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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Charakter-Design - Austausch



Pinguin mit Brille
05.10.2015, 14:52
Hallo zusammen!

Ich bin ein Nerd, wenn es um das Thema "Character Creation" geht. Archetypen, Designmethoden, Diversität, Farbgestaltung - das sind alles Dinge, die genau in meine Kante schlagen.
Deswegen habe ich auch das Bedürfnis, mich mit andren mich über das Thema auszutauschen.

Was ist euch wichtig, wenn ihr eure Charaktere entwerfen? (Das bezieht sich auch auf deren Charakter, nicht nur auf ihr Aussehen)
Wie versucht ihr, Charakter und Aussehen der Figur in einen passenden Kontext zu bringen?
Wo fangt ihr überhaupt an, wenn ihr euch neue Figuren ausdenkt für Spiele?
Habt ihr Tipps oder Anregungen?

Immer her damit, vielleicht kommen wir ja zusammen auf Ideen für neue Helden! :)

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Ich beginne einfach mal damit:
Ich versuche immer, das Aussehen und die Persönlichkeit der Figur getrennt voneinander zu entwickeln. Das eine kann das andere sehr leicht beeinflussen, deswegen lege ich einen der beiden Bausteine fest, bevor ich mich mit dem anderen befasse. Ein Charakter, der schüchtern und introvertiert ist, trägt zum Beispiel weniger auffällige Kleidung und Frisuren als extrovertierte Salonlöwen. Zudem lege ich persönlich Wert auf Vielfalt - ich habe sehr oft Angst, dass sich meine Figuren zu ähnlich sind, weswegen ich viel mit dem Aussehen experimentiere - was auch der Grund ist, warum ich meistens mit dem Äußeren anfange, bevor ich mich mit der Persönlichkeit befasse.

Shawn
05.10.2015, 16:06
Was Aussehen angeht nehm ich mir gerne Schauspieler und Sportler als Vorbild, natürlich nicht gleich welche die jeder auf den ersten Blick erkennt. Für mich ist nicht wichtig ob ein Charakter interessant ist sondern ob sein Hintergrund auch mit seinem Charakter übereinstimmt, ein Mr Bever kann nicht von ein auf die andere Sekunde John McClain werden.
Kleidung und Look kommt dann ganz von alleine wenn ich weiß wie der Charakter so drauf ist.

CensedRose
05.10.2015, 16:32
Ich habe meist immer schon eine gewisse Vorstellung meiner Charaktere.
Aber meistens ergibt sich alles nach und nach selber, während ich eine Idee für eine Geschichte ausarbeite.
Ab und zu kommt es auch einfach ganz spontan, so wie es in meinem jetzigen Projekt erst vor kurzem der Fall war ;)

Was das Aussehen betrifft bin ich leider aussen vor, denn ich hole mir meistens Character- und Facesets von Dritten, die zur Verfügung gestellt werden.
Charactersets kann ich ja noch selbst gestalten und verändern (Farbe etc.), aber bei den Facesets hört es bei mir auf, da ich leider überhaupt nicht gut darin bin,
solche zu erstellen. Das einzige was ich dort kann ist, die Facesets mit Mimiken zu erweitern oder sonstige kleine Änderungen vorzunehmen :\

Ansonsten bediene ich mich auch mal an den Face-Generatoren, von denen es einige im Web gibt, aber ansonsten hab ich da leider keinerlei Fähigkeiten dazu.

Cornix
05.10.2015, 16:38
Ich bin der Meinung, dass du nicht einzelne Charaktere, sondern die Gesamte Belegschaft in ihrer Gesamtheit betrachten musst. Zwischen Charakteren muss eine Interaktion und ein Austausch stattfinden, und über Zeit müssen spuren von dieser Interaktion zu finden sein. Zum Beispiel durch Charakterentwicklung, Änderung der Meinungen, etc. Du musst also den gesamten Cast so planen, dass es sowohl einen Grund dafür gibt zusammen zu bleiben, als auch genügend Konfliktstoff um für Diskussionen und Emotionen zu sorgen. Auf der anderen Seite muss man vorsichtig sein es nicht zu künstlich wirken zu lassen.

Mein persönlicher Geschmack ist es typische Tropes zu nehmen und zu versuchen sie so zu drehen und zu wenden, dass etwas unerwartet neues dabei herauskommt. Das wird natürlich zunehmend schwieriger je mehr andere Spiele es so machen.

Pinguin mit Brille
05.10.2015, 17:05
@Shawn:

Für mich ist nicht wichtig ob ein Charakter interessant ist sondern ob sein Hintergrund auch mit seinem Charakter übereinstimm

Stimmt, das ist auch ein wichtiger Aspekt. Es ist komisch, wenn du eine Figur hast, die z.B. in einem komplett anderen Kulturkreis aufwächst, sich aber nicht damit auseinander gesetzt wird. Wenn Elfen, die ihr Leben lang nur in Elfenstämmen gelebt haben, auf einmal kein Elfisch mehr verstehen oder lesen können. Das wäre ein starker bruch im Charakter -Design.
Es wäre aber auch ein interessanter Ansatz für neue Charaktere. Quasi mit Erwartungen spielen...

@CensedRose:
Ich bin wie oben gesagt jemand, der viel Wert auf die Aesthetik meiner Figuren legt, weil ich denke, dass das Aussehen und der Charakter sich gegenseitig beeinflussen. Deswegen entwerfe ich meine Figuren auch selber und mache Facesets - oder hole mir Hilfe bei meinem Schatz <3. FaceSets von Dritten oder FaceSet-Generatoren sind mir teilweise etwas zu Uncanny-Valley-ig, aber ich kann evrstehen, dass man darauf dann zurückgreift - es ist auch eine einfache Lösung für ein kompliziertes Problem.

@Cornix:
Du meinst, dass die Chemie in der Gruppe stimmen muss? Hmm, ja, ich denke, es sollte schon viele verschiedene Typen in einer Gruppe geben, schon alleine, weil das Konflikte hervor beschwört. das sit tatsächlich ein wichtiger Aspekt.

XD Bist du auch so einer, der TV Tropes ganz oben in seiner Favoritenliste im Browser hat? Ich geh da auch mal gerne durch. Es ist interessant zu sehen, wie oft man in Mustern denkt. Und sie bieten tatsächlich gute Vorlagen.

Cornix
05.10.2015, 17:19
XD Bist du auch so einer, der TV Tropes ganz oben in seiner Favoritenliste im Browser hat? Ich geh da auch mal gerne durch. Es ist interessant zu sehen, wie oft man in Mustern denkt. Und sie bieten tatsächlich gute Vorlagen.

Ich habe in der Vergangenheit einmal eine Zeit lang Nachtschicht geschoben. Zwischen 24:00 und 3:00 hat man viel Zeit um ein Trope nach dem anderen zu lesen.

Pinguin mit Brille
05.10.2015, 17:24
@Cornix:
Ich sollte vielleicht mal wieder etwas stöbern, nur um zu sehen, ob ich wieder eine Figur habe, die in das Schema passt.
Aber ja, Tropes auf den Kopf zu stellen ist keine schelchte Idee.
Ich weiss noch, dass ich den Twist bei FuM interessant fand, weil man selten einen Bösewicht spielt.

real Troll
05.10.2015, 21:00
Manchmal lasse ich mich von einem Charakterentwurf in die Welt ziehen, meist jongliere ich jedoch erst mit Spielwelt- und Spielmechanikvorstellungen, und entwerfe dafür dann Figuren. Die Grundgedanken sind zunächst oft recht ähnlich.

Integration:
Wer passt in die Spielwelt? Die Frage stelle ich mir, unabhängig, ob ich einen typischen Vertreter oder einen Außenseiter anstrebe, weil beider Status über die jeweilige Nähe zum Gängigen hergestellt wird. Auf die Weise gibt es eine Spirale naheliegende Figuren mit stetig abnehmender Plausibilität, je weiter sie von der skizzierten Mitte entfernt liegen.

Funktion:
Was für eine Art Spiel möchte ich? Welche Heldenfertigkeiten benötige ich dafür? Auf wie viele Helden sollte ich die Fähigkeiten aufteilen, um keine idealisierten Wunderwesen aus dem Bereich der fan fiction zu schaffen? Wenn es bereits etablierte Heldenklassen gibt, die mein Wunschfertigkeitenmischungsverhältnis unter einem Etikett versammeln (z. Bsp.: Hexe, Leutnant oder Konquistador), nutze ich die Bezeichnungen, um dem Spieler eine Orientierung bei den ersten Schritten im Spiel zu bieten und erfinde nicht etwa deswegen etwas Neues, um lediglich etikettenkreativ sein zu können.

Charakter:
Menschen sind unterschiedlich. Ich wähle die Eigenschaften aus, die zu den genannten beiden Punkten passen und von denen ich annehme, dass sie mich das kommende Halbjahr, die nächsten 2 Jahre - oder wie lange auch immer die Entwicklung des gerade aktuellen Projektes dauert - bestenfalls durchgehend interessieren würden. Ein Heldenentwurf, dessen Haupteigenschaften ich mitten in der Entwicklung überdrüssig würde, wäre nämlich das Aus für das Projekt.

Pinguin mit Brille
07.10.2015, 10:55
@realtroll:

Auf wie viele Helden sollte ich die Fähigkeiten aufteilen, um keine idealisierten Wunderwesen aus dem Bereich der fan fiction zu schaffen?

Du meinst im Sinne von Mary Sues/Gary Stus?
Ich muss sagen, davor haben viele Angst, weil diese Charaktertypen mit vielen Klischées belastet sind. Aber ich denke, sie bieten eine
gute Vorlage für interessante Figuren, wenn man das Konzept auf den Kopf dreht oder eben einen MS/GS-Charakter erst langsam aufbaut.
Was natürlich nicht heißt, dass sie nicht komplett beliebt oder fehlerfrei sein sollen.

real Troll
08.10.2015, 12:02
Genau solche "Mary Sue"-Charaktere meine ich, die mitunter eigene Ermächtigungsfantasien transportieren und die Verwechslung von Heldentum mit Makellosigkeit illustrieren. Erzählerisch fällt mir kein Positivbeispiel ein - was nicht heißt, es gäbe keines, zumal der Thread sicher nicht grundlos "Austausch" heißt.

Spielerisch habe ich mit diesem Charaktertypus weniger Probleme, denn wenn es die Spielmechanik zulässt (Elder Scrolls), habe ich mir meist selbst so einen Helden gebaut, um möglichst viel mit dem Spiel anstellen zu können. Das betrifft indes Soloheldenspiele. Dem typischen Makerspiel stehen solche Wunderwesen in meinen Augen im Weg, denn wozu brauche ich eine Gruppe, wenn ein Einzelner doch schon alles kann? Der Mary Sue bliebe so gesehen allenfalls der Posten als ordentliche Bösewichtin mit Härtegarantie im Endkampf.

Pinguin mit Brille
08.10.2015, 12:23
Wie gesagt, ich denken MS/GS bieten gute Charaktervorlagen.
Mir fällt allerdings spontan auch kein positives Beispiel ein, außer vielleicht der klassische "Ich bin eine geile Socke"-Charakter, der wirklich perfekt ist, bis er EINMAL auf die Nase fällt, und dann ist die Welt zerstört. Was jedoch auch weider ein Konflikt an sich ist.

Aber es leiden wirklich viele männliche Protags unter diesen Syntomen, wo sich der Plot einfach zu sie zurecht rückt, denn er ist der Held! Scheiss auf World-Building oder Magiesysteme! Protag-Bonus! das ist alles, was man braucht.
Wie Corti meinte, wichtig ist auch die Chemie in der Gruppe und dafür finde ich MS/GS wiederum sehr schädlich - denn ein Merkmal dieses Charaktertyps ist, dass alle diese Figur mögen (oder zumindest cool finden). Und wenn alle einen mögen und lieb haben, können keine große Entwicklungen mit der Figur gemacht werden.

Sephigruen
08.10.2015, 14:00
Was Sues und Stus angeht: Wenn man sich das im Spielverlauf aufbaut, arbeitet man ja daran, was der Sue-heit schon im Prinzip widerspricht. Eine echte Sue ist ohne eigene Anstrengung absolut OP und selbst wenn sie noch so großen Mist baut, zieht das keine negativen Konsequenzen nach sich. In einem vernünftigen Spiel ist das aber gegeben, ich kann in Fable II komplett hochgeputscht sein, aber wenn ich in ein Haus einbreche, kommt die Wache trotzdem.
Aber ja, etliche Leute haben panische Angst davor, dass ihre Charas Stus und Sues werden, während die meisten bei denen vorkommen, denen das am Hintern vorbeizieht. Man muss sich eben merken, dass der Charakter auch mal einen gravierenden Fehler machen sollte und den dann ausbaden muss. Dass die Begleiter nicht jede Tollpatschigkeit oder Zickigkeit total cutesy und/oder badass-schlagfertig finden. Großes Thema, über das sich schon endlos ausgelassen wurde, aber ich werde nicht müde.

Aber mal zum konkreten Thema. Oft genug kommen Charaktere mir also einfach zugelaufen und labern mich voll mit dem, was sie erlebt haben und erleben wollen. Beim Schreiben passiert das eher als beim Makern. Weil ich im Pixeln noch nicht soo gut bin, schau ich hier einfach Sets an, die zur Verfügung stehen, und die füllen sich meist wie von selbst mit Leben. Bis dann was wirklich Verwendbares vorhanden ist, braucht es freilich noch eine Weile an Arbeit, aber ich hab einen Ausgangspunkt.
Wenn es mal dazu kommt, dass ich mit Absicht einen Charakter entwerfe, beginne ich meist mit einer Charaktereigenschaft, die ich an mir kenne ... oder eben gar nicht kenne und dann macht es Spaß, sich hineinzuversetzen. Um daraus einen Plot zu kriegen, reicht es fast schon, zu schauen, wie der Chara sich mit dieser Eigenschaft in einer bestimmten Situation verhalten würde. Und darum ist genau das mein Tipp. Begabte Magieschülerin, die so schüchtern ist, dass es fast nicht mehr schön ist, wird in die große fremde Stadt geschickt, um ein für ein großes Fest wichtiges Artefakt zu holen, das da im Tempel aufbewahrt wird. Anstatt jemanden zu fragen, wird sie eher durch die Straßen irren und versuchen, es selbst zu finden. Was dabei alles passieren kann! Zu sehr von sich selbst überzeugter Banditenhauptmann, der aus Gründen in die Party kommt, stürzt sich in ausnahmslos jedes Gefecht, wo Worte eindeutig mehr bewirkten, und hält jeden für einen Feigling, der nicht vor der ersten Frage schon zweimal zugeschlagen hat. Das schreit doch nach abenteuerlichen Situationen!
Aussehen bringen sie meistens mit, natürlich passend zum Charakter (und am besten der entsprechenden Kultur). Meine eigenbrötlerische, viel herumgereiste magische Tierärztin, die jedes rieisge Fusselbiest trotz oder gerade wegen der Zähne und Klauen knuddeln will, ist eben ein bisschen mit Narben übersät und in ihren Taschen kreucht und fleucht alles Mögliche.
Das kommt alles mehr oder weniger mit der Zeit, ohne dass ich mir da bewusste Gedanken machen würde, eher nehm ich alle Impulse, die so kommen, in meinem Beispiel meist von meiner Freundin, gern auf und seh, wie sich das entwickelt.
Bei kurzweiligen Projekten hingegen reichen mir gröbere Umrisse, die sich ausdruckstark umsetzen lassen, da muss es keine Charakterstudie sein.
Zu alldem möchte ich erwähnen, dass es bei mir eben meist so herum abläuft, ich schreib den Plot nach den Charas. Man kann sich auch ein beliebiges Szenario hernehmen, das man gern ausbauen und umsetzen möchte, und über die Frage, wem man diese und jene Aufgabe anvertrauen würde und wer noch alles hereingestolpert kommen kann, zu den Charakteren kommen.

Cornix
08.10.2015, 14:06
Wie gesagt, ich denken MS/GS bieten gute Charaktervorlagen.
Mir fällt allerdings spontan auch kein positives Beispiel ein, außer vielleicht der klassische "Ich bin eine geile Socke"-Charakter, der wirklich perfekt ist, bis er EINMAL auf die Nase fällt, und dann ist die Welt zerstört. Was jedoch auch weider ein Konflikt an sich ist.

Aber es leiden wirklich viele männliche Protags unter diesen Syntomen, wo sich der Plot einfach zu sie zurecht rückt, denn er ist der Held! Scheiss auf World-Building oder Magiesysteme! Protag-Bonus! das ist alles, was man braucht.
Wie Corti meinte, wichtig ist auch die Chemie in der Gruppe und dafür finde ich MS/GS wiederum sehr schädlich - denn ein Merkmal dieses Charaktertyps ist, dass alle diese Figur mögen (oder zumindest cool finden). Und wenn alle einen mögen und lieb haben, können keine große Entwicklungen mit der Figur gemacht werden.

Ich preferiere es, den Hauptcharakter meiner Spiele immer als den schwächsten im Kampf zu entwickeln. Der Punkt ist nämlich, dass der Held nicht deswegen der Anführer ist, weil er der stärkste ist, sondern weil er gut führen kann und Menschen um sich schart. Der Hauptcharakter ist in der Lage Freunde oder Mitstreiter zu finden, welche für sie / ihn kämpfen. Der charismatische Anführer, welcher andere inspiriert.

Vielleicht hilft es ja anderen ihre Heldentruppen auch einmal auf diese Art aufzubauen.

Pinguin mit Brille
08.10.2015, 15:34
Ich glaube, ein Problem, dass viele junge Storyteller haben, ist ihren Figuren wehzutun oder ihnen Probleme zu machen. Wodurch eben oft MS/GSs entstehen.
Statt ihnen Konflikte, Probleme und Schwierigkeiten - und damit Tiefe - zu geben, wollen sie dass ihren "Babies" nichts passiert und sie in Watte einpacken.

Nagasaki
08.10.2015, 17:01
Ich wäre da eher vorsichtig eine solche Annahme über "junge" Storyteller zu äußern. Auf welche Personengruppe beziehst du dich da?

Im Grunde würde ich dir erstmal widersprechen. Wer sagt denn, dass es so ist? Lässt man sich nicht eher als unerfahrene Person von äußeren Einflüssen leiten? Wenn ich mir hobbymäßige Geschichten in den verschiedensten Bereichen (Fanfictions, Comics, Videospiele) anschaue, da wird man mit Dramatik geradezu erschlagen. Da drücken die Schreiberlinge ihre Schützlinge und Lieblinge mit dem Gesicht geradewegs in die - Verzeihung - Scheisse.
Denn so kennt man es aus den Medien. Vor allem die Hauptfigur bluten lassen.

Pinguin mit Brille
08.10.2015, 17:07
Ich wäre da eher vorsichtig eine solche Annahme über "junge" Storyteller zu äußern. Auf welche Personengruppe beziehst du dich da?
Leute, die wenig bis gar keine Erfahrungen haben, was Storytelling angeht.
Sorry, der Begriff "jung" ist da denke ich falsch gewählt - unerfahren wäre besser gewesen. ^^; Ich meine, schau dir Shades of Grey an. Das ist eine Twilight-FanFiction, die von einer Mitte-40-Jährigen geschrieben wurde, und es sit eins der schlimmsten Bücher, die ich je in den Händen gehalten habe! Alter it kein Mass für gute Charaktergestaltung...

Und die Leute, bei denen du solches Material findest, haben schon viel Erfahrung mit Dramaturgie gemacht. Niemand wird als der perfekte Autor geboren, das verlangt Training und Belesung, wie bei einem Muskel.

Shawn
08.10.2015, 18:07
Ich gebe den Pinguin recht, grade wenn man in Richtung Foren RPGs usw. geht neigen viele dazu ihre Selfinsert Charaktere möglichst cool und Edgy zu gestalten.

Charaktere brauchen Ecken und kannten manchmal mehr, manchmal weniger und manchmal keine es kommt ganz darauf an was man mit dem Charakter anstellen will. Aber man sollte bereit sein dem Charakter auch was anzutun, ich finde es zb. immer interessant meine Charaktere in Situationen zu werfen mit denen sie nicht klar kommen um sie daran entweder wachsen oder zerbrechen zu sehen.

Es verlang vor allem Passion und eigenes Interesse, man hört oft von Schauspielern wie sie sich in ihre Charaktere rein versetzen zu versuchen und in Interviews dann ihre Gedankengänge zu erklären und genau das muss man können wenn man Geschichten schreiben will. Der Leser muss nicht wissen was die Person denkt oder warum sie so handelt aber als Autor sollte man seine Charaktere gut kennen.

Pinguin mit Brille
08.10.2015, 18:21
@Shawn: Richtig. Man sollte auf alles gefasst sein, was seine Figuren angeht, selbst wenn es vielleicht nie vorkommen wird.
Man muss damit leben, dass man Dinge auch streichen muss, wenn es z.B. die Engine nicht erlaubt oder die Story zu lang wird. Und das gilt auch für Charaktere!

Ich bin selber opfer von Self-Inserts gewesen, aber ich habe daraus gelernt, wie ich Figuren entwickele, die nciht edgy/coole Klone meienrselbst sind.

Shawn
08.10.2015, 18:49
@Pinguin: Ich bin da eigentlich immer mit viel Freude dabei wenn einer meiner geliebten Charaktere was aufs Maul bekommt oder gar stirbt, solange das irgendwie Relevanz hat oder andere Charaktere weiter auf/abbaut. Charakterentwicklung ist da das Stichwort, sie sollten ja im Idealfall mit dem Spieler wachsen (wenn es der Hauptcharakter ist) oder ihn ein Leitfaden sein.

Ich habe.. dadurch viele gute Mitspieler verloren.

Pinguin mit Brille
08.10.2015, 19:43
@Shawn:
I feel you. geht mir ähnlich.
Ich weiss noch, dass ich mit meinem Partner Tentakelgottheit über unseren Webcomic geredet haben. Under MainChar ist eine der getrettesten Hunde der Welt. Alleine schon wie und warum er seinen Arm verloren hat...
Und all die dramatischen RPs der Vergangenheit Y_Y

Shawn
08.10.2015, 19:54
@Pinguin:
Harter Hund Charakter verliert einen Arm und heult nur noch rum. Eine Shawn Produktion.
Ich mochte Foren RPs aber das ganze gebashe über 'muh ich mag nicht wie du Spielst' und 'Mein Char sollte immer gewinnen weil er Badass ist! Schau er hat diesen Emo aus Naruto als Avatar' ging mir so auf den Keks das ich eines Tages einfach weg war.

Aber Back to Topic:
Gibt irgendwelche Charakter Stereotypen die euch auf die Nerven gehen?

Pinguin mit Brille
08.10.2015, 20:38
@Shawn:
Klingt doch ausbaufähig XD
Aber ja, das kann ich verstehen. ich habe auch eine Zeit lang RP-t, hab's aber dann irgendwann aufgegeben, weil die meisten Leute irgendwann einfach nicht mehr geantwortet haben oder so flache Charaktere gespielt haben, da wäre jede Pizza neidisch gewesen.


Gibt irgendwelche Charakter Stereotypen die euch auf die Nerven gehen?
Ich mag eigentlich alle Charaktere nicht, die auf Stereotypen basieren, und nicht darüber hinaus gehen und damit diesen Stereotyp nur nochmal unterstreichen. Man denke z.B. an "Schuh des Manitu" - so sehr ich den Film mag, Winnetouch ist ein laufender Schwulen-Stereotyp und die Darstellung der Nativ-Amerikanischen Stämme ist auch nicht gerade historisch korrekt.

Figuren, die auf einen einzigen Charaktertrait runter reduziert sind und das immer wieder und wieder aufgebracht wird, wie ein alter Witz über den niemand mehr lacht, finde ich auch nicht besonders spannend - das trifft besonders auf so Klischeé-Bösewichte zu. "Warum tust du das?" - "Weil ich es kann!". Seufz. Wie spannend.

real Troll
09.10.2015, 07:58
Gibt irgendwelche Charakter Stereotypen die euch auf die Nerven gehen?
Altkluge Kinder, die den schwer zurückgebliebenen Erwachsenen erklären, was zu tun sei, habe ich mir zu mögen inzwischen gründlich abgewöhnt. Mutmachercharaktere für Randgruppen haben bei mir mittlerweile ebenfalls einen schweren Stand, wenn sie die aufdringlich pädagogisierende Spielart verkörpern.
Wie so oft ist es eine Frage der Machart und ich denke, man könne so ziemlich jeden Stereotyp verwenden, solange sie dem Spiel etwas hinzufügen. Ob sich hierbei die funktionale oder die narrative Integration besser auswirkt (einmal: Was kann die Spielfigur?; dann: Was erzählt sie mir?), hängt wiederum vom Spielzuschnitt ab. Reine Selbstzweckrepräsentanten müssten schon von einem talentierten Inszenator aufgeführt werden, der weiß, wie man wirkungsvoll Stil über Substanz stellt, um mir zu gefallen. 80er-Jahre-Action ist da ganz weit vorn ("Aliens"!).

Wann man seine Figuren aus den eingeführten Stereotypen entlässt (bevor man eine Erwartung bricht, sollte man sie erstmal aufzubauen verstehen), ist gar nicht mal so einfach zu entscheiden. Selbst Drehbuchprofis patzen. Als beispielsweise in "Star Trek - Into Darkness" ausnahmslos alle wichtigen Figuren - die Helden, der Schurke, die Harten, die Zarten, die Gefühligen, die Logiker - ihre Tränenkullerszene zu spielen hatten, dachte ich: Dann bleibt lieber in euren Schubladen. Darin habt ihr mir besser gefallen.

Pinguin mit Brille
09.10.2015, 10:49
@realTroll:
Naja, über "Into Darkness" kann man allgemein diskutieren, ob das noch viel mit Star Trek zu tun hat und Gene Rodenberry's Grundidee der eigentlichen Serie XD Aber ja, ich verstehe, worauf du hinaus willst. Es ist schwer, allen Charakteren die gleiche Aufmerksamkeit oder Bedeutung für den Plot zu geben wie dem Hauptcharakter.
Man sagt ja immer, man sollte jede Figur so behandeln, als ob sie der Held der Geschichte wäre, aber ich finde das persönlich ziemlich schwer.

Pinguin mit Brille
13.10.2015, 21:35
So, um diesen Thread mal wieder ins Laufen zu bringen:

Habt ihr ein Design-No-Go?

Cornix
13.10.2015, 21:43
So, um diesen Thread mal wieder ins Laufen zu bringen:

Habt ihr ein Design-No-Go?

Schwache Protagonistinnen, die von einem Helden gerettet werden müssen.

Cyangmou
14.10.2015, 01:08
So, um diesen Thread mal wieder ins Laufen zu bringen:

Habt ihr ein Design-No-Go?

Ich finds grad bei Videospielen her von nem charakterdesigntechnischen Standpunkt her sehr schlecht, wenn das Gameplay und die vom Charakter vermittelten Werte/Weltanschauung nicht zusammenpassen.

No-Go: diese Punkte außer acht zu lassen
1) Ein Charakter muss während des Spiels genug Möglichkeiten haben inszeniert zu werden und sich selbst zu inszenieren. So dass er dem Spieler während Story und Gameplay nähergebracht wird.
je komplexer der/die Charaktere, desto mehr Mühe muss in diesem Sektor investiert werden.
2) Auch Gameplay, und wenns nur sowas simples wie Waffenauswahl, oder wie ein Charakter mit irgendwas interagiert (ein item das er in der Spielwelt finden kann, oder den Satz den er von sich gibt wenn er was nicht verwenden kann) ist Charakterdesign.

z.B.: man spielt den gerechten strahlenden Ritter als Helden und trotzdem lootet man alles, was nicht niet und nagelfast ist und bei Kämpfen kann man davonrennen, wär vllt die Wahl eines Söldners als Charakter eine bessere Wahl für dieses Spiel. Hätte man doch lieber nen Ritter, sollte das Spiel darauf aufgebaut werden auch heldenhafte Taten zu vollbringen. Viele Spiele beschäftigen sich mit Fantasieerfüllungen und Ritter, Piraten, Soldaten etc. sind in ihrer romantisierten Form halt mal sehr ansprechend und sehr gut für Spiele geeignet.

Shawn
14.10.2015, 09:26
@Cornix
Das kommt wieder ganz drauf an wie man diesen Charakter an den Spieler verkauft, im klassischen RPG ist die Prinzessin immer ein Objekt der Begierde was im richtigen Setting garnicht so falsch ist, schließlich hat man sich damals schon für die Gunst einer Dame aufs Maul gehauen.
Ich würde gerne mal einen Dating Simulator spielen in dem man als Frau die Männer manipuliert damit sie um die eigene Gunst kämpfen.

Alles was Cyangmou gesagt hat auf jeden fall.

Für mich sind es Charaktere die nicht genug Ausgearbeitet sind oder Out of Character agieren, spricht: Arschloch der Gruppe wird aufeinmal freundlich nur weil es der Plot grade verlangt. Da wären wir schon bei Punkt 2, Charaktere einen Plot tragen lassen in dem sie immer wieder Kleinigkeiten erwähnen die im Kontexr keinen Sinn machen.
Dann wärem da noch Infodump Charaktere die ansonsten keine weitere funktion haben und NPCs die rumstehen um die Map zu füllen und irgendwas von sich geben das nichts mit der Welt zutun hat.

Cornix
14.10.2015, 10:21
@Cornix
Das kommt wieder ganz drauf an wie man diesen Charakter an den Spieler verkauft, im klassischen RPG ist die Prinzessin immer ein Objekt der Begierde was im richtigen Setting garnicht so falsch ist, schließlich hat man sich damals schon für die Gunst einer Dame aufs Maul gehauen.
Ich bin solche Charaktere einfach schon satt. Und genauso auch das extreme Gegenteil mit den super starken super individuellen weiblichen Charakteren nur um das vorherige Trope zu vermeiden.
Ich will schlichte Charakere mit glaubwürdigen Beziehungen zueinander.

Pinguin mit Brille
14.10.2015, 12:22
@Cornix: Der Damsel-Trope ist wirklich sehr stark kritisiert. Ich bin auch kein großer Fan davon...
Für mich ist es einfach am Wichtigsten,dass World-Building und Charakter-Design aufeinander angepasst sind, wie @Cyngmou meinte. Dass sich die Charakter nicht mit der Welt widersprechen.

Larsonis
18.10.2015, 21:50
Design-No-Go:
- Oversexualized (Quiet aus MGSV *hust ...*)
Reißt mich einfach ziemlich aus der Immersion, wenn Mrs. Skimpy Feet im Heli vor mir rumtänzelt. Zähle aber generell Fanservice-Chars dazu, die auch rein optisch einfach völlig fehl am Platz wirken können.
(Packe da auch mal etliche DLC-Outfits aus JRPGs dazu)

- Etwas krass übergreifend, aber Charaktere die sich einfach zu sehr nach Videospiel anfühlen. Was vor ein paar Jahren noch echt ok war, ist in Zeiten von Last of Us und Konsorten schon sehr störend.
Primär fast alles, was heutige RPGS und JRPGS an Charakter Rostern abliefern, bietet weder Tiefe noch nachvollziehbare oder interessante Emotionszüge.
Habe als Beispiel mal ins neue Tales-Spiel reingeschaut ... ungefähr seit 10 Jahren das selbe Team, nur anders gekleidet. Schreckt mich teilweise schon zu sehr vom Kauf ab.

StorMeye
18.10.2015, 22:43
Bei mir braucht es immer ziemlich lang, bis eine Figur vor meinem geistigen Auge entsteht. Meistens weiß ich lange nicht, wie die Figur aussieht. Als erstes entwerfe ich immer die Backstory der Figur. Die muss dann in die Spielwelt eingebettet und dort irgendwie "relevant" sein. Dann denke ich mir aus, wie und wo man die Figur trifft.
Was ich gar nicht mag, ist, wenn eine Figur dann zum Team gehört und sich plötzlich völlig dem Team unterordnet. Figuren sollten auch immer eigene Ziele und Wege haben, die nicht unbedingt mit denen des Spielers übereinstimmen müssen. Wenn ein Teammember nur ein verlängerter Arm des Spielers ist, hat es eigentlich keinen wirklichen Charakter.
Einflüsse auf die Figuren kommen bei mir aus den verschiedensten Ecken, ich mag zum Beispiel mythologische Referenzen gerne (griechische Mythologie z. B.). Aber auch Märchen kommen vor. Die Einflüsse verschmelzen dann zu einer Figur.
Außerdem achte ich immer darauf, dass das Verhältnis zwischen männlichen und weiblichen Figuren ungefähr ausgeglichen ist.

Design-No-Go? Bauchfreie Rüstungen im Mittelalter-Setting.

Seltsamurai
19.10.2015, 09:26
Ich teile Charaktere erstmal in drei Gruppen ein, um zu schauen, wie sehr ich sie ausarbeiten muss: Statisten, NSCs und Protagonisten/Antagonisten

Statisten:
Statisten dürfen nicht ausgearbeitet werden und dürfen auch nicht interessant sein. Sie dürfen den "echten" NSCs oder Antagonisten nicht die Show stehlen. Sie brauchen oft nichtmal ein Bild oder einen Namen. Würde jeder in der Spielwelt Namen und Bild haben und erstmal 20 Minuten über seine schwere Kindheit reden, würde man den eigentlichen Plot aus den Augen verlieren und man könnte sich als Spieler auch nicht orientieren, was jetzt wichtig ist. Manche meinen ja, wenn möglichst viel/alles ausgearbeitet ist wirkt die Spielwelt kohärenter und schlüssiger, aber das ist ein Irrglaube. Wenn ihr in eine Kneipe geht, wisst ihr ja auch nicht automatisch, wie der Wirt heißt und er erzählt euch auch nicht gleich von den Problemen mit seiner Frau. Das kann man natürlich gerne hier und da mal ins Spiel einbauen (dann wäre es ein NSC), aber Statisten sollen einfach "ihren Job erledigen" und beschäftigt tun, haben vielleicht noch einen "Einzeiler" als Text (z. B. nach Hilfe rufen oder im Geschäft vor dem Regel "Hmm, was nehme ich den nun?" sagen), das war es. Wichtig bei Statisten ist nur, dass sie nicht einfach nur rumstehen (stellt euch mal einen Film vor, wo die Statisten einfach nur stehen), sie müssen irgendwo hingehen, was betrachten, sich unterhalten, etwas reparieren, etwas im Gasthaus essen (...), damit die Kulisse glaubhafter wird.

NSCs:
Alles, was eine Funktion für die Geschichte hat und nicht beliebig austauschbar ist, ist ein NSC. Diese sollten interessant sein und brauchen einen Wiedererkennungswert. Beispiel: "Tamgur, der Barbar" ist groß, muskulös und hat eine dicke Streitaxt... ...der Wiedererkennungswert ist gleich Null, da quasi alle Barbaren groß, muskulös und mit Äxten bewaffnet sind. Er braucht eine Besonderheit, die ihn erstmal speziell und unterscheidbar macht. Vielleicht hat er einen Falken, vielleicht eine Augenklappe oder ein Ohr fehlt, vielleicht stottert er oder beendet Sätze oft mit "...bei der Seele meines Großvaters!". Wichtig ist, dass man es nicht übertreibt. Eine Sache reicht völlig. Das ganze dient erstmal als Gedächtnisstütze. Der Spieler soll später im Kopf haben "Tamgur? Das war doch der Kerl mit dem Falken, oder?".
Dann braucht jeder NSC 2-3 Sätze, die ein paar Adjektive enthalten und seine Funktion beschreiben, z. B. "Ulrik ist ein misanthropischer, griesgrämiger Alchemist, der einsam in einer Hütte im Wald lebt. Er erklärt sich widerwillig bereit, die Krankheit von XY zu heilen, verlangt dafür aber..."
Wenn man den Satz hat, kann man beliebig weiter in die Tiefe gehen. Warum ist er eigentlich griesgrämig und lebt alleine? Vielleicht ist seine Frau gestorben und er hat das nicht verkraftet. Was könnte er von den Helden verlangen? Vielleicht konnte er die Leiche seiner Frau nie finden/begraben, vielleicht will er, dass sie ihren Tod rächen. Vielleicht verlangt er auch, dass die Charaktere eine Pflanze finden und die Charaktere finden heraus, dass man diese braucht um ein Gift herzustellen, weil er plant, den Fürsten zu vergiften, welchem er für den Tod seiner Frau verantwortlich macht...
NSCs können auch gerne mal klischeehaft sein, solange man nicht nur Klischees in seinem Spiel hat. Besser ist aber, ein Klischee mit einem kleinem Twist oder einer Besonderheit aufzuwerten.

Protagonisten / Antagonisten:
Die Hauptfiguren müssen "Tiefe" besitzen und richtig ausgearbeitet werden. Den Antagonisten würde ich hierbei die gleiche Aufmerksamkeit wie den Helden widmen. Nichts ist langweiliger, als "der böse Schwarzmagier Xerathes will den Dämon Zuligor beschwören, weil... .... ... ...naja, Xerathes ist halt echt böse!". Xerathes braucht eine Motivation, das zu tun... ...wenn man im Spiel herausfindet, das Xerathes sich rächen will und man die Motivation vielleicht nicht gutheißen, aber zumindest nachvollziehen kann und man nach und nach immer mehr über die Vergangenheit des Antagonisten herausfindet und man nachvollziehen kann, warum der Kerl vom Heilmagier des Königs zu seinem erbittertsten Feind wurde (und man nebenbei herausfindet, dass der König, den man bis eben für gütig und weise hielt, doch Dreck am Stecken hat)... ...dann wird das Spiel ungleich interessanter.
Hier geht man auch wie bei den NSCs von einem Konzept aus und stellt die ganze Zeit W-Fragen an einzelne Worte: Aus dem Satz "Schüchterne Illusionsmagierin, die den Mörder ihrer Eltern finden will" kann man z. B. die Fragen entwickeln -> "Warum ist sie schüchtern?", "Warum Illusionsmagie?", "Warum wurden ihre Eltern ermordet?", "Waren die Eltern reich, arm, adelig, politisch aktiv, hatten sie Feinde...?", "Wie heißen die Eltern eigentlich?", "Was ist die letzte Erinnerung an die Eltern?" (...)
Die obligatorischen "10 bzw. 20 Fragen", die man bei vielen Pen&Paper-Rollenspielen am Ende der Charaktererschaffung findet, sind auch ganz gut geeignet, die Lücken zu füllen, nachdem das grobe Konzept steht.
Wichtig ist auch, dass jeder einen Vorteil/Tugend/Gute Eigenschaft und einen Nachteil/Flaw/Negative Eigenschaft hat. Das macht die Charaktere nicht nur griffiger und realistischer, sondern erhöht den Wiedererkennungswert und man weiß, wie man die Dialoge schreiben kann, wenn der Charakter halt schüchtern, arrogant, naiv, herschsüchtig, militärisch gedrillt, albern, jähzornig (...) ist.

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Das ganze lässt sich dann etwa auf drei Sätze herunterbrechen.
1.) Charaktere (ausgenommen Statisten) müssen etwas haben, bewirken oder erreichen wollen und eine Funktion haben.
2.) Ihre Handlungen und Motivationen müssen schlüssig und nachvollziehbar sein.
3.) Dabei müssen Charaktere interessant und besonders sein und einen möglichst hohen Wiedererkennungswert haben.

DESIGN-NO-GOs wären dementsprechend:
1.) Charaktere, die weder Ziele noch Persönlichkeit haben.
2.) Charaktere, deren Motivation unklar oder nicht nachvollziehbar ist ("Hallo, ich bin Rymus, der Krieger, und natürlich schließe ich mich eurer Heldengruppe an, weil... ...hmm... ...ihr seht halt nett aus! Egal, ich bin dabei!")
3.) Alles, was langweilt und schon zig mal dagewesen ist, ist ein No-Go. ("Hallo, ich bin Rymus, der Krieger... ...ich habe ein Schwert und ein Schild und ein Kettenhemd. Was es noch zu mir zu erzählen gibt? Hmm... ...naja, ich mag keine Orks. Oh, und auf Level 8 lerne ich den Wuchtschlag-Skill.")

Shawn
19.10.2015, 09:38
>1.) Charaktere, die weder Ziele noch Persönlichkeit haben.
Ich finde das Gimmick eines Ziellosen Helden der versucht sich selbst zu finden sehr interessant, am besten wenn sowas mitten im Spiel stattfindet, es ist eine Art Bruch die auf einmal viele neue Möglichkeiten bietet.

Seltsamurai
19.10.2015, 10:21
Ich finde das Gimmick eines Ziellosen Helden der versucht sich selbst zu finden sehr interessant...

Dann hat er zumindest das Ziel, sich selbst zu finden... ;)
Brüche sind natürlich gut, haben aber eher was mit dem Plot-Design als mit dem Charakterdesign zu tun (wobei es da natürlich Überschneidungen gibt).
Beispielsweise wen ein Charakter ursprünglich das Ziel hatte, den Tod seiner Eltern zu rächen... ...dann aber in der Mitte des Spiels feststellt, dass seine Eltern gar nicht ermordet wurden oder voll die Arschlöcher waren und den Tod verdient haben oder er findet den Mörder, bringt ihn zur Strecke, stellt dann aber fest, dass dies auch nicht die Leere in ihm ausfüllt und wird daraufhin noch deprimierter als vorher...
Ist natürlich gut, wenn es solche Veränderungen gibt, aber erstmal muss der Charakter und seine Persönlichkeit stehen, bevor man sich Gedanken macht, wie sich das verändern kann.

Ich glaube aber, einen wirklich ziellosen Charakter gibt es nicht. Selbst "Geld verdienen, um etwas zu essen" ist ja ein Ziel oder eine Motivation (wenn auch kein besonders spannendes). Ohne Ziel/Motivation würde der Protagonist nicht handeln, dann gäbe es keine Handlung und dann wäre das Spiel vermutlich sehr langweilig...