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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Lesbische (Liebes-)Filme - Reviews, Empfehlungen, Austausch



Yoraiko.
19.08.2022, 17:30
Moin,

nach dem Vorbild eines Threads in einem anderen Forum von einem Kollegen hebe ich hier einen Thread aus dem Boden, der sich nur Filmen (Real, Anime, Cartoon, Whatever) welche die weibliche Romantik im Fokus haben widmen soll. Falls es Serien dazu gibt kann man die natürlich auch gleich noch inkludieren. Weibliche Romanzen haben oft eine ganz andere Dynamik und Erzählweise als klassiche Hollywood-Romanzen, und meistens sagt mir das neben offensichtlichen Gründen einfach mehr zu - Nicht zuletzt, weil Lesbische Liebesfilme immer noch eher eine Nische sind.

Ich selbst habe im Partnerthread schon eine ganze Menge Reviews/Eindrücke zu betreffenden Filmen, die ich fast alle über diesen Thread entdeckt habe, verfasst, und würde die jetzt als Grundlage einfach hier reinkopieren.




Nachdem ich gerademal meine Filmhistorie durchgegangen bin und gesammelt habe ist mir aufgefallen, wie erschreckend-wenige Filme des Subgenres ich bisher gesehen habe, was aber wohl auch daran liegen wird, dass die meisten davon sich dem Indiegenre zuordnen. Ich nehme mir definitiv vor, die interessanten Filme dieses Threads hier demnächst mal chronologisch durchzuschauen und dann entweder als Video oder längeren Text zu reviewen.

Bis dahin hier noch ein paar Kommentare/Tipps:


Blue is the warmest Color
Der Klassiker. Dieser französische Vollblut-Lesbianlovefilm macht keine Kompromisse, was sich unter anderem in einer achtminütigen, expliziten und sehr intensiven Sexszene niederschlägt, die wirklich nur aus Frankreich kommen kann. Die beiden weiblichen hauptcharaktere werden dabei innerhalb des Filmes hervorragend charakterisiert, wie auch die gesellschaftliche Kluft zwischen ihnen, denn BITWC ist nicht nur Romanze sondern auch französische Gesellschaftsstudie und Beobachtung der Trennung von Arm und Reich. Das muss einen nicht interessieren, denn es ist intelligent in die mitreißende, autenthische, gefühlvolle, bittere Romanze eingearbeitet, die mit 3 Stunden Laufzeit auch Sitzfleisch fordert - Das Pacing und die Szenenkomposition sind aber hervorragend, so dass man die Längen (Außer bei der Sexszene) kaum bemerkt.

Stark getrübt wurde und wird dieses Kleinod der homosexuellen Frauenliebe im Film-Medium leider durch die Tatsache, wie der Regisseur mit seinen beiden Hauptakteurinnen umgegangen ist. Die Sexszene war tatsächlich die allererste Szene, welche die sich fremden Schauspielerinnen zusammen darstellen mussten, er ließ sie gegen ihren Willen diverse Retakes drehen und ist auch abseits davon äußerst missbräuchlich mit ihnen umgegangen. Das gibt vielen Szenen leider einen bitteren Nachgeschmack, aber ich persönlich fand Trost darin, dass die Schauspielerinnen das auch öffentlich gemacht und den Regisseur zur Verantwortung gezogen haben.

Jedenfalls, ein guter Film für Freunde der ruhigeren Dramanze.

Black Mirror - San Junipero
San Junipero ist kein eigener Film, aber da die Black Mirror-Folgen ohnehin voneinander unabhängig sind, kann man sie auch als kleine Filme betrachten. San Junipero konstrastiert mit seinem Plot, seiner Stimmung und seinem letztendlichen, fantastischen Finale signifikant die eigentliche Natur der Serie und wird von nicht wenigen (auch mir) als die mit Abstand beste Episode der Serie eingestuft. Wundervolle Schauspielerinnen, feinfühlige Dramaturgie, intelligente Tragik, honigweiche Romantik und so intensiv-positive Glücksgefühle in manchen Szenen, dass man nur übers ganze Gesicht grinsen kann. Mit interessantem Scifi-Setting!

Bound
Das ist ein spannender und intelligenter Thriller aus den 90igern, in dem wir ein lesbisches Pärchen dabei beobachten, wie sie versuchen einen großen Gangster-Coup durchzuführen. Die Damen haben Power, der Plot macht Spaß und auch die Zärtlichkeiten kommen nicht zu kurz. Ich habe Bound nicht mehr so gut in Erinnerung, habe ihn aber mit 7/10 bewertet.

Thelma, anyone? :bogart:
Thoroughbreds? :bogart:


Hoy ho!
Ich weiß, ich habe lange auf mich warten lassen, aber das lag daran, dass ich mich in den vergangenen zwei Wochen fast jeden Abend hingesetzt und einen Film aus diesem Thread angesehen habe, um anschließend ein Review dazu zu verfassen. Jetzt bin ich so gut wie durch, habe aber im Zuge dessen einige weitere lesbische Romanzen auf IMDB gefunden, die ich anschließen werde. Da ich aber nun schon einen groén Batzen Reviews fertig habe, hier erstmal ein erster Sammelpost. Reihenfolge des Schauens.


My Days of Mercy (7 von 10) (That didn't age well...)
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Dies war die Empfehlung hier, die mich von den Bisherigen am meisten angesprochen hat, also habe ich sie zuerst eingeworfen. Ellen Page ist ohnehin (Meistens!) ein guter Indikator für einen hochqualitativen Film, und das hat sich hier meines Erachtens nach wieder teilweise bewahrheitet.

Und obwohl im Fokus der Handlung zwei weibliche Hauptcharaktere in einer romantischen Beziehung zueinander stehen, ist der Film mitnichten eine lesbische Romanze. Das ist er nur in dritter Linie, davor ist er Familiendrama und Justizdrama mit einem kritischen(Aber nicht einseitigen!) Blick auf den amerikanischen Strafvollzug, gepaart mit der Romeo&Julia-Idee neu interpretiert, was definitiv Punkte für Kreativität gibt. Der Film ist insgesamt sehr ruhig und unaufgeregt erzählt, hat aber dennoch ein gutes Tempo, so dass man sich selten langweilt. Man muss eben nur grundsätzlich wissen, dass
es sich hier um emotional-schweren Stoff handelt, der unangenehm und wenig-reißerisch ist. Der ganze Film bringt eine bedrückende Stimmung mit sich, die nur in wenigen Momenten von Lucy & Mercy aufgelockert wird - dafür aber dann richtig!

Die Romanze hat vor allem das Problem, dass sie am Anfang übermäßig konstruiert wirkt und nicht gut geschrieben ist - Mercy nähert sich der eher zurückhaltenden Protagonistion Lucy, welche im Gegensatz zu ihr GEGEN die Todesstrafe ist, ohne ersichtlichen Grund an, flirtet aus dem Nichts heraus mit ihr und baut so eine Bindung zwischen den Mädchen auf, die nicht recht passen will. Auch haben Mercy und Lucy in der ersten Hälfte des Filmes meiner Meinung nach leider keine gute Chemie zwischen sich, funktionieren nur sehr behebig miteinander und geben einen unterkühlten Eindruck ab. Sieht man darüber hinweg, erledigt sich dieses Problem in der zweiten Hälfte und die beiden werden zu einer herzerwärmenden Kombination, die einen Lächeln und Summen lässt. Die würdevollen Sexszenen sind organisch eingebunden und schön anzusehen, viel besser gefallen haben mir aber noch die kleinen, allltäglichen Momente der Romantik - Wenn Mercy Lucy wie selbstverständlich einen Zopf bindet oder diese in ihrem Schoß liegt.

Am Ende erwartet uns in der Beziehung der beiden leider ein Twist, der im Genre der lesbischen Liebe so alt ist wie die 'Wir dürfen das nicht'-Karte, was einigermaßen anstrengend ist und insgesamt unnötig war, am Ende vom Ende aber zum Glück sehr befriedigend und rund aufgelöst wird.

Die Drama-Aspekte, sein es nun die bezogen auf die außeinanderbrechende Familie Lucys oder die Fragwürdigkeit der Todesstrafe, waren exzellent inszeniert, man konnte in vielen Szenen wohl nachfühlen, wie zerrissen Lucy ist wenn es darum geht, ob ihr verurteilter Vater nun wirklich ihre Mutter getötet hat oder nicht. Erwähnenswert ist die Klimax-Szene am Ende, die gerade für ein ruhig-inszeniertes Drama einen hervorragenden Soundtrack und eine fürchterlich-gute Dramatik mitbringt.

My Days of Mercy als lesbische Romanze zu bezeichnen ist in meinen Augen nicht nur gewagt, sondern schlichtweg falsch. Hier geht es nicht um die Liebe zwischen zwei Mädchen, sondern um eine zerrüttete Familie, die gegen die Justiz der Vereinigten Staaten kämpft, und dabei auf ganz besondere Weise auf die andere Seite der Medaille trifft - das dies als lesbische Romanze verwoben wird, war dann eher ein Glücksfall, denn das Element ordnet sich hervorragend in das Drama ein und liefert wie gesagt die wenigen positiven Momente. Insgesamt war ich zufrieden und kann 'My Days of Mercy' allen Ellen Page-Fans oder Anhängern von subtilen Dramas empfehlen, aber nicht unbedingt nur für den lesbischen Aspekt, so gut dieser auch war.

7 von 10 Spritzen für 'My Days of Mercy'.
Bonnie & Bonnie (2 von 10)
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Nach all den überraschend-guten deutschen Filmen der letzten Jahre is es erfrischend, endlich auch mal wieder einen Vertreter zu haben, der richtig schöne, deutsche Urscheiße ist. Nicht nur so schlecht, dass man wieder sagen müsste, dass es entschädigende Faktoren gäbe, sondern von der Verpackung bis zum Kern puristischer Entertainmentmüll aus den Tiefen des Problemkinos.

Bei Bonny & Bonny hat es mich genau 5 Minuten gebraucht - Also bis die beiden weiblichen Hauptcharaktere erstmalig aufeinandertreffen - um zu wissen, dass der Film nichts taugt und ich hier anderhalb Stunden meines Lebens unwiderruflich verschwende. Was ich nicht erwartet hatte war, WIE schlimm es noch wurde. In Bonnie & Bonnie begleiten wir zwei coole Ghetto-Gangstergirls, die einem über die Lauflänge von 90 Minuten bildungsfreundlich aufzeigen, wie cool und funny es doch sein kann, zusammen zu klauen, zu saufen, zu rauchen und sich wie die Axt in der Großstadt zu verhalten. Die Eine kommt aus einer erzkonservativen, albanischen Familie, welche für den Drama-Aspekt zuständig ist, die Andere... ist Barkeeperin. Das Familiendrama ist urdeutsches Schemagenre, leidet hier aber unter anderem dadurch, dass man den Vater in albanischer Sprache wahrscheinlich nicht versteht, und so auch nicht die inner-familiären Dialoge - Untertitel fehlen. Abgesehen davon ist der Aufbau der Handlung aber auch so altbacken, dass man sich kaum investieren möchte - nicht, dass es eine Handlung gibt.

Das Wichtigste bei einer lesbischen Romanze - und dieser Film ist definitiv eine, zumindest hat er kaum andere Bezugspunkte - sind natürlich die Hauptakteure, und hier liegt in Bonnie & Bonnie das größte Problem von vielen. Beide Mädchen übertreffen sich in jeder neuen Szene wieder an Charismalosigkeit und Unsympathie, haben unterstrichen null Chemie miteinander und schauspielern auf dem Niveau eines Studententheaters, das betrifft vor allem Yara's Darstellerin Emma Drogunova. Ich bin wirklich dankbar dafür, vor diesem Film 'My Days of Mercy' gesehen zu haben, weil ich den ja auch nicht wirklich überragend fand, mir aber jetzt wieder effektiv aufgezeigt wurde, wie unheimlich viel Raum noch zwischen einem 'Guten amerikanischen Film' und einem 'Desaströsen deutschen Film' liegen. Die Protagonistinnen aus Mercy entwickelten über die Laufzeit eine Chemie miteinander, die homogen wirkte, Bonnie & Bonnie aber bleiben bis zum Schluss blass und platt und sind zueinander oft genau so toxisch wie zu allen Anderen. Das Schlimmste daran war aber der Anfang.

Ich mag es als weißer Cis-Mann vielleicht nicht verstehen, aber lesbische Romanzen haben mit dem Beginn der Romanze ja so ihre Probleme. Dieses Aufeinandertreffen umweht meist eine Spur von Erzwungenheit, die nicht natürlich wirkt. Während man das aber in 'Mercy' noch als sympathische Schrulle abtun kann, schießt Bonnie & Bonnie darin den Vogel ab. Yara und ihre 'Gang' spielen Fremden Pranks und filmen sich dabei. So kommt es dazu, dass sie der zufällig-ausgewählten Kiki an die Hand fasst, diese sie an eine Wand befördert und ihr mit einem Messer fast die Kehle aufschlitzt. Die Mädchen tauschen dabei einen langen, intensiven Blick aus und lächeln. Moment, was? Hier verlieben sie sich ineinander? Zumindest suchen sie daraufhin fortwährend die Nähe der Anderen, und küssen sich urplötzlich, ohne dass es sich irgendwie angedeutet hätte. Muss man also wieder das alte, stinkige Klischee glauben, lesbische Frauen wären immerzu und überall willig, oder wie kommt so eine gegenseitige Anziehung zustande? Es wäre zumindest nicht meine erste Handlung, jemandem der mir ein Messer an den Hals drückt verführerische Blicke zuzuwerfen, aber wie gesagt, vielleicht verstehe ich es
auch nur nicht.

Die Plotelemente und die Dramaturgie um Yaras und Kikis Romanze im Norden Deutschlands führen uns in eine urgraue Vorzeit zurück, in der das allgemeine Frauenbild noch irgendwo zwischen Hund und Querdenker lag, und abermals fühlen wir uns in einer lesbischen Romanze mit den abgestandenen Drama-Stationen des Genres konfrontiert von denen wir doch schon vor Jahren dachten, wir hätten sie hinter uns gelassen. Allen voran der gute, alte 'Es ist moralisch falsch, lesbisch zu sein'-Plot, die Unvereinbarkeit einer lesbischen Beziehung mit einem Job in der Mitte unserer Gesellschaft(Die hier zum Stand 1900 porträtiert wird), die 'Ich hasse dich um dich zu beschützen'-Karte.., das trifft auf eine Umwelt von Charakteren und Nebendarstellern, denen wir mal wieder allesamt einen langsamen, grausamen Tod an den Hals wünschen. Nur schade, dass die Heldinnen nicht viel besser sind. Eine meiner Lieblingsszenen war, als die Lesbe von einem Afroamerikaner und einem Nahost-Immigranten als 'Fucking Freak' diskriminiert wird. Und wer jetzt denkt, dass das Rhetorik auf Seiten des Filmes war, der irrt. Die beiden sollten einfach nur Arschlöcher sein.

Die raren Sexszenen sind langweilig und ideenlos, und werden wie übrigens auch der komplette restliche Film von der deutsch-filmischen Zwangsstörung ruiniert, aller paar Minuten leblose Trap-Popsongs einzuspielen, die den Szenen die Chance nehmen auch mal für sich zu stehen. Eine ansprechende Cineastik gibt es nicht, keine Moral, keine mögenswerten Charaktere, keine schöne Romanze, keine Gesellschaftskritik, kein gar nichts. Im letzten Drittel schnallt sich Bonnie & Bonnie, im übrigen ein seltendämlicher und unpassender Name für diesen Film, dann nochmal ein obskures Thrillergewandt aus den
Untiefen des Fantasygenres auf den Rücken, das in einem ebenso vorhersehbaren, unverdaulichen und unglaublich-unkreativen Climax endet, den dieses Genre und Problemfilme im Allgemeinen eigentlich auch schon vor einem Jahrzehnt hinter sich gelassen haben, hier aber einen luftleeren Film passend beendet, alle Beteiligten sowohl in der Szene als auch hinter der Kulisse schlecht aussehen lässt und zusammenfasst, wie der deutsche Film an einem schlechten Tag funktioniert.

Der Rest der Welt: Lass uns eine lesbische Romanze mit aus dem Leben gegriffenen, sympathischen Charakteren inszenieren, in dem wir ihre Gefühlswelten, ihre Gedanken, Sorgen und wünsche respektvoll und zeitgemäß darstellen!
Deutschland: Lass uns eine lesbische Romanze inszenieren! Moment, ich check kurz auf TVTropes was man da so einbauen muss... ah ja... Konflikt mit Gesellschaft... konservativer Vater... eifersüchtiger Schlägerbruder... Magische Anziehungskraft zwischen Frauen... okay klar, machen wir, klingt einfach und wird bestimmt 'Mutig' genannt.

Bonnie & Bonnie hat keine Zielgruppe, weil der Film für niemanden etwas zu bieten hat. Er nimmt all die schlechten Elemente sowohl aus dem Romantik-, als auch dem Drama-Genre, mixt sie mit ein bisschen lesbischer Liebe, Ghettodrama und viel zu viel Musik und mischt daraus einen unbekömmlichen Cocktail, der mich schon nach zehn Minuten aufs Klo getrieben hätte, wenn ich mich nicht für diesen Text durchgezwungen hätte.
Ein schrecklicher, schrecklicher Film.

2 von 10 Huansöhne für Bonnie & Bonnie.
Tell it to the Bees (7 von 10)
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Tell it to the Bees, oder auch 'Der Honiggarten' wie der mal wieder weitaus weniger sinnvolle, unmelodische deutsche Titel mit dem bescheuerten Zusatz 'Das Geheimnis der Bienen' ist. Dieser Film war aus der Liste bisher der Stärkste, und ist insgesamt ein hochwertiges, anspruchsvolles Gesamtpaket für den reiferen Zuschauer.

Britannien in den 1950ern: Lydia, eine Singlemutter an der Armutsgrenze, die von ihrem Mann verlassen wurde und kaum die Miete zahlen kann, trifft auf die Ärztin Jeane, welche in der kleinen Ortschaft, die den Schauplatz des Films bietet, einen zwielichtigen Ruf hat. Sie kümmert sich um Lydias Sohn, und als Lydia und ihr Kind schließlich von ihrem Vermieter rausgeworfen werden, bietet Jeane ihr in ihrer Villa ein Zuhause - als Haushälterin, bald schon als Freundin, und vielleicht noch als mehr.

Tell it to the Bees ist eine hochwertige, historisch-romantische, britische Produktion, welche mit dem gewohnt-angenehmen, sepia-herbstlichen Farbfilter über allem so wie der unverkennbaren Mode jener Zeit den Charme der 50iger atmet. Während 'Mercy' ein Justizdrama und Bonnie&Bonnie ein Ghettodrama ist, ist dieser Film tatsächlich eine reine, lesbische Drama-Romanze. Es gibt nicht viele Nebenthemen abgesehen von einer Freundin von Lydia, welche mit einem dunkelhäutigen Mann liiert ist und von ihm ein Kind erwartet - auch sie wird Opfer der rigorosen Dorfgemeinde welche diese für alles 'Andersartige' schwierige Zeit symbolisiert. So gilt Ärztin Jeane noch immer wegen einem Vorfall mit einer Mitschülerin vor vielen Jahren als 'Pervers', nur widerwillig nimmt man ihre Dienste in Anspruch.

Die Romanze ist hier schon alleine durch die Tatsache, dass sie sich nicht durch testosterongesteuerte Teenagerinnen, sondern gereifte Frauen mittleren Alters zusammensetzt, die hier auch eine sehr glaubwürdige und nachvollziehbare Annäherung und Beziehung zueinander aufbauen, langsam und subtil. Beide Frauen sind fähige Schauspielerinnen, welche hervorragend darstellen wie schwierig und kompliziert es in dieser Zeit war, auch nur daran zu denken, eine andere Frau zu küssen. Somit ist 'Tell it to the Bees' der Archetype einer lesbischen Romanze, was überraschenderweise aber gar nicht negativ ist - noch nicht mal als tatsächlich und wortwörtlich die "Wir dürfen das nicht"-Karte gezogen wird. Der Film wirkt nicht abgestanden und diese Stelle war nicht albern, weil der historische und gesellschaftliche Kontext darum so glaubwürdig und atmosphärisch aufgebaut wurde. Die wenien Sexzenen sind ebenso geschmackvoll und ästhethisch, vor allem aber mit der nötigen Diskretion inszeniert. Man sieht nur, was man sehen muss.

Es stimmt, dass die ersten 30 Minutes des Filmes Sitzfleisch verlangen, dann aber auch wieder kann man das gleich über das gesamte Seherlebnis sagen. Dies ist weder ein einfacher, noch ein besonders unterhaltsamer Streifen. Ich will nicht sagen, es wäre wirklich anspruchsvolle Kost für Cineasten, aber man muss schon eine gewisse Ruhe, Neigung für betont-unaufgeregte Erzählungen und Sympathie für das historische Setting mitbringen. Der Film hat Anspruch, und wer sich nach zehn Minuten langweilt wird es auch nach 50, die Differenz ist da nicht so sonderlich groß. Ich aber habe die wohlüberlegte Erzählung genossen und nur selten Längen gespürt, weil die Chemie zwischen den beiden gereiften und auf ihre Weise charismatischen Hauptakteurinnen so gut geknistert hat. Und zwischendrin bekommen wir immer mal wieder ein bisschen Bienen-Trivia, was doch zumindest interessant sein kann.

Die Bilder und Szenen sind sehr hochwertig, das Umfeld bringt eine gute, rückblickende Atmosphäre herüber ohne zu sehr '50s!!!' zu brüllen, die sonstigen Charaktere sind allesamt im Guten wie im schlechten überzeugend - Sympathen ebenso wie jene kompromisslos-kleinbürgerlichen Konservativen jener Zeit, welche allem, das sie nicht verstanden, mit bildlichen und buchstäblichen Heugabeln begegneten. Die Musik, auch etwa in den Sexszenen, zeigt gut auf, wie man intensive Szenen stilvoll untermalen kann, ohne dabei ins Lächerliche abzudriften. Der Soundtrack wirkt dabei in seiner Ganzheit ebenso kultiviert und angenehm wie der Rest des Films.

Ein paar Schwächen hat 'Tell it to the bees' dann aber doch aufzuweisen. Das größte Problem im Film ist Lydias junger Sohn, Charlie, um den sich weite Teile der Erzählung und vor allem das Finale drehen, denn Lydia ist hauptsächlich nicht lesbisch oder Arbeiterin, sie ist allen voran liebende Mutter. Die Krux an Charlie als Charakter ist nicht, dass er nervig oder störend wäre, es ist vielmehr, dass er so überflüssig ist. Es hätte ihn in diesem Film, in dieser historischen Lesbenromanze die sich um die Situation von LGBT&Fremdenakzeptanz damals dreht, gar nicht gebraucht. Würde man ihn rausschreiben würde sich nicht viel ändern. Als er dann in der zweiten Hälfte aber auch noch an Relevanz gewinnt und mit seiner kindlichen Voreingenommenheit kurzzeitig die Sympathieleiter herunterpurzelt ist der Schaden komplett. Ärgerlich auch, dass seine Motivationen so inkosistent und schwer nachzuvollziehen sind - Mal mag er Jeane, mal hasst er sie, mal unterstützt er seine Mutter, mal seinen Vater, mal diskriminiert er Lesben, mal akzeptiert er sie. Hmn.

Der Film basiert auf einem vielgeschätzten Roman, was ich selbst erst danach erfahren habe. Da ich das nicht wusste kann ich nur den Film bewerten, den ich sehr gut fand, viele Bücherleser klagen aber (Natürlich) über eine unbefriedigende Adaption, die vor allem am Ende schwächelt. Negativ am Ende anzumerken ist, dass es eine übernatürliche Komponente in Zusammenhang mit den Bienen andeutet, die es so im Buch nicht gab und auch mir sauer aufgestoßen ist. Das Ende vom Ende ist bittersüß, und leider in seiner Dramaturgie ein unnötig eingesetztes Lesbenromanzen-Klischee aus grauer Vorzeit, das meilenweit absehbar ist, wo im Buch wohl ein reines Happy End stattfand. Dennoch muss ich sagen, dass die Botschaft zum Schluss sehr angenehm verarbeitet wurde und ich 'Tell it to the Bees' als angenehm-abgeschlossen empfunden habe.

Es gab da noch einen Subplot, welcher zum Schluss eine äußerst-verstörende Szene mit sich brachte und ehrlich gesagt wie ein Fremdkörper im Film wirkt, weil es so aus dem Nichts kommt, das war aber Teil der Verbildlichung der damaligen Verhältnisse mit Zero-Tolerance-Politik gegenüber dem 'Anderen'. Dennoch fühlte sich das sehr unsauber verkittet an. Ein starker, niveauvoller Film mit authentischer Romanze und nostalgischem Glanz, der nicht frei ist von Schwächen, diese aber mit viel Sorgfalt wettmacht. Hätte ich ohne Tipp nicht entdeckt, kann ich Freunden des gehobeneren Films und eben auch Fans lesbischer Romanzen sehr ans Herz legen.

7 von 10 Bestäubungen für Tell it to the bees.
Disobedience (3 von 10)
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Disobedience ist ein stummer und lethargischer Film. Während 'Tell it to the Bees' durchaus auch von Zuschauern mit kürzerer Aufmerksamkeitsspanne gesehen werden kann, ist dieser Film reines Cineasten-Filmfreund-Arthousekino. Dabei wird Disobedience seine Zuschauer wohl gespalten haben, denn während Filmkritiker, feinsinnige Geister und das gehobenere Volk diesen Film als gelungenes Vorzeigewerk von Unterdürckung und Befreiung bezeichnen, fanden die meisten 'gewöhnlichen' Leute ihn schlichtweg langweilig. Und trotzdessen, dass ich einen langsam-erzählten, subtilen Indiefilm immer zu schätzen weiß, muss ich mich diesem Eindruck anschließen. Disobedience ist unglaublich langatmig, viel, viel zu lang und stellenweise fast schon absurd-ereignislos, so dass sich die 115 Minuten anfühlen wie drei Stunden. Auch hier liegt wieder ein Farbfilter über allem, eine Entsättigung, welche wohl die Atmosphäre von Tristesse und Ausweglosigkeit des im Film zentralen, jüdischen Städtchens unterstreichen soll, im Gegenteil dazu aber dafür sorgt, dass der ganze Film noch lebloser und statischer wirkt. Dabei erwartet man das bei der Prämisse ja auch schon so:

Eine junge, jüdische Frau kehrt nach langer Zeit in ihr orthodox-geprägtes Kleinstädtchen zurück, weil ihr Vater verstorben ist. Dort trifft sie nicht nur auf alte Bekannte, die ihr mal mehr mal weniger freundlich gesinnt sind, sondern auch auf ihre Jugendfreundin, welche ihrerseits eine Gefangene dieses jüdischen Mikrokosmos ist, und die Gefühle der beiden Frauen füreinander flammen wieder auf - Gefühle, die hier natürlich keinen Platz haben, vor allem, wenn eine von beiden Frauen verheiratet ist. Es ist zwar schön, dass so einem eher nischigen Kontext wie einer jüdischen Gemeinde ein Film gewidmet wird, aber musste das wirklich genau so trocken passieren, wie man es von dem Thema erwartet? Wie bei 'Tell it to the Bees' und 'Mercy' gibt es hier ein übergeordnetes Drama-Thema, und zwar die Unterdrückung der Frauen in orthodoxen Gemeinen, doch die Romanze rückt stärker in den Fokus als etwa bei Bees - Schade nur, dass sie dennoch deutlich dünner erzählt ist. Es hilft der einschläfernden Wirkung von Disobedience nicht, dass sämtliche Personen vor allem in der ersten Hälfte des Filmes fast konsequent nur leise sprechen oder gar flüstern. Ist das ASMR, oder was?
Abgesehen von der trostlosen Gemeindestimmung, dem Freiheitsdrama und der gestelzten Romanze zwischen beiden weiblichen Hauptakteurinnen hat der Film nichts anzubieten, und diese drei Elemente überzeugen über weite Strecken des Films kaum.

Zwar gibt es hier und da mal eine schöne Aufnahme oder Einstellung, das Groß von Disobedience machen aber leblose Häuserlandschaften, leblose innenräume, leblose Charaktere und deren leblose Mienen aus - Ja, vielleicht mochte das zum Konzept gehört haben, doch dieses Konzept ging meines Erachtens nach nicht auf. Die Musik hilft der Unterhaltsamkeit oder Intensivität mit ihrer Abwesenheit in 80 % des Filmes nicht, das einzige Plus hier war der geniale Einsatz von The Cure, aber das ist auch einfach eine großartige Band. Nicht besonders aufmunternd, wenn ein eingespielter Song das beste musikalische Element ist.

Die drei Hauptcharaktere (Und der restliche Cast) spielen ihre Rollen soweit überzeugend und passabel, werden aber leider bis auf wenige, intensivere Szenen kaum gefordert, mehr zu tun als bedrückt zu gucken. Die beiden weiblichen Hauptcharaktere, die hier ihre lesbische Romanze wiederentdecken, haben leider absolut keine Chemie zueinander, was vermutlich ein Symptom davon ist, dass im ganzen Film keine Chemie existiert. Die wenigen Sexszenen hingegen sind dennoch herausragend geworden, weil sie wild, ehrlich und schmutzig sind. Mir gefiel, wie die stellenweise überbordernde Perversion des Liebesspiels (Stichwort Spucke) als bewusster Tabubruch und Kontrast zum eingeschnürten, freiheitslosen Leben der Frauen in dieser jüdischen Community von Anstand und Sitte inszeniert wurde, und darum umso ruchloser daherkam. Die Szenen sind schön, stimmig und respektvoll gegenüber den Akteurinnen. Doch das sind kleine Fragmente, auf die man lange wartet und die nicht ewig währen.

Denn das Ende von Disobedience folgt Konsequent der Lethargie des restlichen Filmes und stürzt - ohne Erklärung, völlig aus dem Nichts - in den uralten Lesbian Movie-Ending-Trope, wobei ihr euch vermutlich denken könnt, was ich meine. Mal wieder eine Romanze, die einfach nur dem Aufrechterhalten des Status Quo der Genreschwächen wegen ein Ende ruiniert, das hätte versöhnlich sein können nach einem aussagelosen Seherlebnis. Wie so oft fragt man sich nach einem dieser gedämpften, langatmigen Arthouse-Filme wenn die Credits anlaufen, wofür man eigentlich gerade 2 Stunden investiert und was man sich aus dem Film mitgenommen hat. Denn die Message von Befreiung, die am Ende ja doch nicht stattfand, kann es wohl kaum gewesen sein, und die hätte man auch in dreißig Minuten weniger unterbringen können. Die lesbische Romanze hat ihre schönen Momente, bietet ästhetische Szenen, verläuft sich letztendlich jedoch im Sande genau wie die restlichen, wenigen Handlungsstränge. Es ist ein nüchterner Film, der wenig anzubieten hat, und die Zeit insgesamt nicht wert ist. Allein dieses Review ist schon mehr, als man darüber sagen sollte.

Von mir gäbe es für Disobedience 3 von 10 Rotztropfen. Nicht empfehlenswert für irgendeine Zielgruppe, nicht mal die hartgekochtesten Cineasten. Auf der anderen Seite auch nicht offensiv und unerträglich wie Bonnie&Bonnie, wichtiger Unterschied. Disobedience tut keinem weh - er tut nur leider auch keinem gut.
Portrait einer Frau in Flammen (9 von 10) (Mittlerweile 10/10)
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Ich bin vollkommen überwältigt und ergriffen. Ich hatte erwartet, dass dieser Film aufgrund des unübersehbaren, überschwänglichen Presse-Echos seinerzeit gut ist, aber ich hatte sicherlich nicht damit gerechnet, dass er derart exzellent ist. Ich bin geneigt, ihm 9/10 Punkte zu geben, was ich wohl auch tun werde, womit es als meine neue, lesbische Lieblingsromance ‘Blue is the warmest Color’ mit 8/10 spürbar vom Thron gestoßen hat, und ferner eine der besten mir bekannten Filmromanzen überhaupt ist. Dieser Film ist in meiner Wahrnehmung sehr nah an einem Seherlebnis, das ich als ‘Perfekt’ bezeichnen würde. Ein gefühlvolles, zärtliches, anmutiges und kraftvolles Kunstwerk, das auf so vielen Ebenen überzeugt und mich begeistert. Spoilerfrei ist festzustellen, dass dieser Film kaum eine festgesetzte Zielgruppe hat abgesehen davon, dass man natürlich unaufgeregte, erwachsene Filme mögen muss. Ich bin ebenfalls dankbar, dass ich ‘Portrait’ im Zuge dieser Liste erst nach all den anderen Filmen gesehen habe, denn jetzt da ich mich ein wenig mit dem Genre der lesbischen Romanze auskenne kann ich umso mehr wertschätzen, wie herausragend dieser Vertreter hier doch ist. Er ist natürlich problemlos der mit meeresweitem Abstand der stärkste Film der Aufzählung.

Im achtzehnten Jahrhundert wird die junge Malerin Marianne auf eine Insel gerufen, um eine Adelstochter zu portraitieren - eine schwierige Aufgabe, weigert sich die zurückgezogene Héloïse doch strikt dagegen abgebildet zu werden, denn schließlich soll das so entstandene Portrait ihrem zukünftigen Zwangs-Ehemann als Schlafgemach-Anheizer geschickt werden. Marianne muss sich als ‘Aufpasserin’ tarnen, und ihr unwissendes Model in den kommenden Tagen genau beobachten…

‘Portrait’ besitzt die historische Komponente, welche auch ‘Tell it to the Bees’ ausmachte, wird aber weniger von ihr dominiert und von der fähigen Regisseurin moderner interpretiert, so dass es frei ist von der staubigen Sperrigkeit. ‘Portrait’ besitzt dieselbe ruhige Erzählweise wie ‘Disobedience’, vermag es im kompletten Gegenteil zu diesem Film allerdings, die Szenen mit fantastischen Akteurinnen und lebendigen Dialogen stets unterhaltsam zu gestalten. ‘Portrait’ besitzt den schwerwiegenden Konflikt eines ‘My Days of Mercy’, lässt diesen aber nicht die gesamte Stimmung des Filmes drücken und löst ihn poetischer auf, als man es sich zu Anfang hätte ausmalen können.

Kurz gesagt, es gibt kaum etwas auszusetzen. Die beiden wunderschönen Schauspielerinnen im Vordergrund haben jeweils eine eigene, ganz besondere Ausstrahlung, die sie in diesem Film von ‘gewöhnlichen’ Schauspielerinnen unterscheidet. Marianne ‘Noémie Merlant’ hat ein so einprägsames Gesicht und so charakteristische Augenbrauen, dass sie zusammen mit ihrer Verschlossenheit am Anfang fast maskulin wirkt, Héloïse ‘Adèle Haenel’ ist in der ersten Hälfte das faszinierende Mysterium, das unnahbar aufgebaut wird, und in der zweiten Hälfte eine avantgardistische, charismatische Lady, die man in jeder Szene gerne sieht. Während offensichtlich viele, lesbische Romanzen damit zu kämpfen haben, eine glaubwürdige, stimmige Chemie zwischen ihren Pärchen zu etablieren und halten, harmonieren Marianne und Héloïse vom ersten Moment an fabelhaft miteinander, und zunehmend, wenn sie füreinander auftauen. Beide Frauen sind intelligent, gerissen und humorvoll, so dass sie sich in vielen Momenten gegenseitig dekonstruieren oder in einer Art und Weise flirten, die man nicht mal unbedingt als Solches erkennt. Es macht Spaß, dieses permanente Kriseln zwischen den beiden zu sehen.

Es ist eine sehr angenehme Verflechtung mit dem Setting, dass sich alle Personen, ob Mutter und Tochter oder die Liebenden untereinander, mit ‘Sie’ ansprechen. Das ist abgesehen von der Kleidung und dem Schicksal Héloïses auch das Einzige, in dem sich das Setting bemerkbar macht. Sexszenen kommen so gut wie gar nicht vor, doch die Liebes & Kuss-Szenen sind vermutlich die Schönsten und Respektvollsten, die ich bisher in einer Romanze gesehen habe.

Der Film ist voll mit tollen Kulissen, schönen Hintergründen, spannenden Umgebungen und hochwertigen Bildern, welche die Kunstwerk-Funktion weiter unterstreichen. Eine Highlight-Szene reiht sich an die Nächste, ist die erste Hälfte auch noch äußerst zurückgenommen, entfaltet sich die positive Energie und die “Befreiung” Héloïses von ihrem Gram ob ihres Schicksals in der zweiten Hälfte vollständig. Ich könnte nicht sagen, welcher Moment mein Liebster war - Der Versuch des Pianospielens für Héloïse. Bewegen Sie sich nicht-Kuss. Lagerfeuer-Chor. Das Ende. Meine Güte, das Ende. Die zentrale Analogie im Film für die Romanze der beiden Frauen bildet die griechische Sage des Orpheus und der Eurydike, so dass wir auch noch einiges an mythologischem Trivia mitbekommen, doch wie sich diese Analogie auf absehbare aber herzzerreißende (Ein Wort das ich wirklich sehr selten verwende weil sein Klang so albern ist) Weise im Ende niederschlägt in einer intensiven Szene die zu dem Eindrücklichsten gehört was ich in jüngerer Vergangenheit gesehen habe, ist poetisch, vielfältig interpretierbar, niederschlagend, erhebend und generell einfach überzeugend. Und das OBWOHL hier einmal mehr - Überraschung, das weiß man schon nach zehn Minuten - der Lesbian-Bad Ending-Trope gezogen wird. Der wird hier aber nicht aus Prinzip gezogen oder weil jemandem nichts Besseres eingefallen ist, sondern als authentisches Statement der Lage von Frauen zu dieser Zeit. Ein Statement über die Ungerechtigkeit. In diesem Kontext ist der vorbildliche und geistreiche Einsatz der Musik im Film zu erwähnen, allen voran von Vivaldis ‘Sturm’.

Die Endszene bedeutet nichts, wenn man nicht die zwei Stunden vorher gesehen hat, aber alles, wenn man sie gesehen hat. Die Wahl eines Poeten oder eines Liebhabers?
Wenn ich überhaupt etwas kritisieren müsste, dann vielleicht, dass mir der Sprung der Gefühle von Héloïse für Arianne nach einem Drittel des Films vielleicht etwas zu plötzlich von ‘Gleichgültigkeit’ auf ‘Madly in love’ gegangen ist, aber das ist Kritik auf so hohem Niveau, dass es keiner der anderen Filme hier erreicht. Was mich tatsächlich gelinde gestört hat waren die ‘Weißen Visionen’ die nicht wirklich Sinn ergeben haben, uncanny-creepy aussahen und auch nicht nötig gewesen wären.

‘Portrait einer jungen Frau in Flammen’ mag mit seinem sperrigen Titel, seinem nischigenThema und seiner europäischen Herkunft vielleicht kein Blockbuster-Erlebnis sein, doch es stellt für mich eine der massenkompatibelsten und dennoch kunstvollsten Ästhetik-Romanzen der letzten Jahre dar, mit wichtiger sozialpolitischer Botschaft, unvergleichlich-charismatischen Heldinnen mit wundervoller Chemie, berührenden Romantik-Szenen, durchgehender Unterhaltsamkeit auf seichter Ebene und einem Ende, über das man noch sehr lange nachdenken kann und wird. Hier freuen sich nicht nur die Cineasten, hier wird kaum jemand ausgeschlossen, der feinsinnige, ruhige Filme ohne Action und Explosionen zu schätzen weiß. Allein, dass die Regisseurin mehrmals Jumpcuts(!!) verwendet um jede unnötige Zwischenszene rauszuschneiden zeigt, wie wichtig es ihr war einer drohenden Trägheit vorzubeugen.

Mal wieder ein glanzvolles Beispiel dafür, wo die Stärken des französischen Kinos liegen und das einfach kein anderes Land Romanzen so nahegehend inszenieren kann wie das der Liebe.
When you asked if I had known love. I could tell the answer was yes. And that it was now.

Starke 10 von 10 grüne Kleider für Portrait einer jungen Frau in Flammen.

Below her Mouth (4 von 10) - Sweden is the warmest country
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Below her mouth würde sich in einem Satz mit ‘Stereotypen - The Movie’ und in einem Wort als ‘Rau’ zusammenfassen lassen. Der Film besitzt die typisch-skandinavische Mittelwertigkeit und Entsättigung aller Farben, was dem Ganzen zusammen mit der sterilen Handlung und den kühlen Hauptcharakteren insgesamt einen leblosen Eindruck verschafft. Für mich ist es einer der schwächeren Filme dieser Aufzählung, und ich würde ihn nicht unbedingt als langweilig, wohl aber als zäh und prätentiös beschreiben. Es war der erste Film seit langem, den ich in der Mitte unterbrechen und am nächsten Tag weiterschauen musste, obwohl das auch daran gelegen haben mag, dass es spät und ich müde war. Wobei das auch bei ‘Portrait’ der Fall war. Außerdem habe ich ihn nach den ersten zwanzig Minuten nur weitergesehen, weil ich in im Rahmen dieser Liste bewerten wollte - Wie auch Bonnie&Bonnie.

Das wirklich Lästige an Below her Mouth ist die Tatsache, dass man versucht hat ‘Blue is the warmest Color’ dreist zu kopieren und zu reproduzieren, aber weder besteht die filmische Wertigkeit, hat der Regisseur das Feingefühl des französischen Vorbildes, noch kommen die beiden blassen und steretoypen Hauptcharaktere in irgendeinem Moment an das Charisma der französischen Schauspielerinnen heran. Dallas ist, wie schon auf dem Cover zu sehen, der Archetype der modernen Kampflesbe, und wächst auch leider nicht über dieses platte Klischee heraus. Jasmine ist die naive Lesbe in spe, der das alles nicht ganz geheuer ist. Einen übrigen Cast gibt es quasi nicht, es geht nur um die beiden Damen und ihre Beziehung zueinander, aber sie sind nicht ausdrucksstark genug um den Film zu tragen.

Die Sexszenen waren für mein Gefühl seelenlos und tröge, vor allem weil sich eine nach der Anderen davon aneinanderreiht, mit platten und abgestandenen Dialogen dazwischen. ‘Ich will dich nicht verlieren’. ‘Ich kann das nicht.’ Seufz. Das ist interessanterweise die erste lesbische Romanze, bei der ich dem zentralen Liebespärchen KEINEN Erfolg gewünscht und nicht mit ihnen gefühlt habe - Stattdessen galt meine Sympathie dem armen Ehemann von Jasmine, den sie hier einfach hinterrücks betrügt und als ‘Hat ordentlich Kohle’ abstempelt, das arme Schwein. In diesem Kontext konnte mir auch das Ende kaum etwas geben, und während Jasmine und Dallas zwar weit entfernt von einer Tumorfunktion wie Bonnie&Bonnie sind, sind sie genauso weit, wenn nicht weiter, entfernt von einer Emma und Adéle. Die Chemie zwischen den beiden mag in vereinzelten Momenten existent sein, doch die ganze Umgebung des Filmes ist so kalt und uninspiriert, dass das durchflutscht.

Musikalisch hat man bedauerlicherweise so einige Fehltritte in der Popsongauswahl, welche dann und wann nicht gut mit den Szenen harmonieren, dem ganzen Film fehlt es zudem an Eigenidentität. Was nicht kopiert oder bereits zehntausendmal besser präsentiert wurde, bleibt oberflächlich und unbefriedigend. Die einzige Szene die ich in dieser Hinsicht befriedigend fand war die Autoszene bei Nacht gegen Ende. Die hatte Alleinstellungsmerkmal, ist leider aber auch schnell wieder vorbei.

Am Ende von ‘Below her mouth’ bleibt das fade Gefühl der Mittelmäßigkeit im Mund zurück, vermischt mit der bitteren Note der misslungenen Kopie. Die moralische Untiefe des ruchlosen Betrügens gesellt sich hinzu, blanke, unsympathische Charaktere und eine Handlung, die wieder mal nichts zu sagen hat. Wäre schade, wenn das Cover das nicht schon versprochen hätte. Oh well.

Von mir 4 von 10 Dachdecker für Below her Mouth.

So, das war die erste Welle, weiter gehts. Ziehen wir vorher aber mal eine Statistik, wie viele der oben genannten, lesbischen Romanzen ein Bad Ending hatten: 4 1/2 von 6 Filmen.
Was der Romcom das kitschige Happy Ending ist, ist der lesbischen Romanze offenbar das Bad Ending - augenscheinlich müssen diese also zum Scheitern verurteilt sein, wegen der bösen, bösen Gesellschaft. Mal sehen, wie diese Statistik sich mit den kommenden Filmen weiterträgt.

Definitiv nicht sehen werde ich:
Spy Girls – D.E.B.S.
Guns for Hire
Better than chocolate
Lola
Wegen den fürchterlichen, fürchterlichen Covern. Interesse habe ich noch an 'Kiss me before it blows up' (Für den deutschen Titel möchte ich dem Verantwortlichen ins Gesicht schlagen) aber das wird vermutlich noch dauern bis der verfügbar ist.


Ich habe noch 2-3 weitere Sammelposts mir weiteren Reviews verfasst, aber das werde ich dann demnächst hier teilen, das reicht für den Anfang erstmal.
Ich hoffe, die Formatierung ist nicht zu schlimm, habe mir jetzt erstmal nicht die Arbeit gemacht, meine aufwändige Original-Formatierung bei jedem Review neu einzusetzen, die lässt sich leider nicht kopieren.



Teilt gerne eure Tipps!

Yoraiko.
21.08.2022, 09:56
Reviews #2


Hey Ho!


Eine geheime Liebe - Feelgood-Doku (5 von 10)
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Dieser Film ist zwa bereits als Doku ausgeschrieben, man muss aber nochmal betonen, dass es darum auch wirklich keinen Spannungsbogen oder eine großartige Tiefe gibt. Die Geschichte von Pat und Terry ist insgesamt eher trocken erzählt und die Romanze der beiden
steht dabei gar nicht mal unbedingt im Zentrum - Eher erfahren wir viel über die gesellschaftlichen Verhältnisse gegenüber Homosexuellen und anderen Queer-Personen des 20. Jahrhunderts, erfahren interessante Hintergrundinfos zur Rolle von Frauen in den amerikanischen Baseball-Teams dieser Zeit, da auch Terry eine aktive Spielerin war, und begleiten die beiden nun sichtlich in die Jahre gekommenen Damen bei der Auswahl ihres Wohnortes, familieninternen Zwistigkeiten und Feiern und dem Gestalten ihres Alltags. Neben Pat und Terry sind dabei ihre engeren Verwandten so wie einige Queer-Freunde aus alten Tagen wichtig, die hier als handelnde Personen in Szene gesetzt werden.

Die Dokumentation ist nicht tröge und in vielen Momenten sicherlich inspirierend, man darf sie im Vorfeld aber nicht als Romanze missverstehen. Es geht um Liebe, ja, aber mehr um die Liebe und den Zusammenhalt in der Familie, und um eine starke 'Gebt niemals auf'-Botschaft für sämtliche Angehörige der Queer-Community. Erwartet man keine fesselnde oder überinszenierte, lesbische Romanze, sondern eine tolle Queer&Familien-Doku, so wird man hier einen der besseren Filme finden, die herzerwärmend und leichtherzig anzuschauen sind. Ich persönlich habe mich ab dem Mittelteil aber eher gelangweilt, was aber auch daran liegen kann, dass ich mir Dokus normalerweise nicht ansehe. Dennoch, 20 Minuten weniger Lauflänge hätten kaum geschadet.

Für mich gibt es für 'Eine geheime Liebe' 5 von 10 Punkte als gutes, durchschnittliches Unterhaltungswerk, und wenn viele Kritiker hier auch eine 10/10 vergeben haben missverstehen diese, dass eine Filmbewertung nicht aussagt, was man von den Menschen und deren Romanze hält, sondern wie gut sich der Film im Vergleich zu allen anderen Filmen der Welt schlägt. Diese Doku ist in Ordnung, aber nicht mehr.

5 von 10 Herzinfarkte für Eine geheime Liebe
Respire (Breathe) (2014) - 'Passion is harmful when excessive, which it always gets." (8 von 10)
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Puh. Shush. Argh. Hffff.
Schwieriger watch. Ein schwieriger, anstrengender Watch. Ein französischer Film, der nur mit dem Genre 'Drama' ausgestattet ist - Man hätte es ahnen können.

Respire ist die erste französische Bluray, die ich mir importiert habe - Das ist deswegen wichtig zu sagen, weil dieser Film in die kleinste Nische der Welt passen würde, er ist weder auf Englisch noch auf Deutsch erschienen und sowohl On-, als auch offline fast nirgendwo zu bekommen, weder legal noch illegal. Dass ich überhaupt auf 'Respire' aufmerksam geworden bin grenzt an ein Wunder, und ist meiner Erinnerung nach auch nur durch eine zufällige IMDB-Empfehlung passiert. Über eine lesbische Romanze. Jetzt im Nachhinein ist mir auch klar, warum man die Finger davon lässt.
Falls ihr euch für einen solchen Film interessiert und komplett blind reinwollt, hört auf das hier zu lesen.

Denn Respire ist auf den ersten Blick und mit Vermarktung des Covers und Trailers genau das - Eine weitere, lesbische Romanze zwischen zwei komplexen Mädchen, die sich so mancher Zerreißprüfung stellen muss. Aus dem Jahre 2014. Es drängen sich Vergleiche mit dem im selben Jahr erschienenem 'Blue is the warmest Color' auf, aber die Gemeinsamkeiten hören bei dem Schulsetting, dem aggressiven und passiven Part in der Beziehung so wie dem Erscheinungsjahr auf. Respire ist eine Fallenkarte, in die man wenn man wie ich vorher nicht genau aufpasst und sich die Genres anguckt blindlings reinläuft.
Das erste Drittel des Filmes ist inszeniert, um seine Zuschauer einzulullen und in die erwartbare Narrative einer melodisch-kriselnden Romanze zwischen zwei besonderen Mädchen zu stricken - Charlie, die etwas ruhiger und nerdiger ist als Andere, und die neue Schülerin in der Klasse Sarah, die diese rebellische, extrovertierte und inspirierende Kraft verprüht. Der Sprung von 'Sitzen nebeneinander' und 'Werden beste Freundinnen' geht schnell, funktioniert über eine unterhaltsame Montage aber viel besser, als viele andere lesbische Romanzen das versucht haben. Beide Schauspielerinnen, Joséphine Japy und Lou de Lage, sind wunderschön und strahlen bei jedem Auftritt vor französischem Charme, der sich auch in der anfänglich wunderbaren Chemie beider Hauptakteurinnen niederschlägt.

Dann ist das erste Drittel vorbei und es geht sehr schnell bergab wenn man merkt, worauf diese Freundschaft und dieser Film eigentlich hinausläuft. Kurz gesagt geht es in Respire nicht um eine inspirierende, lesbische romanze, die sich aus einer verrückten Freundschaft entwickelt, es geht um toxische Beziehungen und das Stockholmsyndrom, das in Verbindung mit Misshandlung und Ausnutzung in solchen zwangsweise auftritt. Während der Mittelteil in seiner positiven Stimmung sehr schnell in sich zusammenfällt und die hässliche Realität enthüllt, wirkt der Film zunächst, als würde er aus dem Nichts Drama generieren wollen, um die Romanze durchzurütteln, es wird einem aber retrospektiv klar, wie sich von Anfang an subtile und nicht so subtile Hinweise breit gemacht haben, dass die Beziehung zwischen Charlie und Sarah keine Verbindung auf Augenhöhe ist, und schon bald beginnt man als Zuschauer, auf eine von beiden einen derartig tiefgreifenden Hass zu entwickeln, dass es in manchen späteren Szenen schwer fällt, noch gleichmäßig zu Atmen und den Film nicht zu pausieren.

Die Darstellung dieser letztendlich zutiefst-toxischen und misshandelnden Freundschaft von Verrat, Ausnutzung und Selbstgerechtigkeit ist mit ihrer Ausführung vom Handeln, der Persönlichkeit und Schuldwahrnehmung von 'Emotionalen Vergewaltigern' so effektiv und punktgenau, dass es schwer ist mir vorzustellen, dass ein nicht-französsicher Film es ebenso authentisch hinbekommen hätte.

Abgesehen von Charlie und Sarah spielen in Respire 'Eltern' eine sehr wichtige Rolle - Denn sie sind es, die uns in unserer Handlungsweise definieren und vorprägen, und so manches Mal, wie etwa in diesem Film, auf die schrecklichste und fatalste Weise versagen. Außerdem sind die Parallelen im Film zwischen dem Verhalten von Müttern und ihren Töchtern aufschlussreich und vielsagend, aber das würde jetzt in Spoilerterrain führen. Am Ende von 'Respire' steht eine Szene, die viele vielleicht schockiert und überrascht, und viele vielleicht auch nicht. Es ist eine Konklusion, die man sich als Zuschauer
vielleicht gewünscht hat, oder vielleicht auch nicht. Es mag sich dabei ein morbides Gefühl von Befriedigung einstellen... oder vielleicht auch nicht.

Fest steht, dass diese Szene einem den Atem nimmt und dafür sorgt, dass man sich nach dem Einlaufen der Credits für einen langen Moment von dem erholen muss, was man gerade gesehen hat. Für mich persönlich fühlte sich die zweite Hälfte und das Finale von Respire, nachdem ich wegen Titel, Cover und Trailer eine befriend-magische Romanze a lá Portrait einer Frau in Flammen erwartet hatte, direkt nach den Credits beinahe wie eine Enttäuschung an. Das war nicht, was ich wollte, und war so unangenehm wie es nur ging. Doch als ich etwas länger darüber nachdachte begann ich zu akzeptieren, dass dies ein feinfühlig-genauer Film über toxische Beziehungen ist, und auf diesem Feld vielleicht der Beste, den ich je gesehen habe. Er tut weh, ist trotz oder gerade wegen dem Climax zutiefst unbefriedigend und aufwühlend, täuscht seine Zuschauer im ersten Drittel auf perfide Weise und macht nicht zuletzt sicherlich all jene Menschen besonders betroffen, welche selbst einmal der passive Teil einer misshandelnden Beziehung waren - Sie werden Verhaltensmuster, bestimmte Aussagen und rhetorische Mittel der 'Missetäter' wiedererkennen, selbst mir stand der Mund offen in Momenten in denen ich die Hände verkrampfen musste angesichts dessen, wie unendlich-selbstgerecht und vermessen manche Menschen doch sein können und doch war mir klar, dass diese Menschen existieren.

Respire ist ein leidenschaftlicher Film, doch Leidenschaft wird bedrohlich, wenn sie Exzessiv auftritt. Respire ist Exzessiv.

8 von 10 Defibrilatoren für Respire

Küss mich - Kyss mig (3 von 10)
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Das skandinavische Kino ebenso wie das Genre der lesbischen Romanzen hat einen ganz eigenen Stil und oftmals viele Probleme und Schwächen, die mit diesem einhergehen. So ist es mehr oder weniger so, dass sich fast alle skandinavischen Filme in zwei Kategorien unterteilen: Schnarchlangweilig oder Gutes Drama. Das sind die beiden Möglichkeiten, die ein Film aus dem Norden Europas in seiner Wirkungsweise hat, und bedauerlicherweise ist es zumeist eher Ersteres, auch wenn dies dann regelmäßig mit Adjektiven wie 'Slow-paced', 'Cineastisch', 'Not for everyone' oder 'Different apporach' verschleiert wird. Hinzu kommt, dass Skandinavien trotz einiger wirklich hervorragender Ideen wie etwa 'The Hunt' mit Mads Mikkelsen zumeist doch eher den Filmtrends anderer Platzhirsche hinterherrennt und auf Züge aufspringt, die in Amerika oder Frankreich schon Anno vor zehn Jahren abgefahren sind. Und natürlich haben wir das Handwerkliche. Optisch sind skandinavische Filme fast immer entsättigt, es gibt wenige Farben, alles ist ein trostloses Blaugrau. Wenig Musik, unterkühltes und ausdrucksarmes Schauspielen.

Nun werfen wir nochmal einen Blick auf das Genre der Lesbischen Romanze bzw. dessen stereotyper Schwächen und Symptome. Wenn eine Filmart schon immer unaufhörlich mit dem Werkzeug des 'Forced Drama' zu kämpfen hatte, so war das zweifelsohne die Lesbische Romanze. Beziehungen tendieren hier dazu, sich nicht natürlich zu entwickeln, ebenso wie die damit einhergehenden Probleme, welche dann zumeist erstmal daraus bestehen, dass mindestens eine der beiden Frauen Hetero ist und sich nicht das Gegenteil eingestehen will, Plus Gesellschaftliches Stigma, Lesben sind Satanisten, wir kennen es, juicy Drama.

Bringt man diesen beiden großen Faktoren nun also zusammen bekommt man exakt den Film Kyss mig heraus, der nichts, aber auch gar nichts neu macht und Leute, die mit den oben genannten Genre-Elementen beider Welten nichts anfangen können, auch nicht vom Gegenteil überzeugen wird. In diesem Film liegt fast jede Schwäche begraben, die man Lesbischen Romanzen und Skandinavischen Filmen andichtet, und ich würde argumentieren, dass man hier annähernd alles falsch gemacht hat, was man hätte falsch machen können. Kyss mig ist nicht brechreizerregend schrecklich, aber es ist so wirklich, unerträglich altbacken und ideenlos.

Wieder haben wir eine verlobte Hetero-Frau, die im Begriff ist, den glücklich mit ihr liierten Mann zu heiraten, bis sie auf ein Mädchen trifft das ihr den Kopf verdreht, alles ändert und sie in eine Identitätskrise stürzt. Wieder haben wir die verführende, egoistische Teufelslesbe, die ohne moralische Reflektion der eigenen Stiefschwester die Zunge bis zur Speiseröhre in den Hals steckt und damit ein Heteropaar sprengt. Wieder haben wir das Gesellschaftliche Stigma und die Diskussion, ob Lesben denn normal sind, oder doch lieber nur ein besonders oft geklickter Tag auf Youporn bleiben sollten. Wieder haben wir eine extrem unwahrscheinliche Romanze zwischen zwei komplett verschiedenen Frauen, die buchstäblich aus dem Nichts entsteht. Problematisch an dem Ganzen ist dann noch, dass die Zusammensetzung all der speckigen Bausteine auf skandinavische Weise passiert. Emotional-karg, unterkühlt, distanziert
und steril gehen die Dialoge vonstatten. Macht nicht den Fehler, 'Zieht sich' mit 'Slow-paced' oder 'Langweilig' mit 'Ruhig' zu verwechseln. Kyss mig ist immer Ersteres. 'Forced Drama' als wirklich größtes Problem der lesbischen Romanze als solche tritt hier einmal mehr sympotmatisch auf, denn das protagonistische Ehepaar wirkt bis zur Mitte des Filmes glücklich, harmonisch und vollkommen miteinander. Die genretypische 'Seelenlose Hetero-Ehe' war hier also nicht mal bedient, bis man dann einen Grund brauchte, das Fremdgehen der Protagonistin zu legitimieren und einfach mal zwischen Tür und Angel eine kurze 'Streitszene' mit Anklängen von männlichem Kontrollzwang einbaut, was vorher nirgendwo im geringsten angedeutet war.

Wir als Zuschauer sind bei lesbischen Romanzen oft in der Verantwortung, uns für das weibliche Pärchen zu freuen, das nun alle Widrigkeiten und Widerstände hinter sich gelassen und endlich zueinander gefunden hat. Oft ist es dann aber leider so, dass man auch oder eher Mitleid mit den zurückgelassenen Hetero-Partnern hat, die nicht selten betrogen wurden, vor dem Nichts stehen und als gesellschaftliches Anti-LGBT-Symptom zurückgelassen werden. Auch hier ist es wieder so, dass man sich für zwei Frauen freuen soll, die egomanischer und moralisch-fragwürdiger nicht sein könnten. Mal abgesehen von der 'Seductive Lesbian' haben wir eine Ehefrau, die - geringe Spoiler - den Mann, mit dem sie vorher sieben Jahre scheinbar so glücklich war, wegen kleinerer Unstimmigkeiten ohne große Worte in die Wüste schickt und das wars dann. Der Film missversteht das hier als ein Zeichen von 'Befreiung, sei wer du bist, lass dich nicht in gesellschaftliche Zwänge bringen' ohne dabei aber auch nur einmal zu erklären, wo genau für die Protagonistinnen hier Zwänge existierten, und ohne zu beachten, dass man auch lesbisch sein kann ohne sämtlichte Brücken und jedes arme Hetero-Schwein das drauf steht hinter sich zu verbrennen. In Kyss mig sind das unwichtige Faktoren, die Message von 'Befreiung' steht im Vordergrund, doch ich konnte mich zu keinem Zeitpunkt für die zentralen Figuren freuen, im Gegenteil. Ich habe sie eher verachtet.

Am Ende - nochmals geringer Spoiler - liefert man dann doch tatsächlich noch die emotionale 'Ihr Flug geht in 40 Minuten, beeile dich und halt sie auf'-Karte ab, und dann hat man auch alles gesagt, was im Genre schon viel, viel zu oft gesagt wurde.

Handwerklich ist Kyss mig vielleicht am stärksten, wenn auch eher, weil der Rest so bescheiden ausfällt. Wie für diese Region typisch gibt es viele, eindrucksvolle Landschaftsaufnahmen, tolle Kameraeinstellungen und - wie meistens in lesbischen Romanzen - respektvolle, ästhetisch hochwertige und auch einfach schöne Liebesszenen. Der Soundtrack ist bestimmt von hohlen und nichtssagenden Indie-Popsongs, die aber auch nicht so stören wie es etwa in einem deutschen Film der Fall wäre. Wie viele skandinavische Filme ist Kyss mig betont ruhig, langsam und unaufgeregt inszeniert, ohder zu deutsch, der Film ist langweilig und gut 20 Minuten zu lang.

Insgesamt ist Kyss mig an keiner Front eine Empfehlung wert. Ihr mögt skandinavische Filme? Da gibt es Bessere. Ihr mögt Lesbische Romanzen? Da gibt es verdammt nochmal Bessere wie ihr anhand dieser Liste hoffentlich seht. Ihr mögt keins von beidem? Dieser Film ändert das nicht. Er enthält alle staubigen Bausteine beider Welten, die niemand mehr sehen will, fügt dem nichts Neues hinzu und scheitert sogar noch in den einfachsten Aufgaben wie ein gutes Gefühl für die Protagonistinnen zu schaffen. Kann man sich sparen. Dann aber auch wieder, wenn man sich etwa die Reviews auf IMDB ansieht und sich der Club anonymer Cineasten mal wieder mit 10er-Wertungen überschlägt muss man sich unweigerlich fragen, ob man eigentlich der einzige Mensch auf dem Planeten ist, der vorher schonmal einen Film gesehen hat. Nun ja, jedem das seine.

3 von 10 Papierflieger für Kyss mig.
When Night is falling (5 von 10)
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Wenn man sich eine lesbische Romanze aus dem Jahre 1995 ansieht, gibt es grundlegend zwei Optionen, welches Filmerlebnis einen erwarten kann:
A) Ein vom Zeitgeist geprägt, vollständig-klischeehaftes und polemisches Abziehbild des allgmeinen Verständnisses einer lesbischen Frau
B) Ein zutiefst konservativer und auf sicher-gespielter Sonntagabendfilm.

When Night falls ist Zweiteres. Dies ist die konservativste, unaufgeregteste lesbische Romanze, die ich bisher gesehen habe. Das ist unwertend gemeint - Sie ist weder langweilig noch unkreativ, nur eben durch und durch erwartbar und massenkombatibel, eine gute Darstellung der 90iger. So wird die lesbische Romanze deutlich plagativer und lehrbuchartiger in den Kontrast zum braven Alltag gestellt, indem die Protagonistin des Filmes als ambitioniertes Mitglied der örtlichen Kirchengemeinschaft und buchstäbliche 'Brave Christin' in einer unbedenklichen Beziehung mit einem ebenso christlichen Lehrer auftritt.

Die lesbische Verführerin hingegen, die auch hier wieder das unvermeidbare Trope bildet, ist von der Einfachheit der damaligen Gesellschaft geprägt, die noch nicht ganz so 'woke' und aufgeklärt war wie heute. Natürlich hat sie wieder den exotischen Background eines Kuriositäten-Zirkuses, in dem sie sie selbst sein kann, und natürlich ist sie es wieder, welcher dem unschuldigen Hetero-Liebchen den Kopf verdreht und damit eine potentielle Ehe sprengt. Wie gesagt, es ist alles sehr konservativ, positiv angemerkt sei aber, dass diese vereinfachte Darstellung hier nicht wie bei anderen Genrefilmen ins respektlose oder nervige abdriftet, allgemein ist der Film überraschenderweise frei von jeglichen unsympathischen Charakteren, sogar der nichtsahnende Ehemann ist zur Abwechslung mal nicht das Hetero-Symptom, das seine Frau lesbisch gemacht hat, sondern nur ein 'Typical good guy'. Die Bilderbuch-Romanze hält nichts bereit, was man nicht schon gesehen hat, ist darin aber solide und fängt zum Beispiel nicht so unglaubwürdig an wie 90 % der lesbischen Filmromanzen.

Wie man es von einem eher nischigen Queerfilm der 90er erwarten darf, sind einige wenig-subtile Gesellschaftskritiken, darunter ein Anmahnen der Homosexuellenfeindlichkeit der katholischen Kirche, sowie viele Pro Diversity-messages versteckt, die vielleicht mal abgesehen von dem wunderbar-plakativen 'Brave Christin'-Setting aber nie störend auffallen. Die Liebesszenen, insbesondere die eine, Lange die es wie in so vielen L-Romanzen auch hier gibt, sind kunstvoll und sinnlich inszeniert, im Rahmen der Ästhetkvorstellungen der 90er - Die Liebesnacht unter Frauen als Befreiung, als Höhepunkt von Romantik.
Soundtrack, Bilder und Schauspieler gehen alle in Ordnung. Konservativ. Nicht schlecht. Nebenelemente wie der geliebte tote Hund der Protagonistin oder die vielfältigen Charaktere des Zirkus sind unterhaltsame Bereicherungen, welche die zentrale
Romanze nicht verdrängen aber gelungen ergänzen.

Am Ende ist es wieder - Kleiner Spoiler - die unbefriedigende Hetero-Beziehung, die hier trotz zum Glück fehlender Pseudo-Problematik von der Heldin abgesägt wird, ohne dies recht zu begründen oder sich dafür zu verantworten. Das könnte ein kritikpunkt sein, wenn When Night falls dies genau wie alle anderen Subplots am Ende nicht so befriedigend-versöhnlich auflösen und den Zuschauer mit einem warmen Gefühl in der Brust in die von christlichen Gesängen untermalten Credits schicken würde. Ein altbackenes Seherlebnis hat seine guten Seiten, und die kommen hier zum Vorschein.

Insgesamt gibt es ebenso wenig Gründe, When Night is falling zu gucken, wie dagegen sprechen. Es ist eine nette, unaufgeregte Romanze, die in einer Zeit, in der dieses Genre noch absolute Nische war, vielleicht einige Grundbausteine für spätere, geistige Nachfolger legte. Verschont bleibt ihr hier von lästigen
Übertropes, künstlichem Drama, dem 'Lesbian Bad Ending' sowie der Stigmatisierung der Heterobeziehung. Dafür bekommt ihr eine nostalgische Portion 'Gut'. Ich meine, wenn euch die richtig-guten lesbischen Romanzen ausgehen und ihr nicht genug bekommt... klar, warum nicht?

5 von 10 Jesuskreuze für When Night falls
Carol (6 von 10)
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Premoderne Romanzen haben es ansich, oft ein gewisses Grundniveau beziehungsweise einen filmischen Mindestanspruch mitzubringen, der dem Interesse des gewöhnlichen Blockbuster-Kino-Zuschauers abgeht - Wir werden in diesen Geschichten in eine Zeit vor der unseren versetzt, eine ungemütlichere und weniger-aufgeklärte Zeit, und das verlangt bereits mehr Mut zum Verlassen der eigenen Komfortzone als seichte Love Comedys in einer amerikanischen Kleinstadt des 21. Jahrhunderts. Lesbische Romanzen liebäugeln meiner Meinung nach unter anderem deswegen so frequent mit dem 18. und 20. Jahrhundert, weil es diese Epochen signifikant vereinfachen, die Diskriminierung gegen normale Normabweichungen wie Homosexualität darzustellen, zu verdeutlichen und letztendlich auch unausgesprochen zu verurteilen. Die Zeiten waren anders, und so auch das Moralverständnis vieler Menschen.

Carol hat seine Stärken also im kleinsten, gemeinsamen Nenner der premodernen, lesbischen Romanze: Die Umgebungen wirken nostalgisch, die Kostüme verträumt, die Kameraeinstellungen und Bilder sind Postkartenmaterial, die Erzählweise ist entschleunigt. Doch nicht nur das Setting ist aus einem anderen Jahrhundert, die Erzählbaustücke, welche von der lesbischen Seite herrühren, scheinen ebenso einem anderen Jahrhundert entflüchtet. Prüfen wir das kurz nach, mit leichten Spoilern:

- Erfahrene, leidenschaftliche Lesbe trifft auf naives, unschuldiges Hetero-Küken: Check!
- Zwei Frauen aus verschiedenen Welten? Check!
- Being lesbian is bad (and illegal)? - Check!
- Missbräuchlicher, unterdrückender, fremdgehender Ehemann als Verkörperung toxischer Maskulinität: Doppelcheck!
- Darstellung der Hetero-Liebe als trostlos, einengend und trist? - Doppelcheck!
- Bedenkenloses Verlassen des armen Hetero-Schweins? - Check!
- Verflossene Ex-Lesbenfreundin als Beziehungsbeistand? - Check!
- Forced Drama in the middle of the story? - Check!
- Sinnlich-kunstvolle Sexszene? - Check!
- 'We cant be together since I would be bad for you'? - Check!
- Lesbian Bad Ending? - Che...?

Ja, und damit ist eigentlich auch schon das meiste Wichtige über 'Carol' gesagt. Man könnte noch hinzufügen, dass die beiden Hauptdarstellerinnen Rooney Mara - Welche ich persönlich als eine der schönsten und ausdrucksstärksten Schauspielerinnen unserer Zeit wahrnehme - so wie Cate Blanchett hier Leistungen abliefern, die kaum kritisiert werden können oder sollten. Negativ anzulasten ist außerdem das kleine, feine Detail, dass der zweistündige Film gut und gerne eine Stunde zu lang ist. Nach 60 Minuten ist eigentlich alles gesagt und erzählt, und so fragt man sich, was nun noch folgt? Der zweite Akt wird mit dem erzwungenen Beziehungsdrama im Stile eines Verfolgungsthrillers gefüllt, das man auch hätte in 10 Minuten erzählen oder ganz darauf verzichten können. Und diese Länge MERKT man - Carol hat abgesehen von den Grundstärken nicht viel zu bieten, stattdessen zieht es sich und wirkt über weite Teile langweilig. Ja, ich habe das böse Wort gesagt, aber hier trifft es tatsächlich mal zu. Die Schauspieler sind gut, zeigen aber wenig eigene Identität. Die Handlung - selbst in diesem Setting - hat man schon viele Male gesehen, und das auch oft deutlich besser.

Insofern kann man sich Carol als soliden Genrevertreter ansehen, wenn man premoderne Filme mag, von lesbischen Romanzen nicht genug bekommt und sich nicht daran stört, eine Stunde mehr zu investieren als man müsste. Der Film gibt wenig Anlass, sich aufzuregen. Vielmehr plätschert er so vor sich hin, aber das kann manchmal ja auch schon reichen.

6 von 10 Modelleisenbahnen für Carol
But Im a cheerleader / Weil ich ein Mädchen bin (5 von 10)
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'Five, Six, Seven, Eight - God is good, God is straight.'
Wenn man erstmal die Höhen und Untiefen eines Genres überwunden hat, fängt man vielleicht an, sich nach atypischeren Vertetern umzusehen - Oder vielleicht tut man das auch, bevor man mit einem Genre erst richtig anfängt. Bei meiner Wahl zum Ansehen des 1999 erschienenen 'But Im a Cheerleader' war Ersteres der Fall, denn die Genremischung aus Comedy, Drama, Parodie und Romantik verspricht eine gänzlich andere Erfahrung als man sie von den üblichen Lesbischen Romanzen bekommt.

Megan ist eine gewöhnliche Teenagerin, die sich fürs Cheerleadern ebenso wie für die Rundungen von Cheerleadern begeistert. Als ihre Eltern und ihr Umfeld den Verdacht entwickeln, sie könne 'lesbisch' sein, wird sie kurzerhand in ein privates 'Umerziehungslager' geschickt, in dem homosexuelle Jugendliche von ihrer Perversion therapiert und geheilt werden sollen, um letztendlich als glückliche Straights ihren Abschluss zu machen.

Knackig zusammengefasst ist dieser Film an der Oberfläche das inzestuöse Baby von Tim Burton und dem RomCom-Genre, das auf comichaft-übersteigerte und knallige Art und Weise die (damalige) Weltsicht der Heterogesellschaft auf Homosexualität und deren vermeintliche 'Heilbarkeit' darstellt. Jeder vorkommende Charakter ist ein überspitzter Stereotype, die Handlung gleicht einer Aneinanderreihung von Sketchen und immer absurder-werdenden Szenen, die Bildsprache steht ausdrücklich für die im Film vermittelten Extreme - Wenn die Mädchen in ihr überbordernd-pinkrosaplüschiges Schlafzimmer kommen oder die Jungs sich in ihren Holzfälleroutfits nach getaner Arbeit in den Schritt greifen ist klar, dass es hier nicht subtil zugeht. Der Humor ist mal mehr, mal weniger anstrengend, was man aber definitiv abkönnen muss ist die 'Comichaftigkeit' und 'Durchgedrehtheit' des Ganzen. Die Schauspieler liefern abgesehen von den beiden hervorragenden Hauptakteurinnen Natasha Lyonne als Megan und Clea DuVall als Graham komödiantisch-mittelmäßige Performances ab, nur Cathy Moriarty als rigide Heteromama tut mit ihrer Leistung wirklich weh.

Es ist extrem einfach, 'But Im a Cheerleader' nur als das zu sehen - Einen ulkig-übertriebenen Satirefilm mit einer Menge Gesellschaftskritik und LGBT-Propaganda. Wenn man aber aufmerksamer zusieht wird man merken, dass darüber hinaus noch andere Werte da sind. Es geht viel mehr ganz allgemein um das sexuelle Erwachen und die Identität junger Menschen im Wechsel mit Gesellschaftlichen Zwängen und natürlich auch um Selbstakzeptanz. Natasha Lyonne liefert hier als zunächst verwirrtes und leugnendes Küken die überzeugendste Rolle ab, weil ihre Mimik und ihre Art sich im Laufe des Filmes so stark wandeln. Die aufkeimende Romanze, welche sich früh andeutet, bildet eines der offenkundig-ernsteren Elemente und wird gut in den Rest des bunten LGBT-Zirkus integriert.
Ich kann die tieferliegende Ebene und die deutlich wichtigeren Aussagen in 'But Im a Cheerleader' wertschätzen, das macht den Film für mich im Kern jedoch nicht bedeutend besser und weniger anstrengend in seiner kompromisslosen Bonbon-Ästhetik und Sketch-Dramaturgie. Man muss sowas mögen und Einordnen können, sonst kann man auch nach zehn Minuten aufhören, denn der Film bleibt sich selbst treu. Das Ende ist eher ernüchternd und haarscharf am Cringetal vorbei-inszeniert, wird dann jedoch noch mit einer schrulligen Mid-Credits-Szene abgerundet.

Insgesamt war 'But Im a Cheerleader' eine seltsame und eher unbekömmliche Mischung aus zu grellen farben und zu leisen Zwischentönen für mich, die ich weniger Fans von lesbischen Romanzen als viel mehr Freunden von komödiantischer LGBT-Behandlung ans Herz legen würde. Es ist definitiv ein Film, der polarisiert.

Von mir 5 von 10 Heterosexuelle Götter für But Im a Cheerleader
So, ich habe keine vorgeschriebenen Reviews mehr. Worüber ich ganz froh bin, die hier rüberzubringen dauert doch länger als gedacht. Das motiviert mich vielleicht, mal wieder ein paar Filme des Genres anzusehen.

Bis dahin!

Yoraiko.
01.12.2022, 10:10
Reviews #3

Es hat eine Weile gedauert, bis ich mal wieder dazu kam, einige lesbische Romanzen anzusehen und zu betexten, hier sind ein paar gute und nicht so gute Wahrzeichnen der exklusiv-weiblichen Liebe.

I cant think straight (2007)
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7/10
I cant think Straight ist ein außerordentlicher und gleichzeitig nach Formelbuch gestrickter Romantikfilm, welcher neben der Beziehung seiner beiden Hauptakteurinnen vor allem kulturelle, politische und gesellschaftliche Themen des nahen Ostens behandelt. Von dem Titel und dem Cover würde man lediglich ane anrüchig-perverse Voyeurs-Parade erwarten, weswegen es umso wichtiger ist zu betonen, wie positiv und unterhaltsam der Film ist.

Es geht um die in London lebende, wohlhabende Jordanierin Tala, welche nach mehreren geplatzten Hochzeits-Versuchen nun von ihren Eltern mit einem Mann verheiratet werden soll, den sie durchaus gern hat. Jedoch kommt es abermals anders, als Tala in London die britisch-indische Muslimin Leyla kennenlernt, eine aufstrebende Autorin, die mit Talas besten Freund Ali liiert ist.

Kenner des Genres wissen, wohin die kulturelle Reise geht - Eine eigentlich straight-gemeinte Frau steht kurz vor dem Eintritt in die Hetero-Ehe, mit der sie so gar nicht glücklich ist, und läuft einer lesbisch-zugetanen Dame über den Weg, die mit Leidenschaft, unerhört-unwiderstehlichen Küssen und einer moralischen Ruchlosigkeit alles umwirft. Nur dass es hier dann eben doch etwas anders abläuft.

Man muss bei diesem Film zwangsweise zuerst über die kulturelle Veranlagung sprechen. Es ist ein Nahost-Film, mit muslimisch und palastinänzisch geprägten Charakteren, und das lässt die Regisseurin einen auch spüren. Neben den audiovisuellen Aspekten, auf die ich gleich noch zu sprechen kommen, ist ein nicht unwesentlicher Teil der kurzweiligen 80 Minuten mit familiären Debatten über den israelisch-palästinensischen Konflikt, die Rechte von Juden und Arabern und natürlich auch die Verpflichtungen und Rollen einer Frau in der nahöstlichen und in diesem Fall jordanischen Gesellschaft gefüllt. Das mag für die Regisseurin und viele weitere Menschen ein wichtiges Thema sein, fühlt sich aber in dieser ansonsten doch relativ weichgespülten Romanze nicht nur unheimlich deplatziert sondern schlichtweg wie ein Fremdkörper an - denn diese Szenen werden natürlich in keinster Weise mit dem restlichen Plot verwoben.

Dieser Plot ist trotz der politischen Debatten über weite Strecken positiv, quirlig und gewollt-leichtherzig. Der gesamte Film strahlt eine dicke Atmosphäre von Bollywood, Soap-Operas und frühem 2000er Kitsch aus, und das ist nichtmal wirklich schlecht. Die unübersehbare Musikvideo respektive Fernsehfilm-Optik samt dazugehöriger Stilmittel sowie die unterliegenden Comic Relief-Elemente beinahe jeden Charakters sind gerade am Anfang gewöhnungsbedürftig, sorgen aber dafür, dass I cant think straight sich nicht genauso anfühlt wie jeder andere Marriage but then Lesbian-Streifen. Ob nun die intelligent-charismatische Leyla und Tala die eine sprühende Chemie zusammen haben, homosexuelle Brüder die sich bestimmt nur 'in einer Phase befinden' oder die Hausdienerin von Talas Mutter, welche in einem Running Gag den gesamten Film über versucht, ihrer Herrin ein Getränk mit Spucke unterzujubeln, all die lockeren Elemente wirken gut, damit sich kein biederes Drama einstellt. Die viele Bollywood-Popmusik ist Geschmackssache, passt insgesamt aber zum restlichen Ton des Films.

Es ist ebenso rar und angenehm, dass obwohl auf den beiden Frauen, die in klassischen und restriktiven Familienkonstrukten stecken, natürlich ein gewisser Druck und das Ablehnen einer lesbischen Beziehung lastet, beinahe jeder Nebencharakter jedoch sehr menschlich und schließlich auch unterstützend gezeichnet wird. Keine gnadenlos-konservativen Väter, keine verständnislosen, beschämten Mütter, keine niederträchtigen Geschwister - das Gegenteil ist meist der Fall. Noch angenehmer ist, dass die Hetero-Herren mit Respekt und Einfühlungsvermögen behandelt und entsprechende Konflikte sinnvoll gelöst werden, statt dass man sie vor einem Scherbenhaufen sitzen lässt.

Tala und Leyla sind wie schon erwähnt so starke und interessante Haupt-Schauspielerinnen, deren Beziehung sich vollständig natürlich und nachvollziehbar entwickelt und die in jedem Dialog Spaß haben und Spaß machen, so dass sie den Film noch mittragen. Ihren Sex oder besser gesagt intimen Szenen kann man wie vielen Versatzteilen von I cant think Straight einen gewissen Kitsch und Hang zur Theatralik nicht absprechen, aber gerade der große Höhepunkt am Ende kann einen mit seinerheißblütigen Präsentation schon mal in die kalte Dusche treiben, was vollkommen in Ordnung ist, weil es sich an diesem Punkt einfach so verdient für die beiden Damen anfühlt.

Kein Film der dem Kenner des Lesbischen Schmusestreifens einen überraschten Gesichtsausdruck oder neue Erkenntnisse abringt, und auch keiner der bisherige Bollywood-Feinde konvertieren wird, aber eine Romanze so positiv und versöhnlich in ihrem
Grundton, mit so attraktiven und geistreichen Protagonistinnen, dass man mit Abstrichen bei gewöhnungsbedürftiger Optik und der Schauspielkunst des gesamten Castes eine äußerst gute Zeit haben wird.

7 von 10.
Kiss me Kosher
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5/10
'Die heilige Dreifaltigkeit - Lesbisch, nichtjüdisch, Deutsch'
Bedauerlicherweise habe ich diesen Film vor einem Jahr gesehen und es verpasst, ein Review zu verfassen. Ich habe geradenochmal durchgeskippt, werde mich hier aber eher kurz halten, da vieles nicht mehr ganz klar ist.

Hira, eine Jüdin mit großer Familie mitten in Isarael, ist seit kurzem mit der deutschen Maria aus Stuttgart zusammen, nachdem sie viele andere weibliche Partner innerhalb kürzester Zeit abgeschossen hat. Ihre Familie, allen voran das Oberhaupt, die 'Jewish Princess' genannte Oma Berta ist dementsprechend skeptisch. Das Hauptproblem aber, dem sich Hira und Maria in dem 100 Minütigen Film natürlich stellen müssen, sind die kulturellen Differenzen und mehr als alles andere - Die deutsch-jüdische Vergangenheit.

Ja, genau das ist damit gemeint. Kiss me Kosher wirkt in seinen Bestandteilen ähnlich wie I cant think straight, fühlt sich indess aber ganz und gar anders an. Während I cant think Straight trotz seiner absonderlichen Politik-Debatten, die losgelöst waren vom
restlichen Seherlebnis, eine überschäumend-positive und vergnügliche Atomsphäre mit gefälliger Romantik anzubieten hatte, wird Kiss me Kosher KOMPLETT vom Konflikt unterdrückt. Es geht geradeheraus fast über die gesamte Lauflänge um nichts anderes als den Holocaust und die Tatsache, dass Maria deutscher Abstammung ist und ihre Großeltern vielleicht Nazis gewesen sein könnten. Das wird zwar hier und da auch für schwarzen Humor eingesetzt, wirkt insgesamt aber einfach unbeholfen und gestelzt.

Hira und die schauspielerisch etwas weniger begabte und inhaltlich uninteressantere Maria bilden durchaus eine muntere und gescheite Kombination, und der Humor rettet im Film doch öfters das Niveau, aber es mag nie so recht Freude oder gar eine romantische Atmosphäre aufkommen, weil die Protagonistinnen einfach immer wieder von ihrer Herkunft eingeholt werden, neue kulturelle Konflikte entstehen und der Zuschauer sich fühlt wie bei einem Schulfilm.

Die lesbische Romantik fühlt sich dementsprechend eher an wie das wackelige Grundgerüst eines Holocaust-Juden-Aufarbeitungsfilmes, und das hat in vielen Momenten unsauber gewirkt. Zumindest aber belohnt man die Geduld des Beiwohnenden am Ende mit einer positiven
und windelweichen Auflösung, die Lächeln lassen soll, so dass man nicht mit den ganz großen Bauchschmerzen rausgeht.

Erwartet hatte ich mir bei dem witzigen Cover allerdings mehr.

5 von 10
Lovesong
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4/10
Lovesong ist einer solcher Filme, die mich mit ihrem Titel und Plakat, welche beide unterschwellig-träumerische Vibes verstrahlen, dazu gebracht haben ihn jetzt sofort anzusehen. Dabei ist als erstes Fazit zu sagen, dass mindestens der Titel in meinen Augen falsch gewählt ist.
Das ist kein lesbischer Liebesfilm, es ist genau genommen noch nichtmal ein Liebesfilm. Bessere Titelvorschläge: "Friends", "Friendship", "Girls Story" oder "One Moment".
Wie ich auf Letzteren komme, wird sich gleich erschließen.

Lovesong ist ein Indiefilm, der in jeder Hinsicht langsam, ruhig und stimmungsgetrieben verläuft. Protagonistin Sarah, welche von der wunderbaren Riley Keough gespielt wird, und in diesem Film einen akkuten Fall von 'Natürlicher Schönheit' aufweist, ist eine junge Mutter, die sich mit ihrer dreijährigen Tochter von ihrem um die Welt reisenden Mann alleine gelassen fühlt. Also ruft sie ihre jahrelange, alte Freundin Mindy an, um mit ihr einen kleinen Ausflug zu machen. Mindy wird von der stets clever und leicht-durchtrieben wirkenden Jena Malone gespielt. Ihr Ausflug verläuft sehr lebhaft, nimmt jedoch am Ende eine Abzweigung, die in den Gefühlswelten beider Frauen eine große Kluft hinterlässt.

Lovesong hat zwei große Probleme. Das erste ist die Tatsache, dass für die ruhige Erzählweise und die vor allem auf Nahaufnahmen der Gesichter basierende Kameraarbeit einfach zu wenig passiert. Eine großartige, designierte Schauspielerin gibt in dieser Indieproduktion der Nächsten die Klinke in die Hand, aber sie haben kaum etwas, mit dem sie arbeiten können. Dennoch trägt ihre harmonische und verspielte Chemie zusammen mit der unterhaltsamen Tochter die erste Hälfte ohne Mühe.

Das zweite Problem ist die zweite Hälfte. Während die ersten 30 Minuten ein entspannter, bedachter und letztendlich knisternder Roadtrip sind, ist die zweite Hälfte ein einziges, riesiges 'Tja.'. Bereits nach dem Timeskip wissen wir sofort, dass die restlichen 40 Minuten keinen Spaß machen werden und dass uns das Ende unbefriedigend zurücklassen wird. Und so kommt es dann auch. Dass Ende ist dann jedoch derartig frustrierend und niederschlagend, dass man den gewissen Realismus in der Aussage zumindest respektieren muss -

Ein einziger Moment, eine einzige falsche Entscheidung, geboren aus Unsicherheit, kann ein ganzes Leben zerstören. Oder eben zwei Leben. Das ergibt schon irgendwo Sinn. Aber das gestaltet die zähe, unangenehme und letztendlich auch highlightlose zweite Hälfte nicht unterhaltsamer und man fragt sich, warum man sich die überhaupt angesehen hat. Vielleicht hätte man nach 30 Minuten aufhören sollen.

Liebesszenen sind ziemlich selten. Alles ist subtil, im Zwischenton, in der Andeutung verborgen. Lovesong hätte etwas dramatisch-realistisch-erinnerungswürdiges mit einer Prise Romantik sein können, doch stattdessen ist es der erhobene Zeigefinger, der sich als Zuschauer am Ende unheimlich gehässig anfühlt und einen dafür bestraft, nach der Hälfte des Filmes nicht ausgemacht zu haben.

Das tut weh, und ist vielleicht lehrreich, aber sicher nicht befriedigend.

4 von 10 chocolates
Wasserlilien
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8/10
Ich bin sicher nicht der Einzige, der sich nach dem grandiosen 'Portrait einer Frau in Flammen' sowohl in Adele Haenel (als Schauspielerin) als auch in Regisseurin Celine Sciamma Hals über Kopf verliebt hat. Es lag also nahe, mich dem Debütfilm der jungen Regisseurin zu widmen, in dem sie ebenfalls mit Haenel zusammengearbeitet hatte.

Water Lilies ist dabei ein schmerzhaft-ehrliches, aufwühlend-treffendes Coming of Age respektive lesbian teenage love-drama, das in vielen Momenten so nah an unseren eigenen, Jugendlichen Gedanken und Erfahrungen ist wie kaum ein anderer Film. Indess ist der Film sehr ruhig und vieles ist nur impliziert.

Die fünfzehnjährige Marie ist Zuschauerin bei einer Show ihres Synchronschwimmen-Schulteams. Dabei tut es ihr nicht nur der Sport selbst, sondern vor allem die Capitänin Floriane an, für die sie sehr schnell intensive Gefühle entwickelt. Floriane hingegen hat an der Schule den Ruf einer Vollzeit-Beischläferin, die mit jedem verfügbaren Jungen ins Bett geht, am liebsten aber mit dem grobschnitzigen François, wobei ihr auch Marie von Nutzen ist. In Francois wiederum ist auch Anne verliebt, Maries etwas plumpe und unbedarfte KindheitsFreundin, die sich nach dem ersten Mal sehnt.

Ah ja, das sexuelle Erwachen im Schwimmunterricht - eine Erfahrung, die sicherlich für nicht wenige von uns unvermeidbare Lebensrealität war, zum Besseren oder Schlechteren. Bei Marie passiert es nun eben bei einer Vorführung, aber genau darum geht es im Film. Das Entdecken und Finden der sexuellen Identität, aber auch den unsicheren Umgang mit den ersten, romantischen Gefühlen, die irgendwie, aber nicht so richtig erwidert werden.

Water Lilies gelingt es dabei allen voran, universell weh zu tun. Man muss kein lesbisches Mädchen sein, um von Anfang an mit Marie mitzufühlen, weil die Regisseurin geschickt Momente und Situationen bebildert, die wir selbst vielleicht beinahe schon vergessen hatten. Mit einer Brillanz spielt Pauline Aquart als Marie nur mit Gesichtsausdrücken und einfachen Bewegungen die nur allzu bekannte Tragödie nach, wenn wir das erste Mal wirklich von jemandem fasziniert sind, unseren ganzen Mut zusammen Nehmen, versuchen diese Person zu beeindrucken und fühlen wie es ist, wenn es nicht funktioniert. Wir erinnern uns an uns selbst, wenn Marie sich, um cooler zu werden, von ihrer kindischen Freundin lossagt, nur um sich Tage später mit ihr zusammenzuraufen als wäre nichts gewesen.

Die Beziehung von Floriane und Marie vor allem ist dabei sehr komplex und vieles liegt im Rahmen von Implikationen, Interpretation und eigenen Erinnerungen. Zwar wird schnell klar, dass Floriane genau weiß, was Marie von ihr möchte, immerhin kennt sie die begehrenden Blicke, und sie dahingehend ausnutzt, doch gerade gegen Ende ist sehr ambivalent, ob sie das bewusst tut und was noch dahinter steckt. Annes Arc als Marie's typische Außenseiterfreundin die unbedingt Sex möchte ist dabei als andere Perspektive nicht unwichtig, insgesamt aber der weniger interessante Aspekt der Geschichte.

Das Finale, wenn man es so nennen kann, denn der Film hört eigentlich nur auf, konzentriert in seiner Wirkung nochmals gekonnt die Quintessenz von Wasserlilien:
Man projiziert möglicherweise so viele seiner eigenen (schmerzlichen) Jugendliebe-Erinnerungen in diesen Film und in die letzten 15 Minuten, dass insbesondere die vletzte Szene auf einem zermürbenden Level weh tut, dass man beim Anlaufen der Credits vor dem Bildschirm sitzt und eigentlich sehr laut schreien möchte vor Frustration. Rührt der Frust von dem eher trostlosen Ausgang Maries' erster Liebe her, oder doch eher von dem trostlosen Ausgang unserer eigenen ersten Liebe, die damals möglicherweise ähnlich verlief und hier aufs Unangenehmste gespiegelt wird? Dabei hinterlässt Regisseurin Celine Sciamma weder Marie noch uns mit reiner Hoffnungslosigkeit - Denn untermalt von dem träumerisch-hypnotischen Soundtrack, den ich an der Stelle auch unabhängig vom Film sehr empfehle und der Jugendmelancholie in Perfektion zusammenfasst (https://www.youtube.com/watch?v=eGY-VCkO8e4), haben wir vielleicht irgendwann festgestellt, dass es die Beziehungen sind die wir für selbstverständlich erachten, die am Ende des Tages noch da sind, um uns die Hand zu reichen, wenn wir in einen Pool springen und nie wieder auftauchen möchten. Keine wirklich neue Erkenntnis, aber eine so Wichtige.

Water Lilies ist frustrierend und bis zum Erbrechen effektiv darin, Jugendmelancholie widerhallen zu lassen.
Und darin ist es vermutlich der beste Film, den ich bisher gesehen habe.

8 von 10 Bananen

Die nächsten Filme stehen schon in der Warteschleife, vermutlich aber erst im Januar.

Yoraiko.
06.02.2025, 21:27
Liebe Freunde des lesbischen Films,

ich war nicht untätig in den letzten drei Jahren, im Gegenteil: Ich habe mir fleißig weitere exklusiv-weibliche Romanzen reingezogen, die Guten wie die sehr Schlechten. Ferner könnte man erwähnen, dass ich alle Reviews in diesem Thread sowie viele weitere mittlerweile in ein Youtube-Format (https://www.youtube.com/playlist?list=PLKASRGzH_RGYycPam16lrXG2Y4LS1HVZ4) umgewandelt habe, falls man lieber hört als liest. Das ist eher im low effort-Bereich angesiedelt, findet aber ganz gut Abnehmer. Aktuell sind es 25 Reviews/Videos.

Aber auch mit Texten möchte ich nicht fernbleiben, so dass ich meine XX-Chromosom-Küss-Kinoerfahrungen der letzten Jahre hier teile. (In Reihenfolge der Veröffentlichung/Des Anschauens)

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8/10 damals, mittlerweile hochgestuft auf 9/10
Anm: Den Film hab ich vor kurzem auf DVD ein zweites Mal gesehen und fand ihn diesmal so tiefenentspannt-unschuldig-berührend-schön, dass ich ihn auf 9/10 hochgestuft und nochmal einen Podcast drüber aufgenommen habe. Den sollte man gucken!!

"Mom always told me, the fences are the walls of her womb. Said she can only protect me if I stayed inside. Away from everyone, from everything."


Die 16 jährige Claudia lebt nach dem Ertrinktod ihrer Mutter allein und verborgen in ihrem
Landhaus weit weg von allem, unfähig, zu handeln oder zu gehen. Nur die
ebenfalls 16 jährige Grace aus der Stadt, welche das tragische Ereignis beobachtet hat,
findet sie, und beschließt, sich um sie zu kümmern.

My first summer ist ein wundervoll-stiller, feinfühlig-ausbalancierter und audiovisuell
starker Indie-Film über Verlust, Verlorenheit, Freundschaft und natürlich auch Liebe.
Mit seinen 80 Minuten Laufzeit ist der australische Streifen dabei kurzweilig
auf den Punkt gebracht, wirkt aber an keiner Stelle gehetzt oder auch nur sparsam.

Dabei ist diese Geschichte ebenso Drama wie Romantikentwicklung: Claudia, die ihre Mutter
verliert und selbst nur knapp überlebt, die Umgebung ihres Hauses noch niemals verlassen
hat und mit PTSD sowie Panikattacken zu hadern hat und Grace, die aus einem desolaten
Haushalt stammt, unbeliebt ist und sich gefangen fühlt. Beide Protagonistinnen bekommen
ohne Probleme mehr als vier Kreuze im Tragische Teenagerlesben-Bingo, und der Grund, dass
das nicht die ganze Stimmung des Filmes drückt, liegt in ihrer Chemie.

Grace nimmt sich Claudia an, auch wenn man zunächst ebenso wie über die Umstände des
Ertrinkens Claudias Mutter nicht genau weiß warum, und merkt schnell, dass diese nicht nur
ganz und gar weltfremd sondern auch überaus zuwendungsbedürftig ist. Sie bringt ihr bei,
wie die Finger ihrer Hände heißen, wofür man den Mittleren benutzt und wie Erdbeermilch
schmeckt.

Dieses Unterfangen ist einerseits vom typischen Verhalten junger Mädchen, aber eben auch
von der liebenswert-karikativen Unbeholfenheit Claudias geprägt, welche wie ein Kätzchen
auf die Wunder reagiert, welche Grace ihr offenbart. Und auf der anderen Seite hilft sie
ihr, die Traumta ihres Verlustes und ihres isolierten Lebens zu überwinden. Beide
Mädchen werden im Rahmen der Erzählung herausragend gespielt von Markella Kavenagh(Claudia)
und Maiah stewardson(Grace). Zwar neigt Kavenagh gelegentlich zum geringen Oceracten,
doch passt dies einfach zu ihrem Charakter - Was stellenweise in Claudias Gesicht vorgeht,
wenn ihre Augen und ihre Lippen in Sekunden Geschichten erzählen, ist ganz großes
Schauspiel.

Der Rest des Castes ist, und das ist weder in Teenagerdramen noch lesbischen Romanzen
ungewöhnlich, ein glorifizierter Haufen Pappaufsteller. Das spielt aber keine Rolle,
weil so mehr von den beiden Mädchen in die 80 Minuten Romanze passt.

Und für den Romantik-Part fällt angenehm auf, wie es über weite Strecken beim Aufbau einer
Freundschaft bleibt, bis tiefere Gefühle ins Spiel kommen und man authentische
Teenagerliebe beobachtet. Dabei mag es auszählbare Baustein-Szenen geben -
Gemeinsames Schwimmen, Darf ich dein Herz berühren, komm in die Wanne -
aber ebenso gibt es clever-kriselnde Momente, die man nicht so schnell vergisst, und
die im Film kleine Höhepunkte darstellen. Stichwort Ist es besser? und Lippenstift.

Den Rahmen des Ganzen bildet ein malerisches, von einer harmonischen Lichststimmung
begleitetes, naturnahes Iyll, das sich aus tieferen Gründen oder nur der Ästhetik wegen
langen Nahaufnahmen von Blumen, goldenen Hauttönen und Grünumgebungen hingibt.

Wie so vielen Filmen des Genres hätten leider auch my First summer 2-3 Indie-popsongs
weniger gut getan, gerade in extren-intimen Szenen, in denen sie einfach nicht nötig sind.
Dass sie aber zumeist doch nicht wirklich stören, liegt daran, dass sie hervorragend zum
Geschehen passen und wenig-aufdringlich wirken.

My first summer hält sich frei von forciertem Storydrama, wird nur da ernst wo es
nachvollziehbar ist, und schlittert so natürlich auf ein letztes Drittel zu, das von
Anfang an erwartet wird, dennoch weh tut und fühlbar macht, wie stark man bereits mit
den Heldinnen hadert. Und ohne zu viel verraten kann man sagen, das hier ein
leidlich-beliebter Trope lesbischer romanzen vermieden wurde, stattdessen erfährt man eine
Ambivalenz, die vor allem eines bewirkt - der sehnliche Wunsch nach mehr. Mehr Zeit mit
Claudia und Grace. Mehr dieser funkelnden Chemie. Ein zweiter Teil. Die Chancen darauf
dürften sich so auf 0 belaufen, doch falls es doch mal dazu kommt, hier ein paar
Titelvorschläge: Our first summer, My second summer, my first winter, Our Storm.


My first summer ist im kern ein kurzweiliger, erfrischend-positiver, lebensbejahender,
jugend und erwachsenengeeigneter, wunderhübscher und feinfühlier Film über zwei sehr
besondere Mädchen, die ein sehr besonderes Band zueinander aufbauen.

Von mir gibt es dafür 8 von 10 purple promises - Ein genrestarker Ausflug, der in keinster
Weise zum Genre dazugerechnet werden MUSS.

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4/10
Das lesbische Reliogionsdrama scheint beinahe schon wieder ein eigenes
Sub-Genre der exklusiv-weiblichen Romantik zu sein, so dass man diese
Verknüpfung von Erzählelementen etwa bei Filmen wie "Kiss me kosher" oder "Disobedience" hatte.

Auch You can Live Forever macht sich eine solche Geschichte zur Aufgabe, in der die Teenagerin Jaime von ihrer Mutter für einige Zeit in eine Jehova's Zeugen-Community geschickt wird, wo sie auf Marike trifft, welche wiederum
ihr Herz ganz tief trifft. Der Rest ist abzählbar und klischeehaft.

Filme wie Disobedience und You can live Forever sind im Genre der Lesbischen
Romanze eigentlich eine Mogelpackung. Es wäre entschieden ehrlicher zu
sagen, dass es Religionskritik-Dramen mit zufälligem lesbischen Glitter
sind. Zwar ist You can live Forever bei weitem nicht so trist, zäh, leblos
und trostlos wie Disobedience - doch ebenso wie dieser Film wird die Handlung
KOMPLETT vom Konflikt unterdrückt. Stellenweise wirkt das hier wie ein glorifizierter Werbefilm für die Vorzüge der Zeugen Yehovas, während im nächsten Moment wieder Gefangenschaft, Unterdrückung und fehlende Individualität an der Tagesordnung sind. Das ist summa sumarum ein äußerst
anstrengendes und frustrierendes Seherlebnis, das sich mit seinen 96
Minuten wie die doppelte Lauflänge anfühlt.

Auch ist es schade, dass die aufkeimende Romanze zwischen Jaime und Marike
eher eine Behauptung bleibt - Schauspielerinnen Anwen O'Driscoll und June Laporte fehlt es bis zum Schluss an jeglicher Chemie oder bedeutungsvollen
Szenen, stattdessen bekommen wir die Indoktrination der Zeugen vor Augen geführt und sehen den typische Montagen-Zeitraffer mit vielen kleinen Momentaufnahmen, in denen die Heldinnen sich vermeintlich näher kommen.
Mangelhaft. Es bereitet kaum Freude, ihren Gefühlen beizuwohnen. Während
Jaime's Akteurin eine gute Austrahlung und ein volles Charisma besitzt,
verblasst Marike als graue Maus. Und ebenso der restliche Cast. Bei manchen Charakteren fragt man sich gar, warum und mit welcher Funktion sie im Film waren. Hallo Nathan.

Es ist dann leider auch kein schöner Film - Das subtil-gesetzte Setting der 80er nutzt Kleinstadtlandschaften, farbreduzierte Innenräume und allen voran
zahlreiche dunkle, triste Töne. Das mag wohl Intention sein, aber das mag
ebenso nichts am Film aufwerten. Die Musik ist hintergründig und vergesslich,
hier und da gibt es mal starke Einsätze wie etwa die Creditmusik, aber insgesamt ist auch in dieser Abteilung Flaute.

Das Ende ist ebenso wie die 90 Minuten davor irritierend und trotz der klaren
Intention der beiden Regisseure schlichtweg unbefriedigend. Und das ist nochmal doppelt schade, weil You can live Forever einfach 10 Minuten früher hätte aufhören können, um ein emotionales und vielleicht Befreiungsschlag-
würdiges Finale in Bezug auf die Religionskritik zu erreichen. Pustekuchen.


You can Live Forever ist kein desaströser Film, aber er ist hauptsächlich ein
spröder Blick ins Innere der Zeugen Jehovas, mit einer reizlosen lesbischen
Romanze, die in einem kargen Umfeld und mit wenigen Lichtblicken inszeniert wird. Wer sich für die Genremischung interessiert, ist hier deutlich besser
beraten als mit Kiss me kosher oder Disobedience, allen anderen würde ich
zu anderen Genrevertretern raten.

4 von 10 Autogurte für You can Live Forever.

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Wenn man eine Review-Reihe über Filme mit lesbischer Romanze im Fokus aufzieht, hat man im Jahre 2023 auch manchmal das Glück, einen vollkommen atypischen Genre-Vertreter behandeln zu können, der noch einen ganz anderen Schwerpunkt mit der weiblichen Liebe kuppelt.
In happiest season ist das nun offensichtlich Weihnachten, und während es in der ersren Hälfte so wirkt, als wäre dies eher eine heitere Weihnachts-Romcom, ist es in der Zweiten doch vielmehr ein Romantik-Drama. Also alles dabei.

Harper und Kate sind schon länger zusammen. Harper liebt Weihnachten, Kate nicht. Aber Kate liebt Harper, also erklärt Kate sich dazu bereit, dieses Jahr Weihnachten bei Harpers Familie zu verbringen, nicht ohne das heimliche Ziel, ihr bei diesem festlichen Anlass gleich noch einen Heiratsantrag zu bereiten. Der Haken an der Sache: Harper hat ihrer konservativen und alles andere als gewöhnlichen Familie vielleicht doch nicht von Kate erzählt. Oder davon, dass sie lesbisch ist.

Happiest season lullt einen wie erwähnt in eine klassisch-kuschlige Weihnachtsstimmung, die sich in feinsinniger Romantik zwischen Harper und Kate zeigt und mit gelungenen Gags gewürzt wird. Man sollte jedoch ganz deutlich sagen, dass das hier kein feeld good Weihnachtsfilm zum runterspülen mit Glühwein und Marzipankartoffeln ist. Während zuerst das klassische „They pretend theyre not fucking“-Familiensetting zelebriert wird, und das genretypisch unterhaltsam, zeigt sich Kate im Verlauf dieser 5 Tage mehr und mehr, dass ihre Partnerin eine Lüge an die nächste reiht, und so eine lange Kette an Zweifeln aufreiht, an deren Ende eine bitterkalte Wahrheit steht: Sie steht nicht dazu, lesbisch zu sein, und steht nicht zu ihrer Beziehung.

Das führt zu Konflikten, das führt zu Drama, und das führt zu Emotion. Mehr sollte man gar nicht sagen, denn Happiest Season ist erstaunlich unvorhersehbar. Man denkt an bestimmten Knotenpunkten der Handlung immer wieder, zu wissen, wie es jetzt weitergeht, weil der Film große Bestandteile (lesbischer) Rokmanzen persifliert – Die attraktive Ex-Partnerin die wieder auftaucht, die sich entfremdenden Heldinnen, die alte Sommercamp-Jugendliebe… aber dann gibt es doch wieder einen erzählerischen U-Turn, und man wird abermals überrascht.

Dabei hat Happiest Season so viel mehr zu bieten als Weihnachtsstimmung und Frauenromantik – gibt es beides. Aber dazu noch gutes Drama, gelungene Emotionen, Ab und Zuneigungen zu fast allen Charakteren, die auch stark wechseln, schöne Bilder, raffinierte Schmunzler, Kommentare auf soziale Muster die uns nur zu bekannt vorkommen wie etwa die alles für Instagram pedantisch fotografierende Mutter, und einen Konflikt, vielschichtig und authentisch genug beleuchtet, dass wir ihn am Ende vollständig nachvollziehen können und beide Ausgänge verstehen würden. Hut ab!

Die Hauptcharaktere schwanken. Kristen Ein-Gesichtsausdruck Belle darf hier auch mal zeigen, dass sie nicht nur wie eine depressive Künstlerin auf einem Valium-Trip gucken sondern sogar manchmal lächeln kann, und überzeugt im Film mit am meisten. XXX als Harper ist bedeutend schwächer und bietet dem Zuschauer eine geringere Projektionsfläche, das liegt aber auch an Harpers Rolle im Film. Die anderen Rollen sind gut bis comichaft überzeugend wie Harpers etwas, wie würde man sagen, merkwürdige Schwester XX. Die vermutlich beste schauspielerische Leistung im Film liefert wenig überraschend Alison Brie als scheinbar-perfekte große Schwester von Harper ab, deren creepy Zwillinge ebenso zum Schmunzeln und Runzeln bringen.

Was man hier gar nicht erwarten darf, sind erotische oder sexualisierte Szenen in irgendeiner Weise. Ein kuss ist das höchste Der gefühle, und zumindest mehr persönliche und harmonische szenen zwischen Harper und Kate hätten dem Film unbedingt gut getan, vor allem um die Fallhöhe im zweiten Akt abzufedern. Aber das hier ist vor allem ein Familien-Beziehungs-Weihnachtsfilm, der ein möglichst breites Spektrum ansprechen soll und als Kernthema das Stehen zur eigenen Identität präsentiert, da verwundert das wenig.

Ich habe von happiest season nur einen kuschelweichen Weihnachta-Werbefilm erwartet, wusste nicht mal von den lesbischen Heldinnen, habe am Ende aber etwas bekommen, das mich zuerst amüsiert und eingelullt und dann auch erzählerisch gepackt und mit einem verdienten und starken Ende in die Credits entlassen hat, welche vielleicht einen der wenigen Momente darstellen, in denen ich instagram auch positive Aspekte abgewinnen kann.

Ihr werdet sicherlich überrascht, werdet Spaß haben und eine Menge fühlen.
Vielleicht ja auch eine Handvoll Weihnachtsstimmung.

7 von 10 geklaute Goldketten für Happiest Season.

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4/10

Dieses Filmchen hat kaum mehr als eine halbe Stunde, um seine sogenannte Geschichte zu erzählen, daher möchte ich mich auch eher kurz halten. Positiv ausgelegt ist Camp Belvidere die Quintessenz der lesbischen Romanze in 30 Minuten komprimiert, negativ ausgelegt ist es ideenlos und ein wenig überflüssig.

Es geht um zwei Frauen in den 50ern, welche im sogenannten Camp Belvidere wohl eine verbotene Romanze zueinander eingegangen sind. Die eine Frau ist die erfahrene Veteranen-Lesbe, welche die moralischen Bedenken an den Tisch bringt, die andere ist das naive aber leidenschaftliche Liebchen, das unbedingt mehr als nur eine Nacht will. Wir steigen voll ins Geschehen ein, was vorher war oder im fehlenden Endteil passiert, erfahren wir nicht, überhaupt fehlt es an Kontext. Der Film ist eine Aneinanderreihung kurzer, altbekannter Dialogszenen mit ein paar Küssen und HypernahAufnahmen-Sexszenen zum Schluss. Dazu eine aufdringlich-warme Farbgebung, ein Weichfilter hier und da und kitschig-theatralische Musik in beinahe jeder Szene.

Camp Belvidere ist über seine kurze Lauflänge nicht langweilig, und die beiden Stereotypen nicht unsympathisch. Irgendwie ist das Ganze ja schon süß, und so kurzweilig. Und wie ich sagte, findet ihr hier viele Bestandteile aus längeren Genrefilmen gelungen verarbeitet. Aber dann auch wieder fragt man sich, was nun eigentlich der Sinn hinter diesem Kurzfilm war. Denn weder gibt es ein starkes Script, noch eine gekonnte Idee oder liebevoll-gestaltete Romantikszenen.

Etwas mehr Fleisch Vorne und Hinten hätte helfen können, oder zumindest kreativere 38 Minuten.
So ist Camp Belvidere eine Art mittelmäßiger Trailer für das Lesbian Romance-Genre, bei dem ihr von allem ein bisschen aber nichts so richtig bekommt. Aber dafür ist er komplett auf Youtbe verfügbar! Also schaut doch gleich mal rein.

Von mir gibts für Camp Belvidere 4 von 10 Krankenschwestern.

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4/10

Oftmals ist es angenehm, wenn Filme einen überraschen. Wenn sie noch besser sind als erwartet, eine unvorhersehbare Wendung nehmen oder die Genres wechseln. Aber dann und wann ist es auch mal akzeptabel, schlicht und einfach das zu bekommen, was drauf steht.

Wer von einem Film namens Room in Rome, auf dessen Cover sich zwei unbekleidete Frauen in einer Wanne wälzen, das nächste Portrait einer jungen Frau in Flammen erwartet hat, ist vermutlich eher enttäuscht von dem 105 Minuten langen, glorifizierten Kunst-Softporn. Wer hingegen mit viel Nacktheit und noch mehr Melodramatik rechnet, liegt in etwa Richtig, aber dann auch wieder ist es etwas komplizierter als das.

Die Zusammenfassung liest sich wie eine Nationalitätenfetish-Fanfiction: Wir befinden uns im nächtlichen Rom, wo die spanisch-griechische Lesbe Alba, welche aus Saudi-Arabien stammt, die vor ihrer Vermählung stehende Russin Natasha in einer Bar kennenlernt und in ihr Hotelzimmer verschleppt. Beide erleben eine leidenschaftiche, emotionale aber auch tiefgehende Nacht des Kennenlernens miteinander, die zuerst vollkommen zwanglos erscheint und dann doch ernstere Folgen haben könnte.

Es gibt genau zwei Aktivitäten respektive Szenen-Arten, welche sich in Room in Rome beinahe perfekt abwechseln: Dialog und Sex. Natasha und Alba, welche im übrigen beinahe über die gesamte Lauflänge nackt sind und das Hotelzimmer kaum verlassen, reden über ihre tragischen Vergangenheiten, gestorbene Kinder und – natürlich – misshandelnde Männer, ehe sie keine zwei Minuten später bereits wieder aneinander rumspielen und Weinflaschen zweckentfremden.

Untermalt wird das Ganze von durchgehend warmen Farben und einer spärlich-beleuchteten Kulisse, die während gewichtigen Dialogmomenten schonmal in dramatischen Kamera-Einstellungen präsentiert wird, die bei aller Liebe zur Theatralik etwas… künstlich wirken. Theatralisch und künstlich sind auch die italienischen Operngesänge, die sich durch den gesamten Film ziehen, neben einem fürchterlichen Schnulzsong, der sech oder sieben Mal eingespielt wird und die lyrische Komplexität eines Glückskeks-Zettels aufweist. Auch die Kunstgemälde, die Albas Hotelzimmer mit ihrer Präsenz dominieren und Inhalt einiger Gespräche sind, wirken in der Erzählung eher als prätentiöses Konstrukt, um die Erotik aufzuwerten, denn als tiefere Botschaft.
Room in Rome ist oftmals unfreiwillig komisch und ohne Wertung sei gesagt, dass es sich eher wie ein erotisches Theaterstück als wie ein richtiger Spielfilm anfühlt. Das kommt auch von der hochgestochenen und literarischen Art, wie sich die Charaktere unterhalten. Niemand würde jemals so reden, aber es kommen hübsche Zitate dabei heraus.

Ist Room in Rome denn dann nur prätentiös und albern? Überhaput nicht. Die Schauspielerinnen Elena Anaya und Natasha Yarovenko haben eine Chemie zueinander, die überschäumt und kocht, wenn ich das mal so sagen darf. Der ungezwungene, aber auch intelligente, italienische Humor, der zwischen den beiden immer wieder die Stimmung auflockert, ist so charmant und sympathisch, dass man gegen Ende definitiv mindestens etwas mit den beiden mitfühlt. Dass sie sich nicht nur auf Englisch, sondern auch auf spanisch und russisch unterhalten ist eine coole Idee, die sogar als narratives Mittel eingesetzt wird. Der einzige andere Charakter, der Hotelservice Max ‚Maximus‘, welcher Alba und ihre nächtlichen Abenteuer schon länger zu kennen scheint und deswegen auch angestrengt überlegt, ob eine Gurke ihrer Anfrage nach einem Vibrator ebenfalls entspräche, ist ein herrlich-absurdes Comic Relief-Element, das für ein paar irrsinnig-unangenehme aber auch im Sinne des Films so ungezwungen-humoristische Szenen verantwortlich ist.

Und ich wiederhole mich – die beiden Heldinnen haben eine absurde Killerchemie miteinander, und das nicht wegen dem halben Dutzend Sexszenen. Darum ist es insgesamt eher ein bisschen schade als wirklich frustrierend, dass Room in Rome eben trotzdem nur das ist – Ganz viel Sex in einem Hotelzimmer mit teilweise kruden Dialogen zwischendrin, die seltsamerweise auch immer wieder dramatische Twists nehmen müssen, die das Ganze – ich wiederhole mich – wie ein kitschiges Theaterstück wirken lassen. Der Film ist mit 105 Minuten deutlich zu lang für sein Konzept, und die intimen Szenen wiederholen sich schnell. Jeder, der Room in Rome als Softporn bezeichnet, hat nicht unrecht. Aber wenn man einen lesbischen Softporn mit manchmal guten, wenn auch gestelzten Dialogen, einem gelungenen Humor und guten Schauspielerinnen möchte, warum nicht?

Ich mochte zudem, dass eine sehr kleine Szene zum Schluss das Ende offen lässt. Ich mochte zudem die kreative und auch irgendwo geringfügig-epische Schlussszene.


Ob Room in Rome jetzt ein guter Film ist? Keine Ahnung… ich habe mich definitiv im Mittelteil gelangweilt, und mochte den ganzen Sex auch nicht sonderlich. Wenn das aber euer Ding ist, viel Spaß damit.
Von mir bekommt Room in Rome 4 von 10 gekochte Gurken.

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8/10
Imagine Me and You ist eine britische Liebes-Komödie durch und durch, mit allen Stärken des Englischen Films, und während die Target Audience des 2005 erschienenen Feelgood-Movies sicherlich eher die breite Masse als die Genrefans waren, ist das in meinen Augen ein Film, der im Genre als Vorbild gelten sollte.

Imagine Me and You hat eine perfekte Spielzeit von 90 Minuten, die ohne eine einzige Länge in jedem Moment unterhaltsam, witzig, überzeugend federleicht vorübergehen. Optisch, schauspielerisch, inhaltlich und humoristisch bekommt man starke Kost geboten, ohne irgendetwas wirklich Neues zu sehen. Weder für damals noch heute, aber das Spielt keine Rolle – Weil Imagine Me and You in seiner Feelgood-Komfortzone sicherlich eine der besten FemRomanzen des Genres verkörpert.
Rachel und Heck kennen und lieben sich seit ihrer Jugend, und nun steht endlich die glückliche Hochzeit an. Dort lernt Rachel auch die Floristin Luce kennen, welche die Blumen bereitgestellt hat. Was als witzig-unverfängliche Bekanntschaft anfängt, entwickelt sich in eine eine tiefere Freundschaft bishin zu, na ja, „Ich wusste es nach 3 Sekunden“. Das kennen wir alles, ein Heteropärchen heiratet, ein Homohorror stolziert hinein und bringt alles zum Einstürzen.
Meist ist das gepaart mit viel Negativität, unangenehmen und forcierten Drama, Anti-Establishment-Statements gegen dreckige Hetero-Männer und einer Chemie zwischen zwei Frauen, die sie nach zwei Szenen und 20 Minuten Laufzeit in die Horizontale zwingt.

Nicht so in Imagine Me & You. Das ist, war endlich mal wieder ein Film, bei dem sich alles organisch und langsam entwickelt. Nachvollziehbar. Rachel und Grace lernen sich nach und nach besser kennen, und obwohl sie sofort merken, dass sie eine teuflische Chemie miteinander haben, dauert es so um die 40 Minuten, bis sich auch beide den Implikationen wirklich bewusst sind. Das heißt nicht, dass der Film langatmig oder gestreckt wirkt – Der bissig-britische Humor, der allen Charakteren in beinahe jeder Dialogzeile aus den Mündern tropft, ist einfach fantastisch und meistens zum Wegschmeißen. Der Film ist verdammt witzig, ja, aber er kann auch entsprechend ernst und zurückgenommen sein, wenn es an die emotionaleren Szenen geht. Beides funktioniert, und zwar soweit, dass man zutiefst mit allen beteiligten Personen mitfühlt.
Da wir gerade dabei sind – Heck ist der herzensgute, etwas naive, aber empathische Ehemann, der Rachel am liebsten die ganze Welt schenken würde. Wie gesagt ist es in diesem Genre nicht selten, dass Hetero-Ehemänner oder Partner eher als Störfaktor oder Symptom der Gefangenschaft dargestellt werden. Arschlöcher und Sexisten allesamt. Heck nicht. Heck ist ein großartiger, komplexer und sensibler Charakter, an dem wir als Zuschauer bis zuletzt genau so sehr wie an den beiden sympathischen Damen hängen, um ihm das Beste zu wünschen. Das liegt sicher auch daran, dass er vom charismatischen Matthew Goode gespielt wird, während Luce Game of Thrones Fans als Lena Headey bekannt vorkommt.

Ach abgesehen vom Lesbischen Glück in spe, die durchgehend eine tolle Chemie in jeder Szene haben, ist der Cast voll mit starken Charakteren. Da ist Rachels kleine Schwester H, die kuriose Fragen stellt und noch kuriosere Fakten kennt, aber auch als emotionaler Anker fungieren kann. Oder Rachels Eltern, die sich ein bisschen hassen und ein bisschen mögen. Keiner weiß, was mehr. Oder Luce Mutter, die selbst gerne nochmal das Feuer der Liebe entzünden würde. Oder Hecks Best Buddie British-Dollarstore-Barney Stinson, welcher den schmalen Grad zwischen Britisch und Vulgär hier am meisten (Und urkomischsten) ausreizt. So könnte man weitermachen, und da wir gerade bei Eltern waren – Sehen wir uns Genrekonkurrenten wie Saving Face an, betrachten wir eine lesbische Romanze mit Eltern-Generationen-Mutter-Will-Auch-Daten-Elementen, die fürchterlich integriert sind und dem Rest des Films enorm schaden. Beäugen wir dann Imagine Me & You, so bemerken wir, wie es richtig gelöst wird: Mit nicht immer sympathischen aber nahbaren und unterhaltsamen Eltern, die ihre Kinder lieben. Es kann manchmal sehr einfach sein.

Ich könnte noch weiter ins Detail gehen, aber die Wahrheit ist, dass Imagine Me & You sich eigentlich auch sehr kurz faziten lässt: Es ist so wirklich, wirklich herzlich, ehrlich lustig, gekonnt berührend, geeignet für die ganze Familie, smart und respektvoll allen Charakteren und den Zuschauern gegenüber. Guckt den Film. Man kann ihm sogar verzeihen, dass auch er in gewissem Maße die Flughafen-Karte zieht, denn schließlich ist auch das Ende vom Ende, ohne zu viel zu verraten, ein echter Lacher, der respektvoll bleibt und den Zuschauer mit einem breiten Grinsen in die Credits entlässt. Hach ist das schön, auch mal wieder einfach was lobpreisen zu können.

Von mir gibt es für Stell dir mich und dich vor, oder der atomar-anale offiziele deutsche Titel „Hochzeit zu dritt“, 8 von 10 Blumensträuße. ‚Nur‘ 8, weil der Film eben abgesehen von seiner durchgehenden Unterhaltsamkeit nichts Besonderes ist und euch nicht jahrelang im Gedächtnis bleiben wird. Aber er ist kantenlos. Und das ist in diesem Genre viel wert.

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4/10

Saving Face ist mal wieder einer dieser Filme, die eigentlich gar nicht viel mit einer weiblichen Romanze am Hut haben, sondern diese nur als Aufhänger für die eigentliche Handlung nutzen – Ein chinesisches Familien und Clash of Cultures-Comedy Drama. Als solches ist der Film aus 2004 auch eher ein mittelmäßiges Einschubs-Produkt, das wenige Stärken in sich vereint.

Wilhelmina Wil Pang ist eine arbeitstüchtige, amerikanisch-chinesische Chirurgin mit großen Ambitionen und wenig romantischen Aussichten. Ihre Mutter und vor allem ihr terror-traditioneller Chinese Grandpa würden sie doch so gern mit einem strammen Herrn verheiratet sehen, doch da haben sie die Rechnung ohne Vivian Shing gemacht – Denn in Saving Face erfahren wir ein weiteres Mal pikante Details über das Paarungsverhalten von homosexuellen Frauen – Sie werfen sich einen Blick zu, haben Sex mit ihren Augen und behandeln sich in der nächsten Szene bereits so, als würden sie sich seit Jahren kennen und am liebsten mit den Händen sofort da weitermachen, wo die Augen gerade aufgehört haben. Das wäre ja in Ordnung – schließlich ist die Chemie zwischen den beiden Traditions-Verweigerinnen ausreichend stark – leider folgen über die 91 Minuten wenige romantische oder intime Szenen. Stattdessen geht es um die chinesischen Familienbilder, die neugierigen Nachbarn, die verurteilenden Bubbles, die Bemühung, das Gesicht zu wahren, so dass der Filmtitel hält, was er verspricht. Hat man eigentlich das Bedürfnis, die gefühlten Hauptcharaktere einer solchen Geschichte im Fokus zu sehen, verschwimmen diese über weite Strecken des Films gar zu Nebenfiguren, wenn wir uns eher dem Liebesleben von Wils Mutter, oder dem Gesundheitszustand ihres Großvaters widmen.

Dass wir so viel Zeit mit mit dem Umfeld von Wil und Vivian verbringen, ist vor allem darum problematisch, weil ein Großteil davon wie der Film als Ganzes nicht so gut gealtert ist. Staubgelbe Klischees, rassistische Untertöne und insbesondere so unangenehm-störisch-egoistisch-ignorante Traditions-Auflagen, dass man die Mutter und den Großvater eigentlich permanent stummschalten möchte. Und selbst Wils lockerer, afroamerikanischer Freund scheint nur im Film zu sein, um eine Slapstick und Culture-Clash-Funktion zu erfüllen.

Optisch und musikalisch ist Saving Face leider deutlich in die Jahre gekommen – Der Film hat 12 Sommer auf dem Buckel, und das sieht man. Er hat auch klare Stärken, oder besser gesagt, eine Große – Der über allem stehende, bissig-nonchalante Humor hält das Ganze zusammen und rettet die Geschichte davor, bitter-unsympathisch vor sich hin zu dümpeln, dennoch habe ich mich mehrmals im Film gelangweilt, was ich eben hauptsächlich auf den fehlenden Fokus fürs Liebespaar schiebe. Dennoch, er ist in manchen Momenten sehr witzig, das sei ungenommen.

Gegen Ende werden dann noch ein paar Urzeit-Bomben wie die unterbrochene Hochzeit oder das Aufhalten der Verflossenen am Flughafen gezündet, und hier sehe ich die Symptomatik für Saving Face: Der Film hätte mit zehn Minuten weniger und deutlich mehr Fokus auf den Humor und das Pärchen statt unzeitgemäßen Familien-Erwartungen und klapprigen Klischees ein wirklich unterhaltsames Filmchen sein können, aber Regisseurin Alice Wu wollte das vermutlich gar nicht. Sie wollte eine Story über chinesische Familien und den Generationenkampf, nicht über zwei sich küssende Frauen. Und wenn euch das interessiert und ihr gerade nichts wirklich Gutes zu sehen habt, reicht euch das ja vielleicht.

Von mir bekommt Saving Face 4 von 10 Pingpong-Bälle. Stärken sind im guten Humor und den beiden Hauptakteurinnen zu finden, Schwächen in… allem anderen.


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6/10

Bei diesen Schlagwörtern sollte es sich vielleicht schon andeuten, aber lasst es mich hier nochmal in aller Deutlichkeit etablieren: Ammonite ist ein extrem langsames, ruhiges und zuweilen anstrengendes Drama, das sich mit einer weiblichen Liebschaft paart. Der Film funktioniert fast ausschließlich in den Farben Grau und Blau, es dauert 10 Minuten bis zum ersten Mal etwas gesagt wird und auch sonst gibt es verhältnismäßig wenig Text und Musik. Mit seinen knapp 2 Stunden ist Ammonite zusätzlich eine kleine Ecke zu lang, ich muss jedoch auch gleich etablieren, ich würde keinesfalls sagen, dass der Film zäh, langweilig oder verkopft ist. So gar nicht. Aber er ist nicht lockerleicht und angenehm.

Die englische Südküste in den 1840er Jahren: Die berühmte und vieldekorierte Fossilienforscherin Mary Anning lebt ein relativ isoliertes und karges Leben mit ihrer Mutter, indem sie sich vor allem mit der Suche und dem Verkauf von Fossilien beschäftigt. Schließlich sucht sie ein wohlhabender Fanboy auf, der gegen ein großzügiges Honorar gern von ihr lernen würde. Widerwillig, doch von Geldnot gepresst, erklärt Mary sich dazu bereit, doch nur nach ein paar Wochen geht es dem Edelmann nicht mehr um sich selbst, er bittet Mary, sich seiner melancholischen, depressiven Ehefrau Charlotte anzunehmen, und diese 6 Wochen zu begleiten, damit sie ihre frühere Lebensfreude wiederfindet. Er selbst setzt sich so lange ab, als hätte er Charlotte im Spielbereich eines Ikea abgegeben, und Mary und Charlotte bleiben zu zweit.

Audiovisuell gibt es bei Ammonite nicht viel zu holen: Die trostlose Farbpalette spiegelt das Innenleben der beiden Protagonistinnen wieder, die Musik ist so gut wie nonexistent, die kargen, dunklen Räumlichkeiten von Marys Haus locken keinen Ästheten hinterm Fels hervor.
Auch die Handlung gibt es eigentlich nicht, da wir die ganze Zeit vollständig nur auf Mary, Charlotte und ihren Umgang miteinander fokusiert sind. Also reden wir doch mal darüber.

Kate Winslet war vor 4 Jahren 45 Jahre alt, und in ihren Vierzigern soll auch Mary sein. Saoirse Ronan war 26. Damit ist ein Aspekt dieser Romanze ein Generationenunterschied. Der andere ist etwas weniger offensichtlich: Die Klasse. Jedoch muss man in meinen Augen keinen von beiden wirklich zur Kenntnis nehmen, weil sie über den Großteil des Filmes keine Rolle spielen. Es dauert eine volle Stunde, ehe die Romanze konkret wird, und dann färbt sich das Bild nicht rosarot sondern bleibt blaugrau, ob in den geerdeten Liebesszenen oder gemeinsamen Ausflügen. Aber das ist gar nicht kritisch, denn die beiden Schauspielerinnen tragen alles auf ihren Schultern:
Saoirse Ronan ist in pre-modernen Rollen eigentlich immer am besten aufgehoben, weil sie als melancholische, blasse Dame in schwarzen, viktorianischen Kleidern einfach überwältigend aussieht und spielt. Sie bringt diese zurückgezogene Kälte, aber auch weltfremde Naivität perfekt herüber und verleiht Charlotte so leben. Kate Winslet hingegen kann minutenlang nicht sprechen, und vermag es dennoch mit ihrer Mimik so viel zu sagen. Die beiden funktionieren zusammen, irgendwie.

Und so könnte das ein sehr unorthodoxer, fordernder, aber auch künstlerischer und hoffnungsvoller Film über eine einsame, desillusionierte und eine depressive, verlassene Frau sein, die zuienander finden und trotz ihrer Unterschiede einander Trost spenden. Aber es ist leider immer noch eine lesbische Romanze, und das bedingt mitunter, dass man ein unbefriedigendes Ende zu erwarten hat. Hier komme ich nicht um ein gewisses Maß an Spoilern herum, aber ihr wisst an dieser Stelle ohnehin genug über Ammonite, falls ihr an einer solchen Erzählung Interesse habt.

Filme sind grundsätzlich ein Zeitinvest. Oft auch Geld, Erwartung, Geduld und andere Werte. Und wenn ich einen so mit Vorsatz entschleunigten, schmutzigen FastStummfilm 2 Stunden verfolge, erwarte ich dafür eine gewisse Kantenlosigkeit am Ende, oder wenigstens einen konsequenten Abschluss.

Ammonite hingegen hielt es für wichtiger, das Lesbian Bad Ending mittels Drama out of Nowhere zu bedienen. Dass zwischen Charlotte und Mary am Ende des Tages doch eine tiefe Kluft existiert – sei es wegen einem Commentary zum Generationsunterschied oder doch dem Klassenunterschied – hat sich nur in den allerwenigsten Momenten des Filmes angedeutet und wenn überhaupt nur in einer Szene einigermaßen ausgewirkt. Dass daraus Probleme entstehen könnten, wurde nicht aufgebaut. Die beiden haben in den zwei Stunden kaum Konflikte. Dann jedoch, 5 Minuten vor Schluss, kracht es, und die Motivation dafür nimmt man Mary und Kate Winslet nur schwerlich ab.
Doch auch das wird nicht konequent zu Ende geführt, stattdessen bekommt man ein Bilderbuch Open to Interpretation-Ende, mit einer letzten Kameraeinstellung, die zwar sehr hübsch ist, die Intention des Darstellens des Klassenunterschiedes jedoch übertreibt, denn – wie gesagt, das spielte vorher im Film nie eine Rolle. Warum erst jetzt?

Dieser letzte Akt hintrlässt einen sauren Beigeschmack im Mund, und man fühlt sich seinr zwei Stunden doch irgendwie betrogen. Dann auch wieder bedeutet ein offenes Ende aber auch immer Hoffnung, und die eigene Wunschvorstellung, dass die beiden Frauen sich doch nicht von kleinlichen Unterschieden in den Lebensentwürfen zertrennen lassen werden.

Nichtsdestoweniger, entweder hätte der Regisseur etwas mehr Mut zu einer klaren Aussage oder aber mehr Konsequenz respektive Nachvollziehbarkeit im Script gebruchen können. So ist Ammonite ein nischiger Genrefilm, der vor allem etwas für Fans der beiden Schauspielerinnen oder von weiblichen Romanzen der anspruchsvolleren Art ist, bei dem man jedoch keinen befriedigenden Abschluss erwarten darf.

Von mir gibt es für Ammonite immer noch 6 von 10 kleine Schätzchen.

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4/10
Wenn man mal mit guten, lesbischen Romanzen anfängt, kann man sich möglicherweise des Eindrucks nicht erwehren, dass es sehr wenige Filme des Genres gibt. Je länger man aber gräbt, desto mehr kleine und nicht so kleine Vertreter findet man dann aber doch, die zumindest Spurlemente einer exklusiv-weiblichen Romanze beinhalten. Princess Cyd nimmt vor allem 3 Hauptcharaktere in den Fokus, von denen 2 eine solche Romanze eingehen. Ist es deswegen das definierende Thema des Films? Nein. Würde ich Princess Cyd vorrangig als Romanze titulieren? Nein. Ist das mal wieder so ein Film, der die lesbische Romanze eigentlich gar nicht gebraucht hätte? Ja.

Cyd, die als Kind auf tragische Weise ihre Mutter verloren hat, ist dennoch eine lebensfrohe, fußallspielende Teenagerin, wie sie im Buche steht. Über den Sommer fährt sie zu ihrer Tante in Chicago, welche eine bekannte Schriftstellerin ist. Die Wertvorstellungen, Ideen von Freude und Romsntik der beiden werden aufeinanderprallen. Oh, und Cyd verliebt sich nebenbei noch in die Starsucks-Kassiererin Katie, welche ihr Styling unter die Direktive der modernen Klischeelesbe gestellt hat.

Eigentlich sollte Princess Cyd ein Familien respektive Frauendrama sein, bei dem es darum geht, wie die komplett unterschiedliche Teenagerin Cyd und ihre etwas aus der Gesellschaft gefallene Autorentante langsam füreinander auftauen und einander besser verstehen. Das hätte vermutlich funktioniert und gereicht. Warum genau man also noch die lesbische Romanze und Kati hineinbringen musste, erschließt sich mir jetzt nach einmaligem Sehen nicht so recht, denn beide Segmente wirken wie aus zwei verschiedenen Filmen.

Außerdem muss man konstatieren, dass der Filmtitel meines Erachtens nach so interpretiert werden sollte, dass es sich bei Cyd um eine kaltschnäuzige, mitunter selbstgerechte und insgesamt sehr unangenehme Prinzessin handelt. Viele Rezensenten betrachten ihr Verhalten vor allem in der ersten Hälfte des Films als typisch Teenager. Da stimme ich nicht zu – Teenager sind nicht alle ätzend und respektlos. Wie Cyd hingegen mit ihrer Tante spricht, auf ihre Interessen eingeht und einen abfälligen Kommentar nach dem anderen fallen lässt ist in den verschiedenen Szenen wirklich unangenehm mit anzusehen. Zwar gibt es in der zweiten Hälfte eine längere Szene – für mich die beste im Film – in der Cyds Verhalten aufgegriffen und adressiert wird, doch wegen dem Katie-Plot hat auch diese Szene kaum Luft zum Atmen. Es fällt schwer, so mit Cyd als Protagonistin mitzufühlen.

Ihre Tante Miranda ist der deutlich überzeugendere Charakter, der Rest vom Cast füllt einfache Rollen aus, die teilweise aber gut ins Slice of Life Geflecht passen.
Problematisch vor allem für diesen gespaltenen Film ist die inhaltliche Irrelevanz. Mit 96 Minuten ist Princess Cyd nicht unanständig lang, doch er fühlt sich wie 2 Stunden an. Aufregendes oder Tiefgehendes passiert nicht viel im Film, Cyd ist von ihrer traumatischen Vergangenheit kaum betroffen und diese spielt auch keine größere Rolle, so dass man sich auch hier fragen muss, warum sie die eigentlich überhaupt haben musste. Der Film sieht außerdem nicht sonderlich schön aus, ich würde die Audiovisualität eher mit Langweilig und verwaschen beschreiben.

Verwaschen ist auch das Ende, denn Princess Cyd ist eine dieser Geschichten, die irgendwie einfach aufhören, ohne, dass die Handlung auch irgendetwas hinausgelaufen wäre. So ist es auch mit der eigentlich charmanten Romanze zwischen Tante Miranda und ihrem Autorenfreund Anthony, der Romanze zwischen Katie und Cyd, der Frage des problematischen Haushalts von Katie inklusive eines Vorfalls, und und und. Diese Dinge werden alle stehen gelassen und der Fantasie des Zuschauers überlassen, aber der Film bietet insgesamt leider zu wenig an, um diese überhaupt anzuregen. Eher fragt man sich nach den Credits, was und warum man sich das gerade angeschaut hat.
Der Film ist nicht ohne Charme, kann stellenweise schmunzelwürdig lustig sein oder ein warmes Gefühl in der Brust erzeugen, wenn Cyd in einem offensichtlich overdressten Blazer inklusive Fliege die Gartenparty ihrer Tante besucht oder mit Katie für ein Indiefilmteam auf einem Dach tanzt, aber über die erwähnte Lauflänge von metaphorischen 2 Stunden ohne roten Faden ist das zu wenig.

Mir ist insgesamt nicht ganz klar, was genau der Film aussagen wollte, auch wenn ich mir natürlich die Gedanken anderer Zuschauer und Kritiker dazu durchgelesen habe, bin ich inhaltlich vom Gezeigten nicht überzeugt.
Und so ist Princess Cyd in meinem ganz subjektiven Fazit ein kleiner, bescheidener Film, der zu viele Genres und dramaturgische Versatzteile in sich vereinen wollte ohne diese aber organisch miteinander zu verkleben oder auf etwas Aussagekräftiges hinauszulaufen. Wenn ihr wirklich genug Zeit habt, auch solche Filme zu schauen, und alles mitnehmen wollt, indem sich zwei Menschen mit XX-Chromosomen küssen, guckt Princess Cyd. Ansonsten nehmt einen der anderen der – ja, ganz recht – zahlreichen Filme des Genres.

Von mir gibt es für Princess Cyd 4 von 10 hübsche Füße.

Aktuell ist für mich nach wie vor Porträt einer jungen Frau in Flammen die unangefochtene Königin und der beste Film des gesamten Genres, gefoglt von My first summer, dann Respire. Blue is the warmest colour muss ich nochmal sehen, ist zu lange her.
Ich melde mich wieder, irgendwann, wenn ich gesammelt habe.