Yoraiko.
19.08.2022, 17:30
Moin,
nach dem Vorbild eines Threads in einem anderen Forum von einem Kollegen hebe ich hier einen Thread aus dem Boden, der sich nur Filmen (Real, Anime, Cartoon, Whatever) welche die weibliche Romantik im Fokus haben widmen soll. Falls es Serien dazu gibt kann man die natürlich auch gleich noch inkludieren. Weibliche Romanzen haben oft eine ganz andere Dynamik und Erzählweise als klassiche Hollywood-Romanzen, und meistens sagt mir das neben offensichtlichen Gründen einfach mehr zu - Nicht zuletzt, weil Lesbische Liebesfilme immer noch eher eine Nische sind.
Ich selbst habe im Partnerthread schon eine ganze Menge Reviews/Eindrücke zu betreffenden Filmen, die ich fast alle über diesen Thread entdeckt habe, verfasst, und würde die jetzt als Grundlage einfach hier reinkopieren.
Nachdem ich gerademal meine Filmhistorie durchgegangen bin und gesammelt habe ist mir aufgefallen, wie erschreckend-wenige Filme des Subgenres ich bisher gesehen habe, was aber wohl auch daran liegen wird, dass die meisten davon sich dem Indiegenre zuordnen. Ich nehme mir definitiv vor, die interessanten Filme dieses Threads hier demnächst mal chronologisch durchzuschauen und dann entweder als Video oder längeren Text zu reviewen.
Bis dahin hier noch ein paar Kommentare/Tipps:
Blue is the warmest Color
Der Klassiker. Dieser französische Vollblut-Lesbianlovefilm macht keine Kompromisse, was sich unter anderem in einer achtminütigen, expliziten und sehr intensiven Sexszene niederschlägt, die wirklich nur aus Frankreich kommen kann. Die beiden weiblichen hauptcharaktere werden dabei innerhalb des Filmes hervorragend charakterisiert, wie auch die gesellschaftliche Kluft zwischen ihnen, denn BITWC ist nicht nur Romanze sondern auch französische Gesellschaftsstudie und Beobachtung der Trennung von Arm und Reich. Das muss einen nicht interessieren, denn es ist intelligent in die mitreißende, autenthische, gefühlvolle, bittere Romanze eingearbeitet, die mit 3 Stunden Laufzeit auch Sitzfleisch fordert - Das Pacing und die Szenenkomposition sind aber hervorragend, so dass man die Längen (Außer bei der Sexszene) kaum bemerkt.
Stark getrübt wurde und wird dieses Kleinod der homosexuellen Frauenliebe im Film-Medium leider durch die Tatsache, wie der Regisseur mit seinen beiden Hauptakteurinnen umgegangen ist. Die Sexszene war tatsächlich die allererste Szene, welche die sich fremden Schauspielerinnen zusammen darstellen mussten, er ließ sie gegen ihren Willen diverse Retakes drehen und ist auch abseits davon äußerst missbräuchlich mit ihnen umgegangen. Das gibt vielen Szenen leider einen bitteren Nachgeschmack, aber ich persönlich fand Trost darin, dass die Schauspielerinnen das auch öffentlich gemacht und den Regisseur zur Verantwortung gezogen haben.
Jedenfalls, ein guter Film für Freunde der ruhigeren Dramanze.
Black Mirror - San Junipero
San Junipero ist kein eigener Film, aber da die Black Mirror-Folgen ohnehin voneinander unabhängig sind, kann man sie auch als kleine Filme betrachten. San Junipero konstrastiert mit seinem Plot, seiner Stimmung und seinem letztendlichen, fantastischen Finale signifikant die eigentliche Natur der Serie und wird von nicht wenigen (auch mir) als die mit Abstand beste Episode der Serie eingestuft. Wundervolle Schauspielerinnen, feinfühlige Dramaturgie, intelligente Tragik, honigweiche Romantik und so intensiv-positive Glücksgefühle in manchen Szenen, dass man nur übers ganze Gesicht grinsen kann. Mit interessantem Scifi-Setting!
Bound
Das ist ein spannender und intelligenter Thriller aus den 90igern, in dem wir ein lesbisches Pärchen dabei beobachten, wie sie versuchen einen großen Gangster-Coup durchzuführen. Die Damen haben Power, der Plot macht Spaß und auch die Zärtlichkeiten kommen nicht zu kurz. Ich habe Bound nicht mehr so gut in Erinnerung, habe ihn aber mit 7/10 bewertet.
Thelma, anyone? :bogart:
Thoroughbreds? :bogart:
Hoy ho!
Ich weiß, ich habe lange auf mich warten lassen, aber das lag daran, dass ich mich in den vergangenen zwei Wochen fast jeden Abend hingesetzt und einen Film aus diesem Thread angesehen habe, um anschließend ein Review dazu zu verfassen. Jetzt bin ich so gut wie durch, habe aber im Zuge dessen einige weitere lesbische Romanzen auf IMDB gefunden, die ich anschließen werde. Da ich aber nun schon einen groén Batzen Reviews fertig habe, hier erstmal ein erster Sammelpost. Reihenfolge des Schauens.
My Days of Mercy (7 von 10) (That didn't age well...)
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Dies war die Empfehlung hier, die mich von den Bisherigen am meisten angesprochen hat, also habe ich sie zuerst eingeworfen. Ellen Page ist ohnehin (Meistens!) ein guter Indikator für einen hochqualitativen Film, und das hat sich hier meines Erachtens nach wieder teilweise bewahrheitet.
Und obwohl im Fokus der Handlung zwei weibliche Hauptcharaktere in einer romantischen Beziehung zueinander stehen, ist der Film mitnichten eine lesbische Romanze. Das ist er nur in dritter Linie, davor ist er Familiendrama und Justizdrama mit einem kritischen(Aber nicht einseitigen!) Blick auf den amerikanischen Strafvollzug, gepaart mit der Romeo&Julia-Idee neu interpretiert, was definitiv Punkte für Kreativität gibt. Der Film ist insgesamt sehr ruhig und unaufgeregt erzählt, hat aber dennoch ein gutes Tempo, so dass man sich selten langweilt. Man muss eben nur grundsätzlich wissen, dass
es sich hier um emotional-schweren Stoff handelt, der unangenehm und wenig-reißerisch ist. Der ganze Film bringt eine bedrückende Stimmung mit sich, die nur in wenigen Momenten von Lucy & Mercy aufgelockert wird - dafür aber dann richtig!
Die Romanze hat vor allem das Problem, dass sie am Anfang übermäßig konstruiert wirkt und nicht gut geschrieben ist - Mercy nähert sich der eher zurückhaltenden Protagonistion Lucy, welche im Gegensatz zu ihr GEGEN die Todesstrafe ist, ohne ersichtlichen Grund an, flirtet aus dem Nichts heraus mit ihr und baut so eine Bindung zwischen den Mädchen auf, die nicht recht passen will. Auch haben Mercy und Lucy in der ersten Hälfte des Filmes meiner Meinung nach leider keine gute Chemie zwischen sich, funktionieren nur sehr behebig miteinander und geben einen unterkühlten Eindruck ab. Sieht man darüber hinweg, erledigt sich dieses Problem in der zweiten Hälfte und die beiden werden zu einer herzerwärmenden Kombination, die einen Lächeln und Summen lässt. Die würdevollen Sexszenen sind organisch eingebunden und schön anzusehen, viel besser gefallen haben mir aber noch die kleinen, allltäglichen Momente der Romantik - Wenn Mercy Lucy wie selbstverständlich einen Zopf bindet oder diese in ihrem Schoß liegt.
Am Ende erwartet uns in der Beziehung der beiden leider ein Twist, der im Genre der lesbischen Liebe so alt ist wie die 'Wir dürfen das nicht'-Karte, was einigermaßen anstrengend ist und insgesamt unnötig war, am Ende vom Ende aber zum Glück sehr befriedigend und rund aufgelöst wird.
Die Drama-Aspekte, sein es nun die bezogen auf die außeinanderbrechende Familie Lucys oder die Fragwürdigkeit der Todesstrafe, waren exzellent inszeniert, man konnte in vielen Szenen wohl nachfühlen, wie zerrissen Lucy ist wenn es darum geht, ob ihr verurteilter Vater nun wirklich ihre Mutter getötet hat oder nicht. Erwähnenswert ist die Klimax-Szene am Ende, die gerade für ein ruhig-inszeniertes Drama einen hervorragenden Soundtrack und eine fürchterlich-gute Dramatik mitbringt.
My Days of Mercy als lesbische Romanze zu bezeichnen ist in meinen Augen nicht nur gewagt, sondern schlichtweg falsch. Hier geht es nicht um die Liebe zwischen zwei Mädchen, sondern um eine zerrüttete Familie, die gegen die Justiz der Vereinigten Staaten kämpft, und dabei auf ganz besondere Weise auf die andere Seite der Medaille trifft - das dies als lesbische Romanze verwoben wird, war dann eher ein Glücksfall, denn das Element ordnet sich hervorragend in das Drama ein und liefert wie gesagt die wenigen positiven Momente. Insgesamt war ich zufrieden und kann 'My Days of Mercy' allen Ellen Page-Fans oder Anhängern von subtilen Dramas empfehlen, aber nicht unbedingt nur für den lesbischen Aspekt, so gut dieser auch war.
7 von 10 Spritzen für 'My Days of Mercy'.
Bonnie & Bonnie (2 von 10)
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Nach all den überraschend-guten deutschen Filmen der letzten Jahre is es erfrischend, endlich auch mal wieder einen Vertreter zu haben, der richtig schöne, deutsche Urscheiße ist. Nicht nur so schlecht, dass man wieder sagen müsste, dass es entschädigende Faktoren gäbe, sondern von der Verpackung bis zum Kern puristischer Entertainmentmüll aus den Tiefen des Problemkinos.
Bei Bonny & Bonny hat es mich genau 5 Minuten gebraucht - Also bis die beiden weiblichen Hauptcharaktere erstmalig aufeinandertreffen - um zu wissen, dass der Film nichts taugt und ich hier anderhalb Stunden meines Lebens unwiderruflich verschwende. Was ich nicht erwartet hatte war, WIE schlimm es noch wurde. In Bonnie & Bonnie begleiten wir zwei coole Ghetto-Gangstergirls, die einem über die Lauflänge von 90 Minuten bildungsfreundlich aufzeigen, wie cool und funny es doch sein kann, zusammen zu klauen, zu saufen, zu rauchen und sich wie die Axt in der Großstadt zu verhalten. Die Eine kommt aus einer erzkonservativen, albanischen Familie, welche für den Drama-Aspekt zuständig ist, die Andere... ist Barkeeperin. Das Familiendrama ist urdeutsches Schemagenre, leidet hier aber unter anderem dadurch, dass man den Vater in albanischer Sprache wahrscheinlich nicht versteht, und so auch nicht die inner-familiären Dialoge - Untertitel fehlen. Abgesehen davon ist der Aufbau der Handlung aber auch so altbacken, dass man sich kaum investieren möchte - nicht, dass es eine Handlung gibt.
Das Wichtigste bei einer lesbischen Romanze - und dieser Film ist definitiv eine, zumindest hat er kaum andere Bezugspunkte - sind natürlich die Hauptakteure, und hier liegt in Bonnie & Bonnie das größte Problem von vielen. Beide Mädchen übertreffen sich in jeder neuen Szene wieder an Charismalosigkeit und Unsympathie, haben unterstrichen null Chemie miteinander und schauspielern auf dem Niveau eines Studententheaters, das betrifft vor allem Yara's Darstellerin Emma Drogunova. Ich bin wirklich dankbar dafür, vor diesem Film 'My Days of Mercy' gesehen zu haben, weil ich den ja auch nicht wirklich überragend fand, mir aber jetzt wieder effektiv aufgezeigt wurde, wie unheimlich viel Raum noch zwischen einem 'Guten amerikanischen Film' und einem 'Desaströsen deutschen Film' liegen. Die Protagonistinnen aus Mercy entwickelten über die Laufzeit eine Chemie miteinander, die homogen wirkte, Bonnie & Bonnie aber bleiben bis zum Schluss blass und platt und sind zueinander oft genau so toxisch wie zu allen Anderen. Das Schlimmste daran war aber der Anfang.
Ich mag es als weißer Cis-Mann vielleicht nicht verstehen, aber lesbische Romanzen haben mit dem Beginn der Romanze ja so ihre Probleme. Dieses Aufeinandertreffen umweht meist eine Spur von Erzwungenheit, die nicht natürlich wirkt. Während man das aber in 'Mercy' noch als sympathische Schrulle abtun kann, schießt Bonnie & Bonnie darin den Vogel ab. Yara und ihre 'Gang' spielen Fremden Pranks und filmen sich dabei. So kommt es dazu, dass sie der zufällig-ausgewählten Kiki an die Hand fasst, diese sie an eine Wand befördert und ihr mit einem Messer fast die Kehle aufschlitzt. Die Mädchen tauschen dabei einen langen, intensiven Blick aus und lächeln. Moment, was? Hier verlieben sie sich ineinander? Zumindest suchen sie daraufhin fortwährend die Nähe der Anderen, und küssen sich urplötzlich, ohne dass es sich irgendwie angedeutet hätte. Muss man also wieder das alte, stinkige Klischee glauben, lesbische Frauen wären immerzu und überall willig, oder wie kommt so eine gegenseitige Anziehung zustande? Es wäre zumindest nicht meine erste Handlung, jemandem der mir ein Messer an den Hals drückt verführerische Blicke zuzuwerfen, aber wie gesagt, vielleicht verstehe ich es
auch nur nicht.
Die Plotelemente und die Dramaturgie um Yaras und Kikis Romanze im Norden Deutschlands führen uns in eine urgraue Vorzeit zurück, in der das allgemeine Frauenbild noch irgendwo zwischen Hund und Querdenker lag, und abermals fühlen wir uns in einer lesbischen Romanze mit den abgestandenen Drama-Stationen des Genres konfrontiert von denen wir doch schon vor Jahren dachten, wir hätten sie hinter uns gelassen. Allen voran der gute, alte 'Es ist moralisch falsch, lesbisch zu sein'-Plot, die Unvereinbarkeit einer lesbischen Beziehung mit einem Job in der Mitte unserer Gesellschaft(Die hier zum Stand 1900 porträtiert wird), die 'Ich hasse dich um dich zu beschützen'-Karte.., das trifft auf eine Umwelt von Charakteren und Nebendarstellern, denen wir mal wieder allesamt einen langsamen, grausamen Tod an den Hals wünschen. Nur schade, dass die Heldinnen nicht viel besser sind. Eine meiner Lieblingsszenen war, als die Lesbe von einem Afroamerikaner und einem Nahost-Immigranten als 'Fucking Freak' diskriminiert wird. Und wer jetzt denkt, dass das Rhetorik auf Seiten des Filmes war, der irrt. Die beiden sollten einfach nur Arschlöcher sein.
Die raren Sexszenen sind langweilig und ideenlos, und werden wie übrigens auch der komplette restliche Film von der deutsch-filmischen Zwangsstörung ruiniert, aller paar Minuten leblose Trap-Popsongs einzuspielen, die den Szenen die Chance nehmen auch mal für sich zu stehen. Eine ansprechende Cineastik gibt es nicht, keine Moral, keine mögenswerten Charaktere, keine schöne Romanze, keine Gesellschaftskritik, kein gar nichts. Im letzten Drittel schnallt sich Bonnie & Bonnie, im übrigen ein seltendämlicher und unpassender Name für diesen Film, dann nochmal ein obskures Thrillergewandt aus den
Untiefen des Fantasygenres auf den Rücken, das in einem ebenso vorhersehbaren, unverdaulichen und unglaublich-unkreativen Climax endet, den dieses Genre und Problemfilme im Allgemeinen eigentlich auch schon vor einem Jahrzehnt hinter sich gelassen haben, hier aber einen luftleeren Film passend beendet, alle Beteiligten sowohl in der Szene als auch hinter der Kulisse schlecht aussehen lässt und zusammenfasst, wie der deutsche Film an einem schlechten Tag funktioniert.
Der Rest der Welt: Lass uns eine lesbische Romanze mit aus dem Leben gegriffenen, sympathischen Charakteren inszenieren, in dem wir ihre Gefühlswelten, ihre Gedanken, Sorgen und wünsche respektvoll und zeitgemäß darstellen!
Deutschland: Lass uns eine lesbische Romanze inszenieren! Moment, ich check kurz auf TVTropes was man da so einbauen muss... ah ja... Konflikt mit Gesellschaft... konservativer Vater... eifersüchtiger Schlägerbruder... Magische Anziehungskraft zwischen Frauen... okay klar, machen wir, klingt einfach und wird bestimmt 'Mutig' genannt.
Bonnie & Bonnie hat keine Zielgruppe, weil der Film für niemanden etwas zu bieten hat. Er nimmt all die schlechten Elemente sowohl aus dem Romantik-, als auch dem Drama-Genre, mixt sie mit ein bisschen lesbischer Liebe, Ghettodrama und viel zu viel Musik und mischt daraus einen unbekömmlichen Cocktail, der mich schon nach zehn Minuten aufs Klo getrieben hätte, wenn ich mich nicht für diesen Text durchgezwungen hätte.
Ein schrecklicher, schrecklicher Film.
2 von 10 Huansöhne für Bonnie & Bonnie.
Tell it to the Bees (7 von 10)
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Tell it to the Bees, oder auch 'Der Honiggarten' wie der mal wieder weitaus weniger sinnvolle, unmelodische deutsche Titel mit dem bescheuerten Zusatz 'Das Geheimnis der Bienen' ist. Dieser Film war aus der Liste bisher der Stärkste, und ist insgesamt ein hochwertiges, anspruchsvolles Gesamtpaket für den reiferen Zuschauer.
Britannien in den 1950ern: Lydia, eine Singlemutter an der Armutsgrenze, die von ihrem Mann verlassen wurde und kaum die Miete zahlen kann, trifft auf die Ärztin Jeane, welche in der kleinen Ortschaft, die den Schauplatz des Films bietet, einen zwielichtigen Ruf hat. Sie kümmert sich um Lydias Sohn, und als Lydia und ihr Kind schließlich von ihrem Vermieter rausgeworfen werden, bietet Jeane ihr in ihrer Villa ein Zuhause - als Haushälterin, bald schon als Freundin, und vielleicht noch als mehr.
Tell it to the Bees ist eine hochwertige, historisch-romantische, britische Produktion, welche mit dem gewohnt-angenehmen, sepia-herbstlichen Farbfilter über allem so wie der unverkennbaren Mode jener Zeit den Charme der 50iger atmet. Während 'Mercy' ein Justizdrama und Bonnie&Bonnie ein Ghettodrama ist, ist dieser Film tatsächlich eine reine, lesbische Drama-Romanze. Es gibt nicht viele Nebenthemen abgesehen von einer Freundin von Lydia, welche mit einem dunkelhäutigen Mann liiert ist und von ihm ein Kind erwartet - auch sie wird Opfer der rigorosen Dorfgemeinde welche diese für alles 'Andersartige' schwierige Zeit symbolisiert. So gilt Ärztin Jeane noch immer wegen einem Vorfall mit einer Mitschülerin vor vielen Jahren als 'Pervers', nur widerwillig nimmt man ihre Dienste in Anspruch.
Die Romanze ist hier schon alleine durch die Tatsache, dass sie sich nicht durch testosterongesteuerte Teenagerinnen, sondern gereifte Frauen mittleren Alters zusammensetzt, die hier auch eine sehr glaubwürdige und nachvollziehbare Annäherung und Beziehung zueinander aufbauen, langsam und subtil. Beide Frauen sind fähige Schauspielerinnen, welche hervorragend darstellen wie schwierig und kompliziert es in dieser Zeit war, auch nur daran zu denken, eine andere Frau zu küssen. Somit ist 'Tell it to the Bees' der Archetype einer lesbischen Romanze, was überraschenderweise aber gar nicht negativ ist - noch nicht mal als tatsächlich und wortwörtlich die "Wir dürfen das nicht"-Karte gezogen wird. Der Film wirkt nicht abgestanden und diese Stelle war nicht albern, weil der historische und gesellschaftliche Kontext darum so glaubwürdig und atmosphärisch aufgebaut wurde. Die wenien Sexzenen sind ebenso geschmackvoll und ästhethisch, vor allem aber mit der nötigen Diskretion inszeniert. Man sieht nur, was man sehen muss.
Es stimmt, dass die ersten 30 Minutes des Filmes Sitzfleisch verlangen, dann aber auch wieder kann man das gleich über das gesamte Seherlebnis sagen. Dies ist weder ein einfacher, noch ein besonders unterhaltsamer Streifen. Ich will nicht sagen, es wäre wirklich anspruchsvolle Kost für Cineasten, aber man muss schon eine gewisse Ruhe, Neigung für betont-unaufgeregte Erzählungen und Sympathie für das historische Setting mitbringen. Der Film hat Anspruch, und wer sich nach zehn Minuten langweilt wird es auch nach 50, die Differenz ist da nicht so sonderlich groß. Ich aber habe die wohlüberlegte Erzählung genossen und nur selten Längen gespürt, weil die Chemie zwischen den beiden gereiften und auf ihre Weise charismatischen Hauptakteurinnen so gut geknistert hat. Und zwischendrin bekommen wir immer mal wieder ein bisschen Bienen-Trivia, was doch zumindest interessant sein kann.
Die Bilder und Szenen sind sehr hochwertig, das Umfeld bringt eine gute, rückblickende Atmosphäre herüber ohne zu sehr '50s!!!' zu brüllen, die sonstigen Charaktere sind allesamt im Guten wie im schlechten überzeugend - Sympathen ebenso wie jene kompromisslos-kleinbürgerlichen Konservativen jener Zeit, welche allem, das sie nicht verstanden, mit bildlichen und buchstäblichen Heugabeln begegneten. Die Musik, auch etwa in den Sexszenen, zeigt gut auf, wie man intensive Szenen stilvoll untermalen kann, ohne dabei ins Lächerliche abzudriften. Der Soundtrack wirkt dabei in seiner Ganzheit ebenso kultiviert und angenehm wie der Rest des Films.
Ein paar Schwächen hat 'Tell it to the bees' dann aber doch aufzuweisen. Das größte Problem im Film ist Lydias junger Sohn, Charlie, um den sich weite Teile der Erzählung und vor allem das Finale drehen, denn Lydia ist hauptsächlich nicht lesbisch oder Arbeiterin, sie ist allen voran liebende Mutter. Die Krux an Charlie als Charakter ist nicht, dass er nervig oder störend wäre, es ist vielmehr, dass er so überflüssig ist. Es hätte ihn in diesem Film, in dieser historischen Lesbenromanze die sich um die Situation von LGBT&Fremdenakzeptanz damals dreht, gar nicht gebraucht. Würde man ihn rausschreiben würde sich nicht viel ändern. Als er dann in der zweiten Hälfte aber auch noch an Relevanz gewinnt und mit seiner kindlichen Voreingenommenheit kurzzeitig die Sympathieleiter herunterpurzelt ist der Schaden komplett. Ärgerlich auch, dass seine Motivationen so inkosistent und schwer nachzuvollziehen sind - Mal mag er Jeane, mal hasst er sie, mal unterstützt er seine Mutter, mal seinen Vater, mal diskriminiert er Lesben, mal akzeptiert er sie. Hmn.
Der Film basiert auf einem vielgeschätzten Roman, was ich selbst erst danach erfahren habe. Da ich das nicht wusste kann ich nur den Film bewerten, den ich sehr gut fand, viele Bücherleser klagen aber (Natürlich) über eine unbefriedigende Adaption, die vor allem am Ende schwächelt. Negativ am Ende anzumerken ist, dass es eine übernatürliche Komponente in Zusammenhang mit den Bienen andeutet, die es so im Buch nicht gab und auch mir sauer aufgestoßen ist. Das Ende vom Ende ist bittersüß, und leider in seiner Dramaturgie ein unnötig eingesetztes Lesbenromanzen-Klischee aus grauer Vorzeit, das meilenweit absehbar ist, wo im Buch wohl ein reines Happy End stattfand. Dennoch muss ich sagen, dass die Botschaft zum Schluss sehr angenehm verarbeitet wurde und ich 'Tell it to the Bees' als angenehm-abgeschlossen empfunden habe.
Es gab da noch einen Subplot, welcher zum Schluss eine äußerst-verstörende Szene mit sich brachte und ehrlich gesagt wie ein Fremdkörper im Film wirkt, weil es so aus dem Nichts kommt, das war aber Teil der Verbildlichung der damaligen Verhältnisse mit Zero-Tolerance-Politik gegenüber dem 'Anderen'. Dennoch fühlte sich das sehr unsauber verkittet an. Ein starker, niveauvoller Film mit authentischer Romanze und nostalgischem Glanz, der nicht frei ist von Schwächen, diese aber mit viel Sorgfalt wettmacht. Hätte ich ohne Tipp nicht entdeckt, kann ich Freunden des gehobeneren Films und eben auch Fans lesbischer Romanzen sehr ans Herz legen.
7 von 10 Bestäubungen für Tell it to the bees.
Disobedience (3 von 10)
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Disobedience ist ein stummer und lethargischer Film. Während 'Tell it to the Bees' durchaus auch von Zuschauern mit kürzerer Aufmerksamkeitsspanne gesehen werden kann, ist dieser Film reines Cineasten-Filmfreund-Arthousekino. Dabei wird Disobedience seine Zuschauer wohl gespalten haben, denn während Filmkritiker, feinsinnige Geister und das gehobenere Volk diesen Film als gelungenes Vorzeigewerk von Unterdürckung und Befreiung bezeichnen, fanden die meisten 'gewöhnlichen' Leute ihn schlichtweg langweilig. Und trotzdessen, dass ich einen langsam-erzählten, subtilen Indiefilm immer zu schätzen weiß, muss ich mich diesem Eindruck anschließen. Disobedience ist unglaublich langatmig, viel, viel zu lang und stellenweise fast schon absurd-ereignislos, so dass sich die 115 Minuten anfühlen wie drei Stunden. Auch hier liegt wieder ein Farbfilter über allem, eine Entsättigung, welche wohl die Atmosphäre von Tristesse und Ausweglosigkeit des im Film zentralen, jüdischen Städtchens unterstreichen soll, im Gegenteil dazu aber dafür sorgt, dass der ganze Film noch lebloser und statischer wirkt. Dabei erwartet man das bei der Prämisse ja auch schon so:
Eine junge, jüdische Frau kehrt nach langer Zeit in ihr orthodox-geprägtes Kleinstädtchen zurück, weil ihr Vater verstorben ist. Dort trifft sie nicht nur auf alte Bekannte, die ihr mal mehr mal weniger freundlich gesinnt sind, sondern auch auf ihre Jugendfreundin, welche ihrerseits eine Gefangene dieses jüdischen Mikrokosmos ist, und die Gefühle der beiden Frauen füreinander flammen wieder auf - Gefühle, die hier natürlich keinen Platz haben, vor allem, wenn eine von beiden Frauen verheiratet ist. Es ist zwar schön, dass so einem eher nischigen Kontext wie einer jüdischen Gemeinde ein Film gewidmet wird, aber musste das wirklich genau so trocken passieren, wie man es von dem Thema erwartet? Wie bei 'Tell it to the Bees' und 'Mercy' gibt es hier ein übergeordnetes Drama-Thema, und zwar die Unterdrückung der Frauen in orthodoxen Gemeinen, doch die Romanze rückt stärker in den Fokus als etwa bei Bees - Schade nur, dass sie dennoch deutlich dünner erzählt ist. Es hilft der einschläfernden Wirkung von Disobedience nicht, dass sämtliche Personen vor allem in der ersten Hälfte des Filmes fast konsequent nur leise sprechen oder gar flüstern. Ist das ASMR, oder was?
Abgesehen von der trostlosen Gemeindestimmung, dem Freiheitsdrama und der gestelzten Romanze zwischen beiden weiblichen Hauptakteurinnen hat der Film nichts anzubieten, und diese drei Elemente überzeugen über weite Strecken des Films kaum.
Zwar gibt es hier und da mal eine schöne Aufnahme oder Einstellung, das Groß von Disobedience machen aber leblose Häuserlandschaften, leblose innenräume, leblose Charaktere und deren leblose Mienen aus - Ja, vielleicht mochte das zum Konzept gehört haben, doch dieses Konzept ging meines Erachtens nach nicht auf. Die Musik hilft der Unterhaltsamkeit oder Intensivität mit ihrer Abwesenheit in 80 % des Filmes nicht, das einzige Plus hier war der geniale Einsatz von The Cure, aber das ist auch einfach eine großartige Band. Nicht besonders aufmunternd, wenn ein eingespielter Song das beste musikalische Element ist.
Die drei Hauptcharaktere (Und der restliche Cast) spielen ihre Rollen soweit überzeugend und passabel, werden aber leider bis auf wenige, intensivere Szenen kaum gefordert, mehr zu tun als bedrückt zu gucken. Die beiden weiblichen Hauptcharaktere, die hier ihre lesbische Romanze wiederentdecken, haben leider absolut keine Chemie zueinander, was vermutlich ein Symptom davon ist, dass im ganzen Film keine Chemie existiert. Die wenigen Sexszenen hingegen sind dennoch herausragend geworden, weil sie wild, ehrlich und schmutzig sind. Mir gefiel, wie die stellenweise überbordernde Perversion des Liebesspiels (Stichwort Spucke) als bewusster Tabubruch und Kontrast zum eingeschnürten, freiheitslosen Leben der Frauen in dieser jüdischen Community von Anstand und Sitte inszeniert wurde, und darum umso ruchloser daherkam. Die Szenen sind schön, stimmig und respektvoll gegenüber den Akteurinnen. Doch das sind kleine Fragmente, auf die man lange wartet und die nicht ewig währen.
Denn das Ende von Disobedience folgt Konsequent der Lethargie des restlichen Filmes und stürzt - ohne Erklärung, völlig aus dem Nichts - in den uralten Lesbian Movie-Ending-Trope, wobei ihr euch vermutlich denken könnt, was ich meine. Mal wieder eine Romanze, die einfach nur dem Aufrechterhalten des Status Quo der Genreschwächen wegen ein Ende ruiniert, das hätte versöhnlich sein können nach einem aussagelosen Seherlebnis. Wie so oft fragt man sich nach einem dieser gedämpften, langatmigen Arthouse-Filme wenn die Credits anlaufen, wofür man eigentlich gerade 2 Stunden investiert und was man sich aus dem Film mitgenommen hat. Denn die Message von Befreiung, die am Ende ja doch nicht stattfand, kann es wohl kaum gewesen sein, und die hätte man auch in dreißig Minuten weniger unterbringen können. Die lesbische Romanze hat ihre schönen Momente, bietet ästhetische Szenen, verläuft sich letztendlich jedoch im Sande genau wie die restlichen, wenigen Handlungsstränge. Es ist ein nüchterner Film, der wenig anzubieten hat, und die Zeit insgesamt nicht wert ist. Allein dieses Review ist schon mehr, als man darüber sagen sollte.
Von mir gäbe es für Disobedience 3 von 10 Rotztropfen. Nicht empfehlenswert für irgendeine Zielgruppe, nicht mal die hartgekochtesten Cineasten. Auf der anderen Seite auch nicht offensiv und unerträglich wie Bonnie&Bonnie, wichtiger Unterschied. Disobedience tut keinem weh - er tut nur leider auch keinem gut.
Portrait einer Frau in Flammen (9 von 10) (Mittlerweile 10/10)
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Ich bin vollkommen überwältigt und ergriffen. Ich hatte erwartet, dass dieser Film aufgrund des unübersehbaren, überschwänglichen Presse-Echos seinerzeit gut ist, aber ich hatte sicherlich nicht damit gerechnet, dass er derart exzellent ist. Ich bin geneigt, ihm 9/10 Punkte zu geben, was ich wohl auch tun werde, womit es als meine neue, lesbische Lieblingsromance ‘Blue is the warmest Color’ mit 8/10 spürbar vom Thron gestoßen hat, und ferner eine der besten mir bekannten Filmromanzen überhaupt ist. Dieser Film ist in meiner Wahrnehmung sehr nah an einem Seherlebnis, das ich als ‘Perfekt’ bezeichnen würde. Ein gefühlvolles, zärtliches, anmutiges und kraftvolles Kunstwerk, das auf so vielen Ebenen überzeugt und mich begeistert. Spoilerfrei ist festzustellen, dass dieser Film kaum eine festgesetzte Zielgruppe hat abgesehen davon, dass man natürlich unaufgeregte, erwachsene Filme mögen muss. Ich bin ebenfalls dankbar, dass ich ‘Portrait’ im Zuge dieser Liste erst nach all den anderen Filmen gesehen habe, denn jetzt da ich mich ein wenig mit dem Genre der lesbischen Romanze auskenne kann ich umso mehr wertschätzen, wie herausragend dieser Vertreter hier doch ist. Er ist natürlich problemlos der mit meeresweitem Abstand der stärkste Film der Aufzählung.
Im achtzehnten Jahrhundert wird die junge Malerin Marianne auf eine Insel gerufen, um eine Adelstochter zu portraitieren - eine schwierige Aufgabe, weigert sich die zurückgezogene Héloïse doch strikt dagegen abgebildet zu werden, denn schließlich soll das so entstandene Portrait ihrem zukünftigen Zwangs-Ehemann als Schlafgemach-Anheizer geschickt werden. Marianne muss sich als ‘Aufpasserin’ tarnen, und ihr unwissendes Model in den kommenden Tagen genau beobachten…
‘Portrait’ besitzt die historische Komponente, welche auch ‘Tell it to the Bees’ ausmachte, wird aber weniger von ihr dominiert und von der fähigen Regisseurin moderner interpretiert, so dass es frei ist von der staubigen Sperrigkeit. ‘Portrait’ besitzt dieselbe ruhige Erzählweise wie ‘Disobedience’, vermag es im kompletten Gegenteil zu diesem Film allerdings, die Szenen mit fantastischen Akteurinnen und lebendigen Dialogen stets unterhaltsam zu gestalten. ‘Portrait’ besitzt den schwerwiegenden Konflikt eines ‘My Days of Mercy’, lässt diesen aber nicht die gesamte Stimmung des Filmes drücken und löst ihn poetischer auf, als man es sich zu Anfang hätte ausmalen können.
Kurz gesagt, es gibt kaum etwas auszusetzen. Die beiden wunderschönen Schauspielerinnen im Vordergrund haben jeweils eine eigene, ganz besondere Ausstrahlung, die sie in diesem Film von ‘gewöhnlichen’ Schauspielerinnen unterscheidet. Marianne ‘Noémie Merlant’ hat ein so einprägsames Gesicht und so charakteristische Augenbrauen, dass sie zusammen mit ihrer Verschlossenheit am Anfang fast maskulin wirkt, Héloïse ‘Adèle Haenel’ ist in der ersten Hälfte das faszinierende Mysterium, das unnahbar aufgebaut wird, und in der zweiten Hälfte eine avantgardistische, charismatische Lady, die man in jeder Szene gerne sieht. Während offensichtlich viele, lesbische Romanzen damit zu kämpfen haben, eine glaubwürdige, stimmige Chemie zwischen ihren Pärchen zu etablieren und halten, harmonieren Marianne und Héloïse vom ersten Moment an fabelhaft miteinander, und zunehmend, wenn sie füreinander auftauen. Beide Frauen sind intelligent, gerissen und humorvoll, so dass sie sich in vielen Momenten gegenseitig dekonstruieren oder in einer Art und Weise flirten, die man nicht mal unbedingt als Solches erkennt. Es macht Spaß, dieses permanente Kriseln zwischen den beiden zu sehen.
Es ist eine sehr angenehme Verflechtung mit dem Setting, dass sich alle Personen, ob Mutter und Tochter oder die Liebenden untereinander, mit ‘Sie’ ansprechen. Das ist abgesehen von der Kleidung und dem Schicksal Héloïses auch das Einzige, in dem sich das Setting bemerkbar macht. Sexszenen kommen so gut wie gar nicht vor, doch die Liebes & Kuss-Szenen sind vermutlich die Schönsten und Respektvollsten, die ich bisher in einer Romanze gesehen habe.
Der Film ist voll mit tollen Kulissen, schönen Hintergründen, spannenden Umgebungen und hochwertigen Bildern, welche die Kunstwerk-Funktion weiter unterstreichen. Eine Highlight-Szene reiht sich an die Nächste, ist die erste Hälfte auch noch äußerst zurückgenommen, entfaltet sich die positive Energie und die “Befreiung” Héloïses von ihrem Gram ob ihres Schicksals in der zweiten Hälfte vollständig. Ich könnte nicht sagen, welcher Moment mein Liebster war - Der Versuch des Pianospielens für Héloïse. Bewegen Sie sich nicht-Kuss. Lagerfeuer-Chor. Das Ende. Meine Güte, das Ende. Die zentrale Analogie im Film für die Romanze der beiden Frauen bildet die griechische Sage des Orpheus und der Eurydike, so dass wir auch noch einiges an mythologischem Trivia mitbekommen, doch wie sich diese Analogie auf absehbare aber herzzerreißende (Ein Wort das ich wirklich sehr selten verwende weil sein Klang so albern ist) Weise im Ende niederschlägt in einer intensiven Szene die zu dem Eindrücklichsten gehört was ich in jüngerer Vergangenheit gesehen habe, ist poetisch, vielfältig interpretierbar, niederschlagend, erhebend und generell einfach überzeugend. Und das OBWOHL hier einmal mehr - Überraschung, das weiß man schon nach zehn Minuten - der Lesbian-Bad Ending-Trope gezogen wird. Der wird hier aber nicht aus Prinzip gezogen oder weil jemandem nichts Besseres eingefallen ist, sondern als authentisches Statement der Lage von Frauen zu dieser Zeit. Ein Statement über die Ungerechtigkeit. In diesem Kontext ist der vorbildliche und geistreiche Einsatz der Musik im Film zu erwähnen, allen voran von Vivaldis ‘Sturm’.
Die Endszene bedeutet nichts, wenn man nicht die zwei Stunden vorher gesehen hat, aber alles, wenn man sie gesehen hat. Die Wahl eines Poeten oder eines Liebhabers?
Wenn ich überhaupt etwas kritisieren müsste, dann vielleicht, dass mir der Sprung der Gefühle von Héloïse für Arianne nach einem Drittel des Films vielleicht etwas zu plötzlich von ‘Gleichgültigkeit’ auf ‘Madly in love’ gegangen ist, aber das ist Kritik auf so hohem Niveau, dass es keiner der anderen Filme hier erreicht. Was mich tatsächlich gelinde gestört hat waren die ‘Weißen Visionen’ die nicht wirklich Sinn ergeben haben, uncanny-creepy aussahen und auch nicht nötig gewesen wären.
‘Portrait einer jungen Frau in Flammen’ mag mit seinem sperrigen Titel, seinem nischigenThema und seiner europäischen Herkunft vielleicht kein Blockbuster-Erlebnis sein, doch es stellt für mich eine der massenkompatibelsten und dennoch kunstvollsten Ästhetik-Romanzen der letzten Jahre dar, mit wichtiger sozialpolitischer Botschaft, unvergleichlich-charismatischen Heldinnen mit wundervoller Chemie, berührenden Romantik-Szenen, durchgehender Unterhaltsamkeit auf seichter Ebene und einem Ende, über das man noch sehr lange nachdenken kann und wird. Hier freuen sich nicht nur die Cineasten, hier wird kaum jemand ausgeschlossen, der feinsinnige, ruhige Filme ohne Action und Explosionen zu schätzen weiß. Allein, dass die Regisseurin mehrmals Jumpcuts(!!) verwendet um jede unnötige Zwischenszene rauszuschneiden zeigt, wie wichtig es ihr war einer drohenden Trägheit vorzubeugen.
Mal wieder ein glanzvolles Beispiel dafür, wo die Stärken des französischen Kinos liegen und das einfach kein anderes Land Romanzen so nahegehend inszenieren kann wie das der Liebe.
When you asked if I had known love. I could tell the answer was yes. And that it was now.
Starke 10 von 10 grüne Kleider für Portrait einer jungen Frau in Flammen.
Below her Mouth (4 von 10) - Sweden is the warmest country
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Below her mouth würde sich in einem Satz mit ‘Stereotypen - The Movie’ und in einem Wort als ‘Rau’ zusammenfassen lassen. Der Film besitzt die typisch-skandinavische Mittelwertigkeit und Entsättigung aller Farben, was dem Ganzen zusammen mit der sterilen Handlung und den kühlen Hauptcharakteren insgesamt einen leblosen Eindruck verschafft. Für mich ist es einer der schwächeren Filme dieser Aufzählung, und ich würde ihn nicht unbedingt als langweilig, wohl aber als zäh und prätentiös beschreiben. Es war der erste Film seit langem, den ich in der Mitte unterbrechen und am nächsten Tag weiterschauen musste, obwohl das auch daran gelegen haben mag, dass es spät und ich müde war. Wobei das auch bei ‘Portrait’ der Fall war. Außerdem habe ich ihn nach den ersten zwanzig Minuten nur weitergesehen, weil ich in im Rahmen dieser Liste bewerten wollte - Wie auch Bonnie&Bonnie.
Das wirklich Lästige an Below her Mouth ist die Tatsache, dass man versucht hat ‘Blue is the warmest Color’ dreist zu kopieren und zu reproduzieren, aber weder besteht die filmische Wertigkeit, hat der Regisseur das Feingefühl des französischen Vorbildes, noch kommen die beiden blassen und steretoypen Hauptcharaktere in irgendeinem Moment an das Charisma der französischen Schauspielerinnen heran. Dallas ist, wie schon auf dem Cover zu sehen, der Archetype der modernen Kampflesbe, und wächst auch leider nicht über dieses platte Klischee heraus. Jasmine ist die naive Lesbe in spe, der das alles nicht ganz geheuer ist. Einen übrigen Cast gibt es quasi nicht, es geht nur um die beiden Damen und ihre Beziehung zueinander, aber sie sind nicht ausdrucksstark genug um den Film zu tragen.
Die Sexszenen waren für mein Gefühl seelenlos und tröge, vor allem weil sich eine nach der Anderen davon aneinanderreiht, mit platten und abgestandenen Dialogen dazwischen. ‘Ich will dich nicht verlieren’. ‘Ich kann das nicht.’ Seufz. Das ist interessanterweise die erste lesbische Romanze, bei der ich dem zentralen Liebespärchen KEINEN Erfolg gewünscht und nicht mit ihnen gefühlt habe - Stattdessen galt meine Sympathie dem armen Ehemann von Jasmine, den sie hier einfach hinterrücks betrügt und als ‘Hat ordentlich Kohle’ abstempelt, das arme Schwein. In diesem Kontext konnte mir auch das Ende kaum etwas geben, und während Jasmine und Dallas zwar weit entfernt von einer Tumorfunktion wie Bonnie&Bonnie sind, sind sie genauso weit, wenn nicht weiter, entfernt von einer Emma und Adéle. Die Chemie zwischen den beiden mag in vereinzelten Momenten existent sein, doch die ganze Umgebung des Filmes ist so kalt und uninspiriert, dass das durchflutscht.
Musikalisch hat man bedauerlicherweise so einige Fehltritte in der Popsongauswahl, welche dann und wann nicht gut mit den Szenen harmonieren, dem ganzen Film fehlt es zudem an Eigenidentität. Was nicht kopiert oder bereits zehntausendmal besser präsentiert wurde, bleibt oberflächlich und unbefriedigend. Die einzige Szene die ich in dieser Hinsicht befriedigend fand war die Autoszene bei Nacht gegen Ende. Die hatte Alleinstellungsmerkmal, ist leider aber auch schnell wieder vorbei.
Am Ende von ‘Below her mouth’ bleibt das fade Gefühl der Mittelmäßigkeit im Mund zurück, vermischt mit der bitteren Note der misslungenen Kopie. Die moralische Untiefe des ruchlosen Betrügens gesellt sich hinzu, blanke, unsympathische Charaktere und eine Handlung, die wieder mal nichts zu sagen hat. Wäre schade, wenn das Cover das nicht schon versprochen hätte. Oh well.
Von mir 4 von 10 Dachdecker für Below her Mouth.
So, das war die erste Welle, weiter gehts. Ziehen wir vorher aber mal eine Statistik, wie viele der oben genannten, lesbischen Romanzen ein Bad Ending hatten: 4 1/2 von 6 Filmen.
Was der Romcom das kitschige Happy Ending ist, ist der lesbischen Romanze offenbar das Bad Ending - augenscheinlich müssen diese also zum Scheitern verurteilt sein, wegen der bösen, bösen Gesellschaft. Mal sehen, wie diese Statistik sich mit den kommenden Filmen weiterträgt.
Definitiv nicht sehen werde ich:
Spy Girls – D.E.B.S.
Guns for Hire
Better than chocolate
Lola
Wegen den fürchterlichen, fürchterlichen Covern. Interesse habe ich noch an 'Kiss me before it blows up' (Für den deutschen Titel möchte ich dem Verantwortlichen ins Gesicht schlagen) aber das wird vermutlich noch dauern bis der verfügbar ist.
Ich habe noch 2-3 weitere Sammelposts mir weiteren Reviews verfasst, aber das werde ich dann demnächst hier teilen, das reicht für den Anfang erstmal.
Ich hoffe, die Formatierung ist nicht zu schlimm, habe mir jetzt erstmal nicht die Arbeit gemacht, meine aufwändige Original-Formatierung bei jedem Review neu einzusetzen, die lässt sich leider nicht kopieren.
Teilt gerne eure Tipps!
nach dem Vorbild eines Threads in einem anderen Forum von einem Kollegen hebe ich hier einen Thread aus dem Boden, der sich nur Filmen (Real, Anime, Cartoon, Whatever) welche die weibliche Romantik im Fokus haben widmen soll. Falls es Serien dazu gibt kann man die natürlich auch gleich noch inkludieren. Weibliche Romanzen haben oft eine ganz andere Dynamik und Erzählweise als klassiche Hollywood-Romanzen, und meistens sagt mir das neben offensichtlichen Gründen einfach mehr zu - Nicht zuletzt, weil Lesbische Liebesfilme immer noch eher eine Nische sind.
Ich selbst habe im Partnerthread schon eine ganze Menge Reviews/Eindrücke zu betreffenden Filmen, die ich fast alle über diesen Thread entdeckt habe, verfasst, und würde die jetzt als Grundlage einfach hier reinkopieren.
Nachdem ich gerademal meine Filmhistorie durchgegangen bin und gesammelt habe ist mir aufgefallen, wie erschreckend-wenige Filme des Subgenres ich bisher gesehen habe, was aber wohl auch daran liegen wird, dass die meisten davon sich dem Indiegenre zuordnen. Ich nehme mir definitiv vor, die interessanten Filme dieses Threads hier demnächst mal chronologisch durchzuschauen und dann entweder als Video oder längeren Text zu reviewen.
Bis dahin hier noch ein paar Kommentare/Tipps:
Blue is the warmest Color
Der Klassiker. Dieser französische Vollblut-Lesbianlovefilm macht keine Kompromisse, was sich unter anderem in einer achtminütigen, expliziten und sehr intensiven Sexszene niederschlägt, die wirklich nur aus Frankreich kommen kann. Die beiden weiblichen hauptcharaktere werden dabei innerhalb des Filmes hervorragend charakterisiert, wie auch die gesellschaftliche Kluft zwischen ihnen, denn BITWC ist nicht nur Romanze sondern auch französische Gesellschaftsstudie und Beobachtung der Trennung von Arm und Reich. Das muss einen nicht interessieren, denn es ist intelligent in die mitreißende, autenthische, gefühlvolle, bittere Romanze eingearbeitet, die mit 3 Stunden Laufzeit auch Sitzfleisch fordert - Das Pacing und die Szenenkomposition sind aber hervorragend, so dass man die Längen (Außer bei der Sexszene) kaum bemerkt.
Stark getrübt wurde und wird dieses Kleinod der homosexuellen Frauenliebe im Film-Medium leider durch die Tatsache, wie der Regisseur mit seinen beiden Hauptakteurinnen umgegangen ist. Die Sexszene war tatsächlich die allererste Szene, welche die sich fremden Schauspielerinnen zusammen darstellen mussten, er ließ sie gegen ihren Willen diverse Retakes drehen und ist auch abseits davon äußerst missbräuchlich mit ihnen umgegangen. Das gibt vielen Szenen leider einen bitteren Nachgeschmack, aber ich persönlich fand Trost darin, dass die Schauspielerinnen das auch öffentlich gemacht und den Regisseur zur Verantwortung gezogen haben.
Jedenfalls, ein guter Film für Freunde der ruhigeren Dramanze.
Black Mirror - San Junipero
San Junipero ist kein eigener Film, aber da die Black Mirror-Folgen ohnehin voneinander unabhängig sind, kann man sie auch als kleine Filme betrachten. San Junipero konstrastiert mit seinem Plot, seiner Stimmung und seinem letztendlichen, fantastischen Finale signifikant die eigentliche Natur der Serie und wird von nicht wenigen (auch mir) als die mit Abstand beste Episode der Serie eingestuft. Wundervolle Schauspielerinnen, feinfühlige Dramaturgie, intelligente Tragik, honigweiche Romantik und so intensiv-positive Glücksgefühle in manchen Szenen, dass man nur übers ganze Gesicht grinsen kann. Mit interessantem Scifi-Setting!
Bound
Das ist ein spannender und intelligenter Thriller aus den 90igern, in dem wir ein lesbisches Pärchen dabei beobachten, wie sie versuchen einen großen Gangster-Coup durchzuführen. Die Damen haben Power, der Plot macht Spaß und auch die Zärtlichkeiten kommen nicht zu kurz. Ich habe Bound nicht mehr so gut in Erinnerung, habe ihn aber mit 7/10 bewertet.
Thelma, anyone? :bogart:
Thoroughbreds? :bogart:
Hoy ho!
Ich weiß, ich habe lange auf mich warten lassen, aber das lag daran, dass ich mich in den vergangenen zwei Wochen fast jeden Abend hingesetzt und einen Film aus diesem Thread angesehen habe, um anschließend ein Review dazu zu verfassen. Jetzt bin ich so gut wie durch, habe aber im Zuge dessen einige weitere lesbische Romanzen auf IMDB gefunden, die ich anschließen werde. Da ich aber nun schon einen groén Batzen Reviews fertig habe, hier erstmal ein erster Sammelpost. Reihenfolge des Schauens.
My Days of Mercy (7 von 10) (That didn't age well...)
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Dies war die Empfehlung hier, die mich von den Bisherigen am meisten angesprochen hat, also habe ich sie zuerst eingeworfen. Ellen Page ist ohnehin (Meistens!) ein guter Indikator für einen hochqualitativen Film, und das hat sich hier meines Erachtens nach wieder teilweise bewahrheitet.
Und obwohl im Fokus der Handlung zwei weibliche Hauptcharaktere in einer romantischen Beziehung zueinander stehen, ist der Film mitnichten eine lesbische Romanze. Das ist er nur in dritter Linie, davor ist er Familiendrama und Justizdrama mit einem kritischen(Aber nicht einseitigen!) Blick auf den amerikanischen Strafvollzug, gepaart mit der Romeo&Julia-Idee neu interpretiert, was definitiv Punkte für Kreativität gibt. Der Film ist insgesamt sehr ruhig und unaufgeregt erzählt, hat aber dennoch ein gutes Tempo, so dass man sich selten langweilt. Man muss eben nur grundsätzlich wissen, dass
es sich hier um emotional-schweren Stoff handelt, der unangenehm und wenig-reißerisch ist. Der ganze Film bringt eine bedrückende Stimmung mit sich, die nur in wenigen Momenten von Lucy & Mercy aufgelockert wird - dafür aber dann richtig!
Die Romanze hat vor allem das Problem, dass sie am Anfang übermäßig konstruiert wirkt und nicht gut geschrieben ist - Mercy nähert sich der eher zurückhaltenden Protagonistion Lucy, welche im Gegensatz zu ihr GEGEN die Todesstrafe ist, ohne ersichtlichen Grund an, flirtet aus dem Nichts heraus mit ihr und baut so eine Bindung zwischen den Mädchen auf, die nicht recht passen will. Auch haben Mercy und Lucy in der ersten Hälfte des Filmes meiner Meinung nach leider keine gute Chemie zwischen sich, funktionieren nur sehr behebig miteinander und geben einen unterkühlten Eindruck ab. Sieht man darüber hinweg, erledigt sich dieses Problem in der zweiten Hälfte und die beiden werden zu einer herzerwärmenden Kombination, die einen Lächeln und Summen lässt. Die würdevollen Sexszenen sind organisch eingebunden und schön anzusehen, viel besser gefallen haben mir aber noch die kleinen, allltäglichen Momente der Romantik - Wenn Mercy Lucy wie selbstverständlich einen Zopf bindet oder diese in ihrem Schoß liegt.
Am Ende erwartet uns in der Beziehung der beiden leider ein Twist, der im Genre der lesbischen Liebe so alt ist wie die 'Wir dürfen das nicht'-Karte, was einigermaßen anstrengend ist und insgesamt unnötig war, am Ende vom Ende aber zum Glück sehr befriedigend und rund aufgelöst wird.
Die Drama-Aspekte, sein es nun die bezogen auf die außeinanderbrechende Familie Lucys oder die Fragwürdigkeit der Todesstrafe, waren exzellent inszeniert, man konnte in vielen Szenen wohl nachfühlen, wie zerrissen Lucy ist wenn es darum geht, ob ihr verurteilter Vater nun wirklich ihre Mutter getötet hat oder nicht. Erwähnenswert ist die Klimax-Szene am Ende, die gerade für ein ruhig-inszeniertes Drama einen hervorragenden Soundtrack und eine fürchterlich-gute Dramatik mitbringt.
My Days of Mercy als lesbische Romanze zu bezeichnen ist in meinen Augen nicht nur gewagt, sondern schlichtweg falsch. Hier geht es nicht um die Liebe zwischen zwei Mädchen, sondern um eine zerrüttete Familie, die gegen die Justiz der Vereinigten Staaten kämpft, und dabei auf ganz besondere Weise auf die andere Seite der Medaille trifft - das dies als lesbische Romanze verwoben wird, war dann eher ein Glücksfall, denn das Element ordnet sich hervorragend in das Drama ein und liefert wie gesagt die wenigen positiven Momente. Insgesamt war ich zufrieden und kann 'My Days of Mercy' allen Ellen Page-Fans oder Anhängern von subtilen Dramas empfehlen, aber nicht unbedingt nur für den lesbischen Aspekt, so gut dieser auch war.
7 von 10 Spritzen für 'My Days of Mercy'.
Bonnie & Bonnie (2 von 10)
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Nach all den überraschend-guten deutschen Filmen der letzten Jahre is es erfrischend, endlich auch mal wieder einen Vertreter zu haben, der richtig schöne, deutsche Urscheiße ist. Nicht nur so schlecht, dass man wieder sagen müsste, dass es entschädigende Faktoren gäbe, sondern von der Verpackung bis zum Kern puristischer Entertainmentmüll aus den Tiefen des Problemkinos.
Bei Bonny & Bonny hat es mich genau 5 Minuten gebraucht - Also bis die beiden weiblichen Hauptcharaktere erstmalig aufeinandertreffen - um zu wissen, dass der Film nichts taugt und ich hier anderhalb Stunden meines Lebens unwiderruflich verschwende. Was ich nicht erwartet hatte war, WIE schlimm es noch wurde. In Bonnie & Bonnie begleiten wir zwei coole Ghetto-Gangstergirls, die einem über die Lauflänge von 90 Minuten bildungsfreundlich aufzeigen, wie cool und funny es doch sein kann, zusammen zu klauen, zu saufen, zu rauchen und sich wie die Axt in der Großstadt zu verhalten. Die Eine kommt aus einer erzkonservativen, albanischen Familie, welche für den Drama-Aspekt zuständig ist, die Andere... ist Barkeeperin. Das Familiendrama ist urdeutsches Schemagenre, leidet hier aber unter anderem dadurch, dass man den Vater in albanischer Sprache wahrscheinlich nicht versteht, und so auch nicht die inner-familiären Dialoge - Untertitel fehlen. Abgesehen davon ist der Aufbau der Handlung aber auch so altbacken, dass man sich kaum investieren möchte - nicht, dass es eine Handlung gibt.
Das Wichtigste bei einer lesbischen Romanze - und dieser Film ist definitiv eine, zumindest hat er kaum andere Bezugspunkte - sind natürlich die Hauptakteure, und hier liegt in Bonnie & Bonnie das größte Problem von vielen. Beide Mädchen übertreffen sich in jeder neuen Szene wieder an Charismalosigkeit und Unsympathie, haben unterstrichen null Chemie miteinander und schauspielern auf dem Niveau eines Studententheaters, das betrifft vor allem Yara's Darstellerin Emma Drogunova. Ich bin wirklich dankbar dafür, vor diesem Film 'My Days of Mercy' gesehen zu haben, weil ich den ja auch nicht wirklich überragend fand, mir aber jetzt wieder effektiv aufgezeigt wurde, wie unheimlich viel Raum noch zwischen einem 'Guten amerikanischen Film' und einem 'Desaströsen deutschen Film' liegen. Die Protagonistinnen aus Mercy entwickelten über die Laufzeit eine Chemie miteinander, die homogen wirkte, Bonnie & Bonnie aber bleiben bis zum Schluss blass und platt und sind zueinander oft genau so toxisch wie zu allen Anderen. Das Schlimmste daran war aber der Anfang.
Ich mag es als weißer Cis-Mann vielleicht nicht verstehen, aber lesbische Romanzen haben mit dem Beginn der Romanze ja so ihre Probleme. Dieses Aufeinandertreffen umweht meist eine Spur von Erzwungenheit, die nicht natürlich wirkt. Während man das aber in 'Mercy' noch als sympathische Schrulle abtun kann, schießt Bonnie & Bonnie darin den Vogel ab. Yara und ihre 'Gang' spielen Fremden Pranks und filmen sich dabei. So kommt es dazu, dass sie der zufällig-ausgewählten Kiki an die Hand fasst, diese sie an eine Wand befördert und ihr mit einem Messer fast die Kehle aufschlitzt. Die Mädchen tauschen dabei einen langen, intensiven Blick aus und lächeln. Moment, was? Hier verlieben sie sich ineinander? Zumindest suchen sie daraufhin fortwährend die Nähe der Anderen, und küssen sich urplötzlich, ohne dass es sich irgendwie angedeutet hätte. Muss man also wieder das alte, stinkige Klischee glauben, lesbische Frauen wären immerzu und überall willig, oder wie kommt so eine gegenseitige Anziehung zustande? Es wäre zumindest nicht meine erste Handlung, jemandem der mir ein Messer an den Hals drückt verführerische Blicke zuzuwerfen, aber wie gesagt, vielleicht verstehe ich es
auch nur nicht.
Die Plotelemente und die Dramaturgie um Yaras und Kikis Romanze im Norden Deutschlands führen uns in eine urgraue Vorzeit zurück, in der das allgemeine Frauenbild noch irgendwo zwischen Hund und Querdenker lag, und abermals fühlen wir uns in einer lesbischen Romanze mit den abgestandenen Drama-Stationen des Genres konfrontiert von denen wir doch schon vor Jahren dachten, wir hätten sie hinter uns gelassen. Allen voran der gute, alte 'Es ist moralisch falsch, lesbisch zu sein'-Plot, die Unvereinbarkeit einer lesbischen Beziehung mit einem Job in der Mitte unserer Gesellschaft(Die hier zum Stand 1900 porträtiert wird), die 'Ich hasse dich um dich zu beschützen'-Karte.., das trifft auf eine Umwelt von Charakteren und Nebendarstellern, denen wir mal wieder allesamt einen langsamen, grausamen Tod an den Hals wünschen. Nur schade, dass die Heldinnen nicht viel besser sind. Eine meiner Lieblingsszenen war, als die Lesbe von einem Afroamerikaner und einem Nahost-Immigranten als 'Fucking Freak' diskriminiert wird. Und wer jetzt denkt, dass das Rhetorik auf Seiten des Filmes war, der irrt. Die beiden sollten einfach nur Arschlöcher sein.
Die raren Sexszenen sind langweilig und ideenlos, und werden wie übrigens auch der komplette restliche Film von der deutsch-filmischen Zwangsstörung ruiniert, aller paar Minuten leblose Trap-Popsongs einzuspielen, die den Szenen die Chance nehmen auch mal für sich zu stehen. Eine ansprechende Cineastik gibt es nicht, keine Moral, keine mögenswerten Charaktere, keine schöne Romanze, keine Gesellschaftskritik, kein gar nichts. Im letzten Drittel schnallt sich Bonnie & Bonnie, im übrigen ein seltendämlicher und unpassender Name für diesen Film, dann nochmal ein obskures Thrillergewandt aus den
Untiefen des Fantasygenres auf den Rücken, das in einem ebenso vorhersehbaren, unverdaulichen und unglaublich-unkreativen Climax endet, den dieses Genre und Problemfilme im Allgemeinen eigentlich auch schon vor einem Jahrzehnt hinter sich gelassen haben, hier aber einen luftleeren Film passend beendet, alle Beteiligten sowohl in der Szene als auch hinter der Kulisse schlecht aussehen lässt und zusammenfasst, wie der deutsche Film an einem schlechten Tag funktioniert.
Der Rest der Welt: Lass uns eine lesbische Romanze mit aus dem Leben gegriffenen, sympathischen Charakteren inszenieren, in dem wir ihre Gefühlswelten, ihre Gedanken, Sorgen und wünsche respektvoll und zeitgemäß darstellen!
Deutschland: Lass uns eine lesbische Romanze inszenieren! Moment, ich check kurz auf TVTropes was man da so einbauen muss... ah ja... Konflikt mit Gesellschaft... konservativer Vater... eifersüchtiger Schlägerbruder... Magische Anziehungskraft zwischen Frauen... okay klar, machen wir, klingt einfach und wird bestimmt 'Mutig' genannt.
Bonnie & Bonnie hat keine Zielgruppe, weil der Film für niemanden etwas zu bieten hat. Er nimmt all die schlechten Elemente sowohl aus dem Romantik-, als auch dem Drama-Genre, mixt sie mit ein bisschen lesbischer Liebe, Ghettodrama und viel zu viel Musik und mischt daraus einen unbekömmlichen Cocktail, der mich schon nach zehn Minuten aufs Klo getrieben hätte, wenn ich mich nicht für diesen Text durchgezwungen hätte.
Ein schrecklicher, schrecklicher Film.
2 von 10 Huansöhne für Bonnie & Bonnie.
Tell it to the Bees (7 von 10)
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Tell it to the Bees, oder auch 'Der Honiggarten' wie der mal wieder weitaus weniger sinnvolle, unmelodische deutsche Titel mit dem bescheuerten Zusatz 'Das Geheimnis der Bienen' ist. Dieser Film war aus der Liste bisher der Stärkste, und ist insgesamt ein hochwertiges, anspruchsvolles Gesamtpaket für den reiferen Zuschauer.
Britannien in den 1950ern: Lydia, eine Singlemutter an der Armutsgrenze, die von ihrem Mann verlassen wurde und kaum die Miete zahlen kann, trifft auf die Ärztin Jeane, welche in der kleinen Ortschaft, die den Schauplatz des Films bietet, einen zwielichtigen Ruf hat. Sie kümmert sich um Lydias Sohn, und als Lydia und ihr Kind schließlich von ihrem Vermieter rausgeworfen werden, bietet Jeane ihr in ihrer Villa ein Zuhause - als Haushälterin, bald schon als Freundin, und vielleicht noch als mehr.
Tell it to the Bees ist eine hochwertige, historisch-romantische, britische Produktion, welche mit dem gewohnt-angenehmen, sepia-herbstlichen Farbfilter über allem so wie der unverkennbaren Mode jener Zeit den Charme der 50iger atmet. Während 'Mercy' ein Justizdrama und Bonnie&Bonnie ein Ghettodrama ist, ist dieser Film tatsächlich eine reine, lesbische Drama-Romanze. Es gibt nicht viele Nebenthemen abgesehen von einer Freundin von Lydia, welche mit einem dunkelhäutigen Mann liiert ist und von ihm ein Kind erwartet - auch sie wird Opfer der rigorosen Dorfgemeinde welche diese für alles 'Andersartige' schwierige Zeit symbolisiert. So gilt Ärztin Jeane noch immer wegen einem Vorfall mit einer Mitschülerin vor vielen Jahren als 'Pervers', nur widerwillig nimmt man ihre Dienste in Anspruch.
Die Romanze ist hier schon alleine durch die Tatsache, dass sie sich nicht durch testosterongesteuerte Teenagerinnen, sondern gereifte Frauen mittleren Alters zusammensetzt, die hier auch eine sehr glaubwürdige und nachvollziehbare Annäherung und Beziehung zueinander aufbauen, langsam und subtil. Beide Frauen sind fähige Schauspielerinnen, welche hervorragend darstellen wie schwierig und kompliziert es in dieser Zeit war, auch nur daran zu denken, eine andere Frau zu küssen. Somit ist 'Tell it to the Bees' der Archetype einer lesbischen Romanze, was überraschenderweise aber gar nicht negativ ist - noch nicht mal als tatsächlich und wortwörtlich die "Wir dürfen das nicht"-Karte gezogen wird. Der Film wirkt nicht abgestanden und diese Stelle war nicht albern, weil der historische und gesellschaftliche Kontext darum so glaubwürdig und atmosphärisch aufgebaut wurde. Die wenien Sexzenen sind ebenso geschmackvoll und ästhethisch, vor allem aber mit der nötigen Diskretion inszeniert. Man sieht nur, was man sehen muss.
Es stimmt, dass die ersten 30 Minutes des Filmes Sitzfleisch verlangen, dann aber auch wieder kann man das gleich über das gesamte Seherlebnis sagen. Dies ist weder ein einfacher, noch ein besonders unterhaltsamer Streifen. Ich will nicht sagen, es wäre wirklich anspruchsvolle Kost für Cineasten, aber man muss schon eine gewisse Ruhe, Neigung für betont-unaufgeregte Erzählungen und Sympathie für das historische Setting mitbringen. Der Film hat Anspruch, und wer sich nach zehn Minuten langweilt wird es auch nach 50, die Differenz ist da nicht so sonderlich groß. Ich aber habe die wohlüberlegte Erzählung genossen und nur selten Längen gespürt, weil die Chemie zwischen den beiden gereiften und auf ihre Weise charismatischen Hauptakteurinnen so gut geknistert hat. Und zwischendrin bekommen wir immer mal wieder ein bisschen Bienen-Trivia, was doch zumindest interessant sein kann.
Die Bilder und Szenen sind sehr hochwertig, das Umfeld bringt eine gute, rückblickende Atmosphäre herüber ohne zu sehr '50s!!!' zu brüllen, die sonstigen Charaktere sind allesamt im Guten wie im schlechten überzeugend - Sympathen ebenso wie jene kompromisslos-kleinbürgerlichen Konservativen jener Zeit, welche allem, das sie nicht verstanden, mit bildlichen und buchstäblichen Heugabeln begegneten. Die Musik, auch etwa in den Sexszenen, zeigt gut auf, wie man intensive Szenen stilvoll untermalen kann, ohne dabei ins Lächerliche abzudriften. Der Soundtrack wirkt dabei in seiner Ganzheit ebenso kultiviert und angenehm wie der Rest des Films.
Ein paar Schwächen hat 'Tell it to the bees' dann aber doch aufzuweisen. Das größte Problem im Film ist Lydias junger Sohn, Charlie, um den sich weite Teile der Erzählung und vor allem das Finale drehen, denn Lydia ist hauptsächlich nicht lesbisch oder Arbeiterin, sie ist allen voran liebende Mutter. Die Krux an Charlie als Charakter ist nicht, dass er nervig oder störend wäre, es ist vielmehr, dass er so überflüssig ist. Es hätte ihn in diesem Film, in dieser historischen Lesbenromanze die sich um die Situation von LGBT&Fremdenakzeptanz damals dreht, gar nicht gebraucht. Würde man ihn rausschreiben würde sich nicht viel ändern. Als er dann in der zweiten Hälfte aber auch noch an Relevanz gewinnt und mit seiner kindlichen Voreingenommenheit kurzzeitig die Sympathieleiter herunterpurzelt ist der Schaden komplett. Ärgerlich auch, dass seine Motivationen so inkosistent und schwer nachzuvollziehen sind - Mal mag er Jeane, mal hasst er sie, mal unterstützt er seine Mutter, mal seinen Vater, mal diskriminiert er Lesben, mal akzeptiert er sie. Hmn.
Der Film basiert auf einem vielgeschätzten Roman, was ich selbst erst danach erfahren habe. Da ich das nicht wusste kann ich nur den Film bewerten, den ich sehr gut fand, viele Bücherleser klagen aber (Natürlich) über eine unbefriedigende Adaption, die vor allem am Ende schwächelt. Negativ am Ende anzumerken ist, dass es eine übernatürliche Komponente in Zusammenhang mit den Bienen andeutet, die es so im Buch nicht gab und auch mir sauer aufgestoßen ist. Das Ende vom Ende ist bittersüß, und leider in seiner Dramaturgie ein unnötig eingesetztes Lesbenromanzen-Klischee aus grauer Vorzeit, das meilenweit absehbar ist, wo im Buch wohl ein reines Happy End stattfand. Dennoch muss ich sagen, dass die Botschaft zum Schluss sehr angenehm verarbeitet wurde und ich 'Tell it to the Bees' als angenehm-abgeschlossen empfunden habe.
Es gab da noch einen Subplot, welcher zum Schluss eine äußerst-verstörende Szene mit sich brachte und ehrlich gesagt wie ein Fremdkörper im Film wirkt, weil es so aus dem Nichts kommt, das war aber Teil der Verbildlichung der damaligen Verhältnisse mit Zero-Tolerance-Politik gegenüber dem 'Anderen'. Dennoch fühlte sich das sehr unsauber verkittet an. Ein starker, niveauvoller Film mit authentischer Romanze und nostalgischem Glanz, der nicht frei ist von Schwächen, diese aber mit viel Sorgfalt wettmacht. Hätte ich ohne Tipp nicht entdeckt, kann ich Freunden des gehobeneren Films und eben auch Fans lesbischer Romanzen sehr ans Herz legen.
7 von 10 Bestäubungen für Tell it to the bees.
Disobedience (3 von 10)
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Disobedience ist ein stummer und lethargischer Film. Während 'Tell it to the Bees' durchaus auch von Zuschauern mit kürzerer Aufmerksamkeitsspanne gesehen werden kann, ist dieser Film reines Cineasten-Filmfreund-Arthousekino. Dabei wird Disobedience seine Zuschauer wohl gespalten haben, denn während Filmkritiker, feinsinnige Geister und das gehobenere Volk diesen Film als gelungenes Vorzeigewerk von Unterdürckung und Befreiung bezeichnen, fanden die meisten 'gewöhnlichen' Leute ihn schlichtweg langweilig. Und trotzdessen, dass ich einen langsam-erzählten, subtilen Indiefilm immer zu schätzen weiß, muss ich mich diesem Eindruck anschließen. Disobedience ist unglaublich langatmig, viel, viel zu lang und stellenweise fast schon absurd-ereignislos, so dass sich die 115 Minuten anfühlen wie drei Stunden. Auch hier liegt wieder ein Farbfilter über allem, eine Entsättigung, welche wohl die Atmosphäre von Tristesse und Ausweglosigkeit des im Film zentralen, jüdischen Städtchens unterstreichen soll, im Gegenteil dazu aber dafür sorgt, dass der ganze Film noch lebloser und statischer wirkt. Dabei erwartet man das bei der Prämisse ja auch schon so:
Eine junge, jüdische Frau kehrt nach langer Zeit in ihr orthodox-geprägtes Kleinstädtchen zurück, weil ihr Vater verstorben ist. Dort trifft sie nicht nur auf alte Bekannte, die ihr mal mehr mal weniger freundlich gesinnt sind, sondern auch auf ihre Jugendfreundin, welche ihrerseits eine Gefangene dieses jüdischen Mikrokosmos ist, und die Gefühle der beiden Frauen füreinander flammen wieder auf - Gefühle, die hier natürlich keinen Platz haben, vor allem, wenn eine von beiden Frauen verheiratet ist. Es ist zwar schön, dass so einem eher nischigen Kontext wie einer jüdischen Gemeinde ein Film gewidmet wird, aber musste das wirklich genau so trocken passieren, wie man es von dem Thema erwartet? Wie bei 'Tell it to the Bees' und 'Mercy' gibt es hier ein übergeordnetes Drama-Thema, und zwar die Unterdrückung der Frauen in orthodoxen Gemeinen, doch die Romanze rückt stärker in den Fokus als etwa bei Bees - Schade nur, dass sie dennoch deutlich dünner erzählt ist. Es hilft der einschläfernden Wirkung von Disobedience nicht, dass sämtliche Personen vor allem in der ersten Hälfte des Filmes fast konsequent nur leise sprechen oder gar flüstern. Ist das ASMR, oder was?
Abgesehen von der trostlosen Gemeindestimmung, dem Freiheitsdrama und der gestelzten Romanze zwischen beiden weiblichen Hauptakteurinnen hat der Film nichts anzubieten, und diese drei Elemente überzeugen über weite Strecken des Films kaum.
Zwar gibt es hier und da mal eine schöne Aufnahme oder Einstellung, das Groß von Disobedience machen aber leblose Häuserlandschaften, leblose innenräume, leblose Charaktere und deren leblose Mienen aus - Ja, vielleicht mochte das zum Konzept gehört haben, doch dieses Konzept ging meines Erachtens nach nicht auf. Die Musik hilft der Unterhaltsamkeit oder Intensivität mit ihrer Abwesenheit in 80 % des Filmes nicht, das einzige Plus hier war der geniale Einsatz von The Cure, aber das ist auch einfach eine großartige Band. Nicht besonders aufmunternd, wenn ein eingespielter Song das beste musikalische Element ist.
Die drei Hauptcharaktere (Und der restliche Cast) spielen ihre Rollen soweit überzeugend und passabel, werden aber leider bis auf wenige, intensivere Szenen kaum gefordert, mehr zu tun als bedrückt zu gucken. Die beiden weiblichen Hauptcharaktere, die hier ihre lesbische Romanze wiederentdecken, haben leider absolut keine Chemie zueinander, was vermutlich ein Symptom davon ist, dass im ganzen Film keine Chemie existiert. Die wenigen Sexszenen hingegen sind dennoch herausragend geworden, weil sie wild, ehrlich und schmutzig sind. Mir gefiel, wie die stellenweise überbordernde Perversion des Liebesspiels (Stichwort Spucke) als bewusster Tabubruch und Kontrast zum eingeschnürten, freiheitslosen Leben der Frauen in dieser jüdischen Community von Anstand und Sitte inszeniert wurde, und darum umso ruchloser daherkam. Die Szenen sind schön, stimmig und respektvoll gegenüber den Akteurinnen. Doch das sind kleine Fragmente, auf die man lange wartet und die nicht ewig währen.
Denn das Ende von Disobedience folgt Konsequent der Lethargie des restlichen Filmes und stürzt - ohne Erklärung, völlig aus dem Nichts - in den uralten Lesbian Movie-Ending-Trope, wobei ihr euch vermutlich denken könnt, was ich meine. Mal wieder eine Romanze, die einfach nur dem Aufrechterhalten des Status Quo der Genreschwächen wegen ein Ende ruiniert, das hätte versöhnlich sein können nach einem aussagelosen Seherlebnis. Wie so oft fragt man sich nach einem dieser gedämpften, langatmigen Arthouse-Filme wenn die Credits anlaufen, wofür man eigentlich gerade 2 Stunden investiert und was man sich aus dem Film mitgenommen hat. Denn die Message von Befreiung, die am Ende ja doch nicht stattfand, kann es wohl kaum gewesen sein, und die hätte man auch in dreißig Minuten weniger unterbringen können. Die lesbische Romanze hat ihre schönen Momente, bietet ästhetische Szenen, verläuft sich letztendlich jedoch im Sande genau wie die restlichen, wenigen Handlungsstränge. Es ist ein nüchterner Film, der wenig anzubieten hat, und die Zeit insgesamt nicht wert ist. Allein dieses Review ist schon mehr, als man darüber sagen sollte.
Von mir gäbe es für Disobedience 3 von 10 Rotztropfen. Nicht empfehlenswert für irgendeine Zielgruppe, nicht mal die hartgekochtesten Cineasten. Auf der anderen Seite auch nicht offensiv und unerträglich wie Bonnie&Bonnie, wichtiger Unterschied. Disobedience tut keinem weh - er tut nur leider auch keinem gut.
Portrait einer Frau in Flammen (9 von 10) (Mittlerweile 10/10)
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Ich bin vollkommen überwältigt und ergriffen. Ich hatte erwartet, dass dieser Film aufgrund des unübersehbaren, überschwänglichen Presse-Echos seinerzeit gut ist, aber ich hatte sicherlich nicht damit gerechnet, dass er derart exzellent ist. Ich bin geneigt, ihm 9/10 Punkte zu geben, was ich wohl auch tun werde, womit es als meine neue, lesbische Lieblingsromance ‘Blue is the warmest Color’ mit 8/10 spürbar vom Thron gestoßen hat, und ferner eine der besten mir bekannten Filmromanzen überhaupt ist. Dieser Film ist in meiner Wahrnehmung sehr nah an einem Seherlebnis, das ich als ‘Perfekt’ bezeichnen würde. Ein gefühlvolles, zärtliches, anmutiges und kraftvolles Kunstwerk, das auf so vielen Ebenen überzeugt und mich begeistert. Spoilerfrei ist festzustellen, dass dieser Film kaum eine festgesetzte Zielgruppe hat abgesehen davon, dass man natürlich unaufgeregte, erwachsene Filme mögen muss. Ich bin ebenfalls dankbar, dass ich ‘Portrait’ im Zuge dieser Liste erst nach all den anderen Filmen gesehen habe, denn jetzt da ich mich ein wenig mit dem Genre der lesbischen Romanze auskenne kann ich umso mehr wertschätzen, wie herausragend dieser Vertreter hier doch ist. Er ist natürlich problemlos der mit meeresweitem Abstand der stärkste Film der Aufzählung.
Im achtzehnten Jahrhundert wird die junge Malerin Marianne auf eine Insel gerufen, um eine Adelstochter zu portraitieren - eine schwierige Aufgabe, weigert sich die zurückgezogene Héloïse doch strikt dagegen abgebildet zu werden, denn schließlich soll das so entstandene Portrait ihrem zukünftigen Zwangs-Ehemann als Schlafgemach-Anheizer geschickt werden. Marianne muss sich als ‘Aufpasserin’ tarnen, und ihr unwissendes Model in den kommenden Tagen genau beobachten…
‘Portrait’ besitzt die historische Komponente, welche auch ‘Tell it to the Bees’ ausmachte, wird aber weniger von ihr dominiert und von der fähigen Regisseurin moderner interpretiert, so dass es frei ist von der staubigen Sperrigkeit. ‘Portrait’ besitzt dieselbe ruhige Erzählweise wie ‘Disobedience’, vermag es im kompletten Gegenteil zu diesem Film allerdings, die Szenen mit fantastischen Akteurinnen und lebendigen Dialogen stets unterhaltsam zu gestalten. ‘Portrait’ besitzt den schwerwiegenden Konflikt eines ‘My Days of Mercy’, lässt diesen aber nicht die gesamte Stimmung des Filmes drücken und löst ihn poetischer auf, als man es sich zu Anfang hätte ausmalen können.
Kurz gesagt, es gibt kaum etwas auszusetzen. Die beiden wunderschönen Schauspielerinnen im Vordergrund haben jeweils eine eigene, ganz besondere Ausstrahlung, die sie in diesem Film von ‘gewöhnlichen’ Schauspielerinnen unterscheidet. Marianne ‘Noémie Merlant’ hat ein so einprägsames Gesicht und so charakteristische Augenbrauen, dass sie zusammen mit ihrer Verschlossenheit am Anfang fast maskulin wirkt, Héloïse ‘Adèle Haenel’ ist in der ersten Hälfte das faszinierende Mysterium, das unnahbar aufgebaut wird, und in der zweiten Hälfte eine avantgardistische, charismatische Lady, die man in jeder Szene gerne sieht. Während offensichtlich viele, lesbische Romanzen damit zu kämpfen haben, eine glaubwürdige, stimmige Chemie zwischen ihren Pärchen zu etablieren und halten, harmonieren Marianne und Héloïse vom ersten Moment an fabelhaft miteinander, und zunehmend, wenn sie füreinander auftauen. Beide Frauen sind intelligent, gerissen und humorvoll, so dass sie sich in vielen Momenten gegenseitig dekonstruieren oder in einer Art und Weise flirten, die man nicht mal unbedingt als Solches erkennt. Es macht Spaß, dieses permanente Kriseln zwischen den beiden zu sehen.
Es ist eine sehr angenehme Verflechtung mit dem Setting, dass sich alle Personen, ob Mutter und Tochter oder die Liebenden untereinander, mit ‘Sie’ ansprechen. Das ist abgesehen von der Kleidung und dem Schicksal Héloïses auch das Einzige, in dem sich das Setting bemerkbar macht. Sexszenen kommen so gut wie gar nicht vor, doch die Liebes & Kuss-Szenen sind vermutlich die Schönsten und Respektvollsten, die ich bisher in einer Romanze gesehen habe.
Der Film ist voll mit tollen Kulissen, schönen Hintergründen, spannenden Umgebungen und hochwertigen Bildern, welche die Kunstwerk-Funktion weiter unterstreichen. Eine Highlight-Szene reiht sich an die Nächste, ist die erste Hälfte auch noch äußerst zurückgenommen, entfaltet sich die positive Energie und die “Befreiung” Héloïses von ihrem Gram ob ihres Schicksals in der zweiten Hälfte vollständig. Ich könnte nicht sagen, welcher Moment mein Liebster war - Der Versuch des Pianospielens für Héloïse. Bewegen Sie sich nicht-Kuss. Lagerfeuer-Chor. Das Ende. Meine Güte, das Ende. Die zentrale Analogie im Film für die Romanze der beiden Frauen bildet die griechische Sage des Orpheus und der Eurydike, so dass wir auch noch einiges an mythologischem Trivia mitbekommen, doch wie sich diese Analogie auf absehbare aber herzzerreißende (Ein Wort das ich wirklich sehr selten verwende weil sein Klang so albern ist) Weise im Ende niederschlägt in einer intensiven Szene die zu dem Eindrücklichsten gehört was ich in jüngerer Vergangenheit gesehen habe, ist poetisch, vielfältig interpretierbar, niederschlagend, erhebend und generell einfach überzeugend. Und das OBWOHL hier einmal mehr - Überraschung, das weiß man schon nach zehn Minuten - der Lesbian-Bad Ending-Trope gezogen wird. Der wird hier aber nicht aus Prinzip gezogen oder weil jemandem nichts Besseres eingefallen ist, sondern als authentisches Statement der Lage von Frauen zu dieser Zeit. Ein Statement über die Ungerechtigkeit. In diesem Kontext ist der vorbildliche und geistreiche Einsatz der Musik im Film zu erwähnen, allen voran von Vivaldis ‘Sturm’.
Die Endszene bedeutet nichts, wenn man nicht die zwei Stunden vorher gesehen hat, aber alles, wenn man sie gesehen hat. Die Wahl eines Poeten oder eines Liebhabers?
Wenn ich überhaupt etwas kritisieren müsste, dann vielleicht, dass mir der Sprung der Gefühle von Héloïse für Arianne nach einem Drittel des Films vielleicht etwas zu plötzlich von ‘Gleichgültigkeit’ auf ‘Madly in love’ gegangen ist, aber das ist Kritik auf so hohem Niveau, dass es keiner der anderen Filme hier erreicht. Was mich tatsächlich gelinde gestört hat waren die ‘Weißen Visionen’ die nicht wirklich Sinn ergeben haben, uncanny-creepy aussahen und auch nicht nötig gewesen wären.
‘Portrait einer jungen Frau in Flammen’ mag mit seinem sperrigen Titel, seinem nischigenThema und seiner europäischen Herkunft vielleicht kein Blockbuster-Erlebnis sein, doch es stellt für mich eine der massenkompatibelsten und dennoch kunstvollsten Ästhetik-Romanzen der letzten Jahre dar, mit wichtiger sozialpolitischer Botschaft, unvergleichlich-charismatischen Heldinnen mit wundervoller Chemie, berührenden Romantik-Szenen, durchgehender Unterhaltsamkeit auf seichter Ebene und einem Ende, über das man noch sehr lange nachdenken kann und wird. Hier freuen sich nicht nur die Cineasten, hier wird kaum jemand ausgeschlossen, der feinsinnige, ruhige Filme ohne Action und Explosionen zu schätzen weiß. Allein, dass die Regisseurin mehrmals Jumpcuts(!!) verwendet um jede unnötige Zwischenszene rauszuschneiden zeigt, wie wichtig es ihr war einer drohenden Trägheit vorzubeugen.
Mal wieder ein glanzvolles Beispiel dafür, wo die Stärken des französischen Kinos liegen und das einfach kein anderes Land Romanzen so nahegehend inszenieren kann wie das der Liebe.
When you asked if I had known love. I could tell the answer was yes. And that it was now.
Starke 10 von 10 grüne Kleider für Portrait einer jungen Frau in Flammen.
Below her Mouth (4 von 10) - Sweden is the warmest country
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Below her mouth würde sich in einem Satz mit ‘Stereotypen - The Movie’ und in einem Wort als ‘Rau’ zusammenfassen lassen. Der Film besitzt die typisch-skandinavische Mittelwertigkeit und Entsättigung aller Farben, was dem Ganzen zusammen mit der sterilen Handlung und den kühlen Hauptcharakteren insgesamt einen leblosen Eindruck verschafft. Für mich ist es einer der schwächeren Filme dieser Aufzählung, und ich würde ihn nicht unbedingt als langweilig, wohl aber als zäh und prätentiös beschreiben. Es war der erste Film seit langem, den ich in der Mitte unterbrechen und am nächsten Tag weiterschauen musste, obwohl das auch daran gelegen haben mag, dass es spät und ich müde war. Wobei das auch bei ‘Portrait’ der Fall war. Außerdem habe ich ihn nach den ersten zwanzig Minuten nur weitergesehen, weil ich in im Rahmen dieser Liste bewerten wollte - Wie auch Bonnie&Bonnie.
Das wirklich Lästige an Below her Mouth ist die Tatsache, dass man versucht hat ‘Blue is the warmest Color’ dreist zu kopieren und zu reproduzieren, aber weder besteht die filmische Wertigkeit, hat der Regisseur das Feingefühl des französischen Vorbildes, noch kommen die beiden blassen und steretoypen Hauptcharaktere in irgendeinem Moment an das Charisma der französischen Schauspielerinnen heran. Dallas ist, wie schon auf dem Cover zu sehen, der Archetype der modernen Kampflesbe, und wächst auch leider nicht über dieses platte Klischee heraus. Jasmine ist die naive Lesbe in spe, der das alles nicht ganz geheuer ist. Einen übrigen Cast gibt es quasi nicht, es geht nur um die beiden Damen und ihre Beziehung zueinander, aber sie sind nicht ausdrucksstark genug um den Film zu tragen.
Die Sexszenen waren für mein Gefühl seelenlos und tröge, vor allem weil sich eine nach der Anderen davon aneinanderreiht, mit platten und abgestandenen Dialogen dazwischen. ‘Ich will dich nicht verlieren’. ‘Ich kann das nicht.’ Seufz. Das ist interessanterweise die erste lesbische Romanze, bei der ich dem zentralen Liebespärchen KEINEN Erfolg gewünscht und nicht mit ihnen gefühlt habe - Stattdessen galt meine Sympathie dem armen Ehemann von Jasmine, den sie hier einfach hinterrücks betrügt und als ‘Hat ordentlich Kohle’ abstempelt, das arme Schwein. In diesem Kontext konnte mir auch das Ende kaum etwas geben, und während Jasmine und Dallas zwar weit entfernt von einer Tumorfunktion wie Bonnie&Bonnie sind, sind sie genauso weit, wenn nicht weiter, entfernt von einer Emma und Adéle. Die Chemie zwischen den beiden mag in vereinzelten Momenten existent sein, doch die ganze Umgebung des Filmes ist so kalt und uninspiriert, dass das durchflutscht.
Musikalisch hat man bedauerlicherweise so einige Fehltritte in der Popsongauswahl, welche dann und wann nicht gut mit den Szenen harmonieren, dem ganzen Film fehlt es zudem an Eigenidentität. Was nicht kopiert oder bereits zehntausendmal besser präsentiert wurde, bleibt oberflächlich und unbefriedigend. Die einzige Szene die ich in dieser Hinsicht befriedigend fand war die Autoszene bei Nacht gegen Ende. Die hatte Alleinstellungsmerkmal, ist leider aber auch schnell wieder vorbei.
Am Ende von ‘Below her mouth’ bleibt das fade Gefühl der Mittelmäßigkeit im Mund zurück, vermischt mit der bitteren Note der misslungenen Kopie. Die moralische Untiefe des ruchlosen Betrügens gesellt sich hinzu, blanke, unsympathische Charaktere und eine Handlung, die wieder mal nichts zu sagen hat. Wäre schade, wenn das Cover das nicht schon versprochen hätte. Oh well.
Von mir 4 von 10 Dachdecker für Below her Mouth.
So, das war die erste Welle, weiter gehts. Ziehen wir vorher aber mal eine Statistik, wie viele der oben genannten, lesbischen Romanzen ein Bad Ending hatten: 4 1/2 von 6 Filmen.
Was der Romcom das kitschige Happy Ending ist, ist der lesbischen Romanze offenbar das Bad Ending - augenscheinlich müssen diese also zum Scheitern verurteilt sein, wegen der bösen, bösen Gesellschaft. Mal sehen, wie diese Statistik sich mit den kommenden Filmen weiterträgt.
Definitiv nicht sehen werde ich:
Spy Girls – D.E.B.S.
Guns for Hire
Better than chocolate
Lola
Wegen den fürchterlichen, fürchterlichen Covern. Interesse habe ich noch an 'Kiss me before it blows up' (Für den deutschen Titel möchte ich dem Verantwortlichen ins Gesicht schlagen) aber das wird vermutlich noch dauern bis der verfügbar ist.
Ich habe noch 2-3 weitere Sammelposts mir weiteren Reviews verfasst, aber das werde ich dann demnächst hier teilen, das reicht für den Anfang erstmal.
Ich hoffe, die Formatierung ist nicht zu schlimm, habe mir jetzt erstmal nicht die Arbeit gemacht, meine aufwändige Original-Formatierung bei jedem Review neu einzusetzen, die lässt sich leider nicht kopieren.
Teilt gerne eure Tipps!