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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Kurgeschichte: Bad



Parabol
12.01.2004, 18:31
Ich habe folgende Kurzgeschichte mal im Sumpf gepostet, mit Unwissenheit, dass es dieses Forum gibt. Deswegen möchte ich hier nochmal die Geschichte anführen und hoffen, dass sie hier mehr Anklang findet. ;)

Bad

http://xover.htu.tuwien.ac.at/~hellspawn/lachrymology/bilder/desert01.jpg

Das mit dem Auflegen ist so eine Sache, steht man nicht in einer Kneipe, wie man sie zu tausenden auf dieser Welt findet, kaut an irgendetwas rum und wartet darauf, dass die Frau am anderem Ende der Leitung sich rührt. Vor allem wenn man bestimmte Umstände kennt, so wie es Leonard tut. Dessen Profil reflektierte sich in einem verdreckten Werbespiegel für Bier. Das matte grüne Licht des Lokales berührte den Glanz seiner Augen, die hilflos versuchten, während des Gespräches einen Fixierpunkt zu finden. Als einziges Rettungsnetz stellte sich die Musik raus, die die Stimme der Frau zu überdröhnen versuchte. „Ich habe keine Lust, aber falls du willst, ich habe dir Wasser eingelassen“ sprach die Frau deutlich.
Das Stöhnen des Klaviers hörte sich interessanter an, Leonard fragte sich, ob der Klavierspieler mit Absicht versuchte keine Melodie in sein Stück zu bringen. Sogar er könnte das spielen.
„Jetzt mach weiter und schau dass du weg kommst. Ich warte ja schon Stunden“.
Mit der grünen Lampe vor ihm konnte sich Leonard endlich orientieren und suchte den Wirten auf. Zum ersten Mal bemerkte er die vielen Spiegeln, in denen mit billigen Motiven für noch billigeres Bier geworben wurde. Nun entdeckte Leonard das rote vibrierende Licht hinter dem Wirt. Es schien als würde das ganze Lokal sich bewegen und der Wirt grinste ihn nur an, als ob es das Natürlichste auf der Welt wäre. Der Wirt grinste ihn sowieso die ganze Zeit nur an. Leonard konnte sich das Grinsen in seinen Pupillen spiegeln vorstellen, dabei starrte er immer weiter auf die grinsenden Lippen des Wirtes und glaubte eine Bewegung zu bemerken.
„Du solltest endlich hier abhauen, du fängst an, mich zu nerven.“
Er blickte noch einmal zurück, bemerkte einen unscheinbaren Mann. Er konnte dessen Gesicht kaum erkennen, bemerkte aber, das der unscheinbare Mann sich für das Telefon anstellte. Leonard fiel nur auf, dass dieser ebenfalls zu grinsen anfing. Zeit, dass Leonard sich auf den Weg machen sollte. Der Wirt gab ihm endlich die Schlüssel. Er stieg in seinen alten blauen Honda, steckte die Schlüssel an und schaltete das Autolicht ein. Das flimmernde Licht am Eingang des Lokales blendete und irritierte ihn. Die Staubwolke, die er hinterließ als das Pedal voll durch gestreckt wurde, nahm er kaum mehr war. Leonards Gesicht war bedeckt mit den sich bewegenden Lichter der Straßenlaternen. Weiße Streifen der Lampen liefen den ganzen Körper abwärts und schränkten Leonards Konzentrationsvermögen langsam ein.
„Wohin willst du eigentlich? Was willst du erreichen? Willst du mich verarschen?“
Er stieg noch ! aufs Gas und orientierte sich nur mehr an den Betonblöcken, die die Nebenfahrbahn von seiner trennte. Leonard spielte mit dem Gedanken sein Auto ein wenig an den Blöcken zu schleifen, nur um zu sehen was passieren würde. Seine Zigarette brannte vollkommen in seinem Mund aus, er dachte jedoch nicht daran den Stummel auszuspucken. Grinsen. Plötzlich sah er das Mädchen am Rande der Straße stehen. Sie trug eine alte braune Lederjacke, dazu total unpassende gelbe Schuhe. Ihr Haarschnitt hatte nichts in diesem Jahrzehnt mehr zu suchen. Dennoch fiel Leonard von dem nichts auf. Viel mehr erschreckte ihn das Grinsen des Mädchens. Für den Bruchteil dieser Sekunde, in der Leonard das Mädchen überhaupt sehen konnte, fiel ihm nur das Grinsen auf. Und dabei starrte sie nur in die Ferne. Als Leonard wieder auf die Straße sah, konnte er schon die ganze Stadt vor ihm entdecken. Die Häuser, die Lichter, den Glockenturm.
Ampel.
Rot.
Stopp.
Abrupt blieb Leonard stehen, sah seitlich aus dem Fenster zu ein paar Jugendlichen, die prompt in seine Richtung starrten.
„Mann, lass das, der da hier ist es nicht wert. Wart doch einfach, der ist sicher gleich fertig.“
Leonard wollte gar nicht mehr wissen, ob deren Mundwinkel sich ebenfalls bösartig in die Höhe zogen. Das Ganze ging ihm jetzt schon zu weit und er bemerkte, dass sich Schweiß auf seiner Stirn bildete. Sein rechter Zeigefinger fing wie eine Nähmaschine zu hämmern an. Alles begann so unwirklich zu wirken. Doch der Geruch eines stinkenden Kanals deutete darauf hin, dass er endlich angekommen war. Er stieg aus, ließ aber den Schlüssel unabsichtlich stecken. Als sein Fuß den Boden berührte hörte er eine schreiende Stimme.
„Verdammt, wenn er nicht sofort damit aufhört und verschwindet schneide ich ihm seinen Bauch auf. Und du weißt, dass ich das ernst meine“
Paranoia hin oder her, Leonard beeilte sich und wollte endlich ins Haus. Er eilte zu Tür, öffnete und lief sofort die Stiegen hinauf. So konnte er gar nicht bemerken was hinter ihm passierte. Er ging einfach beim Schlafzimmer vorbei und eilte ins Badezimmer. Leonard blickte in die Badewanne und sah die Frau darin liegen. Auf ihrer bräunlich verbrannten Brust lag ein Haarföhn im Wasser. Die Frau bewegte sich nicht mehr. Sie war tot. Leonard hatte sie getötet. Sie grinste. Leonard

Er legte den Telefonhörer auf.

http://xover.htu.tuwien.ac.at/~hellspawn/lachrymology/bilder/scream01.jpg

(Die Bilder sind reine Dekoration und sollen einen atmosphärischen Gedächnisort in dieser Geschichte erschaffen.)

NeoInferno
12.01.2004, 20:43
Daumen hoch :A
Nur weis man ab und zu nicht woher die eingestreute wörtliche Rede, also die Dialoge bzw. die Monologe, kommt.

Zum Ende sagst du ja, dass er den Telefonhörer auflegt...welchen denn, den seiner Frau mit der er in der Bar noch telefoniert hat?
Wie konnte er sie aber töten, er war doch in er bar und hat mir ihr geredet (oder hat er sich das nur eingebildet?).

Ich wäre dankbar wenn du mir da ein paar Denkansätze gibst, alleine komme ich wahrscheinlich nicht mehr drauf ;)

Aber ansonsten echt schön-traurige Geschichte.

La Cipolla
13.01.2004, 00:24
Interessant. Ohne den Hinweis auf Paranoia würd ich wahrscheinlich immer noch im Dunkeln tappen. Aber aus diesem Blickwinkel ist es eine verdammt faszinierende Geschichte. Sprechen da persönliche Erfahrungen oder hast du dir das selbst ausgedacht?

Parabol
13.01.2004, 15:00
@NeoInferno:
1ter Denk-ansatz: Wer spricht womöglich und wann wird das in wirklichkeit gesprochen?
Danke für den Lob.

@La Cipolla:
Nein, ich habe niemanden getötet. ;)
Ich habe mir das natürlich nur ausgedacht.

Sucher
03.02.2004, 02:23
Hi, nette Geschichte.
Aber dein Denkansatz hat mir persönlich nicht geholfen. Soviel war mir auch daovr schon klar, dennoch tappe ich noch etwas im Dunkeln.
Wie wärs mit nem zweiten Ansatz?^^

Parabol
15.03.2004, 17:45
Tipp 2 zur entschlüsselung:
Die Frau grinst, wobei das grinsen evt ein kryptischer Ausdruck ist. Leonard wird von dem Grinsen verfolgt. Weiß er womöglich schon vorher, dass er sie umgebracht hat?

Tipp 3: Das Telefon (als ein Symbol) trennt Wirklichkeit und Fiktion, so wie es Anrufer und Hörer trennt.