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Da Buzz
06.03.2003, 04:57
Das letzte Kapitel geschrieben 1930 von Erich Kästner
Am 12. Juli des Jahres 2003
lief folgender Funkspruch rund um die Erde,
Dass ein Bombengeschwader der Luftpolizei
die gesamte Menschheit aus•••••• werde.

Die Weltregierung, so wurde erklärt, stelle fest, dass der Plan, endgültig Frieden zu stiften,
sich gar nicht anders verwirklichen lässt,
als alle Beteiligten zu vergiften.

Zu fliehen, wurde erklärt, habe keinen Zweck.
Nicht eine Seele dürfe am leben bleiben.
Das neue Giftgas krieche in jedes Versteck.
Man habe nicht einmal nötig, sich selbst zu entleiben.

Am 13. Juli flogen von Boston eintausend
mit Gas und Bazillen beladene Flugzeuge fort
und vollbrachten , rund um den Globus sausend,
den von der Weltregierung befohlenen Mord.

Die Menschen krochen winselnd unter die Betten.
Sie stürzten in ihre Keller und in den Wald.
Das Gift hing gelb wie Wolken über den Städten.
Millionen von Leichen lagen über dem Asphalt.

Jeder dachte, er könnte dem Tod entgehen.
Keiner entging dem Tod und die Welt wurde leer.
Das Gift war überall. Es schlich wie auf Zehen.
Es lief die Wüsten entlang. Und es schwamm übers Meer.

Die Menschen lagen gebündelt wie faulende Garben.
Andre hingen wie Puppen zum Fenster heraus.
Die Tiere im Zoo schrien schrecklich, bevor sie starben.
Und langsam löschten die großen Hochöfen aus.

Dampfer schwankten im Meer, beladen mit Toten.
Und weder Weinen noch Lachen war auf der Welt.
Die Flugzeuge irrten, mit tausend toten Piloten,
unter dem Himmel und sanken brennend ins Feld.

Jetzt hatte die Menschheit endlich erreicht, was sie wollte.
Zwar war die Methode nicht ausgesprochen human.
Die Erde war endlich still und zufrieden und rollte,
völlig beruhigt, ihre bekannte elliptische Bahn.


Was haltet ihr davon?
Ich finds ziemlich faszinierend und irgendwie beunruhigend zugleich.
Man bedenke, dass das ganze im jahre 1930 entstanden ist...

Vio
06.03.2003, 06:24
Erich Kästner schätze ich ganz hoch ein, seine Werke gefallen mir ausgesprochen gut und er hat imo einfach einen richtig angenehmen und vergnüglichen Stil den er sich behalten hat.
Auch wenn das Gedicht mir bisher nicht bekannt war, so finde ich es auch typisch "kästner-like" und faszinierend. Sein Stil ringt mir immer ein bewunderndes Lächeln ab, auch wenn das Thema so krass ist wie hier...

Dass er ausgerechnet 1930 das geschrieben hat und so richtig liegen sollte, ist wiedermal die Hand des Zufalls oder Schicksals, die am Rande des Lebensbuches seine Gedanken schweifen lässt und allerlei Unfug kritzelt ^^*

anyway, Top für den Thread, da fan bin :)

Iron Lady
14.04.2003, 06:18
das lezte gedicht zählt zu seinen besten werken.es war das erste wo ich von erich kästener gehört habe und ich war gleich von anfang an total begeistert.

Hiryuu
15.04.2003, 21:26
Beeindruckende Vorstellung - Ich hab das Gedicht grade einem Freund als e-Mail antwort auf einen dieser pro-Amerikanischen beiträge zurückgeschickt...

Schattenläufer
17.04.2003, 07:32
Gefällt mir auch sehr gut. :)
Ich kenne von Kästner eigentlich nur "Einst haben die ... auf den Bäumen gehockt,..." Keine Ahnung, wies heißt und was bei den "..." kommt, aber auch ein Klassegedicht.
Ach nein! Ich kenne ja noch diesen einen Brief an den Weihnachtsmann! Der ist genial! Hatte sehr viel mit Hitler zu tun.

Vio
17.04.2003, 17:27
@Schattenläufer: das mit dem "Einst..." ist Die Entwicklung der Menschheit - und das andere kenn ich bisher noch nicht ^^

Schattenläufer
17.04.2003, 18:56
Lieber, guter Weihnachtsmann,
weißt du nicht, wie‘s um uns steht?
Schau dir mal den Globus an.
Da hat einer dran gedreht.

Alle stehn herum und klagen.
Alle blicken traurig drein.
Wer es war, ist schwer zu sagen.
keiner will‘s gewesen sein.

Uns ist gar nicht wohl zumute.
Kommen sollst du, aber bloß
mit dem Stock und mit der Rute.
(Und nimm beide ziemlich groß.)

Breite deine goldenen Flügel
aus, und komm zu uns herab.
Dann verteile deine Prügel.
Aber bitte nicht zu knapp.

Lege die Industriellen
kurz entschlossen übers Knie.
Und wenn sie sich harmlos stellen,
glaube mir, so lügen sie.

Ziehe denen, die regieren,
bitteschön, die Hosen stramm.
Wenn sie heulen und sich zieren,
zeigen ihnen ihr Programm.

Komm, und zeige dich erbötig,
und verhau sie, dass es raucht!
Denn sie haben‘s bitter nötig.
Und sie hätten‘s längst gebraucht.

Komm, erlös uns von der Plage,
weil ein Mensch das gar nicht kann.
Ach, das wären Feiertage,
lieber, guter Weihnachtsmann!

Ich glaube aber, da fehlt eine Strophe, da war noch was mit Hitler.