Lisa Jewell
16.12.2003, 20:26
Der Stress des Einkaufens beginnt in der Regel schon vor dem Geschäft, wenn man bemüht ist, einen Einkaufswagen zu ergattern.
Da es scheinbar Heerscharen von Menschen gibt, die diese drahtigen Ungetüme sammen, oder einen sinnvollen Verwendungszweck für sie haben, sobald sie ein Dutzend ihr eigen nennen, erdachte eine geniale Person das Prinzip mit dem Pfandeuro (was meines Erachtens immer noch ein günstiger Preis für diese Geräte ist). Leider führt das in der Praxis zu ganz neuen Problemen.
Bei dem Supermarkt in meiner Nähe, stehen die Wagen draußen vor dem Laden in einem „U“ förmigen Gitter. Dieses U ist aber so eng, daß stets nur eine Person samt Einkaufswagen hineinpaßt (eigentlich zwei, aber dafür müßten die Menschen verstehen, daß sie hinter und nicht neben ihrem Wagen stehen sollen).
So steht stets eine ganze Menschentraube vor diesem Gitter, teils in der Absicht ihren Wagen abzugeben, teils um sich einen neuen zu holen, aber alle mit dem festen Willen, sich möglichst schnell ganz nach vorne zu drängeln.
Das es auf diese Weise aber viel zu langsam von statten geht, entsteht in der Regel bereits vor dem „U“ ein schwungvoller Tauschhandel. Da wechseln Einkaufswagen und Markstück den Besitzer (Pardon: Benutzer), die 9 Groschen und 10 Kupfermünzen werden abgelehnt, aber über die halbe Schachtel Zigaretten läßt sich reden.
Ausgesprochen interessant zu beobachten ist, wie besessen die Menschen auf ihre kleinen Plastikmarken sind, die das Markstück ersetzen.
Neulich stand ich mal wieder vor unserem – wie immer - verstopften „U“ und winkte freundlich lächeln, mit meinem schon zurecht gelegten Euro, als ich eine Frau mit Einkaufswagen sah, die den Laden verließ. Mit einem bedauernden Gesichtsausdruck teilte sie mir mit, daß sich kein Geldstück, sondern so eine runde Plastikscheibe in dem Wagen befände.
„Das stellt gar kein Problem dar“, meinte ich zu ihr, und kramte meine eigene Kunststoffmarke heraus. „Nehmen sie doch einfach diese“ und streckte sie ihr entgegen.
Sie starrte mich an, als wäre ich der Teufel in Menschengestalt und wollte ihr die Seele entreissen. Von „bedauern“ war in ihrem Gesicht jedenfalls nichts mehr zu sehen, als sie mir in einem gereizten Tonfall erklärte, daß das IHRE Plastikmünze in dem Wagen wäre.
„Sicherlich ist das ihre“ entgegnete ich, „es wäre ja auch ihr Eurostück gewesen und trotzdem hätten sie es gegen meines getauscht. Solange sie keine persönliche Beziehung zu diesem Stück Kunststoff haben und es nur diese Funktion zu erfüllen hat, können sie es doch auch gegen meines tauschen.“
„Was weiß ich denn, wo du schon überall damit warst, da könnte ich mir ja wer weiß was holen.“ bellte sie mir entgegen.
Mal abgesehen, von der Tatsache, daß sie mich einfach duzte, fand ich doch, daß das eine ziemlich unfreundlich Unterstellung war und entgegnete ihr (nicht mehr ganz so liebenswürdig): „Das wüßten sie bei dem Eurostück ja auch nicht und hätten es trotzdem genommen“.
Der Umstand daß ich daraufhin den Einkaufswagen spürte, wie er mit voller Wucht gegen mein Schienenbein gestoßen wurde, signalisierte mir, daß sie wohl kein Interesse hatte, dieses Thema weiter zu vertiefen.
Glücklicherweise hatte die nächste Person die den Laden verließ, ein echtes Eurostück im Wagen und tauschte mit mir ganz anstandslos...auch wenn es ein bißchen dauerte, bis ich ihr – so auf einem Bein hüpfend, während ich das andere mit beiden Händen umklammert hielt – begreiflich machen konnte, daß ich es auf den Wagen und es weder auf ihre Einkäufe, noch ihre Handtasche abgesehen hatte.
Mit Stolz geschwellter Brust (und leicht humpelnd) betrat ich wenig später den Laden. Was gar nicht so leicht war, da die Räder des Wagen alle in unterschiedlichen Richtungen drängten, was eine kontrollierte Steuerung dieses Gefährt, nahezu unmöglich machte. Ich konnte von Glück sagen, daß ich nicht in den erst besten Dosenstapel hinein gerauscht bin.
Gleich zu Beginn meines Supermarktes, befindet sich die Gemüseabteilung und wie jeden Tag beherzigte ich den Ratschlag einer guten Freundin. Ich postierte mich zwischen Broccoli und Auberinen und versuchte einen besonders hilflosen Eindruck zu erwecken, während ich jeden Blumenkohl einzeln in die Hand nahm und meine prüfenden Blicke über sie wandern lies (sie waren alle „Dunkelweiß“ mit grünem Gestrüpp am unteren Ende).
Doch wie jeden Tag stürmten auch dieses mal keine Horden an jungen, bildschönen Verkäufern auf mich zu, um mir helfend beizustehen. Ich werde meiner Freundin wohl danach fragen müssen, was ich Grundsätzliches falsch mache.
Statt dessen, mußte ich mich von einer Schüleraushilfe, die ungefähr halb so alt und groß war wie ich, ermahnen lassen, nicht alles anzufassen.
So ließ ich den ollen Blumenkohl, Blumenkohl sein, besann mich darauf, dass Kartoffeln ohnehin viel besser schmecken ... also vermerkte ich „Tiefkühlpommes“ auf meiner geistigen Einkaufsliste.
So verließ ich die Vitaminabteilung rasch, allerdings nicht ohne mir die letzten beiden Pfirsiche ohne offensichtlichen Daumenabdruck, zu sichern.
Als nächstes steuerte ich den Pfandrücknahme-Automaten an.
Früher gab es da mal einen alten Mann, der hinter einem Tisch saß, einen drolligen Anblick bot und selten weniger als 5 Minuten benötigte, um das Pfand für drei Wasserflaschen und zwei Joghurtgläser zusammen zu addieren.
Heute haben sie ein Gerät, auf dessen Laufband man seine Flaschen stellt und nachdem es sie eingesogen hat, den Kunden mit einem kleinen Zettel belohnt, welcher den Pfandbetrag bestätigt.
Natürlich funktioniert dieses Gerät nicht. Zum einen passiert es mir in 8 von 10 Fällen, daß die Flaschen die ich auf das Band stelle, umfallen, sich quer legen und die Maschine verstopfen (glücklicher Weise habe ich mich noch nicht sehr weit von der Gemüseabteilung und der Schüler-Aushilfe entfernt). In den anderen zwei Fällen, beweist die Maschine schlechtere Rechenfähigkeiten; als der alte Mann hinter seinem Tisch.
Aber solange sie mir 9,50 Euro Pfand für 2 Cola- und 3 Saftflaschen gutschreibt, beschwere ich mich mal nicht zu laut...
Auf meinem weiteren Weg ergattere ich die letzte Flasche meiner Lieblingsbrause, bin persönlich dabei, wie ein kleiner Junge im Trikot von „Bayern München“ (Effenberg) sich den letzten „Kicker“ vor meinen Augen schnappt, den ich meinem Schatz mitbringen sollte und tarne ein genaues Studium des muskulösen halbnackten Models auf der „Mens Health“-Titelseite, in dem ich Interesse an „dem Magazin für den Gartenfreund“ vorgebe, und dabei arg schiele. Danach fülle ich meinen Einkaufswagen mit den schon erwähnten Tiefkühl-Pommes, Pizzen und anderen Fertiggerichten, achte darauf nicht zuwenig Ketchup zu besorgen und ärgere mich, daß ich nicht an meinen Lieblingsjoghurt heran komme, weil just zu dieser Zeit, drei Angestellte gleichzeitig die Fächer des Kühlregals auffüllen.
Letztlich komme ich bei der Fleischertheke an.
Tapfer stelle ich mich in die wartende Schlange, die von einem einzigen Metzger bedient wird, während zwei weitere ihn offenbar nur dabei beobachten, wie gut er diese Aufgabe ganz allein bewältigt.
Wie ich da so in der Schlange stehe, drängelt sich plötzlich eine ältere Dame - auf einen Stock gestützt – an mir vorbei, mit den Worten „Junge Frau, lassen sie mich mal durch, ich habe ein schweres Hüftleiden“.
Nach mir läßt sie noch zwei weitere Wartende wie Slalomschlangen stehen, ohne jegliche Antwort von ihnen abzuwarten und steht geschwind ganz vorne. Mein letzter Rest Mitleid schwindet spätesten in dem Moment, als sie 10 verschiedene Aufschnittsarten wählt, in Mengen zwischen 50 und 80 Gramm... „oder doch lieber die Salami mit Pfefferrand?“
Minuten später komme ich aber tatsächlich selbst an die Reihe und kann meine Bestellung „ein Pfund gemischtes Hack bitte“, an den Metzger bringen. Allerdings bin ich zu dem Zeitpunkt schon nicht mehr gewillt Protest zu über, als er bei 495 Gramm noch einmal eine ordentlich Portion nachgelegt und bei den dann resultierenden 570 Gramm lächelnd fragt: „Darfs ein bißchen mehr sein“?
Von dort führt mich mein Weg zu Toilettenpapier, Tampons und WC-Reiniger, und anschließend direkt zu der Süssigkeitenabteilung.
Die „Rittersport mit Baileys“ die sich dann doch in meinem Einkaufswagen wiederfindet, fällt in dem Fall unter „Experimentelle Untersuchung neuer Produkte“, denn die gleiche Untersuchung am Vortag, führte zu keinem eindeutigem Ergebnis.
Als auch diese Hürde gemeistert ist, erreiche ich die Kassen, bzw. die Schlage, die sich vor den Kasse gebildet hat.
Entgegen aller Erwartungen, sind tatsächlich drei Kassen gleichzeitig geöffnet. Sonst bin ich es gewohnt, an einer einzigen stundenlang anzustehen. Offenbar lauern die Kassiererinnen dieser Welt nur darauf, daß ich meinen ersten Artikel auf das Fließband lege, um genau in dem Moment ihre Pause zu beenden und sämtliche bis dahin geschlossenen Kassen zu besetzen.
Dieses mal waren aber gleich drei Kassen auf, was sie Sache jedoch nur unbedeutend erleichterte, denn plötzlich ist man gezwungen selbst eine Entscheidung zu treffen. Nimmt man die kürzeste Schlange, oder die mit den leersten Einkaufswagen? Die mit der fähigsten Kassiererin, oder die Schlange mit den wenigsten „alten Omis“?
Letztlich ist es gleichgültig, denn unabhängig davon wie ich es mache, das Ergebnis ist immer das selbe. Ganz egal wie lang die Schlange ist, in die ich mich einreihe, gleichgültig wie voll die Einkaufswagen der Leute sind, die vor mir stehen, "meine" Schlange braucht GRUNDSÄTZLICH am längsten (ähnliches gilt auch für Warteschlangen auf der Post und in Banken).
Ich finde mit unfehlbarer Sicherheit immer die Schlange, an der sämtliche Kunden bargeldlos bezahlen, aber mindestens 3 Versuche benötigen um ihre richtige Geheimzahl einzugeben (wenn überhaupt).
Oder Menschen stehen vor mir, die stundenlang in ihrem Kleingeld herumwühlen, weil sie den Betrag wirklich centgenau der Kassiererin geben wollen - was natürlich zumeist an fehlenden 5 Cents scheitert, die sich auch nach ausgiebigstem Durchwühlen sämtlicher Taschen und Beutel nicht finden lassen wollen, bis sie schlußendlich doch noch seufzend mit einem großen Schein bezahlen...den die Frau an der Kasse meist nicht wechseln kann und erst mal bei einer Kollegin umtauschen muß...
Gern und oft gesehen ist auch immer wieder, wenn genau vor mir, unbedingt die Papierrolle in der Kasse gewechselt werden muß (das sich bei den ersten 5 Einspann-Versuchen natürlich jedesmal in der Maschine verheddert und verklemmt). Oder aber Kunden die eigentlich bereits vor 30 Minuten ihre Einkäufe abgewickelt haben, aber nach intensiven Nachrechnen auf einen Fehlbetrag von 30 Cent gestoßen sind und das jetzt und hier und auf der Stelle ausdiskutieren und erklärt haben wollen, wie das denn angehen kann...anschließend wird noch über die neuen "Scanner-Kassen" gelästert und das früher ja alles viel besser war, als die Kassiererin es noch selbst mit der Hand eingetippt hat...
Ich stehe dann da und überlege mir, daß ich die Zeit auch mit dem Lesen von 2, 3 guten Büchern, oder dem Schreiben meiner Diplomarbeit hätte nutzen können...und wie lange der Typ hinter mir, seinen Einkaufswagen eigentlich noch rhythmisch in meine Hacken rammen will. Immerhin tut er es im Takt zu dem Hardcore-Techno-Gestampfe, das aus seinen Kopfhörern schallt und mit dem er sämtliche Kunden im Laden erfreut.
Aber selbst das ist irgendwann, irgendwie überstanden und da ich nur unwesentlich beim Wechselgeld beschummelt wurde, packe ich meine Einkäufe zusammen und verlasse den Laden. Jetzt heißt es nur noch sich an dem Menschenauflauf vor dem „U“ vorbei zu drängeln. Die wollten mich doch tatsächlich mit nur einem einzigen Euro für den schönen Einkaufswagen abspeisen. Von wegen, da könnte ja jeder kommen, ich will „meinen“ Euro wieder haben...die streng genommen auch nicht „meiner“ ist, weil sie dem gehörte, der den Wagen vor mir hatte, aber mit solchen Spitzfindigkeiten mögen sich andere befassen.
Wie ich dann glücklich mein Fahrrad mit den Einkäufen belade, sehe ich noch die ältere Dame mit Hüftleiden, wie sie in jeder Hand eine schwere Einkaufstasche tragend, im Stiele eines Olympioniken zum Bus hetzt. Ihr Stock ragt dabei aus ihrem Rucksack hervor...
...und morgen muss ich wieder einkaufen...
Da es scheinbar Heerscharen von Menschen gibt, die diese drahtigen Ungetüme sammen, oder einen sinnvollen Verwendungszweck für sie haben, sobald sie ein Dutzend ihr eigen nennen, erdachte eine geniale Person das Prinzip mit dem Pfandeuro (was meines Erachtens immer noch ein günstiger Preis für diese Geräte ist). Leider führt das in der Praxis zu ganz neuen Problemen.
Bei dem Supermarkt in meiner Nähe, stehen die Wagen draußen vor dem Laden in einem „U“ förmigen Gitter. Dieses U ist aber so eng, daß stets nur eine Person samt Einkaufswagen hineinpaßt (eigentlich zwei, aber dafür müßten die Menschen verstehen, daß sie hinter und nicht neben ihrem Wagen stehen sollen).
So steht stets eine ganze Menschentraube vor diesem Gitter, teils in der Absicht ihren Wagen abzugeben, teils um sich einen neuen zu holen, aber alle mit dem festen Willen, sich möglichst schnell ganz nach vorne zu drängeln.
Das es auf diese Weise aber viel zu langsam von statten geht, entsteht in der Regel bereits vor dem „U“ ein schwungvoller Tauschhandel. Da wechseln Einkaufswagen und Markstück den Besitzer (Pardon: Benutzer), die 9 Groschen und 10 Kupfermünzen werden abgelehnt, aber über die halbe Schachtel Zigaretten läßt sich reden.
Ausgesprochen interessant zu beobachten ist, wie besessen die Menschen auf ihre kleinen Plastikmarken sind, die das Markstück ersetzen.
Neulich stand ich mal wieder vor unserem – wie immer - verstopften „U“ und winkte freundlich lächeln, mit meinem schon zurecht gelegten Euro, als ich eine Frau mit Einkaufswagen sah, die den Laden verließ. Mit einem bedauernden Gesichtsausdruck teilte sie mir mit, daß sich kein Geldstück, sondern so eine runde Plastikscheibe in dem Wagen befände.
„Das stellt gar kein Problem dar“, meinte ich zu ihr, und kramte meine eigene Kunststoffmarke heraus. „Nehmen sie doch einfach diese“ und streckte sie ihr entgegen.
Sie starrte mich an, als wäre ich der Teufel in Menschengestalt und wollte ihr die Seele entreissen. Von „bedauern“ war in ihrem Gesicht jedenfalls nichts mehr zu sehen, als sie mir in einem gereizten Tonfall erklärte, daß das IHRE Plastikmünze in dem Wagen wäre.
„Sicherlich ist das ihre“ entgegnete ich, „es wäre ja auch ihr Eurostück gewesen und trotzdem hätten sie es gegen meines getauscht. Solange sie keine persönliche Beziehung zu diesem Stück Kunststoff haben und es nur diese Funktion zu erfüllen hat, können sie es doch auch gegen meines tauschen.“
„Was weiß ich denn, wo du schon überall damit warst, da könnte ich mir ja wer weiß was holen.“ bellte sie mir entgegen.
Mal abgesehen, von der Tatsache, daß sie mich einfach duzte, fand ich doch, daß das eine ziemlich unfreundlich Unterstellung war und entgegnete ihr (nicht mehr ganz so liebenswürdig): „Das wüßten sie bei dem Eurostück ja auch nicht und hätten es trotzdem genommen“.
Der Umstand daß ich daraufhin den Einkaufswagen spürte, wie er mit voller Wucht gegen mein Schienenbein gestoßen wurde, signalisierte mir, daß sie wohl kein Interesse hatte, dieses Thema weiter zu vertiefen.
Glücklicherweise hatte die nächste Person die den Laden verließ, ein echtes Eurostück im Wagen und tauschte mit mir ganz anstandslos...auch wenn es ein bißchen dauerte, bis ich ihr – so auf einem Bein hüpfend, während ich das andere mit beiden Händen umklammert hielt – begreiflich machen konnte, daß ich es auf den Wagen und es weder auf ihre Einkäufe, noch ihre Handtasche abgesehen hatte.
Mit Stolz geschwellter Brust (und leicht humpelnd) betrat ich wenig später den Laden. Was gar nicht so leicht war, da die Räder des Wagen alle in unterschiedlichen Richtungen drängten, was eine kontrollierte Steuerung dieses Gefährt, nahezu unmöglich machte. Ich konnte von Glück sagen, daß ich nicht in den erst besten Dosenstapel hinein gerauscht bin.
Gleich zu Beginn meines Supermarktes, befindet sich die Gemüseabteilung und wie jeden Tag beherzigte ich den Ratschlag einer guten Freundin. Ich postierte mich zwischen Broccoli und Auberinen und versuchte einen besonders hilflosen Eindruck zu erwecken, während ich jeden Blumenkohl einzeln in die Hand nahm und meine prüfenden Blicke über sie wandern lies (sie waren alle „Dunkelweiß“ mit grünem Gestrüpp am unteren Ende).
Doch wie jeden Tag stürmten auch dieses mal keine Horden an jungen, bildschönen Verkäufern auf mich zu, um mir helfend beizustehen. Ich werde meiner Freundin wohl danach fragen müssen, was ich Grundsätzliches falsch mache.
Statt dessen, mußte ich mich von einer Schüleraushilfe, die ungefähr halb so alt und groß war wie ich, ermahnen lassen, nicht alles anzufassen.
So ließ ich den ollen Blumenkohl, Blumenkohl sein, besann mich darauf, dass Kartoffeln ohnehin viel besser schmecken ... also vermerkte ich „Tiefkühlpommes“ auf meiner geistigen Einkaufsliste.
So verließ ich die Vitaminabteilung rasch, allerdings nicht ohne mir die letzten beiden Pfirsiche ohne offensichtlichen Daumenabdruck, zu sichern.
Als nächstes steuerte ich den Pfandrücknahme-Automaten an.
Früher gab es da mal einen alten Mann, der hinter einem Tisch saß, einen drolligen Anblick bot und selten weniger als 5 Minuten benötigte, um das Pfand für drei Wasserflaschen und zwei Joghurtgläser zusammen zu addieren.
Heute haben sie ein Gerät, auf dessen Laufband man seine Flaschen stellt und nachdem es sie eingesogen hat, den Kunden mit einem kleinen Zettel belohnt, welcher den Pfandbetrag bestätigt.
Natürlich funktioniert dieses Gerät nicht. Zum einen passiert es mir in 8 von 10 Fällen, daß die Flaschen die ich auf das Band stelle, umfallen, sich quer legen und die Maschine verstopfen (glücklicher Weise habe ich mich noch nicht sehr weit von der Gemüseabteilung und der Schüler-Aushilfe entfernt). In den anderen zwei Fällen, beweist die Maschine schlechtere Rechenfähigkeiten; als der alte Mann hinter seinem Tisch.
Aber solange sie mir 9,50 Euro Pfand für 2 Cola- und 3 Saftflaschen gutschreibt, beschwere ich mich mal nicht zu laut...
Auf meinem weiteren Weg ergattere ich die letzte Flasche meiner Lieblingsbrause, bin persönlich dabei, wie ein kleiner Junge im Trikot von „Bayern München“ (Effenberg) sich den letzten „Kicker“ vor meinen Augen schnappt, den ich meinem Schatz mitbringen sollte und tarne ein genaues Studium des muskulösen halbnackten Models auf der „Mens Health“-Titelseite, in dem ich Interesse an „dem Magazin für den Gartenfreund“ vorgebe, und dabei arg schiele. Danach fülle ich meinen Einkaufswagen mit den schon erwähnten Tiefkühl-Pommes, Pizzen und anderen Fertiggerichten, achte darauf nicht zuwenig Ketchup zu besorgen und ärgere mich, daß ich nicht an meinen Lieblingsjoghurt heran komme, weil just zu dieser Zeit, drei Angestellte gleichzeitig die Fächer des Kühlregals auffüllen.
Letztlich komme ich bei der Fleischertheke an.
Tapfer stelle ich mich in die wartende Schlange, die von einem einzigen Metzger bedient wird, während zwei weitere ihn offenbar nur dabei beobachten, wie gut er diese Aufgabe ganz allein bewältigt.
Wie ich da so in der Schlange stehe, drängelt sich plötzlich eine ältere Dame - auf einen Stock gestützt – an mir vorbei, mit den Worten „Junge Frau, lassen sie mich mal durch, ich habe ein schweres Hüftleiden“.
Nach mir läßt sie noch zwei weitere Wartende wie Slalomschlangen stehen, ohne jegliche Antwort von ihnen abzuwarten und steht geschwind ganz vorne. Mein letzter Rest Mitleid schwindet spätesten in dem Moment, als sie 10 verschiedene Aufschnittsarten wählt, in Mengen zwischen 50 und 80 Gramm... „oder doch lieber die Salami mit Pfefferrand?“
Minuten später komme ich aber tatsächlich selbst an die Reihe und kann meine Bestellung „ein Pfund gemischtes Hack bitte“, an den Metzger bringen. Allerdings bin ich zu dem Zeitpunkt schon nicht mehr gewillt Protest zu über, als er bei 495 Gramm noch einmal eine ordentlich Portion nachgelegt und bei den dann resultierenden 570 Gramm lächelnd fragt: „Darfs ein bißchen mehr sein“?
Von dort führt mich mein Weg zu Toilettenpapier, Tampons und WC-Reiniger, und anschließend direkt zu der Süssigkeitenabteilung.
Die „Rittersport mit Baileys“ die sich dann doch in meinem Einkaufswagen wiederfindet, fällt in dem Fall unter „Experimentelle Untersuchung neuer Produkte“, denn die gleiche Untersuchung am Vortag, führte zu keinem eindeutigem Ergebnis.
Als auch diese Hürde gemeistert ist, erreiche ich die Kassen, bzw. die Schlage, die sich vor den Kasse gebildet hat.
Entgegen aller Erwartungen, sind tatsächlich drei Kassen gleichzeitig geöffnet. Sonst bin ich es gewohnt, an einer einzigen stundenlang anzustehen. Offenbar lauern die Kassiererinnen dieser Welt nur darauf, daß ich meinen ersten Artikel auf das Fließband lege, um genau in dem Moment ihre Pause zu beenden und sämtliche bis dahin geschlossenen Kassen zu besetzen.
Dieses mal waren aber gleich drei Kassen auf, was sie Sache jedoch nur unbedeutend erleichterte, denn plötzlich ist man gezwungen selbst eine Entscheidung zu treffen. Nimmt man die kürzeste Schlange, oder die mit den leersten Einkaufswagen? Die mit der fähigsten Kassiererin, oder die Schlange mit den wenigsten „alten Omis“?
Letztlich ist es gleichgültig, denn unabhängig davon wie ich es mache, das Ergebnis ist immer das selbe. Ganz egal wie lang die Schlange ist, in die ich mich einreihe, gleichgültig wie voll die Einkaufswagen der Leute sind, die vor mir stehen, "meine" Schlange braucht GRUNDSÄTZLICH am längsten (ähnliches gilt auch für Warteschlangen auf der Post und in Banken).
Ich finde mit unfehlbarer Sicherheit immer die Schlange, an der sämtliche Kunden bargeldlos bezahlen, aber mindestens 3 Versuche benötigen um ihre richtige Geheimzahl einzugeben (wenn überhaupt).
Oder Menschen stehen vor mir, die stundenlang in ihrem Kleingeld herumwühlen, weil sie den Betrag wirklich centgenau der Kassiererin geben wollen - was natürlich zumeist an fehlenden 5 Cents scheitert, die sich auch nach ausgiebigstem Durchwühlen sämtlicher Taschen und Beutel nicht finden lassen wollen, bis sie schlußendlich doch noch seufzend mit einem großen Schein bezahlen...den die Frau an der Kasse meist nicht wechseln kann und erst mal bei einer Kollegin umtauschen muß...
Gern und oft gesehen ist auch immer wieder, wenn genau vor mir, unbedingt die Papierrolle in der Kasse gewechselt werden muß (das sich bei den ersten 5 Einspann-Versuchen natürlich jedesmal in der Maschine verheddert und verklemmt). Oder aber Kunden die eigentlich bereits vor 30 Minuten ihre Einkäufe abgewickelt haben, aber nach intensiven Nachrechnen auf einen Fehlbetrag von 30 Cent gestoßen sind und das jetzt und hier und auf der Stelle ausdiskutieren und erklärt haben wollen, wie das denn angehen kann...anschließend wird noch über die neuen "Scanner-Kassen" gelästert und das früher ja alles viel besser war, als die Kassiererin es noch selbst mit der Hand eingetippt hat...
Ich stehe dann da und überlege mir, daß ich die Zeit auch mit dem Lesen von 2, 3 guten Büchern, oder dem Schreiben meiner Diplomarbeit hätte nutzen können...und wie lange der Typ hinter mir, seinen Einkaufswagen eigentlich noch rhythmisch in meine Hacken rammen will. Immerhin tut er es im Takt zu dem Hardcore-Techno-Gestampfe, das aus seinen Kopfhörern schallt und mit dem er sämtliche Kunden im Laden erfreut.
Aber selbst das ist irgendwann, irgendwie überstanden und da ich nur unwesentlich beim Wechselgeld beschummelt wurde, packe ich meine Einkäufe zusammen und verlasse den Laden. Jetzt heißt es nur noch sich an dem Menschenauflauf vor dem „U“ vorbei zu drängeln. Die wollten mich doch tatsächlich mit nur einem einzigen Euro für den schönen Einkaufswagen abspeisen. Von wegen, da könnte ja jeder kommen, ich will „meinen“ Euro wieder haben...die streng genommen auch nicht „meiner“ ist, weil sie dem gehörte, der den Wagen vor mir hatte, aber mit solchen Spitzfindigkeiten mögen sich andere befassen.
Wie ich dann glücklich mein Fahrrad mit den Einkäufen belade, sehe ich noch die ältere Dame mit Hüftleiden, wie sie in jeder Hand eine schwere Einkaufstasche tragend, im Stiele eines Olympioniken zum Bus hetzt. Ihr Stock ragt dabei aus ihrem Rucksack hervor...
...und morgen muss ich wieder einkaufen...