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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : FFIX Fan Fiction im weiteren Sinne...



FlamingAmarant
28.03.2003, 05:09
Ich habe mich vor langer, langer Zeit, als ich noch jung und unbedarft war (*g*) einmal daran gemacht, eine Fan Fiction zu FFIX zu verfassen. Allerdings nicht mit den Spielchars, sondern mit eigenen Chars... das heißt, eigentlich sollte es nur um Red (die ihr in der Geschichte kennenlernen werdet) gehen, aber irgendwie wurde doch ein größeres Projekt daraus...
Da die Geschichte derzeit 122 Seiten umfaßt, war ich der Meinung, ich sollte sie vielleicht nicht unbedingt gleich komplett hier veröffentlichen :D Deshalb poste ich einfach mal das erste Kapitel. Wobei ich allerdings anmerken muß, daß dieses schon zwei Jahre alt ist und ich mittlerweile ein paar stilistische Mängel ausgemacht habe (vor allem im Ausdruck). Aber da die Geschichte eine Arbeit ist, die sich über die Jahre entwickelt hat, habe ich beschlossen, im Sinne dieser Entwicklung den Text im "Urzustand" zu belassen.
Es mag sein, daß dabei nicht das wahre FFIX-Feeling rüberkommt, das ist mir auch schon von Freunden gesagt worden. Aber ich habe mir die Freiheit genommen, die Welt und ihre Geschichte ein wenig zu *grübel* modifizieren. Was man vielleicht an Vorwissen besitzen sollte, liste ich kurz einmal auf:

Die Handlung setzt ungefähr einige Monate nach Ende des Spiels ein
Die Esper sind nicht alle tot, sondern die Überlebenden des Angriffs mit der Invincible flohen größtenteils und schufen sich anderswo auf Gaia neue Existenzen
Die zerstörten Städte wurden mittlerweile wieder aufgebaut
Die Handlung spielt auch teilweise in Orten, die im Spiel nicht vorkommen (Tobermory, Corùn etc.)
Hmmm...wenn mir noch etwas einfällt, ergänze ich es ;)

FlamingAmarant
28.03.2003, 05:13
BEHIND THE DOOR

Szenario I: Feuer

Mehr als die Hälfte der Tische in der schummerigen Kneipe waren besetzt. Kerzenlicht flackerte, laute Rufe schallten durch den Raum, und in der Luft lag ein unverwechselbarer Geruch nach Alkohol, Schweiß und billigem Tabak.
Im allgemeinen Durcheinander fiel es niemandem auf, als eine in einen moosgrünen Umhang gehüllte Gestalt leise die Tür öffnete und sich im Raum umsah. Nur ein Betrunkener an der Theke bemerkte sie, aber er schien mehr Interesse an den weißen Mäusen und rosaroten Zagnars zu finden, die sich seinem alkoholvernebelten geistigen Auge darboten.
Die Gestalt nahm an einem abgelegenen Tisch Platz und schirmte die fast heruntergebrannte Kerze mit einer Hand ab, während sie mit der anderen ein Papierbündel aus der Tasche zog und es knisternd entfaltete. Sie blätterte aufmerksam und ließ in kurzen Zeitabständen den Blick über den Raum schweifen. Plötzlich erstarrte sie, griff nach einem Blatt und hielt es näher an die matte Kerzenflamme. Ein weiterer Blick in den Raum ließ alle Zweifel schwinden.
Mit einem Rascheln verschwand das Bündel wieder in der Tasche. Die Gestalt lächelte halb grimmig, halb erwartungsvoll unter ihrer Kapuze. Doch noch war der richtige Moment nicht gekommen. Sie hob eine Hand und winkte den Wirt heran, dessen unförmige Gestalt sich gerade einen Weg durch das Gewirr an Tischen, Stühlen und am Boden liegenden Personen bahnte.
Der Wirt lockerte nervös mit einem Finger seinen Kragen. Mysteriöse Gestalten, die unbemerkt erschienen, sich allein in einer dunklen Ecke niederließen und ihr Gesicht unter einer Kapuze verbargen, brachten seiner Überzeugung nach nichts als Schwierigkeiten.
„Was darf ich Euch bringen, mein Herr?“ fragte er und wählte damit die höflichste Form der Anrede.
Die Gestalt in dem grünen Umhang schien zu schmunzeln, aber ihr Gesicht war kaum zu erkennen, und so ließ es sich nicht mit Bestimmtheit sagen. Dann erwiderte sie mit unerwartet sanfter Stimme: „ Vorerst nur ein Wasser.“ Lässig legte sie einen ausgeblichenen Lederbeutel auf den Tisch, dessen leises Klimpern seinen Inhalt verriet, und die überraschte Miene des Wirtes metamorphierte zu einem eifrigen Grinsen.
„Sofort, der Herr, sofort“, stieß er hervor und watschelte in Richtung der Theke.
Diesmal war das Grinsen der rätselhaften Person mehr als deutlich. „Es klappt doch immer wieder“, murmelte sie und lehnte sich in ihrem Stuhl zurück. Dann schien ihr etwas einzufallen, denn sie setzte sich ruckartig wieder auf und beugte sich leicht über die Tischplatte, den Kopf auf eine Faust gestützt. Sie erlaubte sich ein kurzes Aufseufzen, als sie bemerkte, wie der übergewichtige Wirt sich ihrem Tisch näherte und mit einem Schnaufen ein Glas Wasser auf den Tisch stellte.
Sie holte einige glänzende Silbermünzen aus dem Lederbeutel und schob sie über den Tisch. Aber bevor der Kneipenbesitzer gierig danach greifen konnte, legte sie eine behandschuhte Hand darüber und verzog die Mundwinkel zu einem flüchtigen Grinsen, als sie den Schrecken im Gesicht ihres Gegenübers sah.
„Dies und noch einmal das Gleiche gegen eine kleine...Information.“
Über das Gesicht des Wirtes rann ein Schweißtropfen. „Ich sage Euch alles, was ich weiß, nur bitte verschont mich!“ stammelte er.
„Pssst!“ zischte die Gestalt. Sie schaute sich kurz um, packte dann den Wirt am Kragen und zog ihn zu sich heran. Mit dem Kinn wies sie auf einen bulligen Mann in abgerissener Kleidung, der sich lautstark an einem Würfelspiel beteiligte.
„Kennst du diese Person?“
„I-ich habe ihn heute zum ersten Mal gesehen, das schwöre ich!“
„Wie lange ist er schon hier?“
„Z-zwei oder drei Stunden, sch-schätze ich..“
„Hat er viel getrunken?“
„Oja, mein Herr, oja.“ Der Mann lächelte beim Gedanken an das Klingeln seiner Kasse, bis er sich an die Hand erinnerte, die noch immer seinen Hemdkragen gepackt hielt. Er schluckte nervös und schielte darauf hinunter. Außer dem Ende eines weiten Ärmels und einem Handschuh aus abgenutztem schwarzem Leder konnte er nichts erkennen, und außerdem begannen seine Augen zu schmerzen. Zu seiner Überraschung lockerte sich der Griff des Unbekannten, und ein Haufen Münzen wurde über den Tisch geschoben. Er griff hastig danach und verstaute sie in seiner Tasche. Als er sich umwandte, fühlte er eine Berührung an der Schulter.
„Denk ja nicht, du könntest mich betrügen. Ich behalte dich im Auge.“
Der Wirt schauderte und strebte so schnell wie möglich der Theke zu.
Der Unbekannte nippte an seinem Wasser und beobachtete aus den Augenwinkeln die Würfelspieler. Unauffällig tastete er nach einigen Gegenständen an seinem Gürtel. Es würde nicht mehr lange dauern...
Er spannte die Muskeln an und beobachtete, wie der schäbig gekleidete Mann einige Worte an seine Mitspieler richtete, untermalt von den Gesten und dem brüllenden Gelächter derselben. Dann verschwand der Beobachtete in Richtung eines ganz bestimmten Raumes. Der Unbekannte ließ einige Sekunden verstreichen, bevor er ihm folgte. Die Zechkumpane des Mannes waren längst schon wieder grölend in ihr Spiel vertieft und nahmen nichts mehr wahr – aber selbst wenn sie ihn bemerkt hätten, ihr Geist war vom Alkohol schon zu vernebelt, als daß sie groß darüber nachgedacht hätten...
Als die Gestalt den Abort betrat, zögerte sie einen Moment lang. Es erschien ihr noch immer nicht richtig... Aber dieser Gedanke wurde schnell verdrängt. Schließlich ging es um eine Menge Geld.
Sie griff an ihren Gürtel, als sich knarrend die Tür eines der abgetrennten Klosetts öffnete, und preßte sich an eine Wand. Der abgerissene Mann, den eine Wolke aus Alkohol umgab, trat heraus, schob die Tür zu und griff nach dem Wasserhahn.
"Daß es in solch einer verkommenen Kneipe fließendes Wasser gibt..." überlegte der Unbekannte, aber der Gedanke wurde sofort von anderen Überlegungen verdrängt. Der alkoholische Geruch – nein, Gestank – des Mannes und seine ungeschickten Bewegungen waren ein Anzeichen dafür, daß er mehr getrunken hatte, als für ihn gut sein konnte – vor allem in dieser Situation...
Das Objekt dieser Überlegungen hatte sich gerade über das Waschbecken gebeugt, als es kalten Stahl an der Kehle spürte.
"Gesucht wegen mehrfachen Totschlags", zischte eine Stimme an seinem Ohr. "Man will dich tot oder lebendig, und es hängt ganz von dir ab, in welchem Zustand ich dich abliefere."
Die Bedeutung dieser Worte kroch langsam durch den rosaroten alkoholischen Dunst in die Gehirnzellen des Gesuchten, die viele wüste Zechereien noch nicht zerstört hatten, und ließen ihn erstarren. Dann meldete sich jedoch ein Reflex, der nicht erst den Umweg über das Hirn machen mußte, sondern in seinem Ellbogen eilte und ihn zustoßen ließ.
Die Person hinter ihm war von durchschnittlicher Größe, und der steckbrieflich Gesuchte, der ein Stück größer war, hätte ihn eigentlich auf Brusthöhe in die Rippen treffen müssen. Stattdessen wurde sein Stoß gedämpft...
Die Gestalt lachte auf und packte seine Handgelenke. Während er noch zu verarbeiten versuchte, was eben eigentlich geschehen war, wurden diese geschickt gefesselt. Dann fühlte er etwas Spitzes im Rücken, und eine täuschend sanfte Stimme sagte: "Heute nehmen wir den Hinterausgang." Widerstandslos ließ er sich zur Tür herausführen. Es ging durch dunkle, verwinkelte Gassen, dann durch breitere Wege hin zu Straßen, die von Villen gesäumt waren.
Sein verbliebener Verstand trat nach seinem Gehirn und versuchte ihn anzuschreien: "Nun wehr dich doch, du verdammter Idiot!" Aber als würde sein Häscher über die Gabe der Telepathie verfügen, verstärkte sich der Druck der Klinge in seinem Rücken, und die sanfte Stimme flüsterte: "Denk nicht einmal daran, zu fliehen."
Ja, sanft war die Stimme ohne Zweifel, doch ein seltsamer Unterton jagte ihm kalte Schauer den Rücken hinunter. "Was immer dich erwarten mag", schien seine Botschaft zu sein, "es kann niemals so schlimm sein wie das, was ich mit dir anstellen werde, wenn du dich widersetzt."
In seinen furchtsamen Gedankengängen gefangen, nahm er nur noch am Rande wahr, was um ihn herum – und mit ihm – geschah. Die mysteriöse Gestalt trat einigen gutgekleideten Personen gegenüber und führte kurze, leise Verhandlungen, an deren Ende ein prallgefüllter Geldbeutel den Besitzer wechselte. Nur am Schluß konnte er einige Fragmente aufschnappen.
"Wir sind Euch zu größtem Dank verpflichtet", sagte einer der Adligen – um solche handelte es sich zweifellos. "Wenn wir uns auch für die Zukunft Eurer Dienste versichern könnten, Herr..."
"Man nennt mich Red", erwiderte die ihm schon bekannte Stimme. "Und ich bin nur mir selbst verpflichtet. Ich arbeite für niemanden, und ich nehme nur den Auftrag an, der mir gelegen kommt. Hauptsache, die Bezahlung stimmt. Salve..."
Red lachte noch einige Straßen weiter vor sich hin. Der empört-pikierte Gesichtsausdruck des Adligen – ein unvergleichlicher Anblick. Es machte doch immer wieder Spaß...
Red öffnete den moosgrünen Umhang und enthüllte kniehohe Lederstiefel, eine enge Hose und ein ärmelloses Oberteil, im Brustbereich straff gespannt...
Sie ließ den Geldbeutel in der Tasche verschwinden und lachte immer noch leise, als sie die Stadt verließ.

Die Zwillingsmonde standen schon hoch am Himmel, als Red im Wald ihr Nachtlager aufschlug. Ein knisterndes Feuer, der Umhang als Decke und ein unvorsichtiger Garuda als Abendessen. Die bunten Federn warf sie nach einem Achselzucken in die Flammen.
Sie griff nach ihrem Geldbeutel, öffnete ihn und verteilte die glänzenden Münzen vor sich auf dem Boden. Zufrieden zählte sie, rechnete schnell und ließ das Geld wieder im Lederbeutel verschwinden.
Wenn sie sich beeilte, konnte sie rechtzeitig zum Jagdfestival in Lindblum sein. Dort nahmen eine Menge Leute teil, die etwas auf dem Kerbholz hatten – und sicher auch der eine oder andere, der auf ihrer Liste stand...
Sie griff nach einer gut durchgebratenen Garudakeule, während sie weiter nachdachte. Wenn sie sich etwas beeilte, erreichte sie Dorf Dali innerhalb von weniger als zwei Tagesmärschen und konnte sich einen Chocobo mieten, was die Reisezeit erheblich verkürzen würde. Dann hätte sie Zeit, in Lindblum Erkundigungen einzuziehen und gewisse Vorkehrungen zu treffen...
Red hörte ein Rascheln und bemerkte eine Bewegung im Unterholz. Sie hielt sich nicht mit langen Überlegungen auf, griff nach einem Vollmondring, den sie für diesen Zweck beiseite gelegt hatte, und warf ihn mit voller Wucht. Befriedigt hörte sie, wie die Geräusche verstummten. Sie wartete einige Augenblicke lang ab, dann stand sie geschmeidig auf und schlich in die Richtung, in der das Rascheln erklungen war. Im Dämmerlicht der Monde wäre sie beinahe auf ihren Wurfring getreten. Sie bückte sich und hob ihn auf, dann betrachtete sie das Wesen, das sie damit niedergestreckt hatte.
Es war eine Carnivorzecke, zweifellos nur betäubt. Wenn sie Gelegenheit zum Zielen bekam, konnte Red mit einem einfachen Vollmondring selbst einen ausgewachsenen Zagnar niederstrecken, doch dies war ein Glückstreffer gewesen.
Sie griff nach dem Mithrildolch an ihrem Gürtel, hielt dann aber inne. Das Fleisch einer Carnivorzecke war ungenießbar, die dünne lilafarbene Haut zerriß viel zu leicht. Sie packte das Geschöpf an einem Bein und zerrte es einige Meter weit fort. Zwar zählten Carnivorzecken zu den weniger intelligenten Monstern, aber nach diesem Erlebnis würde sich das Wesen erst einmal von ihrer Lagerstätte fernhalten.
Als Red wieder zu ihrem Lager zurückkehrte, spürte sie, wie ihre Lider langsam schwer vor Müdigkeit wurden. Sie löste den Dolch von ihrem Gürtel und legte ihn griffbereit neben sich, dann wickelte sie sich in ihren Umhang, schloß die Augen und versank in einen tiefen, traumlosen Schlaf.

Die Sonne zeigte sich erst gerade über den Berggipfeln, und die Zwillingsmonde waren noch schwach im Westen zu erkennen, als Red erwachte und nach ihrem Geldbeutel tastete. Alles war an Ort und Stelle, und so befestigte sie ihre Waffen wieder am Gürtel, klopfte den Dreck von ihrem grünen Umhang und löschte die letzte schwelende Glut mit Erde.
Eigentlich wollte sie sofort aufbrechen, doch sie konnte ihre Neugier nicht bezähmen und schlich noch einmal zu der Stelle, an der sie in der Nacht die Carnivorzecke zurückgelassen hatte. Von dem Monster war nichts mehr zu sehen – so wie es aussah, hatte es seinem Überlebensinstinkt Gehör geschenkt und sein Heil in der Flucht gesucht.
Red band ihren Umhang mit einem rotbraunen Gürtel zu, wobei sie darauf achtete, daß er in der Taille gerafft war und ihre Figur nicht erkennen ließ. Inzwischen war sie an diese Tarnung gewöhnt. Was sollte man auch sonst tun, wenn einem das eigene Konterfei von Dutzenden Steckbriefen entgegensah...?
Sie sah es als eine Ironie des Schicksals, daß sie nun selbst zu einem Kopfgeldjäger geworden war. Manchmal fragte sie sich im Scherz, was wohl passieren mochte, wenn sie ihren eigenen Kopf auslieferte...
Sie konnte sich nicht an ihre Herkunft erinnern. Alles, was vor ihrem neunten Lebensjahr geschehen war, schien in einer geheimen Kammer ihres Gedächtnisses verschlossen zu sein, deren Schlüssel sie verloren hatte...
Zum Zeitpunkt ihrer ersten Erinnerung war sie etwa acht Jahre alt und lebte in einem selbstgezimmerten Bretterverschlag im Armenviertel Trenos. Das Leben war hart für die Straßenkinder, und wenn man einmal unverletzt und ohne knurrenden Magen schlafen gehen konnte, dann war das ein wahrer Festtag. Wer sich nicht verteidigen konnte, dem war kein langes Leben beschieden...
Red war schon immer eine Außenseiterin gewesen mit ihren widerspenstigen roten Haaren, der seltsam grünblauen Haut und der gewählten Ausdrucksweise, die sich deutlich vom Niveau der anderen Kinder abhob. So war sie das beliebteste Opfer gewesen, doch sie lernte sich rasch zu wehren. Und dann gab es da einen alten Mann, der ihr den ersten Dolch schenkte und sie den Umgang mit Waffen lehrte – doch gegen einen Preis, den das junge Mädchen noch nicht verstehen konnte...
Eine Schlägerin war Red nie, doch bald war sie unter ihren Altersgenossen und selbst unter Älteren gefürchtet für ihren geschickten und gnadenlosen Kampfstil und die Fähigkeit, mit jeder Waffe sofort umgehen zu können – selbst Flaschen und Stuhlbeine konnte sie zum Kampf einsetzen.
Im Alter von 16 Jahren entschloß sie sich schließlich, Treno zu verlassen. Um ein wenig Geld zu verdienen, verdingte sie sich in einer der anrüchigen Kneipen als Rausschmeißerin. Sie war erfolgreich, bis zu jenem verhängnisvollen Abend, als vor ihren Augen zwei Betrunkene eine Messerstecherei begannen – und plötzlich lag der eine tot vor ihren Füßen, und jemand drückte ihr ein blutverschmiertes Messer in die Hand...
Ein ums andere Mal fragte sich Red, wie sie wohl hätte überleben können, wenn sie nicht eine so gute Kämpferin gewesen wäre. Sie floh tagelang durch die Berge und erreichte schließlich Burmecia, wo sie eine männliche Identität annahm. Gerade war der Krieg gegen Alexandria ausgebrochen, und so stellte sie sich als Söldner in die Dienste des burmecianischen Heeres. Als der Krieg endete, hatte sie Hunderte sterben sehen, und sie hatte ihre Skrupel verloren...

Es dämmerte schon, als Red die Treno zugewandte Seite des Südentors erreichte. Sie war langsamer vorangekommen, als sie erwartet hatte – einige Carnivorzecken hatten sie aufgehalten und es mit ihrem Leben bezahlt -, und das bedeutete eine weitere Nacht im Freien. Mit Einbruch der Dunkelheit wurde das Südentor geschlossen, und als eine Person, die nicht den Eindruck machte, reich, bedeutend oder beides zu sein, hatte sie kaum eine Chance, die Torwächter umzustimmen.
Red zuckte mit den Schultern. Schließlich hatte sie schon oft genug unter freiem Himmel geschlafen, so daß sie es sich kaum noch anders vorstellen konnte. Abgesehen davon, daß man vor der Witterung geschützt war, boten Häuser und ähnliches keinen Vorteil für sie. Die Betten waren zu weich, die Einrichtung nur dekorativer Luxus, und Annehmlichkeiten wie Küchen oder Bäder waren ihr fast völlig unbekannt – obwohl sie sich vage daran erinnerte, etwas Derartiges schon einmal gekannt zu haben...
Die Gegend war nicht bewaldet, und außerdem verkehrten viele Reisende zwischen Treno und dem Südentor. Red suchte sich also einen abgelegenen Platz am Berghang, wo sie sich in ihren Umhang einwickelte und sofort einschlief.
Am nächsten Morgen erwachte sie ein wenig verspannt – der felsige Boden war nicht unbedingt zum Schlafen geeignet. Aber sie ignorierte ihren schmerzenden Rücken vorerst. Bis zum Dorf Dali war es nur noch ein halber Tagesmarsch, und vielleicht – sie tastete lächelnd nach dem Geldbeutel an ihrem Gürtel – würde sie sich dort den Luxus erlauben, ein Bad zu nehmen.
Sie pfiff die Melodie eines Liedes vor sich hin, das sie in der Kneipe in Treno aufgeschnappt hatte. Der Text war so anstößig, wie man es von solchen Liedern erwarten konnte, aber daran hatte sich Red noch nie gestört. Nur einen Steinwurf entfernt sah sie das Fallgitter des Südentors in der Morgensonne glänzen. Zum Glück waren keine Passierscheine mehr zum Durchqueren nötig, so wie in der Zeit, als auf dem Kontinent Krieg geherrscht hatte. Trotzdem bewahrte sie noch eines dieser Papiere auf – längst verschmutzt und zerknittert, fast unleserlich, erinnerte es sie an ihre Zeit als Söldner, und Erinnerungen bedeuteten ihr viel.
Ein uniformierter Wächter spähte verschlafen aus dem kleinen Wachturm neben dem Tor. Red trat auf die Fensteröffnung zu und grüßte mit einem angedeuteten Nicken. Der Wächter erwiderte es, bevor er fragte:“ Wohin führt Euch der Weg?“
„Dorf Dali“, erwiderte Red knapp.
Ihr Gegenüber senkte kurz den Kopf und notierte etwas, dann blickte er wieder auf. „Der Grund Eurer Reise?“
Red runzelte die Stirn. „Ich möchte einen Chocobo mieten“, antwortete sie vorsichtig.
„Ach, dann handelt es sich also nur um eine Zwischenstation.“ Der Wächter kritzelte wieder etwas auf sein Blatt Papier, dann sah er sie an und lächelte verlegen. „Gehört alles zum Protokoll“, erklärte er. „Alle Südentore unterstehen dem Großherzog von Lindblum, und er ist sehr daran interessiert, wer sie passiert.“ Wieder lächelte er und machte eine entschuldigende Geste. Er war noch recht jung, so wie es aussah, und seine sommersprossigen Wangen erröteten leicht. Dann legte er den Zettel beiseite und räusperte sich.
„Rein aus persönlichem Interesse – wohin soll Euch die Reise führen? Ich meine, wenn Ihr einen Chocobo mieten wollt...“ Er errötete noch etwas stärker.
‚Kaum älter als ich’, dachte Red, ‚und wahrscheinlich noch nicht lange in seinem Job. Andernfalls wäre er nicht so neugierig...“
„Lindblum“, sagte sie.
„Ach, Ihr wollt sicher zum Jagdfestival!“ Der junge Mann strahlte. „Wollt Ihr selbst daran teilnehmen?“
„Ich habe vor, auf die Jagd zu gehen“, erwiderte Red vage.
„Es muß fantastisch sein! All die Leute in der Stadt, und dann das Unterhaltungsprogramm...Ich habe immer davon geträumt, einmal zusehen zu können. Aber ich war noch nie so weit fort, wißt Ihr, ich komme aus Dorf Dali...“ Plötzlich unterbrach er sich erschrocken. „Entschuldigt bitte, ich wollte nicht...äh...“
Red schmunzelte. „Paßt schon.“
Der Wächter wirkte auf einmal wieder ganz diensteifrig. „Wenn Ihr wirklich nach Lindblum wollt, dann würde ich Euch zu einer Passage auf einem Luftschiff raten. Die Frachtschiffe verkehren mittlerweile zwischen Dorf Dali und den meisten Städten des Kontinents – sie wurden alle auf Dampfantrieb umgestellt, und die Reise ist wesentlich kürzer und angenehmer als mit einem Chocobo. Außerdem muß man sie nachher nicht zurückbringen...“ Er grinste, und Grübchen erschienen auf seinen Wangen.
Red erteilte sich einen mentalen Verweis. Diesen Punkt hatte sie gar nicht berücksichtigt. Natürlich, es hätte ein Problem werden können, denn eigentlich hatte sie nicht vor, nach dem Jagdfestival nach Dorf Dali zurückzukehren. Aber ein Frachtschiff – ja, das war eine perfekte Lösung. Nach ihren Erfahrungen waren die fliegenden Frachtkähne geräumig genug, um einige Passagiere aufzunehmen, und die Kapitäne verlangten meistens nicht allzu viel Geld für die Fahrt.
Sie schenkte dem jungen Mann ein strahlendes Lächeln. „Vielen Dank, Ihr habt mir sehr geholfen.“
„Nicht zu danken“. Er strahlte ebenfalls. „Ich wünsche Euch noch eine gute Reise und...nun, viel Erfolg!“
Die Kopfgeldjägerin grinste und trat unter dem Tor hindurch, das der Wächter für sie angehoben hatte. Sie wandte sich nach rechts und beschleunigte ihre Schritte, bis sie das Dalitor erreichte – wie dem Namen schon zu entnehmen war, der Dorf Dali zugewandte Teil des Südentors. Der dortige Wächter schenkte ihr kaum Beachtung, sondern grüßte nur flüchtig und ließ dann das Gitter für sie hoch. Sie beschleunigte den Gang noch ein wenig mehr, ohne auf ihren Magen zu achten, der auf ein Frühstück hatte verzichten müssen und jetzt hartnäckig darauf bestand, zumindest ein Mittagessen zu bekommen. Red schnaubte verärgert. Wahrscheinlich hatte sie sich schon zu sehr daran gewöhnt, jeden Tag drei feste Mahlzeiten zu sich zu nehmen...aber sie hatte jetzt keine Zeit, schließlich wollte sie ihr Ziel so schnell wie möglich erreichen.
Rein aus Gewohnheit griff sie nach ihrem Proviantbeutel und war überrascht, einige Streifen Zagnar-Dörrfleisch darin zu finden. Es hatte die Konsistenz von Stiefelleder und schmeckte auch ungefähr so, aber immerhin konnte man es essen. Sie riß ein Stück mit den Zähnen ab und kaute angestrengt darauf herum. Als Dorf Dali in Sichtweite kam, war sie gerade mit dem ersten Streifen fertiggeworden. Sie fügte ihrer geistigen Checkliste einen Punkt hinzu: „So schnell wie möglich neue Vorräte beschaffen.“
Es war um die Mittagszeit, als Red den Ort betrat. Die Sonne stand hoch am Himmel, und ihr wurde langsam warm unter ihrem Umhang. Ihr Magen fühlte sich immer noch irritierend leer an, und es trug auch nicht gerade zur Verbesserung ihrer Stimmung bei, daß sie am Ortseingang beinahe von einigen schreienden Kindern umgerannt wurde. Sie kniff die Augen zusammen und fluchte vor sich hin.
Auf den ersten Blick schien sich seit ihrem letzten – und einzigen – Besuch in Dorf Dali nicht viel verändert zu haben. Allerdings sah man jetzt viel mehr Erwachsene, die auf den Feldern arbeiteten, mit den Kindern spielten oder einfach nur herumstanden und schwatzten. Red erntete einige verwunderte Blicke, aber dann wandte sich die Aufmerksamkeit der Dorfbewohner schnell wieder anderen Dingen zu.
Als sie den Start- und Landeplatz für die Luftschiffe erreichte, stutzte sie einen Moment lang. Das freie Feld, an das sie sich erinnerte, hatte sich in ein eigenständiges Dorf verwandelt. Es gab Läden, eine kleine Pension und mehrere Halteplätze für Luftschiffe, mit Schildern ausgezeichnet. Ein oder zwei Dutzend Leute schlenderten dort herum, begutachteten die Waren oder bestaunten die Luftschiffe, die gerade beladen wurden.
Red inspizierte kurz das Angebot der Ladenbesitzer, fand aber nichts, was sie nicht auch in Lindblum würde erstehen können. Dann hielt sie Ausschau nach einem geeigneten Transportmittel. Sie fand es schließlich in Form eines zuverlässig wirkenden, rotbraun gestrichenen Frachtschiffs, dessen Frachtraum einige kräftig gebaute Matrosen gerade mit Fässern und Kisten füllten. Sie beobachtete das Ganze einige Sekunden lang und sah sich dann nach dem Kapitän um.
Der Gesuchte, ein kräftiger vollbärtiger Mann, schien gerade ins Gespräch mit einem anderen potentiellen Passagier vertieft zu sein. Red trat leise näher und versuchte zu lauschen, aber der Fremde hatte sie bereits entdeckt und nickte ihr zu. Sie erwiderte das Nicken knapp und trat dann auf den Kapitän zu.
Bevor sie den Mund aufmachen konnte, wurde sie schon von ihm angesprochen: „Ich vermute, Ihr wollt auch eine Passage nach Lindblum buchen.“
Red grinste unter ihrer Kapuze und bestätigte die Vermutung.
Der Kapitän musterte sie von Kopf bis Fuß, wobei er nicht viel mehr zu sehen bekam als Stiefelspitzen, einen moosgrünen Umhang, Lederhandschuhe und einen Teil des Gesichts.
„Seltsames Volk ist heute unterwegs“, murmelte er in seinen Bart. „Also gut, ich schätze, es liegt am Jagdfestival. Wenn Ihr 100 Gil erübrigen könnt...“
Red zog überrascht die Augenbrauen hoch. 100 Gil waren der Standardpreis für eine Übernachtung in einer durchschnittlichen Herberge – ohne Frühstück. Sie hatte eigentlich einen wesentlich höheren Preis für den Flug erwartet.
Sie wandte sich kurz um, griff in ihren Geldbeutel und reichte ihrem Gegenüber wortlos eine glänzende Münze. Sein Blick veränderte sich und war auf einmal nicht mehr skeptisch, sondern respektvoll. Er machte eine einladende Geste in Richtung des Schiffs.
„Ich bitte einzutreten, der Herr!“
Red grinste still.
Sie kletterte die Strickleiter hoch und betrat das Frachtschiff. Es war enger als erwartet; die Mitte des Raumes, in dem sie sich befand, wurde von den Maschinen des Schiffs beansprucht. Sie umrundete sie halb, warf den herumeilenden Matrosen und Matrosinnen nur flüchtige Blicke zu und stieß eine vielversprechende Tür auf. Die Reise konnte beginnen.

FlamingAmarant
22.04.2003, 22:02
Trotz (oder gerade wegen) fehlenden Feedbacks hier mal das nächste Kapitel...

Szenario II - Eis


Daß es so einfach werden würde, hatte Chiam nicht vermutet. Sicher, sie kannte das Sicherheitssystem in- und auswendig. Innerhalb von 16 Jahren war es kein einziges Mal geändert worden. Trotz allem hatte sie mit Komplikationen gerechnet. Bei einem Coup ging nie alles glatt. Irgend jemand wachte garantiert zur falschen Zeit auf, ein Wachmann hatte ganz sicher einen plötzlichen Anfall von Arbeitswut, oder der Nachbarshund war ein wenig zu aufmerksam...
Aber sie hätte es sich denken können. In diesem Haus verlief immer alles nach Plan. Und wenn auf dem Terminplan stand: "Donnerstag, 01:00 Uhr: Einbruch. Aufgaben: Fest schlafen.", dann wurde auch fest geschlafen, basta.
Chiam drückte sich an einer Hauswand entlang und spähte um die Ecke. Die Luft war rein - wie zu erwarten. Sie ließ den Rucksack von den schmalen Schultern gleiten und schlüpfte aus ihrem hautengen nachtschwarzen Ganzkörperanzug. Diese Aufmachung war nicht nötig, ganz und gar nicht, aber Chiam wußte, daß in ihrem Inneren noch immer ein Teil ihrer romantisierten Vorstellung von Dieben steckte. Und da gehörte so ein Anzug eben dazu. Basta.
Sie löste das Haarband aus ihren blonden Haaren und schlüpfte in bequemere Kleidung: Eine Hose aus blauem Baumwollstoff, unter den Knien abgeschnitten; ein enges weißes T-Shirt; abgetragene braune Lederschuhe. Sie stopfte den Anzug hastig in den Rucksack, schulterte ihn und machte sich auf den Weg zu ihrer Unterkunft.
Ihre Behausung war eine Bretterhütte in jenem Teil Trenos, der von den Adligen gemeinhin das "Armenviertel" genannt wurde, meist begleitet von einem abfälligen Naserümpfen. Die Bewohner des Viertels selbst bezeichneten es als "die Grube". Sie hatten recht damit: Wer einmal hineingeraten war, kam nur schwer wieder hinaus; in jedem Fall mußte er (oder sie) damit rechnen, ziemlich dreckig zu werden.
Chiams Hütte war nach den Verhältnissen der Grube fast luxuriös eingerichtet: Ein runder Tisch mit drei wackligen Stühlen; ein Bett mit Matratze und echtem Bettzeug; ein großer Schrank und ein Bücherbord; eine große Zimmerpflanze; ein Plumpsklo - schließlich floß der Trenofluß direkt darunter. Und die Krönung: Ein unbeschädigter Kohlegrill. Hinter der Tür lag eine Fußmatte - Chiam mochte keinen Dreck in der Wohnung.
Natürlich war dieser Bretterverschlag kein Vergleich zu ihrem vorherigen Heim. In ihr Zimmer hätte er drei- oder viermal hineingepaßt. Es gab keine Bediensteten, keine Swimmingpools, keine Heizung. Ab und zu regnete es durchs Dach, im Winter war es eiskalt, nie hatte man wirklich Ruhe. Aber Chiam war zufriedener als je zuvor.
Nie hätte jemand die gefürchtetste High-Society-Diebin Trenos in einer Holzhütte in der Grube vermutet. Und nie hätte jemand diese Diebin in Chiam vermutet - einem zerbrechlich schlanken, zierlichen, 16jährigen Mädchen mit einer grünen Strähne in den blonden Haaren, einem zarten Gesicht und großen grünen Augen. Wenn es regnete und sie eine Kapuze tief in ihr hübsches Antlitz zog, wurde sie fast immer übersehen.
Und noch etwas hätte niemand vermutet: Chiam war das einzige Kind einer der reichsten Familien Trenos. Sie hatte alles gehabt, was man mit Geld kaufen konnte. Doch die High-Society und ihre Konventionen paßten ihr nicht. Viel lieber verbrachte sie ihre Zeit auf der Straße, mit Taschendiebstahl und Kartentricks. Und zum ersten Mal fühlte sie sich frei...
Doch jetzt war keine Zeit für Nostalgie. Vielmehr war ein weiterer Kleiderwechsel angesagt. Diesmal war das Outfit "verwöhnte reiche Göre" an der Reihe. Schließlich hatte sie vor, im besten Stall Trenos einen Chocobo zu mieten - einen goldenen noch dazu. Als Unterklassen-Mädchen hatte sie da keine Chance. Schnell in die entsprechende Kleidung geschlüpft, Handtasche gepackt - als Dame von Welt war dieses Accessoire unverzichtbar -, und es konnte losgehen.
Als sie aus der Hütte trat, wurde sie von einigen Augenpaaren unverhohlen angestarrt. Doch die meisten ihrer "Nachbarn" kannten ihr Faible für wechselnde Bekleidung und hatten sich daran gewöhnt, ständig scheinbar verschiedene Personen aus Chiams Behausung spazieren zu sehen. Jeder in der Grube hatte seine Ticks, und solange diese harmlos waren und niemand dadurch zu Schaden kam, störte sich keiner daran.
So verwunderlich es auch war, das Nobelviertel Trenos grenzte direkt ans Armenviertel. Eine Mittelschicht gab es in dieser Stadt der Extreme nicht. Wer sich aus der Grube befreien konnte oder wer den beschämenden Sturz aus der Oberschicht erleben mußte, der verließ Treno so schnell wie möglich. So kam es, daß man sich in einen Torbogen stellen konnte und links von sich Baracken, rechts Villen sah oder umgekehrt. Auf der einen Seite lagen Betrunkene mit blutenden Wunden im Rinnstein, auf der anderen flanierten vornehme Damen in Kleidern, mit deren Gegenwert man ein kleines Dorf hätte kaufen können. Wirklich, eine Stadt der Extreme.
Chiam war gerade durch einen dieser Torbögen geschritten und verfiel jetzt in das Gehabe der High-Society: Nase hoch, Handtasche an sich raffen, hastiger Gang, ich bin wer, ich habe es eilig. Niemand nahm besondere Notiz von ihr. Glück gehabt.
Am Stadtrand kam schließlich der nobelste - und beste - Chocobo-Mietstall des Ortes in Sichtweite. Schon von weitem konnte man die großen, mehr als mannshohen Vögel krähen hören. Chiam beschleunigte ihren Schritt noch ein wenig. Hoffentlich war noch ein goldener Chocobo da, ansonsten würde die Reise wenig angenehm werden.
Kaum war sie durch das Eingangstor getreten, kam auch schon der Eigentümer auf sie zugestürmt und begrüßte sie überschwenglich.
"Willkommen in meinem bescheidenen Mietstall! Mein Name ist Hal! Kann ich Euch irgendwie behilflich sein?! Soll ich Euch vielleicht herumführen?!"
Chiam winkte kühl ab: "Ich suche einen golden Chocobo", erwiderte sie herablassend und kramte demonstrativ in ihrer Handtasche. "Und ich brauche ihn jetzt."
Hal überschlug sich beinahe vor Eifer: "Aber natürlich, selbstverständlich! Ihr werdet mehr als zufrieden sein! Bitte folgt mir!"
Chiam stolzierte hinterher und überlegte bei sich: "Wie schafft der Kerl es bloß, jeden Satz mit einem Ausrufezeichen zu beenden?"
Tatsächlich hatte Hal nicht zuviel versprochen. Der goldene Chocobo war ein ausgezeichnetes Tier, das sein Geld zweifellos wert war. Nachdem sie einen Vertrag unterzeichnet hatte, führte sie ihn aus dem Stall und aus Treno heraus. Alles, was wichtig war, hatte sie in ihrer Handtasche. Sie schwang sich in den Sattel und trieb den Vogel an. Er schlug mit den Flügeln und stieg auf. Chiam spürte den Wind, der ihre Nase umwehte. Mit einem Lachen trieb sie den Chocobo an, noch höher und schneller zu fliegen, bis Treno nur noch ein kleiner Fleck in der Ferne war, ein unbedeutender Punkt auf der Landkarte. Nun strebte sie neuen Zielen entgegen, neue Abenteuer warteten auf sie. Sie jubelte und klammerte sich im Sattel fest. "Lindblum, ich komme!"