Vivi Rincewind
28.12.2003, 06:09
Fabian Herbst
Die große Schulklingel ertönte in ihrem eigentümlichen, schrillen Ton. Die Schule war aus. Während andere recht hastig ihre Sachen packen, blieb er gemütlich in seinem Zustand der Gelassenheit. Er war recht groß für sein alter und trug blond gefärbte, hochgestylte Haare. Sein rotes Markenshirt galt als sein Markenzeichen, genauso wie die schwarzblaue Jeanshose mit dem grauen Gürtel. Der Bus interessierte ihn wenig, „Der wartet sowieso auf alle, warum sollte ich mich den beeilen?“ sagte Fabian, so sein Name, immer. Einen Sitzplatz hielt er kaum für reizvoll, sein Bus fuhr nur rund fünf Minuten. So trabte er heute, wie jeden anderen Tag auch, gemütlich das Treppenhaus hinunter. An den verdreckten Fenstern vorbei Richtung Aula, die, worüber Übereinkunft bestand, eher einem Bergschacht, als einer modernen Schuleinrichtung, ähnelte. Der Flur bis zum Ausgang war dunkel und mit Müll überfüllt. Im Anblick dieses Müllberges leerte er, ohne große Bedenken, seine Hosentaschen aus. Dieser Vorgang nahm einige Zeit in Anspruch, weswegen er nach dieser Ausleerung so ziemlich der letzte Schüler im Schulgebäude gewesen war. Auf seinen letzten Metern bis zum Ausgang kam ihm Widererwarten ein Mitschüler von der Seite her entgegen. Er hieß Sven Kroitz und war ein farbloser Computerfreak sondergleichen. Er gehörte zur Gattung der sozial ausgegrenzten und ging in die Parallelklasse von Fabian. Fabian mochte ihn nicht wirklich, er hielt nichts von seiner Aufmachung, die er immer als zu „muttersöhnlich“ titulierte. Sven hingegen mochte Fabian gut leiden, traute sich aber nie ihn anzusprechen. Sie wohnten zu allen Überfluss auch noch im gleichem Dorf. So gingen sie nun nebeneinander nach draußen, Fabian ganz gelassen, während Sven hektisch und in Nervosität den Bus zu verpassen. Und tatsächlich fuhr der Bus ohne sie los. Fabian hatte ich sich also zum ersten Mal seit seiner Einschulung zu viel Zeit gelassen. Entsetzen machte sich in ihm Breit, es war ihm als wollte er dem Busfahrer hinter her schreien. Letztendlich verzichtete er in Rücksicht auf seine Überlegene Stellung Sven gegenüber auf einen lauten Ausruf. Aber was nun? Fabian überlegte kurz und zückte dann sein Mobiltelefon. Doch seine Eltern waren nicht zu erreichen. Was nun? Etwa den Weg zu Fuß beschreiten? Sven der einige Meter entfernt auf ihn gewartet hatte, ging nun auf Fabian zu und schlug diesem vor, die Strecke gemeinsam in Angriff zu nehmen. Nach einigen Sekunden Bedenkzeit willigte Fabian mit einem Kopfnicken ein, da ihm auf die schnelle kein sinniges Argument einfiel mit dem er Svens Gesellschaft ablehnen konnte.
Die Distanz bis zu ihrem Heimatdorf betrug vier Kilometer, einen Fußweg gab es nicht. Sie mussten also auf der Straße gehen. Den ersten Kilometer verweilten sie in trister Schweigsamkeit, bis Fabian sich dazu entschloss ein Gespräch anzufangen. Er vermutete, dass sich Sven aufgrund seiner Außenseiterposition nicht dazu aufraffen könne, ein persönliches Gespräch mit ihm anzufangen.
„Und wie geht’s so?“
„Gut, ganz phantastisch sogar. Ich habe ja heute Geburtstag, es wird sicher unterhaltsam heute Abend. Ich bekomme wohl einen neuen Rechner und meine Freundin darf erstmals bei mir übernachten. Meine Eltern erlauben es mir mit sechzehn Jahre endlich.“ Erzählte Sven, der eigentlich nur darauf gewartet hatte, dass Fabian endlich aus der Deckung geht und redet. Fabian, von dem Geburtstag und der angeblichen Freundin gleichermaßen geschockt wie empört, konnte nicht direkt reagieren und erwachte förmlich aus seinem lässigen Trott förmlich. Er begann zu schwitzen und errötete leicht. Sven, der dies bemerkte, übernahm die Initiative und stellte die obligatorische Gegenfrage.
„Das mag dich ja wahrscheinlich nicht interessieren, na ja. Und selbst?“
Fabian, der sich wieder ein wenig gefangen hatte brachte nur ein
„Ganz gut, soweit,“ hervor.
Sven, der bemerkte wie sein Gegenüber die Situation empfand, ließ es sich nicht nehmen einen Schritt weiter zu gehen.
„Wie läuft’s in der Schule und bei den Mädels?“
Fabian der nun noch weiter errötete schaffte es wieder nicht eine sinnige Antwort zu geben und sagte:
„Jaja, läuft alles bestens.“
Sein stottern war jetzt kaum noch zu überhören. Er stieß diesen Satz mit der Kontinuität eines überfetteten Raucher beim Dauerlauf hervor, sodass Sven, die Situation nun in seinem vollen Umfang verstehend, das Gespräch abbrach.
Die folgenden Minuten verliefen also wieder in Vollkommender Stille, bis, seine Schmach nicht ertragend, Fabian Sven fragte was er denn am nächsten Wochenende machen würde. Nach Svens Antwort stellte sich diese Frage als fataler Fehler dar. Dieser sagte nämlich:
„Ich bin zu Luise eingeladen. Die kennst du doch, die geht ja in deine Klasse, oder?“
Fabian nickte.
„Naja, die gibt so ne Party, von wegen „school out“. Sind ja dann nur noch 2 Wochen, Arbeiten schreiben wir ja dann sowieso keine mehr.“
Für Fabian brach eine Welt zusammen. Warum lud Luise ihm nicht zu dieser Party ein? Ihm, der als einziger der Schule von quasi jedem Mädchen den Freundschaftskuss auf die Wange erhalten kann. Er erklärte sich die Sache, als einen Irrtum. Luise wird mir nächste Woche sicher noch bescheid geben, dachte er. Sven, der diesmal keine Verstimmung seines Gegenübers erwartete und auch nicht erkennen konnte stellte die Gegenfrage:
„Und was machst du so nächsten Wochenende?“
Fabian blieb diesmal ganz cool, wie es sein art ist und antwortete:
„Ach mal sehen, ich habe verschiedene Möglichkeiten und möchte mich jetzt noch nicht entscheiden.“
Daraufhin ließen beide das Gespräch wieder einschlafen.
Die Straße auf der sie sich befanden war nicht dicht befahren, aber gelegentlich fuhr hier schon einmal das ein oder andere PKW vorbei. Auch LKWs waren keine Rarität. Knapp bei der Hälfte des Weges entschied sich Sven das Schweigen zu brechen.
„Mir ist unbegreiflich was Peter mit der Aktion heute früh erreichen wollte. Der Direktor wusste doch schon von der Sache.“
Fabian, der sich in seinem Element wähnte, erwiderte:
„Es war doch ne lustige Sache. Ich weiß gar nicht was du hast.“
„Die Mädels fanden es auf jeden fall schrecklich uncool.“
„Die Mädels, achja, als wenn du wüsstest was die für cool oder uncool halten.“
„Ich hab Merle einfach gefragt. Ich verstehe nicht wo dein Problem liegt. In diesem Zusammenhang fällt mir ein: Wolltest du nicht mal was von Merle? Ich hab’ gehört, sie hätte dich einfach abserviert. Stimmt das?“
Fabian konnte sich nicht mehr halten. Er drehte sprichwörtlich durch, schmiss seinen Schulranzen auf die Mitte der Fahrbahn und wollte wissen was Sven eigentlich damit zu tun haben soll. Wutentbrand lief er auf seinen Ranzen zu, schlug auf diesen ein und schrie „Was weißt du denn schon?!“. Im Zuge der ergreifenden Situation nahmen beide nicht mehr ihre Umwelt auf und übersahen einen heranrasenden LKW. Dieser fuhr weit über Geschwindigkeitsempfehlung und döste in seinem Fahrerkabuff in Müdigkeit vor sich in hin. Erst viel zu spät erkannte er den auf der Fahrbahn liegenden Jungen und seinen Freund am Rande dieser.
Fabian starb schmerzvoll noch an der Umfallstelle. Zu seiner Beerdigung erschien nur ein einziger Schulkamerad Fabians, und zwar Sven.
Die große Schulklingel ertönte in ihrem eigentümlichen, schrillen Ton. Die Schule war aus. Während andere recht hastig ihre Sachen packen, blieb er gemütlich in seinem Zustand der Gelassenheit. Er war recht groß für sein alter und trug blond gefärbte, hochgestylte Haare. Sein rotes Markenshirt galt als sein Markenzeichen, genauso wie die schwarzblaue Jeanshose mit dem grauen Gürtel. Der Bus interessierte ihn wenig, „Der wartet sowieso auf alle, warum sollte ich mich den beeilen?“ sagte Fabian, so sein Name, immer. Einen Sitzplatz hielt er kaum für reizvoll, sein Bus fuhr nur rund fünf Minuten. So trabte er heute, wie jeden anderen Tag auch, gemütlich das Treppenhaus hinunter. An den verdreckten Fenstern vorbei Richtung Aula, die, worüber Übereinkunft bestand, eher einem Bergschacht, als einer modernen Schuleinrichtung, ähnelte. Der Flur bis zum Ausgang war dunkel und mit Müll überfüllt. Im Anblick dieses Müllberges leerte er, ohne große Bedenken, seine Hosentaschen aus. Dieser Vorgang nahm einige Zeit in Anspruch, weswegen er nach dieser Ausleerung so ziemlich der letzte Schüler im Schulgebäude gewesen war. Auf seinen letzten Metern bis zum Ausgang kam ihm Widererwarten ein Mitschüler von der Seite her entgegen. Er hieß Sven Kroitz und war ein farbloser Computerfreak sondergleichen. Er gehörte zur Gattung der sozial ausgegrenzten und ging in die Parallelklasse von Fabian. Fabian mochte ihn nicht wirklich, er hielt nichts von seiner Aufmachung, die er immer als zu „muttersöhnlich“ titulierte. Sven hingegen mochte Fabian gut leiden, traute sich aber nie ihn anzusprechen. Sie wohnten zu allen Überfluss auch noch im gleichem Dorf. So gingen sie nun nebeneinander nach draußen, Fabian ganz gelassen, während Sven hektisch und in Nervosität den Bus zu verpassen. Und tatsächlich fuhr der Bus ohne sie los. Fabian hatte ich sich also zum ersten Mal seit seiner Einschulung zu viel Zeit gelassen. Entsetzen machte sich in ihm Breit, es war ihm als wollte er dem Busfahrer hinter her schreien. Letztendlich verzichtete er in Rücksicht auf seine Überlegene Stellung Sven gegenüber auf einen lauten Ausruf. Aber was nun? Fabian überlegte kurz und zückte dann sein Mobiltelefon. Doch seine Eltern waren nicht zu erreichen. Was nun? Etwa den Weg zu Fuß beschreiten? Sven der einige Meter entfernt auf ihn gewartet hatte, ging nun auf Fabian zu und schlug diesem vor, die Strecke gemeinsam in Angriff zu nehmen. Nach einigen Sekunden Bedenkzeit willigte Fabian mit einem Kopfnicken ein, da ihm auf die schnelle kein sinniges Argument einfiel mit dem er Svens Gesellschaft ablehnen konnte.
Die Distanz bis zu ihrem Heimatdorf betrug vier Kilometer, einen Fußweg gab es nicht. Sie mussten also auf der Straße gehen. Den ersten Kilometer verweilten sie in trister Schweigsamkeit, bis Fabian sich dazu entschloss ein Gespräch anzufangen. Er vermutete, dass sich Sven aufgrund seiner Außenseiterposition nicht dazu aufraffen könne, ein persönliches Gespräch mit ihm anzufangen.
„Und wie geht’s so?“
„Gut, ganz phantastisch sogar. Ich habe ja heute Geburtstag, es wird sicher unterhaltsam heute Abend. Ich bekomme wohl einen neuen Rechner und meine Freundin darf erstmals bei mir übernachten. Meine Eltern erlauben es mir mit sechzehn Jahre endlich.“ Erzählte Sven, der eigentlich nur darauf gewartet hatte, dass Fabian endlich aus der Deckung geht und redet. Fabian, von dem Geburtstag und der angeblichen Freundin gleichermaßen geschockt wie empört, konnte nicht direkt reagieren und erwachte förmlich aus seinem lässigen Trott förmlich. Er begann zu schwitzen und errötete leicht. Sven, der dies bemerkte, übernahm die Initiative und stellte die obligatorische Gegenfrage.
„Das mag dich ja wahrscheinlich nicht interessieren, na ja. Und selbst?“
Fabian, der sich wieder ein wenig gefangen hatte brachte nur ein
„Ganz gut, soweit,“ hervor.
Sven, der bemerkte wie sein Gegenüber die Situation empfand, ließ es sich nicht nehmen einen Schritt weiter zu gehen.
„Wie läuft’s in der Schule und bei den Mädels?“
Fabian der nun noch weiter errötete schaffte es wieder nicht eine sinnige Antwort zu geben und sagte:
„Jaja, läuft alles bestens.“
Sein stottern war jetzt kaum noch zu überhören. Er stieß diesen Satz mit der Kontinuität eines überfetteten Raucher beim Dauerlauf hervor, sodass Sven, die Situation nun in seinem vollen Umfang verstehend, das Gespräch abbrach.
Die folgenden Minuten verliefen also wieder in Vollkommender Stille, bis, seine Schmach nicht ertragend, Fabian Sven fragte was er denn am nächsten Wochenende machen würde. Nach Svens Antwort stellte sich diese Frage als fataler Fehler dar. Dieser sagte nämlich:
„Ich bin zu Luise eingeladen. Die kennst du doch, die geht ja in deine Klasse, oder?“
Fabian nickte.
„Naja, die gibt so ne Party, von wegen „school out“. Sind ja dann nur noch 2 Wochen, Arbeiten schreiben wir ja dann sowieso keine mehr.“
Für Fabian brach eine Welt zusammen. Warum lud Luise ihm nicht zu dieser Party ein? Ihm, der als einziger der Schule von quasi jedem Mädchen den Freundschaftskuss auf die Wange erhalten kann. Er erklärte sich die Sache, als einen Irrtum. Luise wird mir nächste Woche sicher noch bescheid geben, dachte er. Sven, der diesmal keine Verstimmung seines Gegenübers erwartete und auch nicht erkennen konnte stellte die Gegenfrage:
„Und was machst du so nächsten Wochenende?“
Fabian blieb diesmal ganz cool, wie es sein art ist und antwortete:
„Ach mal sehen, ich habe verschiedene Möglichkeiten und möchte mich jetzt noch nicht entscheiden.“
Daraufhin ließen beide das Gespräch wieder einschlafen.
Die Straße auf der sie sich befanden war nicht dicht befahren, aber gelegentlich fuhr hier schon einmal das ein oder andere PKW vorbei. Auch LKWs waren keine Rarität. Knapp bei der Hälfte des Weges entschied sich Sven das Schweigen zu brechen.
„Mir ist unbegreiflich was Peter mit der Aktion heute früh erreichen wollte. Der Direktor wusste doch schon von der Sache.“
Fabian, der sich in seinem Element wähnte, erwiderte:
„Es war doch ne lustige Sache. Ich weiß gar nicht was du hast.“
„Die Mädels fanden es auf jeden fall schrecklich uncool.“
„Die Mädels, achja, als wenn du wüsstest was die für cool oder uncool halten.“
„Ich hab Merle einfach gefragt. Ich verstehe nicht wo dein Problem liegt. In diesem Zusammenhang fällt mir ein: Wolltest du nicht mal was von Merle? Ich hab’ gehört, sie hätte dich einfach abserviert. Stimmt das?“
Fabian konnte sich nicht mehr halten. Er drehte sprichwörtlich durch, schmiss seinen Schulranzen auf die Mitte der Fahrbahn und wollte wissen was Sven eigentlich damit zu tun haben soll. Wutentbrand lief er auf seinen Ranzen zu, schlug auf diesen ein und schrie „Was weißt du denn schon?!“. Im Zuge der ergreifenden Situation nahmen beide nicht mehr ihre Umwelt auf und übersahen einen heranrasenden LKW. Dieser fuhr weit über Geschwindigkeitsempfehlung und döste in seinem Fahrerkabuff in Müdigkeit vor sich in hin. Erst viel zu spät erkannte er den auf der Fahrbahn liegenden Jungen und seinen Freund am Rande dieser.
Fabian starb schmerzvoll noch an der Umfallstelle. Zu seiner Beerdigung erschien nur ein einziger Schulkamerad Fabians, und zwar Sven.