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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Angst [Roman]



MagicMagor
06.03.2003, 21:20
Kapitel 1

"Wir sollten langsam zurück reiten.", Mark lenkte sein Pferd neben das von Tibor, "Wir sind schon viel zu lange draußen."
"Du hättest ja schon vor einer Stunde zurück reiten können. Es hat dich niemand gezwungen weiter zu reiten. Also, beschwer dich nicht." Tibor war gereizt. Immer mußte Mark an allem rummeckern. Warum konnte er nicht einfach die Klappe halten oder, noch besser, ihn in Ruhe lassen und verschwinden?
"Es wird bald dunkel Tibor. Laß uns nach Hause reiten." Mark wußte, daß sein Bruder im Dunkeln immer ein wenig ängstlich wurde.
"Wenn du Angst im Dunkeln hast dann reite doch nach Hause, aber laß mich in Ruhe." Tibor gab seinem Pferd die Sporen und ritt auf den Wald zu.
"Verdammt, Tibor warte." Mark ritt seinem Bruder hinterher. "Alleine ist es viel zu gefährlich im Wald, vor allem nachts." Tibor hörte nicht auf ihn und verschwand im Wald. "Tibor bleib stehen, bitte." Auch Mark überschritt nun die Waldgrenze. Tibor beschleunigte seinen Galopp noch. Plötzlich kam aus dem Dickicht neben dem Pfad eine Schlange. Marks Pferd schreckte auf und er hatte einige Mühe nicht vom Sattel zu fallen. Als die Schlange verschwunden war hatte er Tibor aus den Augen verloren.
Er schrie noch ein par mal Tibors Namen aber er antwortete nicht. Mark hatte ihn verloren. Was sollte er nun seinem Vater erzählen? Er machte kehrt und ritt zum Schloß zurück. Auf dem Rückweg verfluchte er den Starrsinn seines Bruders. Wenn er doch nur einmal auf seine Vernunft hören würde.
Marks Stimme verklang und Tibor verlangsamte den Schritt seines Pferdes. Er hatte keine Angst im Dunkeln, er nicht. Sollte sein Bruder doch nach hause gehen wenn er sich in die Hosen machte. Endlich war er allein. Niemand der ihn störte oder ihm irgendwelche unsinnigen Dinge vorschrieb. Nach einigen Minuten beruhigte sich Tibors Puls und damit auch seine Gemütslage ein wenig und er fing an sich umzusehen. Er hatte den Pfad verlassen und befand sich nun im Dickicht. "Hm.. mal sehen. Irgendwo hier müßte der Weg sein." Tibor wendete sein Pferd und begann sich durch das Dickicht zu kämpfen.
"Beweg dich du alter Gaul, geht das nicht schneller?" Tibor schlug sein Pferd mit der Gerte um es anzutreiben, was in Anbetracht der Bodenbeschaffenheit allerdings ein sinnloses Unterfangen war.
Und so kam es nach einigen Minuten wie es kommen mußte. Das Pferd rutschte aus und stürzte. Tibor fiel mit einem Aufschrei des Unglaubens aus dem Sattel und landete unglücklich auf seinem linken Bein.
Ein stechender Schmerz durchfuhr Tibors Bein und er meinte ein Knacksen gehört zu haben. Er rutschte zu seinem Pferd rüber und fing an auf es einzuschlagen. "Du verdammter Gaul, warum kannst du auch nichts richtig machen? Verdammt noch mal." Er hörte auf das Tier zu schlagen, statt dessen fielen erste Tränen auf das Fell. Das Pferd rührte sich nicht, weder unter den Schlägen noch unter den Tränen von Tibor. Was er noch nicht gesehen hatte war, daß das Pferd auf einen spitzen Baumstamm gefallen war und dieser nun blutrot aus der Flanke herausragte.
Schließlich versiegten auch die letzten Tränen und Tibor lehnte ausgelaugt am Kadaver seines Pferdes. Die letzten Lichtstrahlen drangen noch durch das Blätterdach, dann wurde es Nacht im Wald. Und mit der Nacht erwachten zahlreiche Bewohner des Waldes zum Leben. Ein mulmiges Gefühl bereite sich in Tibors Magen aus und er rückte näher an den Körper heran, der nun rasch erkaltete. Es dauerte nicht lange und die ersten Fliegen hatten den Kadaver entdeckt. Als sich auch andere Kleintiere an dem Kadaver zu schaffen machten und der Geruch von totem Fleisch immer stärker wurde wandte sich Tibor von der Leiche ab. Sein Mageninhalt begann ein Eigenleben zu führen und er stand kurz davor sein Mittagessen auf dem Waldboden auszubreiten. Schließlich schaffte er es seinen Magen unter Kontrolle zu bringen und das Gefühl der Übelkeit verschwand.
Er hatte sich verlaufen, das stand fest. Den Pfad zu suchen hatte in der Dunkelheit keinen Sinn. Er mußte also wohl oder übel die Nacht im Wald verbringen. Wenigstens das sah Tibor ein. Er fröstelte. Er brauchte einen Unterschlupf, wollte er nicht im Wind erfrieren. Mit schmerzendem Bein rutschte er einige Meter weit bis unter einen morschen Baumstamm. Hier war er wenigstens vor dem Wind geschützt.
Soweit es mit seinem Bein ging, versuchte Tibor in einer halbwegs bequemen Position ein wenig Schlaf zu finden. Trotz der Schmerzen schaffte er es nach einer Weile einzuschlafen.
Tibor schreckte auf. Eine Eule hatte es sich über ihm auf dem Baumstamm bequem gemacht und beobachtete ihn mit ihren großen Augen.
Mondlicht erhellte den Wald ein wenig und Tibor erkannte Konturen menschenähnlicher Gestalten im Dunkel. Es war Vollmond. In der Ferne heulte ein Wolf, die Eule flog weiter und Tibor legte sich mit klopfendem Herzen wieder hin. An Schlaf war nicht zu denken. "Mark wo bist du?" Tibors Stimme war leise, einem Wimmern gleich.
Eine Wolke schob sich vor den Mond und die Konturen verschwammen wieder mit dem Dunkel. Dafür leuchteten unzählige Augenpaare Tibor an. Sein Pulsschlag beschleunigte sich noch weiter, man mußte ihn im ganzen Wald hören, so kam es ihm vor.
Er schloß die Augen und versuchte zu schlafen. Ablenken, er mußte sich ablenken. Er dachte an Jeanette. Das Mädchen seiner Träume. Jedenfalls war sie es bis vor zwei Jahren gewesen. Dann hatte sie sich für Mark entschieden. Doch es half. Sein Herzschlag beruhigte sich. Die Wut auf seinen Bruder, der ihm Jeanette weggenommen hatte verschwand. Erneut fand er etwas Schlaf.
Sein Traum war diesmal farbenfroh. Die Gedanken an Jeanette halfen ihm dabei. Doch auch hier war es dunkel. Zwar nicht direkt aber über allem lag eine Art Grauschleier.
Er fühlte sich elend. Wieder war er erwacht, diesmal von alleine und Schlaf konnte sich nicht wieder einstellen. Sein Bein schmerzte, er schwitzte und sein Mund war ausgetrocknet. Würde er hier sterben? War es das, was ihn erwartete? Er versuchte sich aufzurichten aber seine geschwächten Arme konnten ihn nicht tragen. Und so blieb ihm nichts anderes übrig als liegenzubleiben und auf den befreienden Schlaf zu hoffen, auch wenn es der ewige Schlaf sein sollte.

Das nächste was er wahrnahm war Wärme, wohltuende Wärme. Er lag im Bett. Ein Aufatmen durchlief seinen Körper. Es war alles nur ein Traum. Beim Versuch aufzustehen wurde er allerdings eines besseren belehrt. Er konnte sein linkes Bein nicht bewegen. Dieses steckte verbunden in einer Schiene. Es war kein Traum gewesen. "Du solltest noch nicht versuchen aufzustehen. Du bist immer noch sehr schwach." Tibor hatte gar nicht gemerkt, daß jemand hereingekommen war. Jeanette lächelte ihn an. "Du kannst froh sein, daß du noch lebst. So wie Mark dich im Wald gefunden hat."
"Ach Mark, ohne den wäre das gar nicht passiert." Tibor schlug Jeanettes Hände beiseite und deckte sich selber wieder zu. Er war doch kein kleines Kind mehr.
"Was fällt dir eigentlich ein? Mark hat dich zusammen mit dem Suchtrupp im ganzen Wald gesucht. Selbst als die anderen schon aufgeben wollten um am Tag weiter zu suchen, hat er weiter gesucht und dich schließlich gefunden. Ein par Stunden später und du hättest nicht überlebt. Er hat dein Leben gerettet . Ist dir das eigentlich klar? Und was machst du? Beschuldigst ihn auch noch an der ganzen Misere schuld zu sein. Das ist ja wohl der Gipfel der Frechheit." Jeanette atmete aus.
"Was machst du eigentlich hier? Geh doch zu deinem Mark, dem großem Helden und laß mich mit deinen Belehrungen in Ruhe." Er drehte sich um und Jeanette den Rücken zu.
Sie wollte schon etwas darauf erwidern, beließ dann aber dabei. Beim hinausgehen murmelte sie noch vor sich hin: "Hat sich überhaupt nicht verändert. Unhöflich wie immer." Aber das hörte Tibor schon nicht mehr. Er war froh in Sicherheit zu sein und er verbannte das Erlebte in die hinterste Ecke seiner Erinnerung.
Auf dem Gang begegnete Jeanette Mark, der Tibors besuchen wollte. "Vorsicht, er hat heute schlechte Laune." Mark lächelte.
"Das ist doch nichts neues." Da mußte auch Jeanette lächeln.
"Na Bruderherz wie geht es dir?" Tibor drehte sich zu seinem Bruder um.
"Ach du bist es. Laß mich in Ruhe." Mark setzte sich auf einen Hocker neben Tibors Bett.
"Das werde ich nicht. Ich möchte, daß du mir zuhörst. Du hast uns alle einen gehörigen Schrecken eingejagt. Mutter war schon nahe daran in Ohnmacht zu fallen. Was hast du dir dabei gedacht alleine in den Wald zu reiten? Du weißt genau wie tückisch der Boden, des Nachts sein kann."
"Wenn ich das weiß, brauchst mich ja nicht daran zu erinnern."
"Du hast meine Frage nicht beantwortet. Warum bist du in Wald geritten?" Tibor starrte seinen Bruder wortlos an. "Verdammt noch mal, antworte gefälligst. Wir haben uns alle Sorgen gemacht. Du wärst fast gestorben und ich will wissen warum."
"So du willst wissen warum? Du willst es wirklich wissen? Gut dann sage ich es dir. Wegen dir. Ich bin wegen dir in den Wald geritten, weil ich mir deine Belehrungen nicht mehr anhören konnte. Deswegen bin ich in den Wald geritten. Und vielleicht wäre es besser ich wäre dort geblieben. Dann müßte ich mir jetzt auch keine Belehrungen mehr anhören."
"Sag mal hast du überhaupt kein Schamgefühl? Schämst du dich nicht für das was du getan hast? Nicht ein kleines bißchen? Du machst es dir wieder einfach Tibor. Nicht nur, daß du dich nicht den Konsequenzen deines Verhalten stellen willst, du gibst es noch nicht einmal zu. Statt dessen schiebst du Schuld, wieder einmal, auf jemanden ab. Kannst du dir vorstellen wie wir uns gefühlt haben? Kannst du das? Was wäre wenn ich statt deiner dort gelegen hätte? Was wäre dann?"
"Dann wäre Jeanette wieder frei." Tibor lächelte Mark hämisch an. Dieser verpaßte seinem Bruder eine Ohrfeige und erhob sich.
"Ich hasse dich." schrie Tibor ihm hinterher. Der blieb in der Tür kurz stehen und drehte sich zu Tibor um: "Ich weiß. Aber trotz allem bist du immer noch mein Bruder und ich deiner." Dann schloß er die Tür.

Etwa eine Woche verging bis Tibor das Bett verlassen konnte. Wenn er alleine war stand er auf und ging mit seinen Krücken ein wenig im Zimmer herum. Das Zimmer verließ er nur wenn Jeanette ihn dazu zwang. "Du brauchst Bewegung. Mehr als immer nur im Kreis zu laufen. Sonst wird dein Bein nie heilen."
Mehr als einmal warf er die Krücken zu Boden und Jeanette mußte ihn auffangen damit er nicht hinfiel. "Diese verdammten Dinger. Ich bin doch kein Krüppel. Ich kann auch alleine gehen." Tränen flossen über sein Gesicht und er versuchte Jeanette von sich zu schubsen. Erst nach einer Ohrfeige war er bereit die Krücken unter Tränen wieder aufzuheben und weiter zu humpeln.
Wann immer ihm dabei sein Bruder über den Weg lief giftete er Mark an: "Siehst du was du aus mir gemacht hast? Einen Krüppel. Ein Krüppel bin ich, wegen dir." Mark seinerseits ignorierte diese Bemerkungen da er wußte, daß sie keine Substanz hatten. Aber sie taten dennoch weh und Tibor wußte das.

Etwa einen Monat später konnte Tibor endlich wieder ohne Schiene und ohne Krücken laufen. Noch am gleichen Tag ging er in den Stall um einen Ausritt ins nahegelegene Dorf zu machen. "Gib mir das beste Pferd, das ihr hier im Stall habt." Der Stalljunge erhob sich von seiner momentanen Arbeit, wischte sich die Hände an der Hose ab und trat auf Tibor zu. "Sir, das beste was wir hatten war der Hengst mit dem ihr das letzte mal ausgeritten seid."
"Unmöglich. Wenn es das beste Pferd im Stall war dann hätte es mich nicht im Wald abgeworfen."
"Ein Pferd ist nur so gut wie der Mann, der es reitet."
Tibors Augen verengten sich. "Was wollt ihr damit sagen?"
"Och nichts. Aber wenn ihr ein gutes Pferd wollt kann ich euch Lise empfehlen."
Tibor sagte nichts, der Junge verschwand kurz und kam mit einer prächtigen Stute zurück. "Das hier ist Lise. Sir, ich bitte euch, geht sanft mit ihr um." Tibor schwieg, schwang sich in den Sattel und gab ihr die Fersen zu spüren.
Der Wind strich über Tibors Wangen wie ein rauschender Fluß. Tibor war erfüllt vom Gefühl der Freiheit. Endlich hatte er die Mauern seines Vaters Burg hinter sich gelassen und galoppierte über die Wiesen hinunter zum Dorf.
Lise bäumte sich kurz auf als er vor der Dorfschenke zum stehen kam. Er warf die Zügel dem Stallburschen zu. "Kümmer dich um sie." Und schon war er in der Schenke verschwunden.
Etwa eine halbe Stunde später torkelte Tibor mit aufgeplatzter Unterlippe aus der Schenke. "Kommt erst wieder wenn ihr gelernt habt euch zu benehmen, mein Lord." Der beißende Unterton des Wirts beim letzten Wort war nicht zu überhören. Aus dem inneren war Gelächter zu hören.
Tibor riß dem Stallburschen die Zügel aus der Hand und ritt zurück zur Burg.

So langsam neigte sich der Frühling dem Ende zu und der Sommer begann. Und mit dem Sommer kam das große Ereignis des Jahres. Der Kronprinz des Reiches, Severin Leander, heiratete Verena Gisela die Prinzessin von Valanien. Ein solches Ereignis wird natürlich gebührend gefeiert und so fand in der Hauptstadt eine Festwoche mit Jahrmarkt und Turnieren statt. Alle Adligen des Landes waren eingeladen am Turnier zu Ehren des Brautpaares teilzunehmen. Und so war auch Lord Arekna samt Familie eingeladen.
"Tibor, dieses Fest ist sehr wichtig. Ein gesellschaftlicher Anlaß von diesem Ausmaße findet nur selten statt. Also versuch dein Temperament ein wenig zu zügeln und in keine Schwierigkeiten zu geraten. Ich möchte, daß du dich wenigstens eine Woche lang benimmst. Blamiere mich nicht. Ist das klar?"
"Ja Vater, alles klar. Ich weiß was ich tue, verlaß dich auf mich."
"Lieber nicht."
Tibor hatte schon viele Städte gesehen aber nichts was der Hauptstadt des Reiches auch nur nahe kam. Auf einem Hügel gelegen mitten in der Weite der Felder thronte die Stadt über dem Reich. Die große Südstraße betrat und verließ die Stadt durch die einzigen zwei Tore der Stadtmauer. Sowohl durch das Ost- als auch das Westtor strömten heute viele Kutschen samt Begleitung in die Stadt.
Die Straßen waren gesäumt von Ständen der Händler und auf dem Marktplatz in der Mitte der Stadt tummelten sich Tausende von Menschen.
Vom Marktplatz aus führte eine Straße etwa hundert Meter einen kleinen Hügel hinauf zum Schloß. Ein riesiger Bau aus weißen Marmor, dessen Türme schon von weitem zu sehen waren.
"Unglaublich." Tibor blickte ungläubig auf das riesige Gebäude. Zum Glück war sein Pferd gut ausgebildet und folgte der Straße und der Kutsche seiner Eltern.
Man erwartete sie bereits. Die Stallburschen kümmerten sich um Pferde und die Kutsche. Derweil wurden sie von einem Diener zu ihren Unterkünften geleitet.
"Ich hoffe diese Gemächer entsprechen euren Vorstellungen, mein Lord." Der Diener verbeugte sich.
"Aber sicher, ihr könnt nun gehen." Tibors Mutter entließ den Diener und betrat die Gemächerflut.

Am dritten Tag der Feierlichkeiten war es endlich soweit. Das große Turnier zu Ehren des Kronprinzen und seiner baldigen Gemahlin.
Der Turnierplatz befand sich hinter dem Schloß und es waren unzählig viele Zelte, die hier aufgebaut waren. Heute sollte ein Reitturnier mit Lanzengang stattfinden. Obwohl Tibor nicht besonders gut im Umgang mit der Lanze war so nahm er doch am Turnier teil. "Es gehört sich nun mal so, daß der Thronerbe seine Künste im Lanzengang vorführt mein Sohn." Sein Vater war schon immer sehr auf den Ruf der Familie bedacht.
Tibor hatte keine Angst, nein so etwas kannte er gar nicht. Es war nur, daß er irgendwie wußte, daß er es nie bis ins Finale schaffen würde. Und er hatte keine Lust an einem Turnier teilzunehmen in dem er keine Aussicht hatte zu gewinnen. Es war schließlich Jeanette deren Bemerkung ihn dazu gebracht hatten dem Wunsch seines Vaters zu folgen und sich für den Lanzengang einzutragen. "Tibor, die Lanzen haben stumpfe Enden, die Verletzungsgefahr ist möglichst gering gehalten. Oder hast du etwa Angst, das dein ach so makelloser Körper von ein par blauen Flecken verunstaltet wird?" Einen solchen Vorwurf konnte er natürlich nicht auf sich sitzen lassen und sich angemeldet.
Seine Rüstung drückte zwar an den einen oder anderen Stellen aber alles im allem saß sie recht bequem. Zum Glück war er nicht der einzige der nicht allzuviel Geschick im Umgang mit der Lanze besaß und so überstand er die Vorrunden unbeschadet. Sein Ende kam dann im Achtelfinale.
Sein Gegner war Karl Gisela, der Bruder der Prinzessin. Karls Lanze traf ihn mit voller Wucht an der Brust und er segelte zu Boden. Durch das ungewohnte Gewicht der schweren Rüstung verstärkte sich der Sturz und Tibor war zu benommen um aufzustehen. Damit hatte Karl gewonnen und Tibor ausgeschieden.
"Beschämend." Das war das erste was Tibor hervorbrachte nachdem sein Diener ihm im Zelt aus seiner Rüstung geschält hatte.
"Nun das würde ich nicht sagen. Immerhin haben sie es bis ins Achtelfinale geschafft. Eine nicht zu unterschätzende Leistung." Erwiderte sein Diener.
"Ach, was weißt du schon. Beschämend. Und jetzt laß mich allein."
"Jawohl, Herr." Der Diener verbeugte sich und verschwand.

Am Abend wälzte sich Tibor unruhig von einer Seite auf die andere. In seinem Kopf schwirrte ein Wort herum, verloren. Er hatte verloren. Auf einmal tauchte vor seinem inneren Auge ein Gesicht auf. Es war das Gesicht von Karl. Gegen ihn hatte er verloren. Gegen einen solchen Möchtegernritter.
Wut baute sich in ihm auf. Ich werde dich besiegen. Ich bin besser als du, schrie er ihm im Geiste entgegen. Das Gesicht antwortete ihm nicht, statt dessen fing es an zu verblassen. Hey, bleib hier, Feigling. Ich bin mit der noch nicht fertig. BLEIB HIER. Doch auch diese Worte erzielten nicht den gewünschten Effekt. Tibors Gegenüber verschwand und für einen unendlich langen Augenblick war Tibor alleine, in der Leere seines Traumes.
Mit einem Male bemerkte er Schatten am Rande seines Sichtfeldes. Er drehte sich herum, um den Körper zu sehen, der den Schatten warf. Aber da war kein Körper. Nur dieser Schatten. Komm zu uns, flüsterte er. Du mußt zu uns kommen, Tibor. Du mußt kommen und uns erwecken. Mit einem Male wurde Tibor bewußt, daß er diesen Schatten schon einmal bemerkt hatte. Als er verletzt, eine Nacht im Wald verbracht hatte. Wer seid ihr? Schrie er ihnen entgegen. Wir sind ein Teil von dir. Der Teil, den du fürchtest, den du tief in deinem Inneren begraben hast. Du mußt uns erwecken, sonst ist alles verloren. Die Leere um Tibor herum, schwand und er fand sich in einem Saal wieder, einem Thronsaal. Genauer gesagt im Thronsaal des Schlosses von Arekna, dem Wohnsitz seines Vaters. Der Saal war voll, die Leute festlich gekleidet, die Soldaten trugen eine goldene Schärpe über ihren Rüstungen. Als Tibor zum Thron aufblickte, sah er auch den Grund für diese Kleidung. Er befand sich mitten in einer Krönungszeremonie, der Krönungszeremonie seines Bruders. Nein, das kann nicht sein. Wieso wird Mark gekrönt? Wo ist Vater und wo bin ich? Tibors Mund formte die Worte, die nur in seinem Geiste zu hören waren.
Er rannte auf den Thron zu und wollte Mark das Schwert, das Symbol der Familie Arekna, aus den Händen schleudern. Seine Hand durchdrang das Schwert, ohne auf Widerstand zu stoßen. Und so mußte Tibor mit ansehen, wie sich sein Bruder erhob und mit dem Schwert in der Hand den Schwur leistete, der ihn zum rechtmäßigen Grafen machen würde.
Die Szenerie verblaßte und eine neue Umgebung formte sich. Das Schlafgemach des Grafen. Mark saß auf dem Bett und beobachte Jeanette, die sich ,vor dem Spiegel, für die Nacht zurechtmachte. Im Gegensatz zum Thronsaal konnte Tibor nun hören, was die Personen sprachen. "Eigentlich schade." Sprach Mark.
"Was, mein Liebling?" Jeanette drehte sich zu Mark um.
"Daß er unseren ersten Hochzeitstag nicht erleben kann."
"Ach, er hätte es sicher nicht gewollt, daß sein einziger Sohn an einem solchen Tag, so ein Gesicht macht." Tibors Herz machte bei diesem Satz einen Sprung. Sein einziger Sohn, hatte sie gesagt. Und was ist mit mir? Ich bin doch Marks Bruder. Auch das Schlafzimmer verblaßte. Wo bin ich? Wo bin ich dabei? Verdammt noch mal, das kann doch nicht sein. NEIN.
Tibor erwachte, schweißgebadet. Den Göttern sei Dank, es war nur ein Traum, dachte er. Der Mond schien zum Fenster herein und Tibor sank wieder in den Schlaf.

Sowie der dritte Tag des Festivals ganz im Zeichen des Lanzenganges gestanden hatte, so stand der vierte Tag im Zeichen des Schwertkampfes. Und so sehr Tibor den Kampf mit der Lanze verabscheute so sehr liebte er den Kampf mit der Klinge. Dementsprechend gut waren auch seine Fähigkeiten.
Daher war es nicht erstaunlich, daß Tibor ohne größere Probleme es bis ins Finale schaffte. Überraschend war sein Gegner, Karl Gisela. Der Gewinner des Lanzenganges und derjenige, der Tibor aus dem gestrigen Turnier rausgeworfen hatte.
Ein spitzes Grinsen machte sich auf Tibors Gesicht breit. Nun hatte er eine Chance erhalten sich zu rächen. Die beiden Kontrahenten trugen keinerlei Rüstungen und kämpften mit echten Schwertern. Auch wenn es im Turnier das Ziel war den Gegner zu entwaffnen, so waren doch kleinere Wunden nicht ausgeschlossen. Die einzige Bekleidung, die beide aufwiesen, waren kurze Hosen.
"Hoffentlich erkältest du dich nicht." Tibors Bemerkung prallte wirkungslos an Karl ab.
"Was hältst du davon, endlich mal anzufangen anstatt zu labern." Karl war sichtlich genervt.
"Wie du meinst." Tibor zuckte die Schultern und begab sich in Kampfposition. Langsam umtänzelten sich die beiden Kämpfer. Schließlich machte Tibor den Anfang. Er sprang auf Karl mit erhobenen Schwert zu. Ein folgenschwerer Fehler. Karl machte einen Schritt zur Seite und rammte Tibor bei dessen Landung den Griff in die Magengegend. Tibor keuchte und blieb einige Sekunden benommen am Boden. Als er sich erhob, war seinem Gesicht die Schmerzen anzusehen.
Karl startete nun seinerseits einen Angriff. Die von unten kommende Klinge traf auf Tibors Schwert. Eine Reihe von Schlagabtäuschen folgte in, denen mal Tibor und mal Karl die Oberhand gewann. Schließlich trennten sich die Kontrahenten wieder. Beide waren schweißbedeckt und wiesen die eine oder andere Schnittwunde auf.
Erneut stürmte Karl auf Tibor zu. Tibor bemerkte aus den Augenwinkeln plötzlich einen Schatten. Sofort kamen die Erinnerungen an den Traum von letzter Nacht hervor. Dadurch abgelenkt traf ihn Karls Schlag mitten in Magengegend. Tibors Körper erzitterte. Seine Knie gaben nach und er fiel auf die Knie. Alle Kraft wich aus seinen Armen und sein Schwert fiel zu Boden. Keuchend und würgend wand sich Tibor. Karl hatte gewonnen.

Nur widerwillig begab sich Tibor zum Bankett, noch am gleichen Abend. Die Tafel war lang. Am Kopfende saß das Brautpaar, zur linken Karl, zur rechten den Vater von Severin, der Kaiser des Reiches. Tibor saß irgendwo inmitten seiner Familie. Man sprach über Belanglosigkeiten, wie das Wetter. Aber auch über den spektakulären Kampf zwischen Tibor und Karl und natürlich über die morgige Hochzeit. Alles in allem ein typisches Bankett, riesig und langweilig, wie Tibor fand.
Zwei Wachen erschienen im Saal und marschierten zum Kaiser. Einer der beiden flüsterte ihm etwas ins Ohr und zeigte ihm ein Schriftstück.
Der Kaiser erhob sich und stieß sein Glas an. Sofort verstummten die Gespräche am Tisch und alle Blicke richteten sich auf den Kaiser.
"Meine lieben Gäste. Morgen heiratet mein Sohn und ich würde dieses Ereignis liebend gerne gebührend feiern. Leider ist mir dies heute abend nicht vergönnt. Wie ich soeben erfahren gibt es unter uns jemanden der einen Anschlag plante." Ein Raunen ging durch den Saal. "Einen Anschlag auf das Leben von Karl Gisela, dem Bruder unserer zukünftigen Thronfolgerin." Das Raunen wurde lauter und Karl hielt erstaunt die Luft an. "Glücklicherweise, muß man jetzt sagen, verschwand heute nachmittag die Brosche der Braut aus ihrem Gemach. Daraufhin wurde eine Durchsuchung aller Gemächer angeordnet. Nur so fanden wir den Beweis für den Plan eines solch schrecklichen Verbrechens. Dieses Schriftstück,", er hielt den Zettel in die Höhe, "beschreibt detailliert wie der Mörder gedachte seine Tat auszuführen. Da der Zettel unterschrieben ist, ist uns somit die Identität des Verräters bekannt."
Die beiden Wachen gingen die Tafel entlang bis sie hinter Tibor zum stehen kamen. "Tibor Arekna. Ich beschuldige sie des Hochverrates und versuchten Mordes. Da ein eindeutiger Beweis vorliegt ist ihre Schuld unumstritten. Ich verurteile sie hiermit zum Tode durch das Beil."

2. Kapitel

Nach endlos vielen Stufen erreichten sie endlich das Ende der Treppe. Tibors Hände schmerzten von den Handschellen, die ihm die Wächter angelegt hatten. Ein Stoß in den Rücken ließ ihn nach vorne taumeln. Die Prozession, ein Wächter vorne einer hinten, setzte sich wieder in Bewegung. Hier unten im Kerkertrakt des Schlosses war es kalt und die Luft ein wenig muffig. Seltsamerweise verspürte Tibor keine Angst, als er dem Wächter folgte.
Erst als er das Geräusch des Schlüssels wahrnahm, der im Schloß gedreht wurde, spürte er die kalte Hand der Angst, die sich um sein Herz legte. Die Schritte der Wächter entfernten sich und verstummten schließlich ganz. Er war allein. Der einzige Lichtschein, kam von der Fackel auf dem Gang. Tibor zog sich in eine Ecke zurück, ihm war kalt und er war hungrig. Es war unglaublich, wie konnte er nur im Kerker landen? Mit diesem Gedanken entschwand er ins Reich Träume.

Ein Gang. Er ging einen Gang entlang. Nein gehen war das falsche Wort, schweben traf es besser. Während er den lichtdurchflutetenden Gang entlangschwebte tauchten Bilder vor ihm auf. Bilder seiner Kindheit, Bilder seiner Familie. Es war sein Leben, daß er sah. Ist dies das Ende? Sterbe ich nun? Die Bilder verschwanden, sein bisheriges Leben war abgelaufen. Ist dies der Tunnel? Der Tunnel ins Totenreich? Sollte der Tunnel nicht dunkel sein? Mit einem Licht am Ende? Mit einem Male tauchte am Ende des Ganges ein dunkler Schatten auf. Panik ergriff ihn. Sein Tempo beschleunigte sich und der Schatten wurde immer größer, kam immer näher. Bald füllte der Schatten sein gesamtes Blickfeld aus. Jetzt ist es soweit, jetzt gehe ich in den Nimbus über.
Tibor war umgeben vom Schatten. Ihm war kalt. Ist dies der Nimbus? Die ewige Leere zwischen den Welten? Tiefe Trauer bereitete sich in ihm aus. Eine Trauer, tiefer als jede Trauer die er je empfunden hatte. Er war allein, endgültig und für alle Ewigkeit. Niemand würde sich mehr an ihn erinnern. Er war aus dem Gedächtnis der Welt gelöscht. Die Götter hatten es so gewollt. Auch wenn er nicht verstand wieso, so verstand er doch die Tragweite dieser Strafe, die ihm die Götter auferlegt hatten.
Er war nicht ganz allein. Er spürte die Präsenz eines anderen Wesens. Es drängte in ihm sich mit dieser Präsenz zu vereinigen und so die Einsamkeit zu besiegen. Doch er stieß auf eine Barriere. In seinem Kopf konnte er ihn hören. LEBEN. Dieses Wort hallte mit einer Kraft in ihm, daß er glaubte er würde daran sterben. Ich bin doch schon tot, oder? Tibor war verwirrt. Wieder hörte er das Wesen. Doch diesmal blieb es nicht bei einem Wort. Wie ein kalter, lebloser Finger, bohrte der Fremde in seinem Kopf. Riß alte Wunden auf und brachte Erinnerungen an die Oberfläche die Tibor am liebsten für immer vergessen wollte. Tibor konnte die Gier spüren, die Gier nach Leben. Wieso weiß ich, daß er die Kraft des Lebens will? Und heißt das nicht, daß ich noch lebe? Warum bin ich dann hier?
Kurz bevor Tibor die Sinne schwanden vernahm er eine weitere Stimme in seinem Kopf, eine Stimme die auf geheimnisvolle Weise vertraut, und furchterregend wirkte. Kämpfe.

"Bist du sicher, daß das Geschäft sicher ist?" Ardora war immer noch skeptisch. Chura legte den Sack beiseite, den er in der Hand hielt. Er legte ihr sanft die Hand auf die Schulter: "Schatz, ich weiß, daß er ein Mensch ist. Aber ich kenne ihn. Ich habe schon öfters Geschäfte mit ihm gemacht. Er ist absolut zuverlässig.", ihr Blick verriet, daß sie ihm nicht wirklich glaubte, er seufzte, "Dich scheint anscheinend nichts umstimmen zu können, oder? - Mich allerdings auch nicht." Ardora wußte wie wahr diese Worte waren. Manchmal wäre es wirklich besser er würde auf sie hören.
"Ich weiß mein kleiner." Sagte sie besänftigend und streichelte ihm dabei über den Kopf. Chura ergriff wieder den Sack.
"Schön daß wir uns da einig sind." Sagte er und belud den Wagen weiter. Ardora seufzte. Er würde sich nie ändern.

Ardora mochte die Stadt nicht. Sie war groß, laut, dreckig und voller Menschen. Wie hatte er mich nur dazu überredet mitzukommen? Diese Frage stellte sie sich nicht zum ersten Mal auf dieser Reise und sicher nicht zum letzten Mal. Sie seufzte. Chura dirigierte sie durch die verwinkelten Gassen Keotos. "So, wir sind da." Verkündete er endlich. Ardora schaute sich um. Sie befanden sich auf einer weniger stark bevölkerten, um nicht zu sagen fast leeren Nebenstraße, vor der Herberge "Zum fröhlichen Bauer". Chura lenkte den Wagen in den Nebenhof der Herberge und sprang ab. "Ich gehe schon mal." Rief er ihr noch zu, dann war er in der Herberge verschwunden. Ardora sagte nichts, aber irgendwie fand sie, daß Chura sich verändert hatte seit sie die Stadt betreten hatten. Er hatte seine sanfte Elfenart abgelegt und wirkte auf Ardora so menschlich. Sie zuckte mit den Schultern. Was war, das war und ließ sich auch nicht mehr ändern. Chura wird schon seine Gründe haben. Sie überließ den Wagen dem Stallburschen und folgte Chura in die Gaststube. Fast wünschte sie sich sie wäre draußen geblieben. Ungefähr die Hälfte der Tische waren besetzt und Ardora schlug der Gestank ungewaschener Kleidung entgegen. Sie unterdrückte das Ekelgefühl und suchte die Stube nach Chura ab. Sie fand ihn am Tresen stehend, mit dem Wirt in ein Gespräch vertieft.
Schnellen Schrittes bahnte sie sich einen Weg zum Tresen. Die Blicke, der Menschen, klebten förmlich an ihr. Es war schon selten, daß ein Elf die Stadt nahe der Grenze besuchte. Eine Elfe aber hatten die Menschen selbst hier noch nie gesehen. "Und was ist?" Fragte Ardora als sie Chura erreicht hatte. "Unsere Partner sind noch nicht eingetroffen. Ich habe uns ein Zimmer gemietet, wir werden wohl warten müssen."
Wenig später im Zimmer ließ Ardora ihrem Unmut freien Lauf. "Ich hab es dir doch gesagt. Menschen. Wie konntest du ihnen auch nur trauen? Wie konntest du nur so naiv sein? Und jetzt sitzen wir hier."
Chura seufzte. "Wieso bist du dir so sicher, daß sie nicht kommen werden? Vielleicht hatten sie einen Unfall oder es ist irgend etwas anderes dazwischen gekommen." Ardora blieb kurz stehen und schaute Chura an.
"Ach. Es sind Menschen." Sie setzte sich wieder in Bewegung.
"Wir werden sehen." Chura stand auf und legte Ardora die Hand auf die Schulter. "Es ist spät. Morgen werden wir sehen wer von uns beiden recht hat. Jetzt ist es wirklich das beste, wenn wir schlafen." Ardora nickte. Er hatte mal wieder recht. Eine Portion Schlaf würde ihr guttun.

"Ardora wach auf. Wir müssen fliehen." Müde schlug Ardora die Augen auf und blickte in Churas sorgenvolles Gesicht. "Wir müssen fliehen."
Ardora setzte sich auf. "Was, wieso denn?"
"Vor dem Gasthaus hat sich ein wütender Mob versammelt, der unsere Köpfe fordert."
"Na siehst du, ich habe es dir doch gesagt. Menschen kann man nicht trauen. Und jetzt haben wir den Salat." Das ist wirklich der falsche Zeitpunkt mich zu beschimpfen, dachte Chura.
Kurze Zeit später flüchteten die beiden über das Fenster auf die Straße. "Wir müssen aus der Stadt raus." Ardora nickte und folgte Chura durch die Gassen. Immer wieder mußten sie umkehren und einen anderen Weg suchen, weil die Hauptstraßen voller Menschen waren.
"Hier geht es nicht weiter.", rief Chura, "Wir müssen zurück und einen anderen Weg suchen." Er drehte um und blieb nach einigen Schritten wieder stehen. In der Gasse, aus der sie gekommen waren, war ein Fackelschein zu sehen. "An die Wand." Chura drückte Ardora an die Hauswand. Zwei Gestalten huschten vorbei. "Komm." Chura und Ardora schlichen sich in die Gasse. Ein Blick zurück zeigte ihnen, daß die beiden Gestalten schon um eine weitere Ecke gebogen waren. Im fahlen Schein des Mondes war der Boden nur schwer zu erkennen und mehr als einmal wäre einer der beiden fast auf dem Boden gelandet.
Die ersten Tropfen fielen spärlich, doch bald fing es heftig an zu regnen. Innerhalb weniger Augenblicke waren Chura und seine Verlobte bis auf die Knochen durchnäßt. "Wir müssen uns irgend ein Versteck suchen." Chura nickte.
"Wenn die Menschen uns nicht erwischen holen wir uns durch das Wetter den Tod."
Just in diesem Augenblick erschien einige Meter vor ihnen eine Person in grauer Kutte. Er verschwand in einem Hauseingang und winkte die beiden zu sich. "Was hälst du davon?" Ardora sah Chura fragend an. Der zuckte mit den Schultern. "Was haben wir zu verlieren?"
Die Tür war im Dunkel kaum zu erkennen. Chura stemmte sich gegen die schwere Eichentür bis sie schließlich nachgab und aufschwang. Hinter der Tür führte eine schmale Steintreppe in die Tiefe. Chura schloß die Tür hinter Ardora und legte den Riegel vor. Dem Lichtschein am Ende der Treppe entgegen gehend kamen sie in einen kleinen Raum mit zwei Schlafstätten. Durch das einzige Kellerfenster auf der gegenüberliegenden Wand hörte man das Prasseln des Regens. Erhellt wurde das Zimmer durch einen Kerzenständer, der in der Mitte auf einem Tisch stand.
"Was meinst du?" Chura schaute Ardora an.
"Ich weiß nicht. Was ich mich nur frage ist: Wo ist der Mensch in der Kutte hin?", Ardora schaute sich im Zimmer um, "Immerhin gibt es hier keinen weiteren Ausgang als die Treppe." Chura nickte:
"Stimmt, wirklich mysteriös." Er überlegte eine Weile bis er fortfuhr: "Nichtsdestotrotz ist, das das ideale Versteck."
"Und was wenn es eine Falle ist?" Ardora war besorgt. Chura seufzte:
"Wir haben keine andere Wahl. Leg dich hin und ruh dich ein wenig aus. Ich halte Wache." Ardora nickte, er hatte Recht. Sie konnten wirklich nichts tun, außer zu hoffen.

Eine Kraft, älter als die Menschheit. Ein Pulsschlag, so stark wie das Herz der Welt. Das Herz, schwarz wie die Nacht.
Tibor riß die Augen auf. Er hatte wieder geträumt, derselbe Traum. Er wußte nicht wie spät es war. Doch er spürte, das es bald soweit sein würde. Bald würden sie kommen und ihn holen. Eisige Kälte umfing sein Herz. Er hatte Angst, Todesangst. Er schloß die Augen, schlafen er wollte schlafen. Mit einem Male ließ das Licht der Fackel nach und seine Zelle versank in Dunkelheit. Er spürte wie eine Last von ihm fällt, er öffnete die Augen. Das Licht kehrte wieder. Wo einst die Tür seiner Zelle war, prangte nun ein Loch in der Wand. Tibor runzelte ein wenig die Stirn über diese Tatsache, ergriff aber die Chance, die sich ihm bot. Still und leer lag der Gang vor ihm. Im Wachzimmer bot sich ihm ein sonderbarer Anblick. Beide Wächter, die hier eigentlich aufpassen sollten waren an ihren Tischen eingeschlafen.
Da bot sie sich ihm. Die Chance dieses dreckiges Loch hinter sich zu lassen, und wieder Tageslicht zu sehen. Doch etwas hielt ihn zurück. Da war diese Kraft. Diese Kraft, die er schon im Traum gespürt hatte. Oder bildete er sich es noch ein? Oder schlief er gar noch? Sein Verstand setzte aus und er fiel in eine Art Trancezustand. Langsam aber sicher bewegte er sich auf die Treppe zu. Aber nicht auf die Treppe nach oben, die ans Tageslicht führt, sondern auf die nach unten, die tiefer in die Gewölbe des Palastes führte. Schon nach kurzer Zeit verschwand das letzte Licht der Fackel hinter ihm und er wanderte in Dunkelheit. Doch zielstrebig ging er seinen Weg, tiefer in die Erde hinein. Er folgte einem unsichtbaren Pfad, der sich nur ihm erschloß. Er wußte, das er am Ende dieses Pfades erwartet wurde.
Tibors Geist drang an die Oberfläche und der Bann der Trance weicht.

Dunkelheit - Allein – Verlassen.

Das Prasseln eines warmen Kaminfeuers drang an sein Ohr. Noch im Halbschlaf öffnete Tibor die Augen. Er lag in einem warmen Federbett. Angenehme Düfte drangen an seine Nase. Der Geruch des Kiefernholzes, der Geruch des Feuers und der Geruch einer frischen Kräutersuppe. Er versuchte sich aufzurichten, fiel aber mit einem Stöhnen wieder in die Laken. Sein Rücken fühlte sich grauenhaft an.
"Ah du bist aufgewacht. Wird ja auch langsam Zeit." Eine junge Frau hatte das Zimmer betreten, in ihren Händen hielt sie eine Schüssel mit der dampfenden Kräutersuppe.
"Wo bin ich? Und was ist passiert?" verlangte er zu wissen.
"Ganz ruhig, ihr seit in Erias, einem kleinen Dorf nahe der Hauptstadt. Neruka hat euch bewußtlos am Fluß gefunden und hierhergebracht."
"Neruka? Eine FRAU?"
"Ganz recht eine Frau. Und eure abfälligen Bemerkungen, die euch sicher auf der Zunge liegen könnt ihr euch sparen." Erwiderte sie barsch. "Ein wenig Dankbarkeit wäre angebracht, immerhin verdankt ihr ihr euer Leben. Wer weiß was euch sonst widerfahren wäre."
"Ich muß..." Tibor wollte aufstehen, doch er fiel erschöpft auf das Bett zurück. "Zuallererst ausruhen. Sie sind noch viel zu schwach um aufzustehen. Bleiben sie liegen und essen sie ihre Kräutersuppe." Tibor bemerkte gar nicht wie die Frau das Zimmer verließ, da er zu sehr in Gedanken vertieft war. Eine Frau. Eine verdammte Frau hat mich gerettet. Warum mußte mir auch sowas passieren? Mit einem Knurren meldete sich sein Magen zu Wort. Er blickte herüber zur Suppe und zuckte mit den Schultern. Gedanken machen kann ich mir später immer noch. Nach dem Verzehr der wohlschmeckenden Suppe versank er in einen tiefen, erholsamen Schlaf.
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Soweit bisher. Ich habe längere Zeit daran nicht weitergeschrieben, daher kann es etwas dauern bis ich wieder in der Geschichte drin bin. Ansonsten Kommentare und Kritik, wie immer, ausdrücklich erwünscht.
(Diese Version ist kaum überarbeitet, daher müßte es genug zum kritisieren geben *g*)

Mithrandir Moon
08.03.2003, 02:14
Also :A :A :A mir gefällt die Geschichte, anfangs ist es imho ein bisschen langweilig und erst als das mit diesem Dunklen schatten anfängt wirds spannender.
Ich finde gut wie Du Tibor dargestellt hast, er ist ein Egoist, der nicht auf den Rat der anderen hört. Ich mag ihn nicht, einfach weil er so arrogant ist, aber genau das finde ich so gut an ihm ;).

Ok, weiterhin finde ich, dass Du die Stelle mit Ardora und Chura viel zu kurz gemacht hast. Tiboras nimmt 80 % der Geschichte ein und Ardora und Chura werden ohne jeden Zusammenhang reingeschoben. Aber wiederum finde ich gut, dass du diesen Wechsel gemacht hast, was die Story spannender macht ;).

Ich hoffe auf eine Fortsetzung.

Galadriel
08.03.2003, 05:20
also, zum kritisieren hab ich noch nichts, weil ich's mir bisher nur einmal durchgelesen habe (für so etwas brauche ich immer etwas länger als andere menschen.... :D ;) ). alles in allem gefällt mir die geschichte sehr gut und es interessiert mich, wie's weitergeht!
was mithrandir m über tibor sagt, stimmt im großen und ganzen (ich würd's mit ihm nicht mal 10 minuten in einem raum aushalten... ;) ), aber die stelle mit ardora und chura finde ich o.k. wenn ich nicht total irre, nimmt tibor nur deshalb so viel von der geschichte ein, weil du noch bisher noch nicht weitergekommen bist, oder?

Chi3
09.03.2003, 06:47
Ich finde deine Geschichte bis jetzt wirklich gut. Besonders dein Schreibstil hat was, und es gelingt dir sehr gut Tibor dem Leser nahezubringen. Seine Gefühle kommen so rüber dass man sie auch nachvollziehen kann. Wie du die beiden Elfen eingeführt hast finde ich ebenfalls ok.

Schreib auf jeden Fall weiter:)

MagicMagor
14.03.2003, 04:59
Ersma danke, für die Kommentare.

Mit dem weiterschreiben wird es noch ein wenig dauern, da ich die Welt, in der die Geschichte spielt, gerade einer Radikalkur unterziehe (bzw es tuen werde *g*).

Das Problem mit den Elfen ist, das die beiden Stränge wohl recht lange nebeneinander laufen werden bis sie aufeinander treffen.
Tibor nimmt 80% des Textes ein, weil er der Hauptcharakter ist, bzw der erste Hauptcharakter.

Ich weiß nich woran es liegt, aber bei Tibor macht es mir echt Spaß ihn zu quälen }:)