Wohan
22.01.2016, 14:41
Nummer - 811919
Er steht am Straßenrand. Der warme Atem dringt schwer aus seinen Lungen
und kondensiert an der kalten Morgenluft.
Er stellt sich den Mantelkragenhoch und schnürt den alten rotbraunen Strickschal
enger um seinen Hals.
Sein Blick folgt trüb einer Kolonne aus Leibern in dünner Kleidung und müden
Füssen. Langsam kommen sie voran, im Gänsemarsch.
"Weiter, weiter," der Uniformierte treibt sie an.
Die Kinder stolpern ihren Eltern nach, die Händchen eingequetscht in denen der
Mütter, voller Angst sie könnten sie verlieren und nicht wieder finden.
Er blickt ihnen weiter nach.
Dieses Elend, er kennt es aus einer anderen Zeit, auch erst stand einst in Reih
und Glied und ging seinem Schicksal entgegen.
Ein Drahtzaun säumt die Straße, dahinter Verschläge. Ein Provisorium, nichts weiter.
Lange würden sie ohnehin nicht bleiben.
Der Weitertransport ist schon geplant.
Wie viele werden den Winter überleben? Er weiß es nicht, doch in seiner Zeit waren es wenige.
Die Registrierung geht schnell von statten, "Name, Alter, Herkunft ? Der Nächste !"
Dann werden sie in das umzäunte Lager gebracht und verschwinden aus seinem Blickfeld.
Nun sind sie nur noch Nummern. Nummern auf Listen. Listen in den Händen Anderer.
Nummern sind Zahlen, Zahlen die sich summieren.
Ist das Ergebnis zu hoch, muss reduziert werden.
Reduzierung bedeutet über Leben und Tot zu entscheiden.
Zahlen haben keine Gesichter, keine Geschichte, keine Zukunft außer Subtraktion.
Sie brauchen Platz für neue Zahlen.
Dunkler beißender Rauch steigt zum Himmel. Er riecht die Asche.
Wieder verbrennt ein Stück Zukunft für die Wartenden am Zaun.
Er schiebt sich den linken Mantelarm hoch. Die Haut ist faltig und wettergegerbt,
doch die Tinte der Tätowierung ist noch gut zu erkennen. Sie waren gründlich.
Eine sechsstellige Zahl.
Er dachte, es wäre vorbei. Das Land nun ein Besseres.
Das Martinshorn reißt ihn aus seinen Gedanken.
Er wird nachhause gehen. Der Rauch hinter dem Erstaufnahmelager breitet sich aus.
Heute Abend wird er es im Fernsehen hören, "Wieder ein Flüchtlingsheim in Flammen!"
Er steht am Straßenrand. Der warme Atem dringt schwer aus seinen Lungen
und kondensiert an der kalten Morgenluft.
Er stellt sich den Mantelkragenhoch und schnürt den alten rotbraunen Strickschal
enger um seinen Hals.
Sein Blick folgt trüb einer Kolonne aus Leibern in dünner Kleidung und müden
Füssen. Langsam kommen sie voran, im Gänsemarsch.
"Weiter, weiter," der Uniformierte treibt sie an.
Die Kinder stolpern ihren Eltern nach, die Händchen eingequetscht in denen der
Mütter, voller Angst sie könnten sie verlieren und nicht wieder finden.
Er blickt ihnen weiter nach.
Dieses Elend, er kennt es aus einer anderen Zeit, auch erst stand einst in Reih
und Glied und ging seinem Schicksal entgegen.
Ein Drahtzaun säumt die Straße, dahinter Verschläge. Ein Provisorium, nichts weiter.
Lange würden sie ohnehin nicht bleiben.
Der Weitertransport ist schon geplant.
Wie viele werden den Winter überleben? Er weiß es nicht, doch in seiner Zeit waren es wenige.
Die Registrierung geht schnell von statten, "Name, Alter, Herkunft ? Der Nächste !"
Dann werden sie in das umzäunte Lager gebracht und verschwinden aus seinem Blickfeld.
Nun sind sie nur noch Nummern. Nummern auf Listen. Listen in den Händen Anderer.
Nummern sind Zahlen, Zahlen die sich summieren.
Ist das Ergebnis zu hoch, muss reduziert werden.
Reduzierung bedeutet über Leben und Tot zu entscheiden.
Zahlen haben keine Gesichter, keine Geschichte, keine Zukunft außer Subtraktion.
Sie brauchen Platz für neue Zahlen.
Dunkler beißender Rauch steigt zum Himmel. Er riecht die Asche.
Wieder verbrennt ein Stück Zukunft für die Wartenden am Zaun.
Er schiebt sich den linken Mantelarm hoch. Die Haut ist faltig und wettergegerbt,
doch die Tinte der Tätowierung ist noch gut zu erkennen. Sie waren gründlich.
Eine sechsstellige Zahl.
Er dachte, es wäre vorbei. Das Land nun ein Besseres.
Das Martinshorn reißt ihn aus seinen Gedanken.
Er wird nachhause gehen. Der Rauch hinter dem Erstaufnahmelager breitet sich aus.
Heute Abend wird er es im Fernsehen hören, "Wieder ein Flüchtlingsheim in Flammen!"