Anmelden

Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Die Bedeutung der Seele?



Shihayazad
09.12.2003, 23:09
Wenn ich das richtig mitgekriegt habe, wandern die beiden Vergewaltiger, die sich an den beiden Kindern vergriffen haben, ein Leben lang hinter Gitter. In der Zeitung habe ich gelesen, wie der Richter von ihrer "unverzeihlichen" Tat sprach.
Dem stimme ich uneingeschränkt zu aber ich musste dabei an all die Kinder denken, die über Jahre hinweg teilweise von ihrem eigenen Vater missbraucht werden und im Falle einer Anzeige in der Regel selber die Schuld zugeschoben bekommen. Sie werden von ihrer Familie als Verräter beschimpft, ausgegrenzt und der Täter bekommt höchstens 2 Jahre (auf Bewährung).
Der einzige Unterschied zwischen diesen Kindern ist, dass sie nicht tot sind, zumindest nicht körperlich.

Mord ist ein Verbrechen.
Vergewaltigung und anschließender Mord rufen einen Sturm der Entrüstung hervor, man spricht von einer grausamen Tat...
und Vergewaltigung ist...nichts...

Vergewaltigung ist ein Mord an der Seele, die Opfer leiden für immer...warum sind die Strafen so niedrig? Liegt es daran, dass kein sichtbarer/messbarer Schaden entstanden ist?

2.Beispiel:
Sterbehilfe: Bei der Diskussion um Sterbehilfe überlegen die Meisten, ab wann man ein menschenunwürdiges Leben führt, von dem man das Recht haben sollte erlöst zu werden.
Wenn man keine Arme und Beine mehr und unfähig ist zu sprechen, finden viele, dass man die Möglichkeit haben sollte zu sterben.
Was ist, wenn man seine große Liebe und seine Kinder bei einem Autounfall verliert, wenn man ganz allein ist und niemandem mehr vertrauen kann? Das Leben kann auch ausschließlich aus Schmerz bestehen, wenn man körperlich völlig gesund ist. Warum denkt da niemand dran?

3.Beispiel:
Sportunterricht: Wenn man ein offensichtliches körperliches Problem hat, dass einen davon abhält im Sportunterricht zur Höchstform aufzulaufen, wird dies in der Regel berücksichtigt (nicht nur bei der Note, sondern auch bei der Kritik), hat man aber panische Angst vorm Sportunterricht, die einen schon seit Jahren verfolgt und die sich einfach nicht überwinden lässt und versteckt sich deshalb immer in der hintersten Reihe, interessiert das niemanden. Man wird ausgelacht, wenn man davon spricht.

Worauf ich hinauswill ist:
Warum spielt die Seele bzw. der psychische Zustand eine so geringe Rolle? Psychische Schmerzen sind in der Regel viel größer als körperliche und doch finden sie IMO kaum Beachtung.
Sicher psychische Probleme sind nicht sofort sichtbar, sie sind schwerer zu verstehen und niemand kann sie medizinisch genau beurteilen aber ist das ein Grund sie beinahe vollständig zu ignorieren?

Was denkt ihr über die aktuelle Bedeutung der Seele in unserer Gesellschaft?

Skar
09.12.2003, 23:16
Klassisches Sumpf-Thema, deshalb wandert das dorthin.

Latency
09.12.2003, 23:50
Eine kleine Gegenfrage. Redest du hier von einer seele, oder von der Psyche?

Das sollte man IMHO klären, da man meiner Meinung nach Seele und Psyche nicht als Synonym verwenden darf

Wie willst du den seelischen Schaden erkennen? Die menschlich Psyche ist so komplex, das Schäden unterbewusst vorkommen und diese erst viel Später sichtbar werden. Wie oft hört man von Tätern die vollkommen unauffällig waren und dann irgendwann austickten?

Also verstehe mich nicht falsch. Der Mensch basiert seine Aussagen und Handlungen nunmal an Dingen, deren Tragweite und Auswirkungen er genau einschätzen kann. Da es aber bei solchen seelischen Schäden nicht möglich ist, haben wir nunmal ein Problem eine "gerechte" Strafe zu erteilen.

Judas
10.12.2003, 00:40
das problem ist nur das man die psychen schwächen schlecht nachweisen
kann.

sportuntericht:man kann sich ärtztlich ateste von psychologen holen wenn es wirklich so schlimm ist.

dia anderen sachen:ich finde das vergewaltigung sowieso zu milde bestraft wird.

Zieg Feld
10.12.2003, 01:43
zitat von Shihayazad

Worauf ich hinauswill ist:
Warum spielt die Seele bzw. der psychische Zustand eine so geringe Rolle? Psychische Schmerzen sind in der Regel viel größer als körperliche und doch finden sie IMO kaum Beachtung.


Hm, die Seele. IMO hängt davon doch das gesamte Befinden ab.
Ich denke sie wird so wenig beachtet, weil die meisten einfach "blind" für das Befinden eines anderen sind. Sie sehen nur das Äußere, sichtbare, das was man messen kann, womit man sich vergleichen kann. Die Seele ist etwas was viel tiefer sitzt.
IMO kann man einen Menschen nur verstehen, nur dann in seine Seele schauen, wenn man ihn gut kennt, oder besser gesagt, wenn man sich im nähert. Aber heutzutage ist das kaum noch so, nur noch bei sehr guten Freunden.

Ich verstehe selbst nicht, warum es so dermaßen ignoriert wird.
Denn so wie es einem geht, die ganze Leistungsfähigkeit (ist vielleicht das falsche Wort) ist doch vom Seelischen zustand abhängig. Wenn man traurig ist, wird man sicherlich keine Höchstleistungen bringen. Ich selbst habe so etwas oft erlebt. Man denkt an völlig andere Sachen, an die Sachen die einem wichtig sind. Traurig ist es auch, wenn die Menschen in der eigenen umgebung das nicht merken. Aber ich denke ich schweife zu weit ab.

EDIT:
@Shihayazad: Darf ich fragen, wie du auf dieses Thema gekommen bist?:)

Amaurosis fugax
10.12.2003, 03:02
Also ich bin eigentlich nicht einverstanden damit, was du sagst, ich nehme eigentlich eher das Gegenteil wahr, dass die psychischen Schäden oft überschätzt werden. :rolleyes:

Mord ist ein Verbrechen.
Vergewaltigung und anschließender Mord rufen einen Sturm der Entrüstung hervor, man spricht von einer grausamen Tat...
und Vergewaltigung ist...nichts...
Stimmt so nicht, Vergewaltigung ist allgemein als eine der schlimmsten Taten anerkannt und wird bei eindeutiger Beweislast auch entsprechend bestraft.
In deinem Beispiel der Vergewaltigung innerhalb der Familie ist es oft sehr schwierig, eindeutige Beweise zu finden, und ohne ausreichende Beweise darf der Täter schlicht nicht bestraft werden - dies hat nichts mit Geringschätzung des Seelenlebens zu tun, sondern mit Grundregeln des Rechtsstaates.

2.Beispiel:
Sterbehilfe: Bei der Diskussion um Sterbehilfe überlegen die Meisten, ab wann man ein menschenunwürdiges Leben führt, von dem man das Recht haben sollte erlöst zu werden.
Wenn man keine Arme und Beine mehr und unfähig ist zu sprechen, finden viele, dass man die Möglichkeit haben sollte zu sterben.
Was ist, wenn man seine große Liebe und seine Kinder bei einem Autounfall verliert, wenn man ganz allein ist und niemandem mehr vertrauen kann? Das Leben kann auch ausschließlich aus Schmerz bestehen, wenn man körperlich völlig gesund ist. Warum denkt da niemand dran?
Vorweg muss ich hier vielleicht anmerken, dass sich meine Tante mit Hilfe der Sterbehilfe umbrachte - und zwar aufgrund von psychischen Schmerzen.
Ich finde Sterbehilfe - bis auf ganz extreme Leiden ohne Heilungschancen - grundsätzlich falsch. Mit grosser Sicherheit hätte z.B. meine Tante mit psychiatrischer Unterstützung aus ihrer Depression herausgefunden. Und bei der Beurteilung von Sterbehilfe ist schliesslich nicht nur der psychische Zustand der betreffenden Person, sondern auch derjenige ihrer Umwelt zu berücksichtigen, die Beeinträchtigungen der Psyche ihrer Verwandten und Bekannten im Falle eines Selbstmords.

Und insbesondere von seelischen Verletzungen ist ein Grossteil mit professioneller Unterstützung durchaus heilbar, was bei körperlichen Beeinträchtigungen oft nicht der Fall ist, von dem her verstehe ich diese Handhabung.

Worauf ich hinauswill ist:
Warum spielt die Seele bzw. der psychische Zustand eine so geringe Rolle? Psychische Schmerzen sind in der Regel viel größer als körperliche und doch finden sie IMO kaum Beachtung.
Sicher psychische Probleme sind nicht sofort sichtbar, sie sind schwerer zu verstehen und niemand kann sie medizinisch genau beurteilen aber ist das ein Grund sie beinahe vollständig zu ignorieren?

Was denkt ihr über die aktuelle Bedeutung der Seele in unserer Gesellschaft?
1. Ist das Problem eben schonmal, dass psychische Probleme so schwierig sichtbar, schwer verständlich und kompliziert sind. Denn dies schafft immer Nutzniesser, die versuchen, sich durch die Vortäuschung psychischer Probleme Vorteile zu verschaffen (z.B. Frührente) und somit den wirklich psychisch kranken Menschen schaden.

2. Wird die Seelenwelt in unserer Gesellschaft absolut nicht ignoriert, im Gegenteil, sie hat einen sehr hohen Stellenwert. Während früher psychische Probleme beinahe ignoriert wurden, gibt es heute für jedes seelische Problemchen verschiedenste Medikamente, für Kleinigkeiten wird ein Psychologe aufgesucht, und bei Vortäuschung von psychischen Krankheiten werden Frührenten verteilt.
Dies führt wiederum dazu, dass Leute mit wirklichen seelischen Problemen nicht mehr ernst genommen werden.

Was ich also sagen will:
Das Seelenleben hat zum Teil sogar einen zu hohen Stellenwert in unserer Gesellschaft, was Leuten mit wirklichen Problemen in diesem Bereich schadet.

Pyrus
10.12.2003, 16:11
Im grossen Ganzen pflichte ich avrael bei. Die Psyche hatte in der Menschheitsgeschichte noch nie einen so hohen Stellenwert wie heute und dieser Stellenwert ist manchmal wirklich fast überhöht. Doch irgendwie habe ich ein Problem mit dem letzten Satz von avrael. Der geht irgendwie nicht ganz auf.
Die Leute mit echten psychischen Problemen kommen ja nicht zu kurz, weil die Psyche einen zu hohen Stellenwert hat, sondern weil sie einen zu tiefen hat, weil sie theoretisch einen zu hohen hätte, der aber in der Praxis durch Leute, die Probleme vortäuschen vernichtet wurde oder wird.

Was ich noch beifügen will, ist, dass meiner Meinung nach viele Probleme auch nur entstehen, da die Psyche einen hohen Stellenwert hat. Selbstmitleid kann schnell zu einer grösseren Belastung werden, als das eigentliche Problem es wäre. Und selbstmitleidige Menschen gibt es nun wirklich mehr als genug.

Shihayazad
10.12.2003, 23:59
Wie willst du den seelischen Schaden erkennen?

Das kann man. Oder nein, man kann sich selbst wahrscheinlich nicht einmal komplett verstehen aber es reicht häufig schon wenn man sich und die Menschen in der Umgebung etwas aufmerksamer beobachtet um einige Dinge zu entdecken.


@Shihayazad: Darf ich fragen, wie du auf dieses Thema gekommen bist?

Duch den Zeitungsartikel, der über die Verurteilung der beiden Vergewaltiger berichtet und den Sterbehilfe-Thread im Off-Topic. (Deshalb habe ich den Thread auch dort eröffnet :o )
Die genannten Beispiele beschäftigen (und ärgern) mich schon seit Jahren.


Stimmt so nicht, Vergewaltigung ist allgemein als eine der schlimmsten Taten anerkannt und wird bei eindeutiger Beweislast auch entsprechend bestraft.

Theoretisch vielleicht, praktisch nicht. Ich habe mich mit dem Thema ein bißchen beschäftigt und kann dir sagen, dass es nur in ganz wenigen Fällen zu wirklich hohen Strafen kommt, nämlich solchen die (ausnahmsweise) öffentliches Interesse erregt haben, wie der Fall der beiden Kinder.


Und insbesondere von seelischen Verletzungen ist ein Grossteil mit professioneller Unterstützung durchaus heilbar, was bei körperlichen Beeinträchtigungen oft nicht der Fall ist, von dem her verstehe ich diese Handhabung.

Generell stimme ich dir in diesem Punkt zu, auch wenn ich denke, dass "heilbar" das falsche Wort ist. Innere Wunden heilen nicht so gut wie äußere, da lebt man so gut wie immer mit. Man lernt damit umzugehen, man macht Fortschritte...aber Heilung :rolleyes:
Ok, das hängt natürlich auch davon ab von was für Problemen wir sprechen.
Dennoch/deshalb ist es natürlich unmöglich zu sagen, dass jemand nie wieder gesund wird, trotzdem gibt es auch solche Fälle. Und ich denke, dass es manchmal die ganzen Schmerzen, die man durchsteht, nicht wert ist...aber das ist nur meine persönliche Meinung.
Nur was ist, wenn man nicht mehr will? Wenn man keine Kraft mehr hat es auch nur zu versuchen, auf eine Linderung, eine Heilung zu hoffen?

Ich denke nicht, dass die Familie bei der Beurteilung von Sterbehilfe miteinbezogen werden sollte. Ich bin mir sicher, dass betreffende Person sich darüber Gedanken macht, wenn er/sie sich dennoch für den Tod entscheidet, ist dieses Argument ausgeschieden.
Auch wenn es wehtut jemanden zu verlieren, möchte ich nie erleben, dass jemand anderes sich sein ganzes Leben lang quält und nur deshalb am Leben bleibt um mich nicht zu verletzen. Man kann nicht nur für andere leben und genau das würde man von betreffender Person erwarten.


Wird die Seelenwelt in unserer Gesellschaft absolut nicht ignoriert, im Gegenteil, sie hat einen sehr hohen Stellenwert. Während früher psychische Probleme beinahe ignoriert wurden, gibt es heute für jedes seelische Problemchen verschiedenste Medikamente, für Kleinigkeiten wird ein Psychologe aufgesucht, und bei Vortäuschung von psychischen Krankheiten werden Frührenten verteilt.

Hhm, Ok. Man kann z.B. bei Schadenersatzforderungen mit den psychischen Beeinträchtigungen argumentieren, das hat es bestimmt nicht schon immer gegeben. Das klingt für mich aber sehr nach der gesetzlich/rechtlich geregelten Ebene, im täglichen Leben (und in der praktischen Umsetzung) entdecke ich davon aber so gut wie nichts und ich glaube nicht, dass Menschen wirklich wegen jeder "Kleinigkeit" zum Psychologen gehen, weil es nämlich so ist, dass man deswegen sehr oft schief angesehen wird.

Lysandros
11.12.2003, 00:45
Original geschrieben von Shihayazad
Warum spielt die Seele bzw. der psychische Zustand eine so geringe Rolle? Psychische Schmerzen sind in der Regel viel größer als körperliche und doch finden sie IMO kaum Beachtung.
Sicher psychische Probleme sind nicht sofort sichtbar, sie sind schwerer zu verstehen und niemand kann sie medizinisch genau beurteilen aber ist das ein Grund sie beinahe vollständig zu ignorieren?

Was denkt ihr über die aktuelle Bedeutung der Seele in unserer Gesellschaft?

Als erstes würde ich Platon nennen, der nicht eine geringe Schuld daran trägt, dass unsere Gesellschaft weniger Bedeutung zuschreibt als wie den Körper. Die direkte Verbindung lässt sich zwar jetzt nicht erkennen, da er ja davon spricht, dass der Körper nur eine Hülle für die Seele ist; demnach müsste man eher behaupten, dass der seelische Zustand höher bei ihm eingeschätzt wird. Nun vielleicht stimmt das sogar, aber hier kommt das Christentum ins Spiel, die viele Teile der Philosophie Platons übernommen hat. Das Christentum wiederum hat aber eine eigene Philosophie und man musste sich die Philosophie umschreiben um es so einmal auszudrücken. Sie wurde dahingehend interpretiert, dass das irdische Leben gering geschätzt wurde und so auch das seelische Leid.
Ein zusätzlichen Beitrag zur Trennung von Leib und Seele hat Decartes geliefert, der diese Dialektik hervorhob. Mediziner stehen heute immer noch diesem Problem gegenüber, dass sie hauptsächlich den Körper sehen, da sie keine Verbindung zwischen Körper und Seele sehen. Psychologen haben gegenüber Ärzten auch nur eine geringe Wertschätzung und stehen sich häufig als feindliches Lager gegenüber. Und seit wann gibt es denn nun die Psychologie als eigenständiges Fach? Die Grüdung des Wundtschen Labors war, wenn ich mich Recht erinnere, so um 1885, während die Medizin ihren Ursprung auf Hippokrates zurückführen, obwohl dieser noch nicht so sehr Körper und Seele trennte, man denke dabei an seine 4-Typen-Leere (Melancholiker, etc.). Diese Phänomen trat er später auf und als Ursprung sehe ich die Interpretation der Platonschen Philosophie durch die Christen.
Vielleicht ist es eine eigenwillige Interpretation, ich kenne die genauen Zusammenhänge nicht, aber ich bin mir sicher, dass es kulturell bedingt ist, dass wir das Seelische geringer schätzen, als wie das Körperliche. Als Vergleich möchte ich die chinesische anführen, die stärker die Verbindung zwischen beiden betont.
Als Beispiel möchte ich noch anführen: seit wann gibt es den Begriff Psychosomatik? Nicht sehr lange; unsere Kultur hat immer wieder die Psyche ausgegliedert, wie z.B. die Materialisten, aber auch überbetont, wie in der Romantik, die Wissenschaft hält aber immer noch teilweise an der Überbetonung des Körperlichen fest.

Dabei möchte ich gleich zu einer anderen Interpretation überführen, die sich um eine Definition von "Stärke" dreht. Angst wird in unserer Kultur als Schwäche gesehen und wer Angst hat, wird unterdrückt, ausgebeutet. Zeigt man diese Schwäche, hat das meist eine geringere Schätzung bis zum Mobbing zur Folgen. Menschen, die kein körperliches Gebrechen und scheinbar gesund sind, können aber dennoch psychische Probleme haben; Ereignisse in der Kindheit, aber auch körperliche Defizite, ich denke dabei an das Gehirn, können zur Folge haben, dass der Mensch seelische Wunden haben, Wunden, in die gerne andere Menschen treten um so ihre "Stärke" gegenüber dem "Schwachen" zu zeigen. Ich bin aber kein Soziologe um Genaueres dazu zu sagen und meine Interpretation mag freilich völlig irrsinnig sein.

Ein weiteres Defizit innerhalb unserer Gesellschaft sehe ich, dass wir sehr, sehr wenig in der Schule über das Seelenleben der Menschen erfahren; ich hatte z.B. nur einen 1-2jährigen (so genau kann man das nicht sagen) Psychologieunterricht und das in meinen letzten beiden Schuljahren; meiner Meinung nach, sehr wenig um auch nur in etwa etwas darüber zu erfahren. Wenn jemand keine Eltern hat, die sich damit auskennen, wird er auch nie die Chance dazu haben, einen geeigneten Umgang mit Menschen mit psychischen Leiden zu lernen. Zu starkes Leistungsstreben könnte auch noch dazu zu führen, einen bestimmten Typus von Menschen zu fördern, während andere auf der Strecke bleiben.


Einen Grund für die Überbetonung des Seelischen gegenüber dem Körperlichen zu finden, ist nicht leicht, doch ich meine, dass ein großer Teil dessen in unserer Vergangenheit zu finden ist und wir nur ein Produkt von ihr sind und es nun an uns liegt, dieser entgegen zu wirken, indem wir unsere Kinder einerseits, aber auch uns daran erinnern, dass der Mensch auch eine Seele hat.

Ianus
11.12.2003, 02:15
Original geschrieben von Lysandros
Als erstes würde ich Platon nennen, der nicht eine geringe Schuld daran trägt, dass unsere Gesellschaft weniger Bedeutung zuschreibt als wie den Körper. Die direkte Verbindung lässt sich zwar jetzt nicht erkennen, da er ja davon spricht, dass der Körper nur eine Hülle für die Seele ist; demnach müsste man eher behaupten, dass der seelische Zustand höher bei ihm eingeschätzt wird. Nun vielleicht stimmt das sogar, aber hier kommt das Christentum ins Spiel, die viele Teile der Philosophie Platons übernommen hat. Das Christentum wiederum hat aber eine eigene Philosophie und man musste sich die Philosophie umschreiben um es so einmal auszudrücken. Sie wurde dahingehend interpretiert, dass das irdische Leben gering geschätzt wurde und so auch das seelische Leid.
Ein zusätzlichen Beitrag zur Trennung von Leib und Seele hat Decartes geliefert, der diese Dialektik hervorhob. Mediziner stehen heute immer noch diesem Problem gegenüber, dass sie hauptsächlich den Körper sehen, da sie keine Verbindung zwischen Körper und Seele sehen. Psychologen haben gegenüber Ärzten auch nur eine geringe Wertschätzung und stehen sich häufig als feindliches Lager gegenüber. Und seit wann gibt es denn nun die Psychologie als eigenständiges Fach? Die Grüdung des Wundtschen Labors war, wenn ich mich Recht erinnere, so um 1885, während die Medizin ihren Ursprung auf Hippokrates zurückführen, obwohl dieser noch nicht so sehr Körper und Seele trennte, man denke dabei an seine 4-Typen-Leere (Melancholiker, etc.). Diese Phänomen trat er später auf und als Ursprung sehe ich die Interpretation der Platonschen Philosophie durch die Christen.
Vielleicht ist es eine eigenwillige Interpretation, ich kenne die genauen Zusammenhänge nicht, aber ich bin mir sicher, dass es kulturell bedingt ist, dass wir das Seelische geringer schätzen, als wie das Körperliche. Als Vergleich möchte ich die chinesische anführen, die stärker die Verbindung zwischen beiden betont.

Einen Grund für die Überbetonung des Seelischen gegenüber dem Körperlichen zu finden, ist nicht leicht, doch ich meine, dass ein großer Teil dessen in unserer Vergangenheit zu finden ist und wir nur ein Produkt von ihr sind und es nun an uns liegt, dieser entgegen zu wirken, indem wir unsere Kinder einerseits, aber auch uns daran erinnern, dass der Mensch auch eine Seele hat.

Die 'Obskure Philosophie', welche aus Christentum und Platonismus entstand ist der Neuplatonismus. Ich habe mich nur mit Plotin einem einzigen Vertreter dieser Schule tiefer befasst und möchte hier betont wissen, dass er ebenso wie Platon die Seele dem Körper vorzog. Der Körper ist ihm nur ein Anhängsel, dass sich eine unachtsame Seele einfängt und die Materielle Welt ist ein Ergebniss des Wirkens der Seele auf das böse Urchaos. Kein anderer Philosphe, den ich kennengelernt haben, legt solche einen großen Wert auf die Seele. Sein gesamtes Hauptwerk beschäftigt sich nur mit ihr und ihren Möglichkeiten.
Plotin war derjenige, den das Abendland bis in die Renaissance als den Platon-Überlieferer schlechthin kannten und der größte Teil der europäischen Philosophen wurde durch sein Werk beeinflusst. Sogar Descartes Idee von Der Trennung von Leib und Seele lässt sich noch auf Plotin zurückführen. Die ganze Christliche Philosophie beschäftig sich nur mit Gott und der Seele und du Lysandros behauptest einfach so, dass die westliche Philosphie die Seele gering schätzen würde.

;) Um mal eines klarzustellen: Unserer heutiger Seelenbegriff ist ein ganz anderer, als jener den die Philosphen Griechenlandes, Roms und des Christentums hatten. Für sie war die Seele genau eines: Die Erkenntnisfähigkeit, der Verstand. Emotionen waren eine Funktion des Körpers. Ihr auftreten zeigte an, dass der Körper das einwandfreie Arbeiten der Seele behinderte und genau in diesem Sinne hat man die Hippokratische Säftetheorie durch das ganze Mittelalter hindurch bis in die Neuzeit hinein verstanden.

Bei uns ist es seit Freud fast genau umgekehrt. Was die Seele ausmacht, sind Emotionen und Erinnerungen, die wir nicht mehr im Griff haben. Freud stand mit seiner Theorie des Seelenlebens gegen die gängige Hioppokratische Säftetheorie, welche noch seinerzeit die Medizin dominierte und weilbiche Hysterie mit Blutegeln oder Diäten behandeln wollte.

Die Bevorzugung des Körpers über die Seele würde ich nicht auf die gängigen Philosophen zurückführen, sondern auf die immens verbreiteteren und populäreren Apokalypsevorstellungen (körperliche Auferstehung anyone?) und auf das Antike Erbe des Körperkultes, den die Italienische Renaissance reaktiviert hat. Die Seele wurde bei uns nicht als etwas angesehen, dass groß bearbeitet werden muss, die Probleme kamen allesamt über den Körper zu einem.

Die Philosophie in Indien ist geradezu Körperfeindlich und voll von Selbstkasteiung, China tendierte dazu der Seele die absolute Kontrolle über den Körper zuzusprechen, wenn man nur das richtige Training durchlief - man siehe Taoismus und die Rituale der inneren Alchemie und der Ch'an-Buddhismus ist auch nicht besser. Es gibt geradezu unzählige Geschichten von Möchen, die sich einmauern, unter Wasserfällen Sitzen usw. Bodhidharuma, der Gründer der Sekte wird selbst oft ohne Beine Dargestellt - diese sind ihm bei seiner langjährigen Meditation, welche zu Satori führte abgestorben.

Die Philosophie des Mittleren Weges, welche Buddha predigt ist im Osten eine Revolution gewesen. Niemand dort wäre auf die Idee gekommen, dass man mit einem moderaten Lebenslauf religiös weiterkommen kann. Dementsprechend selten wurde seine Philosophie auch umgesetzt.

Lysandros
12.12.2003, 01:37
Die Bevorzugung des Körpers über die Seele würde ich nicht auf die gängigen Philosophen zurückführen, sondern auf die immens verbreiteteren und populäreren Apokalypsevorstellungen (körperliche Auferstehung anyone?) und auf das Antike Erbe des Körperkultes, den die Italienische Renaissance reaktiviert hat. Die Seele wurde bei uns nicht als etwas angesehen, dass groß bearbeitet werden muss, die Probleme kamen allesamt über den Körper zu einem.

Nun mit Platon glaube ich zu weit ausgeholt zu haben, aber das Christentum ist körperfeindlich und da der Seelenbegriff das Emotionale zu der Zeit ausschloss, wie du geschrieben hast und es mehr zum Körper zählte, hat dies eine Unterordung des Emotionalen gegenüber dem Seelischen zur Folge. Ich hatte in meinem Text den Seelenbegriff weiter verwendet, den Shihayazad anklingen ließ. Eine differenzierte Behandlung des Begriffes hätte wohl eine nicht so starke Kritik hervorgerufen.
Das Problem, dass seit Decartes Leib und Seele verstärkt getrennt gesehen wurde, gibt es aber wirklich und hatte eben zur Folge, wie ich bereits geschrieben habe, die Mediziner nur den Körper sehen, was auch heute noch großteils gemacht wird.
Ich stimme dir zu, Seele ist nicht gleich Seele.

Corti
12.12.2003, 03:13
Original geschrieben von Shihayazad
3.Beispiel:
Sportunterricht: Wenn man ein offensichtliches körperliches Problem hat, dass einen davon abhält im Sportunterricht zur Höchstform aufzulaufen, wird dies in der Regel berücksichtigt (nicht nur bei der Note, sondern auch bei der Kritik), hat man aber panische Angst vorm Sportunterricht, die einen schon seit Jahren verfolgt und die sich einfach nicht überwinden lässt und versteckt sich deshalb immer in der hintersten Reihe, interessiert das niemanden. Man wird ausgelacht, wenn man davon spricht.


Sportunterricht, ja.
Ich für meinen teil hab seit n paar jahren angst vor fussbällen,nachdem mir mal ein fussballer aus meiner klasse einen bis zum äussersten aufgepumptem Lederfussball ins Gesicht geballert hat.
( Nasenbluten literweise und tagelang tat die Birne weh)
Seitdem hab ichn sehr ausgeprägten Fluchtinstink was geschosse angeht, was sich bei zB Völkerball sehr auszahlt, allerdings kann ich diesen Reflex nicht ganz abstellen, was zu Folge hat, dass ich auch beim Volleyball immer zur Seite springen wenn n Ball kommt, auf den ich nicht vorbereitet bin.

Rion
12.12.2003, 18:10
Wie soll man die seelischen Grausamkeiten messen....jeder fühlt anders ...wie sollte der Massstab sein?
Wie ich schon mal erwähnt habe können auch Worte unglaublich verletzen..aber zeig mir mal die Wunde die du dadurch davonträgst.
Könnte man doch die Wundmale, Verletzungen der Seele nur sichtbar machen sie nach aussen stülpen.
Wie bei Dorian Gray müsste jeder ein geheimes Bild haben wo man halt die Wunden erkennen könnte.
Aber äussert sich der Körper nicht in den schlimmsten Fällen mit Psychosomatischen Erkrankungen?
Habe erst gestern gehöert das es seelische Reaktionen vom körper gibt also Krankheitsbilder die auch ein Zeichen der Seele sind, ein Hilferuf, den man aber nicht mit Medikamenten beseitigen kann.
Sondern nur mit Zuwendung, Fürsorge Anteilname,etc....die Seele hat eine große Macht sie durchzieht für mich gesehen den ganzen körper.
Naja ich glaube ich schweife mal wieder ab....

Lachrymology
12.12.2003, 18:31
Dem Begriff Seele kann ich keinerlei Wert zufügen/defenieren und so auch nicht nachweißen.
Das streben nach Seele ist für mich genauso irrational wie die Suche nach dem Sinn des Lebens (42) oder sonstigen geistigen Ideal-fest/vor-stellungen.
Und wenn ich dazu die klassische Philosophievorstellung in ihren Grundzügen in Frage stellen muss...