Mithrandir Moon
26.01.2003, 20:57
by Laguna
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Der Traumjäger
(Vincent the Dream Hunter* Erstfassung)
Prolog:
Es war in einer düsteren Nacht und der Mond schob sich
gerade über das Zirnament der Stadt Gene Opale. Keine
Menschenseele befand sich um diese Zeit noch auf den
Weg. Die Ruhe und Stille dieser einsamen Stadt schien
beinahe beängstigend. Einige Wachposten standen an der
Wachmauer und dösten leise vor sich hin. In dieser Nacht
hatten sie nicht viel zu tun gehabt. Seit einer Woche hatte
es keinen Aufstand in dem ruhigem Städtchen mehr gegeben.
Der König von Gene Opale, Lazirus Maximus, hatte in den
letzten Tagen die gesamte Stadt von seinen Soldaten durchstreifen lassen, und jedem Aufrührer den gar aus gemacht. Es würde eine Weile dauern bis sich die Aufständischen Bürger wieder sammeln konnten. Gene Opale war bis vor einem Jahr noch eine friedliche Stadt mit einem
gütigen König gewesen. Doch dann brachen die Setha, ein
übermächtiges Nachbarvolk aus dem hohen Norden, über
Nacht in die schutzlose Stadt Gene Opale ein. In Windeseile
hatten sie die Macht ergriffen. Der gütige König, Nimbuk
Valtes, wurde in der Öffentlichkeit hingerichtet um der
Bevölkerung ihre endgültige Niederlage über den Setha
vor die Augen zu führen. Trotz ihrer hilflosen Lage hatten
sich einige Aufständische zu einer Gemeinschaft zusammen-
geschlossen um die Tyranei des niederträchtigen Königs
Lazarus Maximus zu beenden. Bisher ohne Erfolg. Vor zwei
Tagen wurde der kümmerliche Rest ihrer Gruppe auf dem
Dorfplatz zusammengetragen und dort auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Seitdem herschte wieder Ruhe in
der Stadt. Schnelle Schritte waren auf einer sonst belebten
und nun verlassen Straße zu hören. Ein junger Mann rannte
in panischer Angst die Straße hinunter und verschwand in
einer der Nebengassen der großen Stadt. Eine dunkle Gestalt, die gänzlich von der Finsternis verschluckt wurde,
ging ihm mit schnellen Schritten nach. Es schien so als würde sie ihm folgen. Obwohl der Mann ein wahnsinniges Tempo
vorlegte gelang es ihm denoch nicht seinen Verfolger abzuhängen, der wie ein Schatten an ihm zu kleben schien.
In seiner Verzweiflung lief der junge Mann geradewegs in
eine Sackgasse. Schwitzend vor Angst drehte sich der Mann
um und sah die Gestalt die dunkle Gasse betreten. Was auch
immer dieses Wesen von ihm wollte, es schien ihm auf jeden
Fall nach dem Leben zu trachten. Aber so leicht wollte er
sich nicht ausliefern. Hektisch versuchte der Mann sich an
einem Mauervorsprung festzuhalten und sich über die Mauer
zu ziehen, was er im normalem Zustand nie zu wege gebracht
hätte. Aber seine Todesangst verlieh ihm übermenschliche
Kräfte. Mit einer schnellen Bewegung ließ sich der Mann
hinter die Mauer gleiten und atmete erleichtert auf. Was
wollte diese Gestalt eigentlich von ihm. Er war schließlich
nur ein einfacher Bürger der nicht einmal Reichtümer besaß
und nur von seinem Träumen lebte, in denen er sich alles
vorstellen konnte. Für weitere Gedanken blieb ihm keine
Zeit mehr, denn als er sich umwandte hörte er ein leises
flüstern in der Luft. Von neuer Panik ergriffen lief der Mann
geradewegs die Gasse hinaus, bis ihm ein Gitter am weiter-
laufen hinderte. Hinter ihm konnte er die Schritte der
gespenstischen Gestalt hören. Er zehrte und drückte wie wild
gegen das Tor. Es war verschlossen. Schreiend wandte sich
der arme Mann um als die Gestalt direkt vor ihm zum stehen
kam. „Was willst du von mir?“ schluchzte der Mann weinend. „Deinen Traum! du warst ein echter Träumer und
bist ihnen verfallen! und jetzt gehört er mir!“ flüsterte die
Gestalt mit einer sausenden Stimme. Dann erhob sie ihre
Hand die im Mondlicht wie eine gewaltige Kralle schien.
„Bitte nicht! ich bin noch nicht bereit dazu...“ wimmerte der
verängstigte Mann leise. „Tut mir Leid, aber du stehst auf
meiner Liste! ich kann dich nicht laufen lassen!“ gab die
Gestalt regungslos zu verstehen und stach mit ihrer Kralle
genau in das Herz des Mannes. Das letzte was man sah,
war wie sich eine große Blutlache in der Gasse ausbreitete
über die das Wesen mit schnellen Schritten hinwegtrat.
Nach einer Weile waren laute Stimmen aus den benachbarten
Häusern zu hören und ein gellender Schrei hallte durch ganz
Gene Opale. Der Wind pfiff leise Worte von sich. Es klang so
wie „Zuviel Geträumt...“
Kapitel.1
Die Morgensonne ging gerade auf. In so frühen Stunden
fuhr nur selten eine Kutsche in die Richtung von Gene Opale.
Es gab nicht viele Menschen die in solch unruhigen Zeiten
wie diesen nach Gene Opale fuhren. Im Gegenteil trieb es
die meisten von ihnen nach Van Mühlen wo noch einigermaßen Ordnung herschte und sie alle genug zu essen
hatten. Seit der Zeit von Lazarus Maximus mussten die meisten Menschen hungern und unter erbärmlichen Voraussetzungen leben. Außerdem hörte man immer wieder
von einer seltsamen Krankheit die die Menschen auf bösartige
Weise in die Ewigen Jagdgründe beförderte. Allein das war
schon genug für die meisten Leute in der Umgebung um das weite zu suchen. Aber es schien doch jemanden zu geben der
den gefährlichen Weg nach Gene Opale einschlug. Ein
grauer Heuwagen fuhr mit langsamer Geschwindigkeit den
Weg zur Hauptstadt entlang. Der junge Kutscherbursche
schien noch recht verschlafen zu sein und hielt die Zügel
nur schwach in der Hand. Auf seinem Anhänger saß ein
Mann mit langem blauem Haar der auf einer Flöte spielte.
Der junge Stallbursche hatte ihm auf seinem Weg zur
Hauptstadt aufgegabelt und nur wiederwillig zu einer
Mitfahrt zugestimmt. Der Mann kam ihm irgendwie unheimlich vor. Er ließ sich nicht in ein Gespräch verwickeln
sondern fragte ihn immer nur nach der Hauptstadt aus. „Ich
wäre gerne ein reicher Edelmann geworden. Das ist zwar
nur ein Traum, aber ich hoffe, dass er irgendwann Wirklich-
keit wird.“ sprach der Stallbursche lächelnd und versuchte
ein neues Gespräch mit seinen Beifahrer zu beginnen. Dieser
beendete abrupt sein Flötenspiel und schien in Gedanken
versunken zu sein. „Träumst du gerne?“ fragte ihn der Mann
ernst. „Ich hab ja sonst nichts...“ flüsterte der Stallbursche
leise. „Du solltest nicht zuviel träumen! man muss Realität
und Illusion voneinander unterscheiden können wenn man
am Leben bleiben will.“ sagte der blauhaarige Mann mit
einem funkeln in seinen Augen. „Wie meinen sie das?“ flüsterte der junge Stallbursche irritiert. Einen Augenblick
herschte Stille auf dem Karren. Schließlich antwortete ihm
der Mann. „Wenn man sich in seinen eigenen Träumen
verfängt ist es schlecht für das Unterbewusstsein des Menschen! Träume bringen unseren wahren Charakter zum
Vorschein. Sie zeigen uns wie wir wirklich sind. Sie sind
unsere Seele... verstehst du das?“ fragte der Mann ernst.
„Nicht ganz... was ist wenn man sich verfängt?“. „Das wäre
der Untergang seines wahren selbst! man verfängt sich in
seinen Träumen und weiß nicht was man in der Realität tut.
Vielleicht begeht man gerade Selbstmord oder sticht unschuldige Bürger nieder. Ich kann die Nebenwirkungen
auch nicht genau beschreiben! verfangen ist hier nicht
unbedingt das richtige Wort. Schon eher verfallen...“ gab
der Mann von sich und verfiel wieder in seinen nachdenklichen Zustand. „Aber wie kann ich etwas tun
wenn ich schlafe?“ warf der Stallbursche ein. „Du scheinst
es nicht zu verstehen, was? wenn man Nachts träumt ist das
normal! aber wenn man tagsüber träumt ist das gefährlich!
wenn man seinen Träumen am Tage verfällt können die
Traumdämonen Besitz von deinem Körper ergreifen, du
törichter Junge!“ sprach der Mann verärgert. Der Junge
musterte seinen Beifahrer nun von vorn bis hinten. „Was
genau machst du eigentlich?“. „Ich studiere die Träume der
Menschen...“ murmelte der Mann und begann wieder auf seiner Flöte zu spielen. Der Stallbursche begriff das das
Gespräch für den seltsamen Mann nun beendet war und
ging nicht genauer auf diese Sache ein. Man konnten nun
schon von weiten die Tore der Hauptstadt Gene Opale sehen
und der Stallbursche zügelte sein Pferd. „Weiter bringe ich
sie nicht! wenn sie wirklich nach Gene Opale wollen, müssen
sie alleine gehen. Ich rate ihnen aber die Nacht hier ihn Ruan
zu verbringen!“ sprach der Junge und deutete auf eine kleinere Siedlung, nicht weit weg von ihnen, hin. „Danke für
deine Bereitschaft mich bis hier her mitzunehmen!“ sprach
der Mann dankbar und schüttelte dem Stallburschen die Hand. „Dann verschwinde ich jetzt... und passen sie auf sich
auf! übrigens haben sie mir noch gar nicht gesagt wie sie
heißen!“ gab der Junge zurück. „Mein Name ist Vincent
Valentin und ich bin Traumjäger! komm gut nach Hause!“
verabschiedete sich der Mann von dem Jungen. „Na dann
viel Glück... Traumjäger!“ rief ihm der Stallbursche beim
vorbeifahren hinterher. Das Glück kannst eher du gebrauchen... Träumer!“ murmelte Vincent Valentine mit
ruhiger Stimme. Langsam ging er auf die örtliche Herberge
des kleinen Dorfes zu und betrat die Gastwirtschaft. Nach
Gene Opale würde er Morgen gehen.
Am nächsten Tag bot sich in Gene Opale ein Bild des Grauens. Eine junge Frau hatte in einer dunklen Seitengasse
einen toten Mann vorgefunden. Seine einzige Wunde war ein
tiefer Spalt der sich wie eine Pumpe in sein Herz eingeschleust
hatte. Viele Soldaten versuchte die aufgebrachte Menschen-
menge unter Kontrolle zu halten, aber das war nicht ganz einfach. Das Gerücht über den toten Mann hatte sich in der
großen Stadt schnell herumgesprochen und nun kamen dutzende von Menschen an den Ort des Geschehens um sich
selbst davon zu überzeugen. Man konnte der Bevölkerung
ihre Panik nicht übelnehmen. Immerhin hatten sie schon
unter den Plündereien der Soldaten zu leiden. Das nun auch
noch ein unheimlicher Mörder in ihren Vierteln umher schlich
war zuviel. Als einige Bürger versuchten die Soldaten mit
Mistgabeln aufzuspießen griffen diese zu den Waffen und hatten die Aufrüher schnell niedergestreckt. Nach diesem
Geschehen entfernten sich die meisten Leute schnell von der
Mordstelle. Einige Soldaten waren noch immer damit Beschäftigt mit weißer Kreide eine Bodenskizze von dem
Mordschlag zu zeichnen. Eine junge Frau erschien zwischen
den Reihen der Menschenmengen und drängelte sich zu der
Leiche vor. Sofort erhoben sich die Soldaten und salutierten.
„Was ist hier passiert?“ fragte die Frau ernst und starrte
auf die Soldaten. „Komandantin Deniz! heute Morgen
wurde die Leiche eines Mannes in dieser Seitengasse gefunden!“ sprach der Leutnant der Soldaten pflichtgetreu.
„Was ist daran so besonderes? in dieser Stadt sterben doch
immer wieder Menschen aus unerklärlichen Gründen.“ anwortete sie ihm. „Es war kein gewöhnlicher Mord! sehen
sie sich mal seine Wunde an.“ gab der Leutnant zu bedenken.
Die junge Komandantin beugte sich über die Leiche des
toten Mannes und durchsuchte seine Taschen. Die Wunde sah
wirklich nicht normal aus. Noch nie in ihrem Leben hatte
Deniz eine solche Verletzung gesehen. Es sah so aus als
hätten sich zwei riesige Krallen in den Körper der Leiche
gebohrt und etwas wichtiges aus seinem Körper gerissen.
Aber Deniz kam einfach nicht darauf was es war. Aus seinen
Taschen kam ein Foto eines süßen Mädchens zum Vorschein,
dass Deniz noch nie zuvor gesehen hatte. Die Soldaten schienen langsam ungeduldig zu werden. „Sollen wir den
Herscher verständigen? Er sollte sich um die Sache kümmern!“ gestand der Leutnant unsicher. Deniz erhob sich
und drehte sich zu ihren Gefährten. „Wollen sie ihn wirklich
wegen so einer Kleinigkeit stören? Ich werde ihn erst
verständigen wenn noch mehr von diesen seltsamen Morden
passieren! Solange halten wir uns da raus! Schafft die Leiche
in die Kaserne und lasst mich dann damit in Ruhe!“ sprach
Deniz befehlhabend und machte sich auf den Weg zum
Obstmarkt. Alle Leute in der Stadt wirkten heute sehr angespannt und unruhig. Die meisten Menschen konnten
Deniz überhaupt nicht weiterhelfen. Da das Opfer alleinstehend gewesen war gab es kaum jemanden der ihn
kannte, oder kennen wollte wie Deniz bald feststellte. Auch
das nette Mädchen auf dem Foto schien niemand zu kennen.
Schließlich gab es Deniz auf und verbrachte ihre letzten
Dienststunden in der Kneipe zum brodelnden Knochen. Die
sonst so volle Kneipe schien heute allein und verlassen zu
sein. Lediglich der Wirt stand vor der Schenke und wusch
seine Gläser gründlich durch. Deniz setzte sich an einen
großen Tisch für acht Personen, der eigentlich für eine
Horde Barbaren bestimmt war. Da aber keiner auftauchte
hatte der Wirt auch nichts dagegen ihr die Stammplätze
anderer zu überlassen. Deniz winkte den Wirt zu sich her.
„Wie lief heute dein Geschäft Gelbrecht?“ gestatte sich
Deniz die Bemerkung. „Da fragst du noch? die Stadt ist
seit einer Woche so gut wie ausgestorben! ich denke ich
mache hier bald dicht und verpfeife mich nach Van Mühlen,
denn da gibt es wenigstens noch so etwas wie Kultur!“
antwortete ihr der Wirt barsch und fragte nach ihrer Bestellung. „Das übliche wie immer Gelbrecht!“ gab ihm
Deniz zur Antwort. Mit schlürfenden Schritten verschwand
der Wirt wieder hinter seine Theke und machte sich an die
Arbeit. Inzwischen dachte Deniz angestrengt über das
geschehene der letzten Woche nach. Seit der König sie zum
Komandeur befördert hatte fühlte sie sich unwohl. Die
Arbeit war ihr einfach nicht gewachsen und viel lieber hätte
sie ihre alte Stelle als Leutnant zurückbekommen als einen
geisterhaften Mörder zu jagen. Wenn es überhaupt so etwas
wie einen Mörder gab, und der Mann nicht doch Selbstmord
begangen hatte. Ihre Gedanken wurden gestört als plötzlich
ein dunkel gekleideter Mann in Begleitung von zwei
schattenhaften Gestalten die Kneipe betrat. Er ging auf den
Tisch von Deniz zu und setzte sich ihr gegenüber auf einen
Stuhl. Als der Wirt näher an den Gast herankam winkte dieser
nur verächtlich ab und der Wirt verstand. Als sie wieder alleine waren vergingen unzählige Minuten voller Stillschweigen. Keiner wagte es einen Laut von sich zu geben.
Schließlich brach Deniz das stillschweigen. „Haben sie mir
denn nichts zu sagen? oder weshalb haben sie sich sonst
an meinen Tisch gesetzt?“ rief Deniz verärgert aus. Der dunkle Mann nickte kurz, dann sah er ihr tief in die Augen.
„Träumen sie gerne Fräulein Deniz? erzählen sie mir davon...
ich will ihre innersten Gedanken ergründen und so meine
Lücken füllen!“ flüsterte der Mann leise. „Träumen? ich
träume niemals!“ gab Deniz kühl zu verstehen. „Doch das tun
sie! erinnern sie sich an ihre Zeit als Leutnant? wäre es nicht
schön wenn sie sie wiederbekommen könnten?“ fragte der
Mann mit einem grinsen im Mundwinkel. „Ja... aber das ist
nur ein Traum!“ antwortete ihm Deniz ernst und hätte sich
anschließend beinahe verschluckt. „Sehen sie? auch sie haben
geträumt! es gibt kein Entkommen vor seinem innigsten Wunsch. Lassen sie sich von der jetzigen Realität nicht beeinflussen, denn das einzige was zählt ist ihr Traum!“ gab
der Mann leise zu verstehen. „Hören sie mal! sind sie nur
hierher gekommen um mir das zu sagen?“ rief Deniz grimmig
aus. „Nein... da haben sie Recht! es gibt einen trifftigen Grund warum ich mit ihnen sprechen wollte. Ich schätze sie
wissen alles über den toten Mann in der dunklen Gasse!
und ich hoffe zu ihrem Wohlwollen das sie die Finger von diesem Fall lassen werden. Sie brauchen sich nicht mehr darum zu sorgen, überlassen sie alles bloß uns. Wenn sie uns
nicht in die Quere kommen können sie noch eine Weile weiter-
träumen bis ihre Zeit gekommen ist!“ sprach der dunkle Mann
mit leuchtenden Augen. Deniz konnte seinen Körper und sein
Gesicht nicht erkennen, aber es war klar das er etwas verbarg. „Ich gebe einen Fall nie auf bevor ich ihn nicht
geklärt habe!“ erwiederte ihm Deniz schlagfertig. „So? weißt
du eigentlich wer ich bin? du spielst mit dem Feuer! mache
was du willst... aber wir werden dich im Auge behalten und
entsprechend handeln wenn die Zeit gekommen ist! genieße
deine Träume solange du sie noch hast!“ rief der dunkle Mann kichernd aus und winkte seinen beiden Begleitern zu,
die Gaststätte zu verlassen. Deniz blickte ihnen immer noch
völlig irritiert hinterher als sie die Kneipe verlassen hatten.
„Dein Flame Drink!“ sprach der Wirt hinter ihr gemächtlich.
Deniz ergriff ihn gierig und leerte ihn mit einem Zug. „Ich
frage mich ob schon etwas passiert ist, oder ob noch etwas
passieren wird!“ murmelte sie leise. Nach einer Weile erhob
sie sich und torkelte durch den Eingang hindurch. Etwas
beschwipst war sie jetzt schon, denn sie war es nicht gewohnt
einen Flame Drink auf einen Zug zu leeren. Wenn sie nicht
ein junger Kerl draußen aufgefangen hätte, wäre dies
bestimmt nicht gutgegangen. Der Junge hieß Moriz und wohnte direkt neben ihr. Trotz ihrer Arbeit waren die beiden
sehr gute Freunde und halfen einander wenn sie Hilfe benötigten. Das er sie diesesmal angetroffen hatte war eher
ein Zufall gewesen. „Mann Deniz! was machst du für Sachen!“ bemerkte Moriz kopfschüttelnd und brach unter
ihrem Gewicht ein. Ungewohlt viel er dabei genau über sie
drüber und lag nun wie auf einem weichen Kissen auf ihr.
„Ah Moriz... du bist das! ich hätte dich fast nicht erkannt!“
lallte Deniz stockbetrunken und gab Moriz einen schelmischen
Kuss auf den Mund. „Du weißt ja nicht was du tust!“ flüsterte
dieser rot vor Scharm und half Deniz sich aufzurichten.
„Moriz du schlimmer Kerl! wo bringst du mich hin? willst
du nicht lieber mit mir Babys machen?“ lallte Deniz weiter und sah Moriz dabei liebevoll an. Aber er wusste das sie es
nicht ernst meinte. Bei ihr wirkte sich die Betrunkenheit eben
so aus. Als sie nach einem kurzen Fußmarsch vor ihrem
Haus standen lud Moriz seine schwere Last ab und half ihr
die Treppe nach oben auf ihr Zimmer. Dort legte er sie
behutsam aufs Bett und wollte langsam wieder verschwinden.
Deniz sah ihm sehnsüchtig nach. „Moriz! willst du wirklich
nicht bei mir bleiben? wer weiß ob ich dazu morgen noch
fähig bin!“. Das klang so ernst gemeint aber Moriz biß die
Zähne zusammen und verschwand hinter der Tür. Der Mond
stand bleich über dem Himmel und Moriz glaubte eine Reihe
von Schatten über die Dächern der Stadt springen zu sehen.
Da es sich aber nicht wiederholte schloß Moriz das Fenster
zu seinem Zimmer und legte sich ins Bett. Sein Schlaf war
schnell und unruhig. Sein Puls rasste und sein Herz schlug
wild durcheinander. Er hatte einen Alptraum.
Ein weißer Palast inmitten eines Sees. Die dunklen Nebel-
schwaden verdeckten sämtliche Sonnenstrahlen am Himmel.
Vincent Valentine stand am Seeufer und blickte nachdenklich
hinüber. Ein schneeweißer Engel kam aus dem Palast geflogen und reichte ihm einen Siegelring. Im selben Augenblick durchwanderte er unzählige Augenblicke die er
noch nie zuvor erblickt hatte. Er sah ein blondes Mädchen
vor seinen Augen. Dann eine Horde Traumdämonen. Er
sah ein legendäres Wesen, den Chimären. Plötzlich
wurde es stockdunkel und vor seinen Augen erschien er.
Der Alptraumkönig. Lachend erhob er seine rechte Hand
und deutete mit seinen Fingern auf die unzähligen Seelen
unschuldiger Menschen, die er in seinen Besitz gebracht
hatte. „Ich werde dich vernichten junger Traumjäger!!“
hallte die Stimme des Alptraumkönigs durch Vincents
Gedanken. Aus den Schatten formte sich ein seltsames
Wesen was Vincent bei all seinen Traumreisen noch nie
zuvor gesehen hatte. Kreischend riß das Ungetüm seine
Kiefern auf, die wie zwei zersplitterte Bretter knackten.
„Nein!!!“ schrie Vincent erschrocken auf und alles
verschwamm vor seinen Augen. Mit großen Kopfschmerzen
erhob sich der Traumjäger von seinem Bett und öffnete die
Fenster seines Zimmers. Frische Luft wehte ihm entgegen
und er hörte die Vögel fröhlich zwitschern. „Wird Zeit
für mein Frühstück...“ dachte Vincent noch etwas benohmen
und begab sich in die Gaststätte. Etwas schien heute in
der Luft zu liegen, das spürte er gleich. Die Gäste waren
sehr aufgeregt und plauderten die ganze Zeit über einen
rätselhaften Mord in Gene Opale. Noch etwas schläfrig setzte
sich Vincent an einen Tisch und verlangte nach einem starken
Kaffee. Als der Wirt ihm sein Frühstück brachte hatte Vincent
Zeit etwas mit ihm zu reden. „Warum sind die Leute heute so
aufgeregt?“ fragte er neugierig. „Seit gestern tobt in Gene
Opale ein geisterhafter Mörder! man hat die Leiche eines
Jungen Mannes in einer Seitengasse gefunden!“ erklärte der
Wirt leise und wandte sich wieder anderen Dingen zu. „Ein
Mord? ich muss mehr darüber erfahren!“ dachte Vincent
ernst und sah zum Fenster hinaus. Eine Patrouille von Soldaten kam aus der Hauptstadt geritten. Sie schienen es
eilig zu haben, denn sie sprangen sofort von ihren Pferden ab
und stürmten mit gezogenen Schwertern in die Gaststätte.
Verzweifelt rannte der Wirt hinter seine Schankwand um sich
zu verstecken, aber der Hauptmann der Soldaten packte ihn am Kragen und schüttelte ihn heftig. „Nicht schon wieder Steuern! die habe ich euch doch schon gestern bezahlt!“ wandte der Wirt schmerzhaft ein. „Darum geht es uns auch
heute gar nicht! unser Feldwebel ist schwer erkrankt! in
der Stadt konnte ihn keiner helfen! selbst die Ärzte des Königs
sind machtloß gegen diese rätselhafte Krankheit. Unter euren
Gästen finden sich bestimmt auch einige ausländische Ärzte!“
schnauzte der Hauptmann boshaft und warf den Wirt mit einer
heftigen Bewegung zu Boden. Hilfesuchend sah der Inhaber
der Herberge zu seinen Gästen und bat sie doch etwas zu tun.
Denoch hatte keiner vor irgendwie in die Situation einzugreifen. Ärzte gab es zwar, aber diese hatten ebenfalls
keinen blassen Schimmer wie die seltsame Krankheit zu bekämpfen sei. „Wenn ihr nichts unternehmt werden eure
Gäste für eure Entscheidung büssen!“ warnte der Hauptmann
mit einem teuflischen Blick. Er nickte seinen Leuten zu und
diese gingen mit gezogenen Schwertern gegen die Gäste und
den Wirt vor. Im gleichem Augenblick erhob sich Vincent
Valentine von seinem Stuhl und ging gemächtlich auf die
Soldaten zu. „Was willst du?“ hauchte der Hauptmann
boshaft. „Ich bin zwar kein Arzt!“ sprach Vincent. „Aber ich
kann ihn vielleicht retten! lasst mir nur freie Hand über ihn!“.
Der Hauptmann blickte ihn ungläubig an und rief seine Männer zurück. „In Ordnung! aber wenn du uns reinlegen
willst seid ihr alle des Todes!“ sprach der Hauptmann ernst
und brachte den kranken in die Halle. „Legt ihn auf den
Tisch!“ befahl Vincent ernst und steckte sich einen Krumdolch
und einen Holzpflok in den Gürtel. „Was machen sie da?“
sprach der Hauptmann misstrauisch. „Ich werde in seine
innersten Gedanken eindringen und seinen Alptraum beenden!
es könnte zu kämpfen kommen.“ erklärte Vincent hektisch und
legte seine Hand auf den Arm des Mannes. Er konnte seinen
starken Puls fühlen, der wie eine Kutsche zu rasen schien.
Vincent passte sich der Pulsgeschwindigkeit des Mannes an und atmete noch einmal tief durch. Er spürte wie seine
Traumjägerseele seinen Körper verließ und in die Gedanken
des Soldaten eindrangen. Dann verschwamm alles vor seinen
Augen und Vincent sank schlaff zu Boden, ohne jedoch die
Hand des kranken loszulassen. „Was passiert hier?“ schrie
der Hauptmann aufgebracht und wollte sein Schwert gegen
den Traumjäger erheben, aber der Wirt hielt ihn zurück. „Ich
habe schon von solchen Menschen gehört Herr! sie haben
die Fähigkeit in die Träume anderer Menschen einzudringen
und sie zu verändern. Das kann im guten als auch im bösen
geschehen! wenn sie ihn jetzt dabei stören könnten sie das
Leben ihres Freundes gleich mit in den Tod reißen!“ sprach
der Wirt warnend zu dem stolzen Soldaten. „Na gut... aber
wenn er in mehr als zwei Stunden nicht zurück ist werde ich
persönlich für die Beendung dieses Alptraums sorgen!“ murrte der Hauptmann grimmig und zog sich mit seinen
Gefährten ins Nebenzimmer der Eingangshalle zurück. „Traumjäger... wir vertrauen dir!“ murmelte der Wirt leise
und sah aus dem Fenster.
Inzwischen wurde alles wieder klarer für Vincent Valentine.
Er bemerkte das er sich in einer alten zusammengefallenen
Ruine befand. „Ein seltsamer Alptraum...“ dachte er sich
im stillen und suchte nach einem Gang der ihn weiterführen
würde. Ein langer Korridor zog sich genau vor ihm entlang.
Vorsichtig schritt Vincent den dunklen Gang entlang. Als
er Hilferufe aus der Dunkelheit heraus hörte, beschleunigte
er seine Schritte und fing an zu rennen. Vor ihm lag ein
zusammengebrochener Mann der nicht mehr sehr lebendig
aussah, aber sein gezitter ließ daraus schließen das er noch
lebte. Vincent beugte sich zu dem verletzten hinunter und
riß einen Stofffetzen aus seinem Gewand heraus, mit dem
er ihn seine Wunde am Bein verband. „Wer bist du?willst
du mich auch töten?“ gab der Soldat bibbernd von sich.
„Ich bin ein Freund! du musst mir vertrauen! ich werde
dich wieder in die Wirklichkeit bringen.“ sprach Vincent
lächelnd und half dem Mann auf die Beine. „Pass auf!
hinter dir!!!“ kreischte der Soldat hysterisch und wich
erschrocken zurück. Ein bluttriefender Dämon stand
direkt hinter den beiden und erhob wütend seine Krallen
die wie zwei Klingen im schwachen Licht blitzen. Ohne
mit der Wimper zu zucken drehte sich der Traumjäger mit
einer unglaublich wendigen Geschwindigkeit um und hieb
dem Monster seinen Speer in den Körper. Mit einem brüllenden Schrei fiel der Dämon weit nach hinten. Vincent
beobachtete ihn lächelnd und warf seine Waffe zu Boden.
Der Soldat beobachtete ihn mit einem erstaunten Gesicht.
Wollte sein Retter das Monster denn nicht umbringen?. Aber
schon nach wenigen Augenblicken änderte er seine Ansichten
gegenüber dem Traumjäger. Gerade als sich der Dämon
schreiend erheben wollte, sprang Vincent geschmeidig wie
ein Katze in die Luft und rammte dem Ungetüm mit all seiner
Kraft den Krumdolch in die Schädeldecke. Das Monster
verübte nocheinmal einen mächtigen Prankenhieb gegen
seinen Wiedersacher, aber Vincent wich ihm mühelos aus.
Mit einem lauten grunzen stürzte der geschlagene Dämon zu
Boden und hauchte seine Rabenschwarze Seele aus. Vincent
sammelte seine Waffen wieder auf und reichte dem verletzten
Soldaten seine Hand. „Wie heißt du Soldat?“. „Ich bin Erwin... danke für die Rettung.“ stotterte der Soldat leise vor
sich hin und richtete sich auf. „Nun wir sollten diesen ungastlichen Ort verlassen, findest du nicht?“ fragte der Traumjäger mit einem verschmitzten lächeln im Mundwinkel.
Einen Augenblick später wurde es schwarz um sie, die
Wirklichkeit holte ihre Seelen wieder zurück. Als Vincent sich
wieder aufrichtete und auf die erstaunten Gesichter der Soldaten blickte, musste er kichern. Erwin erhob sich ebenfalls, so als ob nie etwas mit ihm passiert wäre. Der
Hauptmann kam mit schnellen Schritten in den Saal gestürmt
und schien völlig aus der Fassung zu sein. „Soldat! geht es
ihnen wieder gut?“ bestürmte er ihn. „Ja mein Hauptmann!
der Traumjäger Vincent hat meinen Alptraum beendet und
den Dämon besiegt der mich ängstigte!“ gab Erwin ernst zu
verstehen. „Sieht so aus als ob eure kleine Gemeinschaft noch
etwas leben darf...“ rief der Hauptmann lachend aus und
rückte mit seinen Männern ab. Erwin drehte sich nocheinmal
zu Vincent um und sprach: „Jetzt hast du etwas gut bei mir
Vincent!“. Dann verschwand er mit seinen Gefährten aus
dem Dorf und der Trupp ritt wieder in die Hauptstadt zurück.
Der Wirt bot Vincent einen Stuhl an und dieser setzte sich
dankbar nieder. „Das war wirklich sensationell wie sie das
gemacht haben! sie haben das Leben von meinen Gästen und
mir gerettet. Ich werde ihnen dafür ewig dankbar sein. Wo
soll es denn als nächstes hingehen? doch nicht etwa nach Gene Opale?“ fragte der Wirt dankbar. „Nun das hatte ich
eigentlich vor... ich muss unbedingt in diese Stadt! es passieren so viele mysteriöse und furchterregende Dinge
in letzter Zeit. Der Wind hat mir geflüstert das diese Stadt das
Zentrum allen Böses in dieser Gegend ist.“ murmelte Vincent
nachdenklich. „Gehen sie als erstes zur Kaserne und sprechen
sie dort mit der kaiserlichen Komandantin! sie kann ihnen
bestimmt weiterhelfen!“ meinte der Wirt hilfsbereit und wandte gleich darauf ein. „Aber wollen sie nicht nicht noch
einen Tag bei uns bleiben? die Rechnung geht auf das Haus,
denn immerhin haben sie uns alle aus der Schlinge gezogen“.
„Es tut mir Leid, aber das geht wirklich nicht! ich muss meine
Mission so schnell wie möglich beenden.“ sprach Vincent
mit ruhiger Stimme und schritt mit schnellen Schritten aus
dem Haus. „Ich bewundere den Mut dieses Jungen, aber ich
glaube nicht das er eine Chance gegen den König oder
die Setha hat!“ flüsterte der Wirt im stillen und kümmerte sich
wieder um die Schankbar. Sie war völlig umgeworfen worden
und es würde bestimmt lange dauern sie wieder aufzubauen.
„Aber an Zeit mangelt es uns ja nicht...“ kicherte der Wirt
leise und fing an den Boden zu fegen.
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Der Traumjäger
(Vincent the Dream Hunter* Erstfassung)
Prolog:
Es war in einer düsteren Nacht und der Mond schob sich
gerade über das Zirnament der Stadt Gene Opale. Keine
Menschenseele befand sich um diese Zeit noch auf den
Weg. Die Ruhe und Stille dieser einsamen Stadt schien
beinahe beängstigend. Einige Wachposten standen an der
Wachmauer und dösten leise vor sich hin. In dieser Nacht
hatten sie nicht viel zu tun gehabt. Seit einer Woche hatte
es keinen Aufstand in dem ruhigem Städtchen mehr gegeben.
Der König von Gene Opale, Lazirus Maximus, hatte in den
letzten Tagen die gesamte Stadt von seinen Soldaten durchstreifen lassen, und jedem Aufrührer den gar aus gemacht. Es würde eine Weile dauern bis sich die Aufständischen Bürger wieder sammeln konnten. Gene Opale war bis vor einem Jahr noch eine friedliche Stadt mit einem
gütigen König gewesen. Doch dann brachen die Setha, ein
übermächtiges Nachbarvolk aus dem hohen Norden, über
Nacht in die schutzlose Stadt Gene Opale ein. In Windeseile
hatten sie die Macht ergriffen. Der gütige König, Nimbuk
Valtes, wurde in der Öffentlichkeit hingerichtet um der
Bevölkerung ihre endgültige Niederlage über den Setha
vor die Augen zu führen. Trotz ihrer hilflosen Lage hatten
sich einige Aufständische zu einer Gemeinschaft zusammen-
geschlossen um die Tyranei des niederträchtigen Königs
Lazarus Maximus zu beenden. Bisher ohne Erfolg. Vor zwei
Tagen wurde der kümmerliche Rest ihrer Gruppe auf dem
Dorfplatz zusammengetragen und dort auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Seitdem herschte wieder Ruhe in
der Stadt. Schnelle Schritte waren auf einer sonst belebten
und nun verlassen Straße zu hören. Ein junger Mann rannte
in panischer Angst die Straße hinunter und verschwand in
einer der Nebengassen der großen Stadt. Eine dunkle Gestalt, die gänzlich von der Finsternis verschluckt wurde,
ging ihm mit schnellen Schritten nach. Es schien so als würde sie ihm folgen. Obwohl der Mann ein wahnsinniges Tempo
vorlegte gelang es ihm denoch nicht seinen Verfolger abzuhängen, der wie ein Schatten an ihm zu kleben schien.
In seiner Verzweiflung lief der junge Mann geradewegs in
eine Sackgasse. Schwitzend vor Angst drehte sich der Mann
um und sah die Gestalt die dunkle Gasse betreten. Was auch
immer dieses Wesen von ihm wollte, es schien ihm auf jeden
Fall nach dem Leben zu trachten. Aber so leicht wollte er
sich nicht ausliefern. Hektisch versuchte der Mann sich an
einem Mauervorsprung festzuhalten und sich über die Mauer
zu ziehen, was er im normalem Zustand nie zu wege gebracht
hätte. Aber seine Todesangst verlieh ihm übermenschliche
Kräfte. Mit einer schnellen Bewegung ließ sich der Mann
hinter die Mauer gleiten und atmete erleichtert auf. Was
wollte diese Gestalt eigentlich von ihm. Er war schließlich
nur ein einfacher Bürger der nicht einmal Reichtümer besaß
und nur von seinem Träumen lebte, in denen er sich alles
vorstellen konnte. Für weitere Gedanken blieb ihm keine
Zeit mehr, denn als er sich umwandte hörte er ein leises
flüstern in der Luft. Von neuer Panik ergriffen lief der Mann
geradewegs die Gasse hinaus, bis ihm ein Gitter am weiter-
laufen hinderte. Hinter ihm konnte er die Schritte der
gespenstischen Gestalt hören. Er zehrte und drückte wie wild
gegen das Tor. Es war verschlossen. Schreiend wandte sich
der arme Mann um als die Gestalt direkt vor ihm zum stehen
kam. „Was willst du von mir?“ schluchzte der Mann weinend. „Deinen Traum! du warst ein echter Träumer und
bist ihnen verfallen! und jetzt gehört er mir!“ flüsterte die
Gestalt mit einer sausenden Stimme. Dann erhob sie ihre
Hand die im Mondlicht wie eine gewaltige Kralle schien.
„Bitte nicht! ich bin noch nicht bereit dazu...“ wimmerte der
verängstigte Mann leise. „Tut mir Leid, aber du stehst auf
meiner Liste! ich kann dich nicht laufen lassen!“ gab die
Gestalt regungslos zu verstehen und stach mit ihrer Kralle
genau in das Herz des Mannes. Das letzte was man sah,
war wie sich eine große Blutlache in der Gasse ausbreitete
über die das Wesen mit schnellen Schritten hinwegtrat.
Nach einer Weile waren laute Stimmen aus den benachbarten
Häusern zu hören und ein gellender Schrei hallte durch ganz
Gene Opale. Der Wind pfiff leise Worte von sich. Es klang so
wie „Zuviel Geträumt...“
Kapitel.1
Die Morgensonne ging gerade auf. In so frühen Stunden
fuhr nur selten eine Kutsche in die Richtung von Gene Opale.
Es gab nicht viele Menschen die in solch unruhigen Zeiten
wie diesen nach Gene Opale fuhren. Im Gegenteil trieb es
die meisten von ihnen nach Van Mühlen wo noch einigermaßen Ordnung herschte und sie alle genug zu essen
hatten. Seit der Zeit von Lazarus Maximus mussten die meisten Menschen hungern und unter erbärmlichen Voraussetzungen leben. Außerdem hörte man immer wieder
von einer seltsamen Krankheit die die Menschen auf bösartige
Weise in die Ewigen Jagdgründe beförderte. Allein das war
schon genug für die meisten Leute in der Umgebung um das weite zu suchen. Aber es schien doch jemanden zu geben der
den gefährlichen Weg nach Gene Opale einschlug. Ein
grauer Heuwagen fuhr mit langsamer Geschwindigkeit den
Weg zur Hauptstadt entlang. Der junge Kutscherbursche
schien noch recht verschlafen zu sein und hielt die Zügel
nur schwach in der Hand. Auf seinem Anhänger saß ein
Mann mit langem blauem Haar der auf einer Flöte spielte.
Der junge Stallbursche hatte ihm auf seinem Weg zur
Hauptstadt aufgegabelt und nur wiederwillig zu einer
Mitfahrt zugestimmt. Der Mann kam ihm irgendwie unheimlich vor. Er ließ sich nicht in ein Gespräch verwickeln
sondern fragte ihn immer nur nach der Hauptstadt aus. „Ich
wäre gerne ein reicher Edelmann geworden. Das ist zwar
nur ein Traum, aber ich hoffe, dass er irgendwann Wirklich-
keit wird.“ sprach der Stallbursche lächelnd und versuchte
ein neues Gespräch mit seinen Beifahrer zu beginnen. Dieser
beendete abrupt sein Flötenspiel und schien in Gedanken
versunken zu sein. „Träumst du gerne?“ fragte ihn der Mann
ernst. „Ich hab ja sonst nichts...“ flüsterte der Stallbursche
leise. „Du solltest nicht zuviel träumen! man muss Realität
und Illusion voneinander unterscheiden können wenn man
am Leben bleiben will.“ sagte der blauhaarige Mann mit
einem funkeln in seinen Augen. „Wie meinen sie das?“ flüsterte der junge Stallbursche irritiert. Einen Augenblick
herschte Stille auf dem Karren. Schließlich antwortete ihm
der Mann. „Wenn man sich in seinen eigenen Träumen
verfängt ist es schlecht für das Unterbewusstsein des Menschen! Träume bringen unseren wahren Charakter zum
Vorschein. Sie zeigen uns wie wir wirklich sind. Sie sind
unsere Seele... verstehst du das?“ fragte der Mann ernst.
„Nicht ganz... was ist wenn man sich verfängt?“. „Das wäre
der Untergang seines wahren selbst! man verfängt sich in
seinen Träumen und weiß nicht was man in der Realität tut.
Vielleicht begeht man gerade Selbstmord oder sticht unschuldige Bürger nieder. Ich kann die Nebenwirkungen
auch nicht genau beschreiben! verfangen ist hier nicht
unbedingt das richtige Wort. Schon eher verfallen...“ gab
der Mann von sich und verfiel wieder in seinen nachdenklichen Zustand. „Aber wie kann ich etwas tun
wenn ich schlafe?“ warf der Stallbursche ein. „Du scheinst
es nicht zu verstehen, was? wenn man Nachts träumt ist das
normal! aber wenn man tagsüber träumt ist das gefährlich!
wenn man seinen Träumen am Tage verfällt können die
Traumdämonen Besitz von deinem Körper ergreifen, du
törichter Junge!“ sprach der Mann verärgert. Der Junge
musterte seinen Beifahrer nun von vorn bis hinten. „Was
genau machst du eigentlich?“. „Ich studiere die Träume der
Menschen...“ murmelte der Mann und begann wieder auf seiner Flöte zu spielen. Der Stallbursche begriff das das
Gespräch für den seltsamen Mann nun beendet war und
ging nicht genauer auf diese Sache ein. Man konnten nun
schon von weiten die Tore der Hauptstadt Gene Opale sehen
und der Stallbursche zügelte sein Pferd. „Weiter bringe ich
sie nicht! wenn sie wirklich nach Gene Opale wollen, müssen
sie alleine gehen. Ich rate ihnen aber die Nacht hier ihn Ruan
zu verbringen!“ sprach der Junge und deutete auf eine kleinere Siedlung, nicht weit weg von ihnen, hin. „Danke für
deine Bereitschaft mich bis hier her mitzunehmen!“ sprach
der Mann dankbar und schüttelte dem Stallburschen die Hand. „Dann verschwinde ich jetzt... und passen sie auf sich
auf! übrigens haben sie mir noch gar nicht gesagt wie sie
heißen!“ gab der Junge zurück. „Mein Name ist Vincent
Valentin und ich bin Traumjäger! komm gut nach Hause!“
verabschiedete sich der Mann von dem Jungen. „Na dann
viel Glück... Traumjäger!“ rief ihm der Stallbursche beim
vorbeifahren hinterher. Das Glück kannst eher du gebrauchen... Träumer!“ murmelte Vincent Valentine mit
ruhiger Stimme. Langsam ging er auf die örtliche Herberge
des kleinen Dorfes zu und betrat die Gastwirtschaft. Nach
Gene Opale würde er Morgen gehen.
Am nächsten Tag bot sich in Gene Opale ein Bild des Grauens. Eine junge Frau hatte in einer dunklen Seitengasse
einen toten Mann vorgefunden. Seine einzige Wunde war ein
tiefer Spalt der sich wie eine Pumpe in sein Herz eingeschleust
hatte. Viele Soldaten versuchte die aufgebrachte Menschen-
menge unter Kontrolle zu halten, aber das war nicht ganz einfach. Das Gerücht über den toten Mann hatte sich in der
großen Stadt schnell herumgesprochen und nun kamen dutzende von Menschen an den Ort des Geschehens um sich
selbst davon zu überzeugen. Man konnte der Bevölkerung
ihre Panik nicht übelnehmen. Immerhin hatten sie schon
unter den Plündereien der Soldaten zu leiden. Das nun auch
noch ein unheimlicher Mörder in ihren Vierteln umher schlich
war zuviel. Als einige Bürger versuchten die Soldaten mit
Mistgabeln aufzuspießen griffen diese zu den Waffen und hatten die Aufrüher schnell niedergestreckt. Nach diesem
Geschehen entfernten sich die meisten Leute schnell von der
Mordstelle. Einige Soldaten waren noch immer damit Beschäftigt mit weißer Kreide eine Bodenskizze von dem
Mordschlag zu zeichnen. Eine junge Frau erschien zwischen
den Reihen der Menschenmengen und drängelte sich zu der
Leiche vor. Sofort erhoben sich die Soldaten und salutierten.
„Was ist hier passiert?“ fragte die Frau ernst und starrte
auf die Soldaten. „Komandantin Deniz! heute Morgen
wurde die Leiche eines Mannes in dieser Seitengasse gefunden!“ sprach der Leutnant der Soldaten pflichtgetreu.
„Was ist daran so besonderes? in dieser Stadt sterben doch
immer wieder Menschen aus unerklärlichen Gründen.“ anwortete sie ihm. „Es war kein gewöhnlicher Mord! sehen
sie sich mal seine Wunde an.“ gab der Leutnant zu bedenken.
Die junge Komandantin beugte sich über die Leiche des
toten Mannes und durchsuchte seine Taschen. Die Wunde sah
wirklich nicht normal aus. Noch nie in ihrem Leben hatte
Deniz eine solche Verletzung gesehen. Es sah so aus als
hätten sich zwei riesige Krallen in den Körper der Leiche
gebohrt und etwas wichtiges aus seinem Körper gerissen.
Aber Deniz kam einfach nicht darauf was es war. Aus seinen
Taschen kam ein Foto eines süßen Mädchens zum Vorschein,
dass Deniz noch nie zuvor gesehen hatte. Die Soldaten schienen langsam ungeduldig zu werden. „Sollen wir den
Herscher verständigen? Er sollte sich um die Sache kümmern!“ gestand der Leutnant unsicher. Deniz erhob sich
und drehte sich zu ihren Gefährten. „Wollen sie ihn wirklich
wegen so einer Kleinigkeit stören? Ich werde ihn erst
verständigen wenn noch mehr von diesen seltsamen Morden
passieren! Solange halten wir uns da raus! Schafft die Leiche
in die Kaserne und lasst mich dann damit in Ruhe!“ sprach
Deniz befehlhabend und machte sich auf den Weg zum
Obstmarkt. Alle Leute in der Stadt wirkten heute sehr angespannt und unruhig. Die meisten Menschen konnten
Deniz überhaupt nicht weiterhelfen. Da das Opfer alleinstehend gewesen war gab es kaum jemanden der ihn
kannte, oder kennen wollte wie Deniz bald feststellte. Auch
das nette Mädchen auf dem Foto schien niemand zu kennen.
Schließlich gab es Deniz auf und verbrachte ihre letzten
Dienststunden in der Kneipe zum brodelnden Knochen. Die
sonst so volle Kneipe schien heute allein und verlassen zu
sein. Lediglich der Wirt stand vor der Schenke und wusch
seine Gläser gründlich durch. Deniz setzte sich an einen
großen Tisch für acht Personen, der eigentlich für eine
Horde Barbaren bestimmt war. Da aber keiner auftauchte
hatte der Wirt auch nichts dagegen ihr die Stammplätze
anderer zu überlassen. Deniz winkte den Wirt zu sich her.
„Wie lief heute dein Geschäft Gelbrecht?“ gestatte sich
Deniz die Bemerkung. „Da fragst du noch? die Stadt ist
seit einer Woche so gut wie ausgestorben! ich denke ich
mache hier bald dicht und verpfeife mich nach Van Mühlen,
denn da gibt es wenigstens noch so etwas wie Kultur!“
antwortete ihr der Wirt barsch und fragte nach ihrer Bestellung. „Das übliche wie immer Gelbrecht!“ gab ihm
Deniz zur Antwort. Mit schlürfenden Schritten verschwand
der Wirt wieder hinter seine Theke und machte sich an die
Arbeit. Inzwischen dachte Deniz angestrengt über das
geschehene der letzten Woche nach. Seit der König sie zum
Komandeur befördert hatte fühlte sie sich unwohl. Die
Arbeit war ihr einfach nicht gewachsen und viel lieber hätte
sie ihre alte Stelle als Leutnant zurückbekommen als einen
geisterhaften Mörder zu jagen. Wenn es überhaupt so etwas
wie einen Mörder gab, und der Mann nicht doch Selbstmord
begangen hatte. Ihre Gedanken wurden gestört als plötzlich
ein dunkel gekleideter Mann in Begleitung von zwei
schattenhaften Gestalten die Kneipe betrat. Er ging auf den
Tisch von Deniz zu und setzte sich ihr gegenüber auf einen
Stuhl. Als der Wirt näher an den Gast herankam winkte dieser
nur verächtlich ab und der Wirt verstand. Als sie wieder alleine waren vergingen unzählige Minuten voller Stillschweigen. Keiner wagte es einen Laut von sich zu geben.
Schließlich brach Deniz das stillschweigen. „Haben sie mir
denn nichts zu sagen? oder weshalb haben sie sich sonst
an meinen Tisch gesetzt?“ rief Deniz verärgert aus. Der dunkle Mann nickte kurz, dann sah er ihr tief in die Augen.
„Träumen sie gerne Fräulein Deniz? erzählen sie mir davon...
ich will ihre innersten Gedanken ergründen und so meine
Lücken füllen!“ flüsterte der Mann leise. „Träumen? ich
träume niemals!“ gab Deniz kühl zu verstehen. „Doch das tun
sie! erinnern sie sich an ihre Zeit als Leutnant? wäre es nicht
schön wenn sie sie wiederbekommen könnten?“ fragte der
Mann mit einem grinsen im Mundwinkel. „Ja... aber das ist
nur ein Traum!“ antwortete ihm Deniz ernst und hätte sich
anschließend beinahe verschluckt. „Sehen sie? auch sie haben
geträumt! es gibt kein Entkommen vor seinem innigsten Wunsch. Lassen sie sich von der jetzigen Realität nicht beeinflussen, denn das einzige was zählt ist ihr Traum!“ gab
der Mann leise zu verstehen. „Hören sie mal! sind sie nur
hierher gekommen um mir das zu sagen?“ rief Deniz grimmig
aus. „Nein... da haben sie Recht! es gibt einen trifftigen Grund warum ich mit ihnen sprechen wollte. Ich schätze sie
wissen alles über den toten Mann in der dunklen Gasse!
und ich hoffe zu ihrem Wohlwollen das sie die Finger von diesem Fall lassen werden. Sie brauchen sich nicht mehr darum zu sorgen, überlassen sie alles bloß uns. Wenn sie uns
nicht in die Quere kommen können sie noch eine Weile weiter-
träumen bis ihre Zeit gekommen ist!“ sprach der dunkle Mann
mit leuchtenden Augen. Deniz konnte seinen Körper und sein
Gesicht nicht erkennen, aber es war klar das er etwas verbarg. „Ich gebe einen Fall nie auf bevor ich ihn nicht
geklärt habe!“ erwiederte ihm Deniz schlagfertig. „So? weißt
du eigentlich wer ich bin? du spielst mit dem Feuer! mache
was du willst... aber wir werden dich im Auge behalten und
entsprechend handeln wenn die Zeit gekommen ist! genieße
deine Träume solange du sie noch hast!“ rief der dunkle Mann kichernd aus und winkte seinen beiden Begleitern zu,
die Gaststätte zu verlassen. Deniz blickte ihnen immer noch
völlig irritiert hinterher als sie die Kneipe verlassen hatten.
„Dein Flame Drink!“ sprach der Wirt hinter ihr gemächtlich.
Deniz ergriff ihn gierig und leerte ihn mit einem Zug. „Ich
frage mich ob schon etwas passiert ist, oder ob noch etwas
passieren wird!“ murmelte sie leise. Nach einer Weile erhob
sie sich und torkelte durch den Eingang hindurch. Etwas
beschwipst war sie jetzt schon, denn sie war es nicht gewohnt
einen Flame Drink auf einen Zug zu leeren. Wenn sie nicht
ein junger Kerl draußen aufgefangen hätte, wäre dies
bestimmt nicht gutgegangen. Der Junge hieß Moriz und wohnte direkt neben ihr. Trotz ihrer Arbeit waren die beiden
sehr gute Freunde und halfen einander wenn sie Hilfe benötigten. Das er sie diesesmal angetroffen hatte war eher
ein Zufall gewesen. „Mann Deniz! was machst du für Sachen!“ bemerkte Moriz kopfschüttelnd und brach unter
ihrem Gewicht ein. Ungewohlt viel er dabei genau über sie
drüber und lag nun wie auf einem weichen Kissen auf ihr.
„Ah Moriz... du bist das! ich hätte dich fast nicht erkannt!“
lallte Deniz stockbetrunken und gab Moriz einen schelmischen
Kuss auf den Mund. „Du weißt ja nicht was du tust!“ flüsterte
dieser rot vor Scharm und half Deniz sich aufzurichten.
„Moriz du schlimmer Kerl! wo bringst du mich hin? willst
du nicht lieber mit mir Babys machen?“ lallte Deniz weiter und sah Moriz dabei liebevoll an. Aber er wusste das sie es
nicht ernst meinte. Bei ihr wirkte sich die Betrunkenheit eben
so aus. Als sie nach einem kurzen Fußmarsch vor ihrem
Haus standen lud Moriz seine schwere Last ab und half ihr
die Treppe nach oben auf ihr Zimmer. Dort legte er sie
behutsam aufs Bett und wollte langsam wieder verschwinden.
Deniz sah ihm sehnsüchtig nach. „Moriz! willst du wirklich
nicht bei mir bleiben? wer weiß ob ich dazu morgen noch
fähig bin!“. Das klang so ernst gemeint aber Moriz biß die
Zähne zusammen und verschwand hinter der Tür. Der Mond
stand bleich über dem Himmel und Moriz glaubte eine Reihe
von Schatten über die Dächern der Stadt springen zu sehen.
Da es sich aber nicht wiederholte schloß Moriz das Fenster
zu seinem Zimmer und legte sich ins Bett. Sein Schlaf war
schnell und unruhig. Sein Puls rasste und sein Herz schlug
wild durcheinander. Er hatte einen Alptraum.
Ein weißer Palast inmitten eines Sees. Die dunklen Nebel-
schwaden verdeckten sämtliche Sonnenstrahlen am Himmel.
Vincent Valentine stand am Seeufer und blickte nachdenklich
hinüber. Ein schneeweißer Engel kam aus dem Palast geflogen und reichte ihm einen Siegelring. Im selben Augenblick durchwanderte er unzählige Augenblicke die er
noch nie zuvor erblickt hatte. Er sah ein blondes Mädchen
vor seinen Augen. Dann eine Horde Traumdämonen. Er
sah ein legendäres Wesen, den Chimären. Plötzlich
wurde es stockdunkel und vor seinen Augen erschien er.
Der Alptraumkönig. Lachend erhob er seine rechte Hand
und deutete mit seinen Fingern auf die unzähligen Seelen
unschuldiger Menschen, die er in seinen Besitz gebracht
hatte. „Ich werde dich vernichten junger Traumjäger!!“
hallte die Stimme des Alptraumkönigs durch Vincents
Gedanken. Aus den Schatten formte sich ein seltsames
Wesen was Vincent bei all seinen Traumreisen noch nie
zuvor gesehen hatte. Kreischend riß das Ungetüm seine
Kiefern auf, die wie zwei zersplitterte Bretter knackten.
„Nein!!!“ schrie Vincent erschrocken auf und alles
verschwamm vor seinen Augen. Mit großen Kopfschmerzen
erhob sich der Traumjäger von seinem Bett und öffnete die
Fenster seines Zimmers. Frische Luft wehte ihm entgegen
und er hörte die Vögel fröhlich zwitschern. „Wird Zeit
für mein Frühstück...“ dachte Vincent noch etwas benohmen
und begab sich in die Gaststätte. Etwas schien heute in
der Luft zu liegen, das spürte er gleich. Die Gäste waren
sehr aufgeregt und plauderten die ganze Zeit über einen
rätselhaften Mord in Gene Opale. Noch etwas schläfrig setzte
sich Vincent an einen Tisch und verlangte nach einem starken
Kaffee. Als der Wirt ihm sein Frühstück brachte hatte Vincent
Zeit etwas mit ihm zu reden. „Warum sind die Leute heute so
aufgeregt?“ fragte er neugierig. „Seit gestern tobt in Gene
Opale ein geisterhafter Mörder! man hat die Leiche eines
Jungen Mannes in einer Seitengasse gefunden!“ erklärte der
Wirt leise und wandte sich wieder anderen Dingen zu. „Ein
Mord? ich muss mehr darüber erfahren!“ dachte Vincent
ernst und sah zum Fenster hinaus. Eine Patrouille von Soldaten kam aus der Hauptstadt geritten. Sie schienen es
eilig zu haben, denn sie sprangen sofort von ihren Pferden ab
und stürmten mit gezogenen Schwertern in die Gaststätte.
Verzweifelt rannte der Wirt hinter seine Schankwand um sich
zu verstecken, aber der Hauptmann der Soldaten packte ihn am Kragen und schüttelte ihn heftig. „Nicht schon wieder Steuern! die habe ich euch doch schon gestern bezahlt!“ wandte der Wirt schmerzhaft ein. „Darum geht es uns auch
heute gar nicht! unser Feldwebel ist schwer erkrankt! in
der Stadt konnte ihn keiner helfen! selbst die Ärzte des Königs
sind machtloß gegen diese rätselhafte Krankheit. Unter euren
Gästen finden sich bestimmt auch einige ausländische Ärzte!“
schnauzte der Hauptmann boshaft und warf den Wirt mit einer
heftigen Bewegung zu Boden. Hilfesuchend sah der Inhaber
der Herberge zu seinen Gästen und bat sie doch etwas zu tun.
Denoch hatte keiner vor irgendwie in die Situation einzugreifen. Ärzte gab es zwar, aber diese hatten ebenfalls
keinen blassen Schimmer wie die seltsame Krankheit zu bekämpfen sei. „Wenn ihr nichts unternehmt werden eure
Gäste für eure Entscheidung büssen!“ warnte der Hauptmann
mit einem teuflischen Blick. Er nickte seinen Leuten zu und
diese gingen mit gezogenen Schwertern gegen die Gäste und
den Wirt vor. Im gleichem Augenblick erhob sich Vincent
Valentine von seinem Stuhl und ging gemächtlich auf die
Soldaten zu. „Was willst du?“ hauchte der Hauptmann
boshaft. „Ich bin zwar kein Arzt!“ sprach Vincent. „Aber ich
kann ihn vielleicht retten! lasst mir nur freie Hand über ihn!“.
Der Hauptmann blickte ihn ungläubig an und rief seine Männer zurück. „In Ordnung! aber wenn du uns reinlegen
willst seid ihr alle des Todes!“ sprach der Hauptmann ernst
und brachte den kranken in die Halle. „Legt ihn auf den
Tisch!“ befahl Vincent ernst und steckte sich einen Krumdolch
und einen Holzpflok in den Gürtel. „Was machen sie da?“
sprach der Hauptmann misstrauisch. „Ich werde in seine
innersten Gedanken eindringen und seinen Alptraum beenden!
es könnte zu kämpfen kommen.“ erklärte Vincent hektisch und
legte seine Hand auf den Arm des Mannes. Er konnte seinen
starken Puls fühlen, der wie eine Kutsche zu rasen schien.
Vincent passte sich der Pulsgeschwindigkeit des Mannes an und atmete noch einmal tief durch. Er spürte wie seine
Traumjägerseele seinen Körper verließ und in die Gedanken
des Soldaten eindrangen. Dann verschwamm alles vor seinen
Augen und Vincent sank schlaff zu Boden, ohne jedoch die
Hand des kranken loszulassen. „Was passiert hier?“ schrie
der Hauptmann aufgebracht und wollte sein Schwert gegen
den Traumjäger erheben, aber der Wirt hielt ihn zurück. „Ich
habe schon von solchen Menschen gehört Herr! sie haben
die Fähigkeit in die Träume anderer Menschen einzudringen
und sie zu verändern. Das kann im guten als auch im bösen
geschehen! wenn sie ihn jetzt dabei stören könnten sie das
Leben ihres Freundes gleich mit in den Tod reißen!“ sprach
der Wirt warnend zu dem stolzen Soldaten. „Na gut... aber
wenn er in mehr als zwei Stunden nicht zurück ist werde ich
persönlich für die Beendung dieses Alptraums sorgen!“ murrte der Hauptmann grimmig und zog sich mit seinen
Gefährten ins Nebenzimmer der Eingangshalle zurück. „Traumjäger... wir vertrauen dir!“ murmelte der Wirt leise
und sah aus dem Fenster.
Inzwischen wurde alles wieder klarer für Vincent Valentine.
Er bemerkte das er sich in einer alten zusammengefallenen
Ruine befand. „Ein seltsamer Alptraum...“ dachte er sich
im stillen und suchte nach einem Gang der ihn weiterführen
würde. Ein langer Korridor zog sich genau vor ihm entlang.
Vorsichtig schritt Vincent den dunklen Gang entlang. Als
er Hilferufe aus der Dunkelheit heraus hörte, beschleunigte
er seine Schritte und fing an zu rennen. Vor ihm lag ein
zusammengebrochener Mann der nicht mehr sehr lebendig
aussah, aber sein gezitter ließ daraus schließen das er noch
lebte. Vincent beugte sich zu dem verletzten hinunter und
riß einen Stofffetzen aus seinem Gewand heraus, mit dem
er ihn seine Wunde am Bein verband. „Wer bist du?willst
du mich auch töten?“ gab der Soldat bibbernd von sich.
„Ich bin ein Freund! du musst mir vertrauen! ich werde
dich wieder in die Wirklichkeit bringen.“ sprach Vincent
lächelnd und half dem Mann auf die Beine. „Pass auf!
hinter dir!!!“ kreischte der Soldat hysterisch und wich
erschrocken zurück. Ein bluttriefender Dämon stand
direkt hinter den beiden und erhob wütend seine Krallen
die wie zwei Klingen im schwachen Licht blitzen. Ohne
mit der Wimper zu zucken drehte sich der Traumjäger mit
einer unglaublich wendigen Geschwindigkeit um und hieb
dem Monster seinen Speer in den Körper. Mit einem brüllenden Schrei fiel der Dämon weit nach hinten. Vincent
beobachtete ihn lächelnd und warf seine Waffe zu Boden.
Der Soldat beobachtete ihn mit einem erstaunten Gesicht.
Wollte sein Retter das Monster denn nicht umbringen?. Aber
schon nach wenigen Augenblicken änderte er seine Ansichten
gegenüber dem Traumjäger. Gerade als sich der Dämon
schreiend erheben wollte, sprang Vincent geschmeidig wie
ein Katze in die Luft und rammte dem Ungetüm mit all seiner
Kraft den Krumdolch in die Schädeldecke. Das Monster
verübte nocheinmal einen mächtigen Prankenhieb gegen
seinen Wiedersacher, aber Vincent wich ihm mühelos aus.
Mit einem lauten grunzen stürzte der geschlagene Dämon zu
Boden und hauchte seine Rabenschwarze Seele aus. Vincent
sammelte seine Waffen wieder auf und reichte dem verletzten
Soldaten seine Hand. „Wie heißt du Soldat?“. „Ich bin Erwin... danke für die Rettung.“ stotterte der Soldat leise vor
sich hin und richtete sich auf. „Nun wir sollten diesen ungastlichen Ort verlassen, findest du nicht?“ fragte der Traumjäger mit einem verschmitzten lächeln im Mundwinkel.
Einen Augenblick später wurde es schwarz um sie, die
Wirklichkeit holte ihre Seelen wieder zurück. Als Vincent sich
wieder aufrichtete und auf die erstaunten Gesichter der Soldaten blickte, musste er kichern. Erwin erhob sich ebenfalls, so als ob nie etwas mit ihm passiert wäre. Der
Hauptmann kam mit schnellen Schritten in den Saal gestürmt
und schien völlig aus der Fassung zu sein. „Soldat! geht es
ihnen wieder gut?“ bestürmte er ihn. „Ja mein Hauptmann!
der Traumjäger Vincent hat meinen Alptraum beendet und
den Dämon besiegt der mich ängstigte!“ gab Erwin ernst zu
verstehen. „Sieht so aus als ob eure kleine Gemeinschaft noch
etwas leben darf...“ rief der Hauptmann lachend aus und
rückte mit seinen Männern ab. Erwin drehte sich nocheinmal
zu Vincent um und sprach: „Jetzt hast du etwas gut bei mir
Vincent!“. Dann verschwand er mit seinen Gefährten aus
dem Dorf und der Trupp ritt wieder in die Hauptstadt zurück.
Der Wirt bot Vincent einen Stuhl an und dieser setzte sich
dankbar nieder. „Das war wirklich sensationell wie sie das
gemacht haben! sie haben das Leben von meinen Gästen und
mir gerettet. Ich werde ihnen dafür ewig dankbar sein. Wo
soll es denn als nächstes hingehen? doch nicht etwa nach Gene Opale?“ fragte der Wirt dankbar. „Nun das hatte ich
eigentlich vor... ich muss unbedingt in diese Stadt! es passieren so viele mysteriöse und furchterregende Dinge
in letzter Zeit. Der Wind hat mir geflüstert das diese Stadt das
Zentrum allen Böses in dieser Gegend ist.“ murmelte Vincent
nachdenklich. „Gehen sie als erstes zur Kaserne und sprechen
sie dort mit der kaiserlichen Komandantin! sie kann ihnen
bestimmt weiterhelfen!“ meinte der Wirt hilfsbereit und wandte gleich darauf ein. „Aber wollen sie nicht nicht noch
einen Tag bei uns bleiben? die Rechnung geht auf das Haus,
denn immerhin haben sie uns alle aus der Schlinge gezogen“.
„Es tut mir Leid, aber das geht wirklich nicht! ich muss meine
Mission so schnell wie möglich beenden.“ sprach Vincent
mit ruhiger Stimme und schritt mit schnellen Schritten aus
dem Haus. „Ich bewundere den Mut dieses Jungen, aber ich
glaube nicht das er eine Chance gegen den König oder
die Setha hat!“ flüsterte der Wirt im stillen und kümmerte sich
wieder um die Schankbar. Sie war völlig umgeworfen worden
und es würde bestimmt lange dauern sie wieder aufzubauen.
„Aber an Zeit mangelt es uns ja nicht...“ kicherte der Wirt
leise und fing an den Boden zu fegen.