Kelven
03.11.2014, 17:31
Wenn es ein omnipräsentes Diskussionsthema in unserer Community gibt, dann ist es sicher "Handlung und Charaktere" und obwohl sich die damit verbundenen Fragen nie klären lassen, Open End sozusagen, ist es doch wichtig, darüber zu sprechen. Deswegen hab ich selbst schon mehrere Threads zum Thema aufgemacht und nun, wie meistens, wenn sich meine Sicht entscheidend geändert hat, folgt ein weiterer. Da "Handlung und Charaktere" zu allgemein ist, schränke ich das Thema etwas ein. Es geht mir diesmal um das Handwerk und im Speziellen darum, was der Entwickler aus handwerklichen Vorschlägen und handwerklicher Kritik machen kann. Dabei soll auch die Verbindlichkeit mit einfließen. Ich möchte keine konkrete Frage aufwerfen oder eine These aufstellen, Sinn dieses Threads soll es vor allem sein, über das Thema zu reflektieren.
Das Erste, was mir einfällt, sind Tutorials, die entweder von Community-Mitgliedern selbst geschrieben oder vorgeschlagen werden. Ein Tutorial zum Thema "Wie schreibt man Charaktere?" ist - viele wissen es, aber ich spreche es trotzdem an - in Wirklichkeit zum Thema "So schreibe ich Charaktere", was zwangsläufig bedeutet, dass der Leser dadurch zunächst mal nur lernt, die Figuren so wie der Autor zu schreiben. Das muss nicht schlecht sein, aber man sollte sich darüber im Klaren sein, dass das Tutorial nur eine von vielen Möglichkeiten zeigt und einige der Ideen sogar umstritten sein können. Außerdem sollte man im Hinterkopf behalten, dass die Tutorials ziemlich oft verallgemeinern. Es gibt nicht die Checkliste für einen Charakter. Wie man einen Charakter schreibt, hängt sehr von Thema, Genre, Intention und Zielgruppe ab. Selbst die normalerweise verpönte Marie Sue ist in Kinderbüchern zum Beispiel vollkommen in Ordnung, weil eine besonders positive und idealisierte Figur der Botschaft entgegenkommt.
Ich bleibe mal bei den Charakteren. Oft wird über die Glaubwürdigkeit der Figuren diskutiert und die Frage aufgeworfen, ob sie sich denn noch wie ein normaler Mensch verhalten. Ich bin aber der Meinung, dass Glaubwürdigkeit und Realitätsnähe nur teilweise miteinander zu tun haben. Die meisten Bücher, Filme und Spiele, die ich kenne, bilden Menschen gar nicht in ihrer ganzen Komplexität ab. Natürlich gibt es Charaktere, die realitätsnäher als andere sind, doch trotzdem sind sie meisten nur Zerrbilder eines echten Menschen. Die Figuren werden, ich sprach das ja schon in anderen Threads an, oft, selbst in Hochliteratur, überzeichnet, vereinfacht und idealisiert. Greift ein Autor unbewusst und an falscher Stelle zu eindimensionalen Figuren, kann man ihm das schon vorwerfen, aber man darf nicht vergessen, dass solche Figuren auch beabsichtigt und berechtigt sein können. Ein gutes Beispiel sind einige der Bösewichte aus A Song of Ice and Fire, die bewusst nur gehasst werden sollen, während die Figuren ansonsten facettenreich sind. Für mich heißt Glaubwürdigkeit nicht Realitätsnähe, sondern Konsistenz. Eine Figur darf ihr Verhalten nicht ohne guten Grund schlagartig ändern. Der Autor kann sich ruhig für einen total idealisierten, absolut altruistischen Helden entscheiden, solange er das auch durchhält. Solche Figuren muss man natürlich nicht mögen, aber es geht ja um das Handwerk. Ich sprach es weiter oben schon an: Die Charaktere können nicht losgelöst von Thema, Genre, Intention und Zielgruppe betrachtet werden. Es gibt so etwas wie eine übergeordnete Konsistenz - ein Gefühl, dass bestimmte Figuren einfach zu unglaubwürdig sind. Einem JRPG für Teenager sollte man stark überzeichnete Charaktere nicht krumm nehmen, aber ein Sozialdrama mit überzeichneten Anime-Figuren wäre schon bescheuert, wenn es nicht gerade Satire ist.
Soviel zu den Charakteren. Als nächstes möchte ich einen alten Bekannten ansprechen, auf den man bei diesem Thema häufig stößt - das Klischee. Ich beschreibe das Klischee mal vereinfacht als Stilelement, das sich abgenutzt hat, weil es schon zu häufig benutzt wurde. Allerdings zeigt sich hier schon das Problem. Wir wissen gar nicht, wie oft irgendein Stilelement benutzt wurde. Wir kennen nur, was wir gesehen haben. In Wirklichkeit, da bin ich mir ziemlich sicher, wurde jedes Stilelement und auch dessen Gegenteil schon sehr häufig benutzt. Unser beschränkter Erfahrungsschatz lässt uns aber glauben, dass man das eine ständig und das andere nur selten sieht. Der Vorschlag, all das zu vermeiden, was irgendjemand für "zu häufig benutzt" ansehen könnte, ist nicht zielführend, genauso wenig wie der, sich subjektive Klischee-Sammlungen anzuschauen. Wenn ein "Klischee" in einer Geschichte wirklich negativ auffällt, dann liegt es wohl nicht am Stilelement selbst, sondern daran, dass etwas viel Elementareres im Argen liegt.
Abschließend möchte ich noch etwas zur Handlung sagen. Im Grunde könnte ich hier einiges von weiter oben wiederholen, nämlich dass viele Wege nach Rom führen und dass Aufbau, Erzählstil und der Anspruch, den die Handlung an sich stellt, von vielen Faktoren abhängig sind. Das wäre aber redundant, deswegen belasse ich es mal bei der Anmerkung. Als Entwickler fragt man sich manchmal, ob man Sympathie, Spaß und Spannung steuern kann und ich bin mir sicher, dass es auch den einen oder anderen Kniff dafür gibt. Trotzdem muss man sich wieder bewusst machen, dass diese Kniffe keine Automatismen sind. Wenn eine Geschichte zum Beispiel total langweilig ist, dann muss das nicht heißen, dass sie total langweilig geschrieben wurde. Gut, das klingt wie ein Widerspruch. Ich meine damit, dass der Autor keine handwerklichen Fehler gemacht hat. Ich kenne viele Beispiele, wo ich sage, dass eine Handlung total langweilig ist, während andere sie total spannend finden. Gleiches gilt für Sympathie. Schreibt der Autor eine Figur, die sympathisch sein soll, aber keiner mag sie, dann hat er wohl wirklich einen Fehler gemacht. Meistens ist es aber so, dass die Lager gespalten sind, selbst wenn der Autor eigentlich alles getan hat, um die Figur sympathisch erscheinen zu lassen. Die unterschiedlichen Vorlieben spielen hier doch die größte Rolle. Manchmal ist es auch so, dass die Leute Sympathie und Qualität nicht so gut auseinanderhalten können, aber das ist wieder ein anderes Thema. Als Entwickler, und das ist fürs Erste auch der Schlusssatz, sollte man sich bewusst machen, dass man, unabhängig davon, wie gut man das Handwerk beherrscht, nur einen begrenzten Einfluss darauf hat, wie gut Handlung und Figuren den Spielern am Ende gefallen.
Das Erste, was mir einfällt, sind Tutorials, die entweder von Community-Mitgliedern selbst geschrieben oder vorgeschlagen werden. Ein Tutorial zum Thema "Wie schreibt man Charaktere?" ist - viele wissen es, aber ich spreche es trotzdem an - in Wirklichkeit zum Thema "So schreibe ich Charaktere", was zwangsläufig bedeutet, dass der Leser dadurch zunächst mal nur lernt, die Figuren so wie der Autor zu schreiben. Das muss nicht schlecht sein, aber man sollte sich darüber im Klaren sein, dass das Tutorial nur eine von vielen Möglichkeiten zeigt und einige der Ideen sogar umstritten sein können. Außerdem sollte man im Hinterkopf behalten, dass die Tutorials ziemlich oft verallgemeinern. Es gibt nicht die Checkliste für einen Charakter. Wie man einen Charakter schreibt, hängt sehr von Thema, Genre, Intention und Zielgruppe ab. Selbst die normalerweise verpönte Marie Sue ist in Kinderbüchern zum Beispiel vollkommen in Ordnung, weil eine besonders positive und idealisierte Figur der Botschaft entgegenkommt.
Ich bleibe mal bei den Charakteren. Oft wird über die Glaubwürdigkeit der Figuren diskutiert und die Frage aufgeworfen, ob sie sich denn noch wie ein normaler Mensch verhalten. Ich bin aber der Meinung, dass Glaubwürdigkeit und Realitätsnähe nur teilweise miteinander zu tun haben. Die meisten Bücher, Filme und Spiele, die ich kenne, bilden Menschen gar nicht in ihrer ganzen Komplexität ab. Natürlich gibt es Charaktere, die realitätsnäher als andere sind, doch trotzdem sind sie meisten nur Zerrbilder eines echten Menschen. Die Figuren werden, ich sprach das ja schon in anderen Threads an, oft, selbst in Hochliteratur, überzeichnet, vereinfacht und idealisiert. Greift ein Autor unbewusst und an falscher Stelle zu eindimensionalen Figuren, kann man ihm das schon vorwerfen, aber man darf nicht vergessen, dass solche Figuren auch beabsichtigt und berechtigt sein können. Ein gutes Beispiel sind einige der Bösewichte aus A Song of Ice and Fire, die bewusst nur gehasst werden sollen, während die Figuren ansonsten facettenreich sind. Für mich heißt Glaubwürdigkeit nicht Realitätsnähe, sondern Konsistenz. Eine Figur darf ihr Verhalten nicht ohne guten Grund schlagartig ändern. Der Autor kann sich ruhig für einen total idealisierten, absolut altruistischen Helden entscheiden, solange er das auch durchhält. Solche Figuren muss man natürlich nicht mögen, aber es geht ja um das Handwerk. Ich sprach es weiter oben schon an: Die Charaktere können nicht losgelöst von Thema, Genre, Intention und Zielgruppe betrachtet werden. Es gibt so etwas wie eine übergeordnete Konsistenz - ein Gefühl, dass bestimmte Figuren einfach zu unglaubwürdig sind. Einem JRPG für Teenager sollte man stark überzeichnete Charaktere nicht krumm nehmen, aber ein Sozialdrama mit überzeichneten Anime-Figuren wäre schon bescheuert, wenn es nicht gerade Satire ist.
Soviel zu den Charakteren. Als nächstes möchte ich einen alten Bekannten ansprechen, auf den man bei diesem Thema häufig stößt - das Klischee. Ich beschreibe das Klischee mal vereinfacht als Stilelement, das sich abgenutzt hat, weil es schon zu häufig benutzt wurde. Allerdings zeigt sich hier schon das Problem. Wir wissen gar nicht, wie oft irgendein Stilelement benutzt wurde. Wir kennen nur, was wir gesehen haben. In Wirklichkeit, da bin ich mir ziemlich sicher, wurde jedes Stilelement und auch dessen Gegenteil schon sehr häufig benutzt. Unser beschränkter Erfahrungsschatz lässt uns aber glauben, dass man das eine ständig und das andere nur selten sieht. Der Vorschlag, all das zu vermeiden, was irgendjemand für "zu häufig benutzt" ansehen könnte, ist nicht zielführend, genauso wenig wie der, sich subjektive Klischee-Sammlungen anzuschauen. Wenn ein "Klischee" in einer Geschichte wirklich negativ auffällt, dann liegt es wohl nicht am Stilelement selbst, sondern daran, dass etwas viel Elementareres im Argen liegt.
Abschließend möchte ich noch etwas zur Handlung sagen. Im Grunde könnte ich hier einiges von weiter oben wiederholen, nämlich dass viele Wege nach Rom führen und dass Aufbau, Erzählstil und der Anspruch, den die Handlung an sich stellt, von vielen Faktoren abhängig sind. Das wäre aber redundant, deswegen belasse ich es mal bei der Anmerkung. Als Entwickler fragt man sich manchmal, ob man Sympathie, Spaß und Spannung steuern kann und ich bin mir sicher, dass es auch den einen oder anderen Kniff dafür gibt. Trotzdem muss man sich wieder bewusst machen, dass diese Kniffe keine Automatismen sind. Wenn eine Geschichte zum Beispiel total langweilig ist, dann muss das nicht heißen, dass sie total langweilig geschrieben wurde. Gut, das klingt wie ein Widerspruch. Ich meine damit, dass der Autor keine handwerklichen Fehler gemacht hat. Ich kenne viele Beispiele, wo ich sage, dass eine Handlung total langweilig ist, während andere sie total spannend finden. Gleiches gilt für Sympathie. Schreibt der Autor eine Figur, die sympathisch sein soll, aber keiner mag sie, dann hat er wohl wirklich einen Fehler gemacht. Meistens ist es aber so, dass die Lager gespalten sind, selbst wenn der Autor eigentlich alles getan hat, um die Figur sympathisch erscheinen zu lassen. Die unterschiedlichen Vorlieben spielen hier doch die größte Rolle. Manchmal ist es auch so, dass die Leute Sympathie und Qualität nicht so gut auseinanderhalten können, aber das ist wieder ein anderes Thema. Als Entwickler, und das ist fürs Erste auch der Schlusssatz, sollte man sich bewusst machen, dass man, unabhängig davon, wie gut man das Handwerk beherrscht, nur einen begrenzten Einfluss darauf hat, wie gut Handlung und Figuren den Spielern am Ende gefallen.