Lisa Jewell
19.12.2003, 16:09
...zumindest wenn sie sich in Gruppen zusammenrotten und dabei sämtlichen abschreckenden Klischees entsprechen...
Ich habe kürzlich an einem Seminar teilgenommen und dabei recht interessante Erfahrungen gesammelt:
Wir waren 16 TeilnehmerInnen, 15 davon weiblich und die Hälfte von ihnen hieß Karin, Kerstin, Karen, Katrin, Katarina oder so ähnlich....
All die anderen vierzehn Vertreterinnen des zarten Geschlechts (ich selbst eher nicht ... hoffe ich ... :rolleyes: ) entsprachen durchweg dem Klischee der politisch linken, alternativen, sozial engagierten, selbstbewussten modernen Ökokriegerin. Wobei die Altersspanne sehr groß war (zwischen 20 und 60) und es daher leichte Schwerpunktverlagerung von „revolutionär“, über „seriös“ bis hin zu „leicht desillusioniert“ gab. Ich konnte mich des Gefühls nicht erwehren, dass die Damen in ihre eigene Zukunft/Vergangenheit blickten.
Im Kern gab es jedoch viele Verhaltensweisen die sich bei nahezu allen wiederfanden, so etwa die Uniformierung: Damit angefangen, dass sie allesamt mehr „ungesund-dürr“ als schlank waren, trugen sie durchweg kurze Haare, die allermeisten gefärbt und dies in der Regel in Rot.
Kurze rot gefärbte Haare stehen für mich für die erstaunliche Mischung aus "planlosem Aktionismus", "verbissener Rechthaberei" und einer ganz "ausgeprägtem Humorlosigkeit". Aber ich schweife ab...
Die Kleidung der Kursteilnehmer war bequem, verhüllend, "modisch zeitlos" und nicht selten selbstgemacht. In der Farbwahl zumeist kunterbunt wobei Rot, Grün und Braun ganz weit vorne lagen. Ohne das genauer untersucht zu haben, glaube ich nicht, dass irgendjemand in dem Raum einen BH trug, ähnliches galt für Make-Up. Dafür führten sie alle einen Bündel Schals um den Hals spazieren, was ein bisschen an die Freundschaftsbändchen von „Wolle Petry“ erinnerte. Die zur Schau getragene Schuhmode war zudem höchst individuell, ohne dass sie viele Neider zu befürchten gehabt hätte.
Aber auch in ihrem Wesen waren viele Gemeinsamkeiten erkennbar. So konnte ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass bestimmt die Hälfte der Damen alleinerziehende Mütter sind, die natürlich auch in ihren Pausen nicht andere zu tun hatten, als sich gegenseitig von ihren Bälgern vor zu schwärmen/jammern (je nachdem was die kleinen Racker grade wieder verbrochen hatten ... oder eben nicht). Dabei bemächtigten sie sich einer Sprache, deren Vokabeln in erster Linie aus Abkürzungen zu bestehen schien, deren Bedeutungen mir weitäsgehend unbekannt waren.
Da sie aber nun mal alle so schrecklich selbstbewusst und emanzipiert sind, hörte kaum eine der anderen zu, da sie viel zu beschäftigt damit waren, ihre eigenen Erlebnisse an die Frau zu bringen.
Dies geschah zuweilen auch ganz ungefragt und eine eindeutig abwehrende Körpersprache wurde dabei komplett ignoriert... Ich konnte noch so sehr versuchen mich hinter meiner Zeitung zu verkriechen, letztlich musste ich doch die mir völlig unbekannte "KiTa"-Betreuerin ob ihrer Krankheit bedauern. Dessen nicht genug, wurde von mir zudem noch ein mitfühlendes Nicken erwartet, weil Kerstin (KursteilnehmerIn, Anfang 30, alleinerziehend, kurze Haare - aber nicht rot) ganz abgehetzt sei und wegen der Krankheit der KiTaBe (hat die arme kranke Frau denn keinen richtigen Namen?) fast zu spät zum Seminar gekommen wäre, da der kleine Benjamin erst mit Verspätung in staatlicher Obhut zurück lassen werden konnte.
Ob nun mit oder ohne Kind, war den meisten von ihnen zudem eine gewisse Gemütlichkeit gemein, die mit gleichzeitiger Widersetzung gegen die Obrigkeit einher ging. Verspätungen in Größenordungen des akademischen Viertels waren selbstverständlich, ebenso wie eine konsequente Pausenüberziehung. Nicht wenige von ihnen zogen zudem als alleeerstes ihre Schuhe aus, nachdem sie sich gesetzt hatten und trotz ausdrücklichen Verbots, hatten eigentlich fast alle zumeist eine Tasse Kaffe in der Hand oder knusperten mit ihrem Müsli.
Sehr emotional und hitzig wurde es hingegen, wenn es um Themen wie Rauchen, Belüftung, Raumtemperatur, Emanzipation oder Beleuchtung ging. Wobei es für mich erstaunlich war, wie schnell – themenabhängig - grade geschlossene Allianzen gebrochen und gewechselt wurden. Wenn etwa die militante Nichtraucherin, ausgerechnet in der bekennenden Kettenraucherin, mit der sie sich bis eben noch in den kurzen roten Haaren lag, die geeignete Verbündete sah, um sich für mehr (und vor allem freundlicheres) Licht einzusetzen und zu verhindern dass die Heizung herunter gedreht wird.
Gleichsam engagiert wurde zudem darüber diskutiert, ob sich die TeilnehmerInnen denn nun duzen oder siezen sollten. Nach langen schwierigen Verhandlungen einigte frau sich auf ein „Arbeits-Du“, was soviel hieß, wie dass wir alle uns für die Zeit des Seminars duzten, aber für die Zeit darüber hinaus die Beziehung erst wieder neu definiert und einzelnen miteinander abstimmen werden muss.
Faszinierend fand ich zudem, die unglaubliche Inkonsequenz die einige Menschen an den Tag legen können, ohne dass dies ihr Weltbild im geringsten zu erschüttern scheint.
Da hätten wir z.B. Karina. Karina lief in den Seminarräumen stets in ihren ausgelatschten Hauspuschen rum, trug jeden Tag den gleichen abgewetzten Pulli und war während des Seminars entweder mit Stricken beschäftigt oder löffelte in ihrem selbst zusammengestellten Früchte-Joguhrt-Müsli rum. Dazu trug sie eine schwarze Lederhose und kam jeden Tag mit dem Motorrad zum Institut.
In den Diskussionen war sie stets hellwach und immer bei der Sache, sofort jedem Verdachtmoment anprangernd, bei dem eventuell entfernt die Gefahr bestehen könnte, dass er auf soziale Ungerechtigkeit gegenüber Frauen, Ausländern, Tieren, Kindern und sozial schwächer gestellten hinauslaufen könnte (und wehe es ging um die Haustiere sozial schwächer gestellter ausländischer Frauen). Sie war auch immer die erste, die auf jedem Arbeitsblatt lautstark bemängelt, dass sämtliche „allgemeinen Pronomen“ wieder nur in der männlichen Form geschrieben seien und nicht in einer weiblichen, bzw. geschlechtsneutralen. Darüber hinaus kam sie aber jeden Tag eine halbe Stunde zu spät, weil 9.30 Uhr doch wirklich arg früh und ihr kaum zuzumuten sei.
Bei der Vorstellung- als jede TeilnehmerIn den Stadtteil vorstellen sollte aus dem sie kommt, bestand Karina ganz stolz darauf aus dem Caro-Virtel zu stammen (ein in Hamburg als besonders „alternativ“ bekanntes Wohnviertel, was aber keinen eigenen Stadtteil darstellt). Nur wenige Minuten später hatte sie aber nicht die geringsten moralischen Gewissensbisse, gleichzeitig die Heizung voll auf zu drehen und das Fenster aufzureißen, weil ihr zwar kalt sei, aber sie schließlich ein Recht auf die Versorgung mit Frischluft hätte.
Mit anderen Worten: In einem ausgeschlafenen, halbwegs gut gelaunten Zustand, war diese Gruppe SEHR witzig und unterhaltsam ... andernfalls SEHR anstrengend und an den Nerven zerrend.
Ach ja, konkurrenzlos blödester Teilnehmer der Gruppe war übrigens der einzige Mann... ;)
Ich habe kürzlich an einem Seminar teilgenommen und dabei recht interessante Erfahrungen gesammelt:
Wir waren 16 TeilnehmerInnen, 15 davon weiblich und die Hälfte von ihnen hieß Karin, Kerstin, Karen, Katrin, Katarina oder so ähnlich....
All die anderen vierzehn Vertreterinnen des zarten Geschlechts (ich selbst eher nicht ... hoffe ich ... :rolleyes: ) entsprachen durchweg dem Klischee der politisch linken, alternativen, sozial engagierten, selbstbewussten modernen Ökokriegerin. Wobei die Altersspanne sehr groß war (zwischen 20 und 60) und es daher leichte Schwerpunktverlagerung von „revolutionär“, über „seriös“ bis hin zu „leicht desillusioniert“ gab. Ich konnte mich des Gefühls nicht erwehren, dass die Damen in ihre eigene Zukunft/Vergangenheit blickten.
Im Kern gab es jedoch viele Verhaltensweisen die sich bei nahezu allen wiederfanden, so etwa die Uniformierung: Damit angefangen, dass sie allesamt mehr „ungesund-dürr“ als schlank waren, trugen sie durchweg kurze Haare, die allermeisten gefärbt und dies in der Regel in Rot.
Kurze rot gefärbte Haare stehen für mich für die erstaunliche Mischung aus "planlosem Aktionismus", "verbissener Rechthaberei" und einer ganz "ausgeprägtem Humorlosigkeit". Aber ich schweife ab...
Die Kleidung der Kursteilnehmer war bequem, verhüllend, "modisch zeitlos" und nicht selten selbstgemacht. In der Farbwahl zumeist kunterbunt wobei Rot, Grün und Braun ganz weit vorne lagen. Ohne das genauer untersucht zu haben, glaube ich nicht, dass irgendjemand in dem Raum einen BH trug, ähnliches galt für Make-Up. Dafür führten sie alle einen Bündel Schals um den Hals spazieren, was ein bisschen an die Freundschaftsbändchen von „Wolle Petry“ erinnerte. Die zur Schau getragene Schuhmode war zudem höchst individuell, ohne dass sie viele Neider zu befürchten gehabt hätte.
Aber auch in ihrem Wesen waren viele Gemeinsamkeiten erkennbar. So konnte ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass bestimmt die Hälfte der Damen alleinerziehende Mütter sind, die natürlich auch in ihren Pausen nicht andere zu tun hatten, als sich gegenseitig von ihren Bälgern vor zu schwärmen/jammern (je nachdem was die kleinen Racker grade wieder verbrochen hatten ... oder eben nicht). Dabei bemächtigten sie sich einer Sprache, deren Vokabeln in erster Linie aus Abkürzungen zu bestehen schien, deren Bedeutungen mir weitäsgehend unbekannt waren.
Da sie aber nun mal alle so schrecklich selbstbewusst und emanzipiert sind, hörte kaum eine der anderen zu, da sie viel zu beschäftigt damit waren, ihre eigenen Erlebnisse an die Frau zu bringen.
Dies geschah zuweilen auch ganz ungefragt und eine eindeutig abwehrende Körpersprache wurde dabei komplett ignoriert... Ich konnte noch so sehr versuchen mich hinter meiner Zeitung zu verkriechen, letztlich musste ich doch die mir völlig unbekannte "KiTa"-Betreuerin ob ihrer Krankheit bedauern. Dessen nicht genug, wurde von mir zudem noch ein mitfühlendes Nicken erwartet, weil Kerstin (KursteilnehmerIn, Anfang 30, alleinerziehend, kurze Haare - aber nicht rot) ganz abgehetzt sei und wegen der Krankheit der KiTaBe (hat die arme kranke Frau denn keinen richtigen Namen?) fast zu spät zum Seminar gekommen wäre, da der kleine Benjamin erst mit Verspätung in staatlicher Obhut zurück lassen werden konnte.
Ob nun mit oder ohne Kind, war den meisten von ihnen zudem eine gewisse Gemütlichkeit gemein, die mit gleichzeitiger Widersetzung gegen die Obrigkeit einher ging. Verspätungen in Größenordungen des akademischen Viertels waren selbstverständlich, ebenso wie eine konsequente Pausenüberziehung. Nicht wenige von ihnen zogen zudem als alleeerstes ihre Schuhe aus, nachdem sie sich gesetzt hatten und trotz ausdrücklichen Verbots, hatten eigentlich fast alle zumeist eine Tasse Kaffe in der Hand oder knusperten mit ihrem Müsli.
Sehr emotional und hitzig wurde es hingegen, wenn es um Themen wie Rauchen, Belüftung, Raumtemperatur, Emanzipation oder Beleuchtung ging. Wobei es für mich erstaunlich war, wie schnell – themenabhängig - grade geschlossene Allianzen gebrochen und gewechselt wurden. Wenn etwa die militante Nichtraucherin, ausgerechnet in der bekennenden Kettenraucherin, mit der sie sich bis eben noch in den kurzen roten Haaren lag, die geeignete Verbündete sah, um sich für mehr (und vor allem freundlicheres) Licht einzusetzen und zu verhindern dass die Heizung herunter gedreht wird.
Gleichsam engagiert wurde zudem darüber diskutiert, ob sich die TeilnehmerInnen denn nun duzen oder siezen sollten. Nach langen schwierigen Verhandlungen einigte frau sich auf ein „Arbeits-Du“, was soviel hieß, wie dass wir alle uns für die Zeit des Seminars duzten, aber für die Zeit darüber hinaus die Beziehung erst wieder neu definiert und einzelnen miteinander abstimmen werden muss.
Faszinierend fand ich zudem, die unglaubliche Inkonsequenz die einige Menschen an den Tag legen können, ohne dass dies ihr Weltbild im geringsten zu erschüttern scheint.
Da hätten wir z.B. Karina. Karina lief in den Seminarräumen stets in ihren ausgelatschten Hauspuschen rum, trug jeden Tag den gleichen abgewetzten Pulli und war während des Seminars entweder mit Stricken beschäftigt oder löffelte in ihrem selbst zusammengestellten Früchte-Joguhrt-Müsli rum. Dazu trug sie eine schwarze Lederhose und kam jeden Tag mit dem Motorrad zum Institut.
In den Diskussionen war sie stets hellwach und immer bei der Sache, sofort jedem Verdachtmoment anprangernd, bei dem eventuell entfernt die Gefahr bestehen könnte, dass er auf soziale Ungerechtigkeit gegenüber Frauen, Ausländern, Tieren, Kindern und sozial schwächer gestellten hinauslaufen könnte (und wehe es ging um die Haustiere sozial schwächer gestellter ausländischer Frauen). Sie war auch immer die erste, die auf jedem Arbeitsblatt lautstark bemängelt, dass sämtliche „allgemeinen Pronomen“ wieder nur in der männlichen Form geschrieben seien und nicht in einer weiblichen, bzw. geschlechtsneutralen. Darüber hinaus kam sie aber jeden Tag eine halbe Stunde zu spät, weil 9.30 Uhr doch wirklich arg früh und ihr kaum zuzumuten sei.
Bei der Vorstellung- als jede TeilnehmerIn den Stadtteil vorstellen sollte aus dem sie kommt, bestand Karina ganz stolz darauf aus dem Caro-Virtel zu stammen (ein in Hamburg als besonders „alternativ“ bekanntes Wohnviertel, was aber keinen eigenen Stadtteil darstellt). Nur wenige Minuten später hatte sie aber nicht die geringsten moralischen Gewissensbisse, gleichzeitig die Heizung voll auf zu drehen und das Fenster aufzureißen, weil ihr zwar kalt sei, aber sie schließlich ein Recht auf die Versorgung mit Frischluft hätte.
Mit anderen Worten: In einem ausgeschlafenen, halbwegs gut gelaunten Zustand, war diese Gruppe SEHR witzig und unterhaltsam ... andernfalls SEHR anstrengend und an den Nerven zerrend.
Ach ja, konkurrenzlos blödester Teilnehmer der Gruppe war übrigens der einzige Mann... ;)