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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Igelwanderung



Lonegunman81
15.07.2004, 07:44
Also, die Geschichte die nun kommt ist etwas länger, aber BITTE lest sie durch, denn ich hab mir echt Mühe damit gemacht und glaube... hoffe, dass sie wirklich wirklich gut ist!!! Also, bitte lest sie alle und sagt mir, so viele vo neuch wies geht, vor allem meine Stammleser (auch du, Cipo), was ihr denkt und wie ihr sie findet!
DANKE im voraus! Und nun, die Geschichte!:)

IGELWANDERUNG

Niemand kennt noch den Mann, der Tag für Tag die gleiche, weiße Decke seines Zimmers in der Psychiatrie anstarrt, ohne einen Funken von Bewusstsein. Den Mann, der nur noch lebt, weil er seit Jahren künstlich ernährt wird, mit einem Schlauch, den man durch eines seiner Nasenlöcher geführt hat, einen Schlauch, der hin und wieder von einem entnervten Pfleger lieblos gewechselt und erbarmungslos in seine Speiseröhre getrieben wird. Doch das merkt der Mann nicht, den niemand kennt.
Damals, als die Sache durch die Presse ging, die Sache die ihn letztendlich hier enden ließ, da kannte ihn fast jeder. Damals, als die Zeit der Igelwanderung gekommen war, und mit ihr das grausame Schicksal eines Jungen.

Es war ein sonniger, frischer Sommermorgen, mit einer sanft scheinenden Sonne, die alle Bäume und Wiesen der Stadt in helles, saftiges Grün tauchte. Die Vögel zwitscherten schon seit Morgengrauen angestrengt in den Bäumen vor Olivers Fenster, doch weder sie noch die Strahlen der Sonne vermochten es ihn zu wecken. Das schaffte erst der unbarmherzige Wecker, dessen schrillende Glocken nur eines aussagten: Schule!
Der Ruf seiner Mutter, der nun von irgendwo aus dem Haus zu ihm ins Zimmer drang, ließ den Gedanken Schule zu bitterer Realität werden.
Nachdem er sich aus dem Bett gekämpft hatte, sich im Spiegel seines kleinen Badezimmers betrachtet und dabei über zwei neue, pralle Pickel aufgeregt hatte, kam ihm langsam ein Gedanke in den Kopf. Es war mehr... eine Erinnerung an etwas, aber was? Ah ja, wie hatte er das nur vergessen können!? Patrick und er hatten doch gestern nach der Schule ausgemacht heute blau zu machen! Wenn man 15 Jahre alt ist, darf man sein Leben an solch einem sonnigen Tag doch nicht in der Schule vergeuden, wo sie einem nicht mal richtig was übers •••••• erklären können, so hatte sich Patrick ausgedrückt. •••••• lernt man nur aus Pornos, so endete dessen Theorie stets. In der Praxis getestet hatten sie es beide noch nicht, daher blieb es für Oliver zunächst eine Theorie.
„Wenn ich morgen die fette Schamlumpenkuh Frau Schuller wieder sehen muss, dann wird ich ihr vor die Füße kotzen, glaube mir!“ Das war das zweite Argument gewesen, das Patrick angebracht hatte. Während Oliver sich das Clearasil im Gesicht verrieb, fragte er sich, woran es nur liegen mochte, dass Patrick so einen ausgeprägten Wortschatz hatte.
Er wusste nur, das Patrick allein bei seinem Vater lebte, Oliver hingegen lebte allein mit seiner Mutter. Aber darin lag schon ein erheblicher Unterschied, ob man „bei“ oder „mit“ jemandem lebte. Während Patricks Vater eigentlich nie zuhause war, konnte Oliver seine Mutter nie loswerden, denn sie war immer da. Das war zwar meistens schön und mochte ein Grund dafür sein, warum er einen „besseren“ Wortschatz besaß, doch es hatte auch Nachteile.
„Oliver, beeil dich, du musst gleich los! Dein Frühstück ist schon fertig!“
Seine Mutter arbeitete nicht, das war der Preis für ihre Gegenwart im Haus, die Abhängigkeit (und sei sie auch nur finanziell) von ihrem Mann, seinem Vater. Der zahlte zwar, doch darüber beschwerte er sich bei jeder Gelegenheit, die sich bot. Dabei war er derjenige, der alles zerstört hatte.
Oliver sah sich im Spiegel. Einen Moment lang ähnelte der starre Blick auf unheimliche Weise dem Blick, den er Jahre später als ein Mann in der Psychiatrie Tag für Tag zeigen würde. Doch Oliver sah im Spiegel seinen Vater... er wurde ihm mit jedem Jahr ähnlicher, und das machte ihn wütend. Er wollte nicht so aussehen.
„OLIVER!!!“
Das riss ihn aus seinen düsteren Gedanken, und das Zwitschern der Vögel und der Gedanke an Patrick machten ihn wieder fröhlich! Er war 15, verdammt, und das Leben stand vor ihm.

Nach dem Frühstück packte er sich in seinem Zimmer noch den Rucksack. Es musste ja so aussehen, als ginge er zur Schule. Seine Mutter war ungewöhnlich fröhlich gewesen, wie sie während des Frühstücks mit ihrem strohblonden Haar und dem blumigen Morgenrock durch die Küche getänzelt war. Es musste an diesem herrlichen Sommer liegen, dem Tag der Igelwanderung, wie es in dieser Gegend hieß. Immer um diese Zeit, und fast immer besonders an diesem Tag, wanderten etliche Igel über die Hauptstrasse im südlich gelegenen Waldgebiet. Warum sie so etwas gefährliches (und dummes) taten, war kaum einem klar.

Während er nun einpackte, fiel ihm (voller Vorfreude) der dritte und letzte Grund ein, mit dem ihn Patrick zum Schwänzen überredet hatte. Der BESTE Grund. Alkohol!
Sofort fing irgendwo in seinen Gehirnwindungen Herbert Grönemeyer an zu singen („Alkohooool“), und Oliver musste Schmunzeln. Er wusste natürlich, wie pubertär dieser Plan war, doch wann hat das jemals einen Pubertierenden davon abgehalten, es trotzdem zu tun!? Eben! Patricks Vater war einige Tage fort, aber sein Vorrat an alkoholischen Getränken war zurückgeblieben, welch ein Segen! Sturmfrei, Saufen, Spaß haben! Das war Leben!
In dem Moment kam die Person in Olivers Zimmer, die ihm mehr bedeutete als alles andere in seinem Leben. Und gleichzeitig nervte ihn diese Person mehr als alles andere. Paradox, aber wahr!
„Ich hab euch gestern vordem Haus reden hören, Oliver!“
Oliver versuchte nun angestrengt, seinen sechsjährigen Bruder zu ignorieren, doch das war gar nicht so einfach. Nur war das Problem, das man sich gar nicht erst auf Timo einlassen durfte, wenn man ihn wieder loswerden wollte.
„Ich weiß, was ihr vorhabt! Ihr wollt plauh machen! Oliverrr!“
Das reichte, Oliver musste grinsen. Er konnte einfach nicht anders, wenn sein Bruder versuchte ihrer beider Mutter zu imitieren... Oliverrr!
„Ist ja toll was du schon so alles kannst, Timo! Anderen zuhören, SUPER! Aber es heißt „blau machen“, nicht „plauh machen“! Und jetzt verzieh dich, du weißt ja eh nicht was damit gemeint ist!“
Das funktionierte sonst hervorragend, Timo hätte sich nun schmollend zurückziehen sollen. Doch der kleine Kerl blieb hartnäckig.
„Du sollst doch die Schule nicht schwänzen, Olli! Das ist nicht gut, es ist schlecht, und Mama wird böse und am Ende weint sie wieder!“
In Oliver stieg plötzlich Zorn auf, denn wenn jemand seine Mutter zum Weinen brachte, dann war es sein Vater, nicht er. Doch wie zum Hohn erschien ihm sein Gesicht vor Augen, wie er es am Morgen im Spiegel gesehen hatte.
Er verdrängte das mit der Frage, wer eigentlich festgelegt hatte, dass man etwas Böses machte, wenn man die Schule schwänzte!? Würde man deswegen in der Hölle landen? Würde Gott die Tore schließen, wenn man bei rot über die Ampel ging?
Das Leben bestraft einen, doch er hatte keine Lust darüber mit seinem Bruder zu philosophieren.
„Warte erst mal ab wie du darüber denkst, wenn du in einigen Wochen selbst in die Schule kommst, klar? Und wenn, WENN, du gegenüber MEINER Mutter auch nur ein Wort von meinem Plan für heute etwas verrätst, dann kill ich dich, ist das klar?“
Böse funkelte er seinen Bruder bei diesen Worten an, und er hoffte, das Thema sei nun erledigt. Er wusste, wie sehr er seinen Bruder mit den Worten „meine Mutter“ ärgern konnte, und auch diesmal wirkte seine Taktik. Timo verließ endlich schmollend das Zimmer, und Oliver konnte seinen Rucksack fertig packen.
Als er an der Treppe stand und sich nun endlich auf den Weg machen wollte, kam sein Bruder jedoch noch mal auf ihn zu.
„Sei mir nicht böse, Olli, ich habe einfach solche Angst, das dir was passieren könnte. Dann wären wir ganz alleine, Mama und ich!“
Und als wäre das nicht genug, sah ihn Timo dabei auch noch mit diesem leuchtenden Blick an, in dem sich Sorge und Traurigkeit verbinden. Ein Blick, der eher untypisch für einen sechsjährigen war, das wusste Oliver. Doch hatte der Kleine auch schon viel Trauriges miterlebt... vor allem seinen Vater. Und wie immer zerriss Oliver dieser Blick das Herz, und ermusste schwer schlucken. Timo hätte Besseres verdient.
Dann kullerte Timo auch noch eine dicke Träne die Wange herunter, und Oliver musste dem Drang widerstehen, seinen Bruder zu umarmen. Er hätte es gerne getan, doch dann hätte er auch geheult. Er war 15, er wollte saufen und nicht heulen.
Es wurde ihm zuviel, und so riss er seinen Blick los und verschwand ohne ein weiteres Wort die Treppe herunter.
„Bis später, Kleiner!“

„Oliver!!!“ rief ihm seine Mutter noch nach, denn er hatte sich keinen Abschiedskuss geholt. Doch Oliver lief schon die Straße entlang und sah nicht mehr zurück.
Seine Mutter schloss nachdenklich die Tür.

Da war es endlich, Patricks Haus! Eine ziemlich große, aber auch ziemlich heruntergekommene Hütte. Musste wohl daran liegen, dass schon lange keiner mehr für das Haus sorgte. Noch bevor Oliver die Klingel betätigen konnte, wurde die Haustür aufgerissen, und Patricks grinsendes Gesicht erschien im Türspalt.
„Ja, was DAUERT das denn so lange!? Ich dachte schon du kommst gar nicht mehr und sitzt lieber bei Frau Schuller rum, lässt dir was über die TOLLE Igelwanderung erzählen, wie sie alle wie die Lemminge über die Straße marschieren! Komm rein!“
Oliver trat ein, und bemerkte gleich den Muff in der Bude. Doch er war nicht zum ersten Mal hier und ertrug es tapfer.
„Ging nicht schneller, mein Bruder, diese Nervbazille, hat mal wieder Terror gemacht! Sei froh, dass du solche Probleme nicht hast!“
Patrick grinste breit. „Ich hab dir doch schon zigmal gesagt, dass du ihn am besten im Keller einsperrst und verhungern lässt! Problem gelöst!“
Oliver grinste mit, doch ging ihm Patricks Humor manchmal ein paar Ecken zu weit! Seis drum!
„Wo ist der Alkohol, Genosse!?“ Oliver sah sich erwatungsvoll im Wohnzimmer um, konnte aber nichts erspähen.
Wieder (oder immer noch) grinsend öffnete Patrick eine Wandschranktür, und damit eröffnete er ein Panorama auf golden schimmernde Bierflaschen und hochprozentigere Gesöffe.
„WOW! Da haben wir ja dicke genug!“
Und so war es auch. Den Vormittag verbrachten sie damit, sich das Morgenprogramm verschiedener Fernsehsender anzusehen. Am besten gefiel ihnen dabei die ins deutsche synchronisierten Werbesendungen. Mit Amy und Harry oder wie sie auch immer hießen. Das war sozusagen das Highlight, dicht gefolgt von den abstrusen Gerichtsshow Wiederholungen oder auch von den Titten diverser Promitussis! Die gab es auch schon morgens zuhauf!
Während sie so den Belanglosigkeiten der Fernsehsender folgten, noch immer der Meinung, die Zeit besser zu nutzen als in der Schule, leerten sie mehrere Flaschen Bier und widmeten sich später dann, es musste wohl schon der Mittag begonnen haben, den hochprozentigeren Sachen. Prost!
Dann sahen sie sich noch Troja an, nagelneu aus dem Internet gesaugt, und mit der High-Tech 6.1 Soundanlage von Patricks Vater war es bestimmt nicht viel schlechter als im Kino, dachte Oliver sich, doch das denken fiel ihm nun zunehmend schwerer, doch das empfand er als ganz angenehm. Vater vergessen, Sorgen vergessen, Film gucken, fertig! Mehr wollte er gar nicht, und so griff er zum nächsten Fläschchen Jägermeister.
So ging der Morgen in den Mittag über, und für Oliver und Patrick wurde die Zeit zu einem wabernden, nebulösen Zustand, den man nicht genau durchschauen konnte.

Währenddessen fing seine Mutter an, sich Sorgen zu machen. Es war schon so spät, das im Fernseher, dem treuen Begleiter jeder bügelnden Hausfrau, halbwüchsige Abiturkinder sich über Beziehungen und Geburten stritten! Gerade wurde eine von einem lüsternen, Porsche fahrenden Machoarzt abgeschleppt... völlig übertrieben und klischeehaft, trotzdem erinnerte es sie an ihren Mann.
Sie stellte das Bügeleisen zur Seite und sah zur Uhr. Halb Drei, Oliver hätte schon seit einer Stunde zuhause sein sollen. Wo blieb er nur?
Wenn er zu spät zum Essen kam, so war die Regel, musste er es eben kalt essen. Doch jetzt war das Essen ihre geringste Sorge. Sie hatte ein ungutes Gefühl, und so entschied sie sich, ihren Jüngsten zu verhören!

Oliver derweilen versuchte sich zu erinnern, wie Troja eine halbe Stunde zuvor ausgegangen war, doch er schaffte es nicht. Auch egal! Im Fernsehen ging ihm momentan Aleksander Holz... oder Holtz, wie auch immer, tierisch auf die Nerven. Der Kerl redete zuviel und lachte zuwenig, fand jedenfalls Oliver in seinem entrückten Zustand. Außerdem war die Type echt hässlich, und daran änderte auch der Alkohol nichts.
Ein Blick zur Seite zeigte ihm, dass es Patrick wohl ebenso erging, denn der beobachtete fasziniert eine surrende Fliege, die sich in einem Spinnennetz in der Ecke des Raumes verfangen hatte und nun verzweifelt um ihr Leben kämpfte. Sie würde wahrscheinlich qualvoll verhungern, da die Spinne unter Garantie aus dieser Miefbude geflohen war um ihr Heil an einem anderen Ort zu suchen. Da plötzlich sprang Patrick aus dem Sofa, taumelte, fiel beinahe wieder zurück in die Polster und fing sich dann doch noch.
„Oh Mann, bin ich voll!“ Mit diesen Worten ging er auf den Schreibtisch seines Vaters zu, griff nach etwas und drehte sich dann schwungvoll und (was sonst) grinsend um.
In der Hand hielt er einen Schlüssel, den er Oliver nun stolz präsentierte.
„Ha, schau dir das mal an... m...“ es folgte ein gedehnter Rülpser, „MANN!“
Patrick sprühte förmlich vor Begeisterung und Faszination, doch Oliver konnte ihm nicht so recht folgen. Genau genommen konnte er kaum noch irgendwas denken.
„Ja, t...toll, ein Schühü...ssel! Ist ja... sehr...indderessand!“
Patrick runzelte nun genervt die Stirn und schnitt eine theatralische Grimasse.
„Doch nicht irgend ein... Schlüssül... du Debb...! Ein Auddoschlüssül!“
Das letzte Wort hob er besonders hervor und strahlte dabei übers ganze Gesicht!
Doch in Olivers Gesicht zeichnete sich noch immer kein Anzeichen von Verständnis ab.
Patrick holte weit mit den Armen aus.
„Du weißt doch, was das ist, oder? Heißt so, weil’s ein Schlüssül für ein Auddo is... und das Auddo dazu steht in der Garack...sche...rage... egal! Steht ganz in der Nähe! Du kapieren jetzt, Meister Kleister!?“
Diesmal klickte es sogar bei Oliver. Er verstand endlich, worauf Patrick hinaus wollte, doch anstatt daran zu denken, dass das womöglich keine gute Idee war, fragte er sich nur, ob Patrick das „du kapieren jetzt“ absichtlich gesagt hatte. So gesagt hatte.
Und bevor Oliver nun noch mehr dazu sagen konnte (obwohl er eigentlich nicht mal was dazu denken konnte), hatte ihn Patrick auch schon auf den Beifahrersitz des Autos gezerrt. Welches Auto wusste er nicht. Es hatte vier Räder, das war die Hauptsache.
Dann sah er sich im Seitenspiegel... diesmal nur sich, nicht seinen Vater, und doch war hier etwas nicht richtig. Und so langsam ahnte Oliver was das war.
„Du, Oliver... ach nee, Quaddsch, dat bin ja ich... ich mein Badrick...“ doch er sprach so stockend und langsam, dass ihn Patrick kaum beachtete. Der versuchte die Karre zu starten.
„Ha...hast du denn schohon nen Fühürerschein, Badrick!?“
Patrick sah seinen Freund nun mitleidig an. „Du bist aber ganz schön voll, was, Olli!? Den kann man doch erst mit 18 machen, du Spinner!“ Doch auch Patrick sprach langsam und undeutlich. „Aber fahn kann ich schon!“
„Dann ist ja gut“, antwortete Oliver und ließ sich in seinem Sitz zurücksinken. Er hatte keine Lust mehr nachzudenken. Er war müde.
„Denk abba dran, das Iggelwandehung ist... da fäht man loicht wass tot... sacht Muddi immer!“
„Jau, ich pass auf!“ Dann sprang der Motor an, und das Auto rollte los.
„Weissde was, Oliver, DU fährst!“ Patrick hielt den Wagen an und zog seinen Freund auf den Fahrersitz. „So voll wie du bist, wird das voll witzig!“
Oliver nahm es hin und den Autoschlüssel an sich. Die Fahrt begann.

Hoffentlich würde Olli ihn nicht killen, was immer das auch heißen mochte, aber Timo machte sich nun auch Sorgen um seinen großen Bruder. Als ihn seine Mutter dann gefragt hatte, konnte er es nicht für sich behalten. Er hatte seiner Mutter alles erzählt, was er wusste, und die versuchte nun bei Patricks Vater anzurufen.
Aber Timo hatte einen Plan um seinen Bruder zu besänftigen. Er würde einfach schon mal ein Stück voraus rennen, um seinen Bruder zu warnen. Während seine Mutter noch das Telefon anschrie, es solle doch endlich jemand abheben, ob denn auf keinen Mann mehr Verlass sei, schlich er an ihr vorbei zur Haustür und rannte los. Er würde die südliche Landstraße entlang gehen. Vielleicht sah er ja die Igel?

Als Olivers und Timos Mutter frustriert das Telefon aufhängte, wollte sie sofort zu diesem Haus gehen. „Timo, komm, wir gehen da jetzt mal hin!“
Doch Timo antwortete nicht. Ein Schauer durchlief sie, was war hier heute nur los!? Der Tag hatte doch so schön begonnen. Da sah sie ihren jüngeren Sohn durchs Küchenfenster, wie er gerade in der Waldgrenze hinter ihrem Haus verschwand. Wo wollte der Bengel denn hin!?
Sie zog sich schnell ihre Schuhe an und rannte dann den beiden Kindern hinterher. Wenn sie die beiden erwischte, würde sie mit ihnen ein sehr ernstes Wort reden, das nahm sie sich vor.
Sie konnte nicht wissen, dass es dazu nie mehr kommen würde.

Es war der Rausch der Geschwindigkeit und der des Alkohols, der Oliver die Sinne vollends vernebelte. Es war fantastisch, er fühlte sich unglaublich... lebendig! Das war der berühmte Kick, von dem die älteren Jungs der Schule immer erzählten. Er jubelte laut, während er immer mehr Gas gab und das Auto die Landstraße entlang schoss! Auch Patrick war wie in Trance, und wie immer grinste er breit und zufrieden.
Oliver hatte keine Lust irgendwas zu sagen, hier war er der Meister, der König, sein Vater existierte in diesem Rausch nicht, er war völlig frei. Die Welt zog in bunten Streifen an ihnen vorbei, der Motor röhrte laut und ließ sie an nichts als den Augenblick denken.
„Yeah, wir sind die Könige der Welt, auch ohne schwule Titanic! Yeeeeha!!“ Patrick war spürbar erregt, doch Oliver konnte es ihm nicht verdenken. Er wusste nicht, wann er sich je so gut gefühlt hatte.
Dann passierte etwas. Es krachte, es rummste, und das Auto brach zur Seite aus. Olivers Hochgefühl wurde in Sekundenbruchteilen zerrissen, ein tiefer Schock breitete sich in seiner Magengrube aus, und er sah die Bäume auf sich zu kommen. Im letzten Moment riss er das Steuer herum und schaffte es wieder auf die Straße. Noch immer war das Auto schnell unterwegs, und erst jetzt fiel ihm die Bremse ein.
Patrick war knallrot im Gesicht, und er lachte kreischend.
„Krass, das wärs fast gewesen, BUMM! Was war das, zur Hölle!?“
„Ich weiß nicht“ sagte Oliver, schon wieder über Patrick schmunzelnd. „Wir müssen halten!“
„Wieso, war bestimmt nur einer der dämlichen Igel, dem fahren wir jetzt den Arsch ab!“ jubelte Patrick vor sich hin, und da bemerkte auch Oliver das rumpeln unter dem Auto. Sofort bremste er ab, und da glaubte er einen winkenden Schatten am Auto vorbeihuschen zu sehen. Etwas, oder jemand, hatte am Straßenrand mit den Armen gerudert, da war er sich plötzlich sicher. Oliver wurde unruhig.
Endlich kam das Auto zum Stehen.
„Bleib ruhig mal sitzen, Olli, ich guck mir das mal an... der arme Igel!“
Grinsend stieg Patrick aus dem Auto. Es war still geworden. Kein Motor der röhrte. Nicht mal Vögel, die zwitscherten. Nichts.
Patrick beugte sich, umfangen von dieser unheilvollen Stille, grinsend unter das Auto.
Als sein Kopf wieder erschein, grinste er nicht mehr. Er war kalkweiß im Gesicht. Oliver fand es fast komisch. Doch er wusste, dass hier nichts Komisches war. Er spürte den Drang, weg zu laufen. Jetzt, ganz schnell, irgendwo hin.
Patrick übergab sich gerade in den Straßengraben.
Oliver stieg aus. Sah unter das Auto. Sah zum letzten mal diesen leuchtenden Blick, in dem Sorge und Trauer vereint schienen. Doch der Blick war matt. Tot.
Diesmal zeriss ihn dieser Blick nicht das Herz... er zerriss ihn ganz und gar, alles, was den Menschen Oliver jemals ausgemacht hatte.
Und während eine schluchzende Gestalt die Straße heraufgerannt kam und ein blasser Junge sich erneut am Straßenrand übergab, fingen die Vögel leise wieder an zu zwitschern, und die Igel setzten ihre Wanderung fort. Ihre Igelwanderung.

In der Zeitung stand tags darauf, Timo sei über zwei Kilometer unter dem Auto mitgeschliffen worden, das sein eigener Bruder gelenkt hatte. Die Mutter der beiden erlitt einen Zusammenbruch, von dem sie sich nie mehr erholte. Sie verstarb kurze Zeit später an einem Herzinfarkt. So etwas ist bei jungen Frauen selten, doch so war es. Patrick erholte sich anscheinend, doch vier Jahre später starb er durch einen Autounfall... er war betrunken gefahren.
Von Oliver, wie man den Mann in der Psychiatrie früher nannte, blieb nur eine leere Hülle, die mit einem Schlauch ernährt wird, und die mit dem immer gleichen leeren Blick die Decke ihres Zimmers anstarrt.

Wohan
15.07.2004, 08:08
HALLELUJA ist das viel Zeug :eek:


...........aber ich werde die Geschichte schon lesen , keine Sorge lieber Lone .......wird aber ne Weile dauern;)



Werde dann meine "Kritik" später in den Post hier rein Editieren :)

Lonegunman81
16.07.2004, 02:24
Ich hoffe, du machst schnell, Wohan, denn ich würde wirklich mal gerne einige Meinungen zu der Story hören! Und nochmal an alle anderen Leser: BITTE beeilt euch mit Lesen, und sagt mal was dazu, denn da diese Story so auch schon fertig ist, werd ich ja nicht mehr weiter an ihr schreiben, und somit wird sie schnell im Thread untergehen und auf Seite 5000 enden! Bevor das passiert, MEINUNGEN BITTE!! Sonst macht das Schreiben hier im Forum ja keinen Spaß oder Sinn mehr, dann kann man ja gleich aufhören! Ergo, legt mal los! Ihr könnt ja auch gerne sagen, das sie Scheiße ist, dann weiß ich es wenigstens, das wär besser als NIX sagen!! ;)

Mopry
16.07.2004, 02:54
o____O
Da ich in Wohans Thread ja nicht lesen konnte, hab ich mich mal auf deine Geschichte gestürzt.

....
Wow....
Ich weiß nicht was ich dazu anderes sagen soll. Ich bin noch immer geschockt. Du schreibst wirklich realistisch und ziehst den Leser richtig mit.
Die Personen sind auch genial beschrieben.

Wow...
Etwas anderes fällt mir nicht ein. ^^°
*die Geschichte erst mal verarbeiten muss*

Lonegunman81
16.07.2004, 03:12
Vielen Dank für dein Lob, Mopry!!
Aber mir ist gerade aufgefallen, daß ich die Akteure meiner Geschichte garnicht äußerlich beschrieben habe, mit keinem Wort!! Ohne es selbst zu merken! Stört das einen als Leser, oder macht man sich automatisch ein Bild, auch ohne Beschreibung?? Was meint ihr?

Mopry
16.07.2004, 03:14
Du brauchst die Charaktere garnicht äußerlich zu beschreiben.
So wie es ist, ist es grondios. ^^
Und ja, man macht sich automatisch ein Bild.

Zudem kann man es so wunderbar auf jeden Jugendlichen der heutigen Zeit ableiten. Du hast den Geist der heutigen Jugend wirklich schön eingefangen imo. ^^

NeoInferno
16.07.2004, 04:51
Ich weis auch nicht was ich sagen soll, tolle Geschichte! :)

Es ist nur schade, dass das Ende so vorhersehbar ist.

Wohan
16.07.2004, 05:07
..........:eek: Ich weiß nicht was ich zu diesen Meisterwerk sagen soll, bin sprachlos...........und hätte fast angefangen zu heulen am Ende,

.....obwohl die Geschichte doch schon voraussehbar war ist sie doch ziemlich genial geschrieben...........ich kann dir nur den aller höchsten Respekt zollen.....

Deine Schreibweise ist grandios , die Atmo die du rüber bringst Vorbildlich und Dragik herz zerreissend.


Ich kann mir da noch ne ganz dicke Scheibe von abschneiden ...

RESPEKT

:A :A :A :A :A/:) :) :) fünf Daumenhoch von drei möglichen !!!

Lonegunman81
16.07.2004, 05:08
Das mein ich doch, so ein kurzcomment ist doch toll, da weiß man wenigstens man wird gelesen! Thx!
Das mit der Vorhersehbarkeit stimmt natürlich, ich deute ja sogar darauf hin. Aber es war auch nicht meine Absicht, zu überraschen! Es sollte der verhängnisvolle Lauf des Schicksals geschildert werden, die Unaufhaltsamkeit bestimmter Ereignisse.
So oder so ähnlich, jedenfalls!:D

La Cipolla
17.07.2004, 17:04
Puh! (Endlich fertig) :rolleyes:
Sehr tragisch, wirklich Grondios (wunderbarer Tippfehler ;) ). Schick die Story doch mal zu so einer Stelle, die Broschüren gegen Alkohol am Steuer machen, die würden sie sicher abdrucken (Das ist mein Ernst). GUT, das die Charas nicht beschrieben sind, schließlich soll man sich ja identifizieren, und das klappt so tausendmal besser. Die Vorhersehbarkeit ist auch in Ordnung, sonst wäre es nicht so tragisch.

Bei dem Text bin ich froh, dass ich seit meinem 9. Lebensjahr Antialkoholiker bin und die Pupertät fast merkmalslos überstanden habe. Ich freue mich auf die Midlife-Crisis!!!:D

Achso, der Name ist übrigens böse, wenn man näher darüber nachdenkt....;)

Lonegunman81
17.07.2004, 17:11
Nochmal Danke für jeden Comment, jetzt kann ich zufrieden sterben!
Was meintest du mit Namen, der böse ist? Den Titel?? Dann stimme ich zu! Das mit dem Alkohol... tja, ich trink ihn zwar, wenn auch selten, aber gefährlich kann er sein, das denk ich schon!
Aber wenn man die Story in so einer Broschüre sähe, dann wäre sie nur auf diesen Aspekt beschränkt, dabei geht es um mehr und der Alkohol ist dabei einfach Teil einer Realität!
So, die Sonne schient, ich bin seit 5 uhr wach und tippe für die Uni... Zeit gleich mal raus zu gehen!