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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Alexanderplatz



basti-kun
10.02.2004, 00:40
Der Platz ist mit grauen Steinplatten bedeckt. Ich setze meinen Fuß erst auf die eine, dann auf die andere. Jedes Mal überquere ich eine Grenze und jedes Mal wünsche ich mir, dass mir jemand sagt, dass ich aufhören muss. Etwas in mir will aufhören jedes Mal aufs neue die Grenzen einfach zu überlaufen. Sie immer wieder nicht zu beachten und sie wegzuwischen um Egoistisches zu erreichen. Ich vergesse, was ich früher dachte... ich verdränge was ich mir früher schwor. Zeiten ändern sich. Menschen ändern sich, aber wieso muss ich mich ändern? Ob es schlecht ist, ob es gut ist, kann ich nicht sagen. Mein Inneres leidet unter der Farbe, die ich mir immer wieder auftrage, die mich immer wieder versteckt.
Ich bin allein. Um mich herum laufen Dutzende Menschen, aber ich bin allein. Sie sind auch allein. Nein, nicht alle. Einige haben einen anderen Menschen an ihrer Seite. Eine Berührung lässt sie die Einsamkeit vergessen und das Traurige dem Fröhlichen weichen. Es gibt Menschen, die sagen, dass sie nur scheinbar glücklich sind. Dass ihre Unwissenheit, der Grund für ihr Glück ist. Ich glaube nicht mehr daran. Sie haben alle auf ihre eigene Art und Weise zu einem Stück Leben gefunden, dass sie in ihrem Verlangen besänftigt... und ich freue mich für sie und wünsche ihnen, dass es noch lang anhält. Lediglich lang, da es nicht für die Ewigkeit bestimmt ist. Denn nichts ist ewig, nichts bis auf...
Ein Springbrunnen steht auf dem Platz, er ist leer. Kinder rennen auf dem Rand auf und ab und ihre Eltern beschauen sich das emsige Treiben. Sie haben teils besorgte Gesichter. Die Angst ihrem Fleisch gewordenen Glücke könnte etwas zustoßen lässt sie die Stirn in Falten legen und hält sie davon ab den Moment zu genießen, wie ich es tue. Ich beschaue mir die lachenden Kinder und die anderen Menschen, wie sie über den Platz laufen. Sie kommen aus Geschäften und Cafes, aus Boutiquen und Restaurants, aus Büros und Kaufhäusern, ich komme vom Bahnhof.
Welch Ironie. Ich zünde mir eine Zigarette an. Meine Beine hängen von dem Rand des Springbrunnens. Ich bin der einzige, der ruht...und doch der einzige, der noch nicht angekommen ist. Auf der Reise war ich schon immer... immer wieder bin ich an einer Haltestation ausgestiegen. Jedes Mal besah ich mir den Fahrplan und dachte, es wäre schon richtig und doch bin ich all die Male wieder in den Zug gestiegen, habe die Fahrkosten bezahlt und auf die nächste Haltestation für mich gewartet. Eine ließ ich an meinem Fenster vorbeiziehen, ich wollte aussteigen, also nahm ich den Zug zurück und stieg aus. Ich blieb eine Weile an diesem Ort, der mich gerufen hatte. Übereilt und zu schnell hatte ich gehandelt und so reiste ich wieder ab um an irgendeiner anderen Station wieder auszusteigen und den Zug wieder zu betreten und wieder und wieder.
Und so sitze ich da. Atme den beruhigenden Qualm tief ein, lasse ihn in mir verweilen und stoße ihn langsam Wolke für Wolke aus mir in den Himmel steigen. Eine Frau sieht mich mit bösem Gesicht an. Wahrscheinlich denkt sie sich, dass ich mein Leben wegwerfe, soll sie doch zu mir kommen, sich vor mich in ihrer mickrigen Größe aufbauen und mir sagen, was sie denkt. Ich kann mit meinem Leben tun was ich will. Wenn ich so wähle, dass ich es wegwerfe, so werde ich das auch tun, mit vollstem Vertrauen auf meine große Idee das alles irgendwo einen Sinn hat.
Meine Füße berühren wieder den Boden. Ich stehe direkt auf einem Spalt zwischen zwei Platten. Nicht weit von mir rattert eine Straßenbahn vorbei. Ein Zug fährt ein. Ein kleines Mädchen ist vom Rand gefallen und weint. Die grimmige Frau lässt ihre Einkaufstasche fallen und flucht. Sie alle sind für sich in ihrer Welt. Beschäftigt mit ihren Angelegenheiten. Und ich stehe hier und warte, auf das, was niemals kommt und wenn es kommt, dann hält es nicht für ewig...denn einzig ewig ist die Suche.
Ich habe mir schon oft gedacht, einfach aufzuhören zu suchen, dann gerate ich in Phasen, in denen alles so einfach scheint. Wieder habe ich so eine Phase erreicht. Da kommt mein Zug. Die Ansage will mir die Abreise erleichtern. Sie sagt voraus wo der Zug halten wird. Ich weiß, dass es doch wieder anders kommt. Ich gehe den Zug von hinten hab. In ihm sitzen so viele andere Menschen...auf der Suche...allein. So viele Waggons habe ich hinter mir gelassen... Da, die letzte Tür...auch sie lasse ich an mir vorbeiziehen.
Ich stehe vor dem Zug blicke ein letztes Mal den Bahnsteig entlang und lasse mich einfach nach vorn fallen.
Ich habe Angst davor, ewig zu suchen und nichts zu finden...oder habe ich Angst etwas zu finden? Was mir wirklich Angst macht sind diese Gedanken, denn sie sind immer da und doch finde ich keine Lösung.
Mein Kopf schlägt auf die Schienen. Der Zug fährt los. Mein Leben fließt aus mir und der Zug fährt immer weiter und auf ewig wird er einen Teil von mir an ihm kleben haben...denn ewig ist die Suche.

Todestribunal
16.02.2004, 04:34
Die Erzählung wirkt kalt und entbehrt jeden sprachlichen Rausch. Das ist dir gut gelungen und passt zur Geschichte. (Auch wenn solche Schilderung ehrlich gesagt nicht schwer zu realisieren ist.)

Die Aussage bleibt einem ohne nähere Informationen allerdings verschlossen.
Kannst du schreiben, was du dir gedacht hast?
Vor allem den Schlussgedanken kann ich nicht nachvollziehen. Die Suche des Rastlosen, zum Schluss Ernüchterten ist eng an den Zug geknüpft und geht deshalb über seinen Tod hinaus weiter. Aber warum? Was kümmert es den Zug, dass Irgendeiner das Ziel nicht trifft?

Großes Manko: Der erste Satz. - Ein Platz ist höchstens bedeckt, nie unterlegt. ^^

Entschuldige, falls ich entscheidende, notwendige Hinweise im Text überlesen habe, aber so viel Zeit mich damit zu beschäftigen hatte ich nicht.

basti-kun
16.02.2004, 22:11
nun...erstmal danke fürs lesen :)

die erste zeile hab ich geändert ;) danke für den hinweis ^^

und dann:
den zug kümmert rein gar nichts...der zug ist auch keine personifizierung. der Zug ist die suche..oder viel mehr, das was die suche vorantreibt.
und der endgedanke ist einfach, dass der erzähler mit seinem leben als suchender noch nicht wirklich abgeschlossen hat..und da die suche bekanntlich ewig ist..für ihn war sie ewig, da er bis zum schluss gesucht hat und die suche für ihn, somit auch ein teil des lebens ist, der ausfüllend und für ihn ewig ist.

Pyrus
20.02.2004, 19:21
Ich bin von einigen deiner Gedanken begeistert. Doch bevor ich endgültige Schlüsse ziehen kann, musst du mir verraten, weshalb die Suche ewig ist. Ich habe gerade den Eindruck, du nimmst irgendeinen Gemeinspruch für wahr an und baust darauf deine Geschichte auf.