermeidlichen Begegnung der dritten Art setze ich mich aufs Klo, und lenke mich durch die intensive Beobachtung von Silberfischen von meiner schmerzenden Prostata ab. Ich möchte nämlich vermeiden mir vorzustellen, wie sie langsam zu einem Fußball mutiert um schließlich auszubrechen und ein Eigenleben zu führen.
Aber Niete, da habe ich mich wohl vor der falschen Stelle gefürchtet, denn während die Silberfische mit atemberaubendem Tempo auf dunkle Stellen des Badezimmers zusteuern, tue ich die rasselnden und piependen Geräusche beim Atmen als Alltagsbeschwerden eines Rauchers ab.
Dann klingelt das Telefon, und ich versuche mit runtergelassenen Hosen (ich trage Pyjamas, müssen sie wissen, aber keine Sorge, nicht aus Seide) ins Wohnzimmer zu eilen. Kleine Peepshow für die Nachbarschaft, wobei es nicht viel zu sehen gibt.
Dann hebe ich ab, und nachdem ich über den erfolg meines Lebens informiert werde, möchte ich natürlich mit überschwänglicher Begeisterung reagieren.
Doch da kommt nichts. Ein erbärmliches Hauchen, ein unangenehmes, heiseres Krächzen, und Schluss! Schweigen am andren Ende der Leitung, die Person glaubt sich wahrscheinlich schon falsch verbunden!
Ich versuche es nochmals, mit dem gleichen Ergebnis. Somit unfähig die Situation zu erklären, legt die Person am anderen Ende schließlich auf.
Mein Albtraum ist also wahrgeworden... nicht die Tatsache, nicht mehr reden zu können macht mir so große Angst, sondern der nun unweigerlich zu erfolgende Arzttermin.
Nach einer von panikartigen Gedanken geprägten Fahrt, auf der ich beschließe kein Wort über meine Prostata zu verlieren, komme ich beim Arzt an, Dr. Schlechtenachrichtsetzensiesichundbleibensieruhig.
Der stellt nach kurzer Betrachtung meines Mundraumes und den dahinter liegenden Territorien fest, dass ich zuviel rauche. Grausames Schicksal, wer hätte mit einer solchen Diagnose rechnen können?
Meine Stimmbänder haben sich also für unbestimmte Zeit dazu entschlossen, ihren Dienst zu verweigern und den Streik durchzuhalten, bis bessere Arbeitsbedingungen geschaffen seien.
Doch der gute Doktor versichert mir (hier die gute Nachricht), das es nur ein zeitlich begrenzter Zustand sei, aber er warnt mich auch (hier die schlechte Nachricht, welche wollen sie zuerst hören, ach, das übernehme ich für sie), dass, sollte ich weiterhin soviel rauchen, meine Stimmbänder für immer ihren Geist aufgeben werden.
Was mein erster Gedanke war, fragen sie? Wer braucht schon Stimmbänder, sage ich!
Doch damit war die Sache noch nicht beendet, denn der Herr Doktor will noch einen Komplettcheck mit mir machen. Jetzt, wo ich schon mal da sei.
Nachdem ich erfuhr, was dieser Check ergeben hatte, beschloss ich, Urlaub zu machen.
„Oh dunkler Dunst,
versagt, vergessen, nie wahr,
in dessen Anblick keines Menschen Gunst
verzage nicht, aufrichtig geliebt
doch nun ich Sterbender zum Himmel fahr...
Ich glaubte an Macht
Ich lebte Herrschaft und Babylon
Ich war das Feuer das entfacht
Du wusstest um meine Seele
Du liebtest trotz des Zweifels obschon...
Friedel Jameson“
„Hey, sie! Ich muss sie nun wirklich bitten, diesen Zug zu verlassen. Wir sind am Ende unserer Fahrt angekommen! Sie müssen hier aussteigen!“
Der Mann im lustigen Anzug sah mich gehetzt, fast schon entsetzt an, ganz klar, der Bahnangestellte fürchtete um seinen Feierabend. Ich fragte mich, ob wohl eine Frau im kurzen Schwarzen zuhause auf ihn wartete, aber das war irrelevant und hatte nichts mit den schlechten Kritiken zu tun, die mich aufregten.
„Sind wir das nicht alle?“, fragte ich ihn, ich wollte philosophisch klingen, aber noch lieber hätte ich auf den Kunststoffboden des Zugabteils gekotzt.
„Was sind wir?“, fragte er mich in verwirrtem Tonfall, aber seine rollenden Augen zeigten deutlich, dass ihn die Antwort darauf nicht wirklich interessierte.
„Am Ende unserer Fahrt!“, antwortete ich, und als er daraufhin mit den Schultern zuckte sah ich vor meinem geistigen Auge, wie sich mein Frühstück genüsslich auf seinen Schuhen ausbreitete. Ich stand auf, packte meine spärlich gefüllte Reisetasche und verlies den Zug. Der Mann sah mir zweifelnd nach, und ich schätzte, dass er mich in spätestens zwei Minuten vergessen würde. Ich schätzte, dass er ungefähr Zwanzig Jahre alt sein müsste, und bekam ein schlechtes Gewissen wegen meines Wunsches, seine Schuhe dreckig zu machen. Jetzt fühlte ich mich nicht mehr wie Zwanzig. Ich bildete mir das auch nicht mehr ein. Ich fühlte mich wie ein Sterbender, und es gab keine Chance, das als Einbildung abzutun. Ich war ein Sterbender.
Der Bahnhof war verlassen, nicht mal ein Penner, der in einer Ecker schlief. In diesem Kaff gab es vielleicht nicht einmal Penner, aber das konnte ich nicht mit Bestimmtheit sagen. Ich hatte nämlich keine Ahnung, wo ich war. Meine Reise sollte mich ans Ende dieser Bahnlinie führen. Egal, wo das war. Aber bei dem mickrigen Bahnhof war ich mir sicher, dass der Begriff „Kaff“ angebracht war.
Als ich den Bahnhof verlies und auf die Strasse trat, bemerkte ich, dass auch hier nicht mehr los war. Kaum ein Mensch unterwegs um die Mittagszeit, aber mir sollte es recht sein.
Ich ging in Richtung eines Parks, wurde dabei allerdings mit jedem Schritt langsamer, da mir das Atmen schwerer fiel, als ich es geahnt hatte.
Ich setzte mich auf eine Parkbank, und meine rasselnde und Piepsende Lunge dankte mir für diese Pause. Dann zündete ich mir eine weitere Zigarette an und warf die leere Schachtel in die Büsche. Nach mir die Sintflut, was für eine Einstellung, verklagt mich doch.
So wie die Kritiker, dachte ich. Damit schlug ich wieder mein Buch auf.
Die Person am Telefon, der ich nicht hatte antworten können, war ein Verleger gewesen. Und dieser Verleger hatte mir mitgeteilt, dass ich am Ziel meiner Träume sei. Nach Jahren der erfolglosen Bemühungen, nach unzähligen Nächten, die ich mit nichts anderem als Tippen verbracht hatte, war nun endlich ein Verlag bereit gewesen, ein Buch von mir zu veröffentlichen. Ein Versuch, sagten sie. Eine Chance, sage ich.
Es war kein Roman, sondern eine Sammlung kurzer Geschichten, Essays, und einige Gedichte, manches auch gemischt. Einiges ungewöhnlich, man könnte auch sagen neu, und somit einen Versuch wert.
Ich sah nun also in mein erstes Buch, und wunderte mich darüber, warum es so schlechte Kritiken eingefahren hatte. Ich suchte mir die Stellen, die am meisten verrissen worden waren, und fand sie noch immer gut. Was wussten schon Kritiker? Auf die Leser kam es an. Und mein Buch hatte immerhin genug Leser gefunden, um den Verlag darüber nachdenken zu lassen, ob das Buch eine Fortsetzung erhalten würde.
So saß ich also da im Park, schwer atmend, schwer konzentriert, schwer zu übersehen. Und schwer damit beschäftigt, den Gedanken an die nächste Kippe zu verdrängen. Ich sage ihnen, ist man erst mal da wo ich bin, lassen sich schwer Gründe gegen das Rauchen finden.
Aber da ich noch etwas Zeit verlangte, wollte ich es auch nicht übertreiben. Doch der Gedanke an die Schachteln in meiner Reisetasche war immer präsent.
Mangels Mitmenschen, die ich dort im Park hätte beobachten können, folgte ich den zu Boden schwebenden Blättern. Der Herbst kündigte sich an, und das machte sich auch durch die gesunkene Temperatur bemerkbar. Doch mutig dieser Widrigkeit trotzend folgte ich dem immer lauter werdendem Ruf meiner Blase und suchte Deckung hinter einem der dicht bewachsenen Büsche, um die Pflanzen zu bewässern. Ich rechnete nicht wirklich damit, von jemandem gesehen zu werden, erst recht nicht von irgendeinem Ordnungshüter, doch trotzdem brauchte ich die Sicherheit dieses Busches. Ich bin ein Hemmpisser, und ich stehe dazu! Meine Hose lies ich daher auch nur ein Stück herab, und spürte so deutlich das Fläschchen in der linken Tasche. Immer bei mir, seid ich diese Reise beschlossen hatte. Es sollte mich bis zum Ende dieser meiner Reise begleiten.
Während ich nun so dastand und von einem Gefühl der Erleichterung erfasst wurde, musste ich über den Gedanken schmunzeln, doch erwischt zu werden. Was für eine Schlagzeile das wäre, „Friedel Jameson, Autor von `Fliegender Wechsel – Gedichte und Gedanken´ beim Wildpinkeln erwischt“. Natürlich war mir klar, das nie eine Schlagzeile mit meinem Namen in irgendeiner Zeitung stehen würde (womit ich übrigens im unrecht sein sollte), aber andererseits hat jeder seine eine Schlagzeile verdient.
„Schön abtropfen lassen, du Trottel“ rief nun jemand von irgendwo hinter mir, und der Schreck lies meinen Strahl sofort zu einem Tröpfeln verkümmern.
Schuldbewusst sah ich mich um, hörte aber nur wie jemand davonrannte. Nachdem das spärliche Zubehör wieder verpackt war, ging ich zurück zu meiner Bank, und jetzt erst wurde mir klar, wieso man mich als „Trottel“ tituliert hatte. Meine Reisetasche war weg. Und mit ihr meine Zigaretten. Für einen Wutausbruch war ich zu schwach, und so hustete ich mir alle Frustration aus dem Leib.
Ich beschloss die nächste Polizeidienststelle aufzusuchen und verlies den Park. Die Ausbuchtung in meiner linken Hosentasche erinnerte mich daran, dass alles nur halb so schlimm war. Meine Reisetasche würde ich nicht mehr lange brauchen.
Als ich an einem Zigarettenautomaten vorbeikam, kratzte ich die letzten Reste Kleingeld aus meinen Hosentaschen zusammen... und wie immer in solchen Situationen reichte es nicht.
Da sah ich einen Mann an der Straße stehen, scheinbar auf irgendetwas wartend, und ich beschloss, „pumpen“ zu gehen.
edit: Danke für den schnell erfolgten Comment, Wohan! Übrigens hatte ich einen sehr dummen Fehler im Text, den ich schon korrigiert habe. Statt Lungenkrebs hab ich Brustkrebs geschrieben, naja!
Ich hoffe, ihr sagt mir was zu dieser Story!! Bitteschön!
Zum Nachtisch...
Teil1 – Die Risiken von Rauchen und Pinkeln
Das mit dem Rauchen ist schon so eine Sache! Man nimmt sich vor damit aufzuhören, sobald man zum ersten Mal die Fähigkeit verliert, sich anderen mitzuteilen.
Bei mir war das auch so!
Eines Morgens wache ich auf, und wie immer zünde ich mir, um diesen grandiosen Neubeginn meines Lebens zu begrüßen, eine Camel an.
Ziehen, warten, ausatmen, und zwar so, dass der Rauch möglichst ästhetisch im ersten Sonnenschein tanzend zur Decke steigt.
Ich ziehe mir meine Hausschuhe an, um zum Bad zu gehen, denn ich habe schreckliche Angst vor Fußpilz, selbst in meinem eigenen Haus! Ich hatte nie Fußpilz, doch ich achte mehr darauf, dieses Übel zu vermeiden, als meinen beginnenden Lungenkrebs zu bemerken.
Dann stehe ich im Bad, sehe mich im Spiegel und wundere mich wie so oft über den hässlichen, alten Sack, dem neuerdings Haare aus den Ohren wachsen.
Dieser Kerl da vor mir hat die Vierziger bereits hinter sich gelassen, doch der, der ihn so erstaunt betrachtet, fühlt sich noch immer wie Zwanzig.
Nein, das ist gelogen, er bildet sich ein sich so zu fühlen, allerhöchstens denkt er zuweilen wie ein Zwanzigjähriger, was immer man sich darunter vorstellen mag.
Nach dieser unvermeidlichen Begegnung der dritten Art setze ich mich aufs Klo, und lenke mich durch die intensive Beobachtung von Silberfischen von meiner schmerzenden Prostata ab. Ich möchte nämlich vermeiden mir vorzustellen, wie sie langsam zu einem Fußball mutiert um schließlich auszubrechen und ein Eigenleben zu führen.
Aber Niete, da habe ich mich wohl vor der falschen Stelle gefürchtet, denn während die Silberfische mit atemberaubendem Tempo auf dunkle Stellen des Badezimmers zusteuern, tue ich die rasselnden und piependen Geräusche beim Atmen als Alltagsbeschwerden eines Rauchers ab.
Dann klingelt das Telefon, und ich versuche mit runtergelassenen Hosen (ich trage Pyjamas, müssen sie wissen, aber keine Sorge, nicht aus Seide) ins Wohnzimmer zu eilen. Kleine Peepshow für die Nachbarschaft, wobei es nicht viel zu sehen gibt.
Dann hebe ich ab, und nachdem ich über den erfolg meines Lebens informiert werde, möchte ich natürlich mit überschwänglicher Begeisterung reagieren.
Doch da kommt nichts. Ein erbärmliches Hauchen, ein unangenehmes, heiseres Krächzen, und Schluss! Schweigen am andren Ende der Leitung, die Person glaubt sich wahrscheinlich schon falsch verbunden!
Ich versuche es nochmals, mit dem gleichen Ergebnis. Somit unfähig die Situation zu erklären, legt die Person am anderen Ende schließlich auf.
Mein Albtraum ist also wahrgeworden... nicht die Tatsache, nicht mehr reden zu können macht mir so große Angst, sondern der nun unweigerlich zu erfolgende Arzttermin.
Nach einer von panikartigen Gedanken geprägten Fahrt, auf der ich beschließe kein Wort über meine Prostata zu verlieren, komme ich beim Arzt an, Dr. Schlechtenachrichtsetzensiesichundbleibensieruhig.
Der stellt nach kurzer Betrachtung meines Mundraumes und den dahinter liegenden Territorien fest, dass ich zuviel rauche. Grausames Schicksal, wer hätte mit einer solchen Diagnose rechnen können?
Meine Stimmbänder haben sich also für unbestimmte Zeit dazu entschlossen, ihren Dienst zu verweigern und den Streik durchzuhalten, bis bessere Arbeitsbedingungen geschaffen seien.
Doch der gute Doktor versichert mir (hier die gute Nachricht), das es nur ein zeitlich begrenzter Zustand sei, aber er warnt mich auch (hier die schlechte Nachricht, welche wollen sie zuerst hören, ach, das übernehme ich für sie), dass, sollte ich weiterhin soviel rauchen, meine Stimmbänder für immer ihren Geist aufgeben werden.
Was mein erster Gedanke war, fragen sie? Wer braucht schon Stimmbänder, sage ich!
Doch damit war die Sache noch nicht beendet, denn der Herr Doktor will noch einen Komplettcheck mit mir machen. Jetzt, wo ich schon mal da sei.
Nachdem ich erfuhr, was dieser Check ergeben hatte, beschloss ich, Urlaub zu machen.
„Oh dunkler Dunst,
versagt, vergessen, nie wahr,
in dessen Anblick keines Menschen Gunst
verzage nicht, aufrichtig geliebt
doch nun ich Sterbender zum Himmel fahr...
Ich glaubte an Macht
Ich lebte Herrschaft und Babylon
Ich war das Feuer das entfacht
Du wusstest um meine Seele
Du liebtest trotz des Zweifels obschon...
Friedel Jameson“
„Hey, sie! Ich muss sie nun wirklich bitten, diesen Zug zu verlassen. Wir sind am Ende unserer Fahrt angekommen! Sie müssen hier aussteigen!“
Der Mann im lustigen Anzug sah mich gehetzt, fast schon entsetzt an, ganz klar, der Bahnangestellte fürchtete um seinen Feierabend. Ich fragte mich, ob wohl eine Frau im kurzen Schwarzen zuhause auf ihn wartete, aber das war irrelevant und hatte nichts mit den schlechten Kritiken zu tun, die mich aufregten.
„Sind wir das nicht alle?“, fragte ich ihn, ich wollte philosophisch klingen, aber noch lieber hätte ich auf den Kunststoffboden des Zugabteils gekotzt.
„Was sind wir?“, fragte er mich in verwirrtem Tonfall, aber seine rollenden Augen zeigten deutlich, dass ihn die Antwort darauf nicht wirklich interessierte.
„Am Ende unserer Fahrt!“, antwortete ich, und als er daraufhin mit den Schultern zuckte sah ich vor meinem geistigen Auge, wie sich mein Frühstück genüsslich auf seinen Schuhen ausbreitete. Ich stand auf, packte meine spärlich gefüllte Reisetasche und verlies den Zug. Der Mann sah mir zweifelnd nach, und ich schätzte, dass er mich in spätestens zwei Minuten vergessen würde. Ich schätzte, dass er ungefähr Zwanzig Jahre alt sein müsste, und bekam ein schlechtes Gewissen wegen meines Wunsches, seine Schuhe dreckig zu machen. Jetzt fühlte ich mich nicht mehr wie Zwanzig. Ich bildete mir das auch nicht mehr ein. Ich fühlte mich wie ein Sterbender, und es gab keine Chance, das als Einbildung abzutun. Ich war ein Sterbender.
Der Bahnhof war verlassen, nicht mal ein Penner, der in einer Ecker schlief. In diesem Kaff gab es vielleicht nicht einmal Penner, aber das konnte ich nicht mit Bestimmtheit sagen. Ich hatte nämlich keine Ahnung, wo ich war. Meine Reise sollte mich ans Ende dieser Bahnlinie führen. Egal, wo das war. Aber bei dem mickrigen Bahnhof war ich mir sicher, dass der Begriff „Kaff“ angebracht war.
Als ich den Bahnhof verlies und auf die Strasse trat, bemerkte ich, dass auch hier nicht mehr los war. Kaum ein Mensch unterwegs um die Mittagszeit, aber mir sollte es recht sein.
Ich ging in Richtung eines Parks, wurde dabei allerdings mit jedem Schritt langsamer, da mir das Atmen schwerer fiel, als ich es geahnt hatte.
Ich setzte mich auf eine Parkbank, und meine rasselnde und Piepsende Lunge dankte mir für diese Pause. Dann zündete ich mir eine weitere Zigarette an und warf die leere Schachtel in die Büsche. Nach mir die Sintflut, was für eine Einstellung, verklagt mich doch.
So wie die Kritiker, dachte ich. Damit schlug ich wieder mein Buch auf.
Die Person am Telefon, der ich nicht hatte antworten können, war ein Verleger gewesen. Und dieser Verleger hatte mir mitgeteilt, dass ich am Ziel meiner Träume sei. Nach Jahren der erfolglosen Bemühungen, nach unzähligen Nächten, die ich mit nichts anderem als Tippen verbracht hatte, war nun endlich ein Verlag bereit gewesen, ein Buch von mir zu veröffentlichen. Ein Versuch, sagten sie. Eine Chance, sage ich.
Es war kein Roman, sondern eine Sammlung kurzer Geschichten, Essays, und einige Gedichte, manches auch gemischt. Einiges ungewöhnlich, man könnte auch sagen neu, und somit einen Versuch wert.
Ich sah nun also in mein erstes Buch, und wunderte mich darüber, warum es so schlechte Kritiken eingefahren hatte. Ich suchte mir die Stellen, die am meisten verrissen worden waren, und fand sie noch immer gut. Was wussten schon Kritiker? Auf die Leser kam es an. Und mein Buch hatte immerhin genug Leser gefunden, um den Verlag darüber nachdenken zu lassen, ob das Buch eine Fortsetzung erhalten würde.
So saß ich also da im Park, schwer atmend, schwer konzentriert, schwer zu übersehen. Und schwer damit beschäftigt, den Gedanken an die nächste Kippe zu verdrängen. Ich sage ihnen, ist man erst mal da wo ich bin, lassen sich schwer Gründe gegen das Rauchen finden.
Aber da ich noch etwas Zeit verlangte, wollte ich es auch nicht übertreiben. Doch der Gedanke an die Schachteln in meiner Reisetasche war immer präsent.
Mangels Mitmenschen, die ich dort im Park hätte beobachten können, folgte ich den zu Boden schwebenden Blättern. Der Herbst kündigte sich an, und das machte sich auch durch die gesunkene Temperatur bemerkbar. Doch mutig dieser Widrigkeit trotzend folgte ich dem immer lauter werdendem Ruf meiner Blase und suchte Deckung hinter einem der dicht bewachsenen Büsche, um die Pflanzen zu bewässern. Ich rechnete nicht wirklich damit, von jemandem gesehen zu werden, erst recht nicht von irgendeinem Ordnungshüter, doch trotzdem brauchte ich die Sicherheit dieses Busches. Ich bin ein Hemmpisser, und ich stehe dazu! Meine Hose lies ich daher auch nur ein Stück herab, und spürte so deutlich das Fläschchen in der linken Tasche. Immer bei mir, seid ich diese Reise beschlossen hatte. Es sollte mich bis zum Ende dieser meiner Reise begleiten.
Während ich nun so dastand und von einem Gefühl der Erleichterung erfasst wurde, musste ich über den Gedanken schmunzeln, doch erwischt zu werden. Was für eine Schlagzeile das wäre, „Friedel Jameson, Autor von `Fliegender Wechsel – Gedichte und Gedanken´ beim Wildpinkeln erwischt“. Natürlich war mir klar, das nie eine Schlagzeile mit meinem Namen in irgendeiner Zeitung stehen würde (womit ich übrigens im unrecht sein sollte), aber andererseits hat jeder seine eine Schlagzeile verdient.
„Schön abtropfen lassen, du Trottel“ rief nun jemand von irgendwo hinter mir, und der Schreck lies meinen Strahl sofort zu einem Tröpfeln verkümmern.
Schuldbewusst sah ich mich um, hörte aber nur wie jemand davonrannte. Nachdem das spärliche Zubehör wieder verpackt war, ging ich zurück zu meiner Bank, und jetzt erst wurde mir klar, wieso man mich als „Trottel“ tituliert hatte. Meine Reisetasche war weg. Und mit ihr meine Zigaretten. Für einen Wutausbruch war ich zu schwach, und so hustete ich mir alle Frustration aus dem Leib.
Ich beschloss die nächste Polizeidienststelle aufzusuchen und verlies den Park. Die Ausbuchtung in meiner linken Hosentasche erinnerte mich daran, dass alles nur halb so schlimm war. Meine Reisetasche würde ich nicht mehr lange brauchen.
Als ich an einem Zigarettenautomaten vorbeikam, kratzte ich die letzten Reste Kleingeld aus meinen Hosentaschen zusammen... und wie immer in solchen Situationen reichte es nicht.
Da sah ich einen Mann an der Straße stehen, scheinbar auf irgendetwas wartend, und ich beschloss, „pumpen“ zu gehen.
edit: Danke für den schnell erfolgten Comment, Wohan! Übrigens hatte ich einen sehr dummen Fehler im Text, den ich schon korrigiert habe. Statt Lungenkrebs hab ich Brustkrebs geschrieben, naja!