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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Fragwürdige Story-Erzählweise



G-Brothers
11.08.2013, 02:45
Vor einem halben dutzend Jahren habe ich (bevor ich den RPG Maker kannte) per Word eine ganze Fantasy-Story als Romanfassung geschrieben, die ich damals etwas ungewöhnlich angesetzt habe. In folgender Situation befinden sich die zwei Protagonisten zu Beginn: Gedächtnisverlust (Klischee ahoi). ABER ich habe diesen Punkt so angesetzt, dass der Leser schon im Intro erfährt, wer die Beiden eigentlich sind, und wie es zu dieser Amnesie gekommen ist. Nun ist es also so, dass der Leser mehr über die Protagonisten weiss, als diese selbst.
Wenn man das hier jetzt so liest, kommt es einem bestimmt kaum Sinnvoll vor, dem Leser/Spieler so viel im vorhinein zu verraten. Was man jedoch über die zwei Protagonisten (Männlein und Weiblein) erfährt, ist: 1.Sie sind eigentlich Todsfeinde. 2. Sie sind keine Menschen, wie sie es nach der Amnesie glauben, sondern "höhere Wesen", die nie mit der "Menschenwelt" vertraut waren. 3. Der männliche Protagonist war ursprünglich ein Antagonist.
Nach der Amnesie, die durch einen erbitterten Kampf zwischen den Beiden zustande kam, kommen sie sich gegenseitig bekannt vor, und vermuteten automatisch, dass sie sich früher gekannt haben, und vielleicht sogar miteinander lebten. Plötzlich harmonieren also die eigentlichen Erzfeine miteinander, und durch das neue Umfeld werden ihre Persönlichkeiten danach völlig neu "generiert", weil sie auch jegliche Details an ihr früheres Dasein vergessen haben.

Soviel jedenfalls zum Beginn.
Was der Leser sich zur Situation dann also fragen könnte, ist nicht, was passiert ist, sondern was passieren wird, wenn... .

Tja, ohne Details zu erwähnen hört sich das Ganze vielleicht ziemlich schäbig an, aber naja... x3

Meine Frage wäre jetzt, ob diese Art, ein Amnesieklischee zu verpacken wirklich Sinnvoll und vielleicht sogar interessanter ist, oder ob diese Erzählweise blödsinnig ist. (Es muss ja immerhin einen Grund geben, wieso es das noch nocht gab, von meinem Kenntnisstand her. Kann ja wohl kaum so Innovativ sein.)
Jedenfalls habe ich das mal aus reiner Neugier auf Reaktionen und Kritik hier reingestellt. xD Viel spaß beim Zerreissen. x3

Cornix
11.08.2013, 03:06
Die Art und Weise wie man eine Geschichte erzählt ist irrelevant wenn man von einer hohen Qualität der Darbietung ausgeht.
Egal wie du es machst, solange du es gut machst, wird das Ergebnis ebenfalls gut sein.
Was zur Frage steht ist natürlich, mit welcher Art der Darbietung du am besten umgehen kannst; das musst du aber selbst herausfinden.
Alles andere was du hierzu hören kannst sind nur persönliche Meinungen.

IronChef
11.08.2013, 05:31
Der Erzählweise, dass ein Erzähler und auch der Rezipient die Vorgeschichte mehrerer, unter Amnesie leidender, Protagonisten kennen, ist eigentlich garnicht so ungewöhnlich. Da gibts dutzende Beispiele aus der Literatur, dem Film oder Serien (gerade wenn in Serien mehrere Personen einen Gedächtnisverlust erleiden vergisst der Zuschauer ja nicht was zuvor alles an Handlung mit den Personen bereits passiert ist), teilweise auch mit Protagonisten die vorher verfeindet/konkurierend/voneinander abgeneigt etc. waren und durch den Gedächtnisverlust ein anderes Verhältnis zueinander gewinnen. Blödsinnig ist diese Art zu Erzählen denk ich keinesfalls, ob es interessanter ist als die Vorgeschichte wegzulassen kommt ganz darauf an worauf sich die Geschichte im weiteren Verlauf konzentriert. Gerade wenn der Fokus auf der Entwicklung der Persönlichkeiten liegen soll kann die Geschichte dadurch durchaus interessanter werden, das mysteriöse und spannende am Aufdecken der Vergangenheit fällt allerding so vermutlich zu einem großen Teil weg falls hier einer der Schwerpunkte liegen soll.

caesa_andy
11.08.2013, 06:57
Ich würde diese Frage über die Zielsetzung, bzw. die Prämisse der Handlung beantworten, weil die Situationen in beiden Amnesie-Szenarien stark voneinander abweichen.

Bei einem klassischen Amnesie-Szenario ist der Protagonist (und somit auch der Konsument) im Regelfall an der Wahrheitsfindung interessiert. Sprich, das herrausfinden, von Wer, was, wann und wo ist ein zentrales Plotelement der handlung und trägt den Spannungsbogen maßgeblich mit. Wenn der Konsument nicht weiß, wer der Protagonist früher war, aber miterlebt, wie der Protagonist nach seinem alten Ich sucht, dann will er auch früher oder später erfahren, wer der Protagonist früher nun tatsächlich gewesen ist.
Bei einem Ausgangspunkt wie deinem ist eine "Wahrheitsfindung" natürlich künstlerischer Bullshit, weil der Konsument die Wahrheit längst kennt. Es interessiert ihn wenig bis gar nicht, den Protagonisten dabei zu erleben, wie er herrausfindet, wer oder was er mal war, denn er erwartet in diesem Punkt keine überraschende Plotwende. Vielmehr ist das "Vergangnheits-Kapitel" für den Konsumenten mit Beginn der Geschichte längst abgeschlossen, und es interessiert ihn, zu erfahren, was von diesem Punkt aus ausgehen, in Zukunft passiert. Die Rückbesinnung kann zwar als zusätzliches Plot-Element eingesetzt werden - in deinem Fall z.B. als Damoklesschwert, das über den beiden hängt und ihre neu gewonnene Zukunft zerstören könnte, wenn die wahrheit herraus kommt - aber die suche nach dem was mal war, sollte nie zum allerwichtigsten Plot-Element werden, denn dann könnte sich der Konsument tatsächlich schnell langweilen.

Corti
12.08.2013, 10:04
Die traditionelle Amnesiegeschichte geht ja viel drum, dass der Spieler analog zum Helden seinen Ursprung sucht.

Was du hier vorschlägst bricht mit einer wesentliche Sache des Amnesiekonzepts, das ist für den typischen Amnesieplot blöd, aber wenn du es anders angehst kann es auch frischer und interessanter sein. Der Knackpunkt sind deine zwei Erzfeinde, die nach der Amnesie plötzlich Freunde werden und einen Spieler, der immerzu weiss, was da gerade im Hintergrund abgeht, und nur hoffen kann, dass die beiden noch die Kurve kriegen. Als Spieler wissen was ist muss nicht immer falsch sein. Im Reich des Himmelsdrachens zeigt glasklar wie der Konflikt der Brüder zu Stande kommt, als Spieler hat man dann zwar kein "warum" mehr, aber man kann sehen, wie die Protagonisten, die das Wissen nicht haben in ihre Irrtümer und Konflikte laufen. Filme & Serien wechseln auch oft zwischen Perspektiven und erzeugen dadurch Spannung, warum also nicht?

Was nicht klappt:
In der klassischen Amnesie sind Spielerentscheidungen reizvoll, weil der Spieler wie auch der Protagonist rätselt. Die Frage "Soll ich X vertrauen?" ist reizvoll, verliert aber allen Reiz wenn man weiss, dass er ein Verräter ist. Mit einer Erzählweise, die weniger "ich Spieler, ich enthülle" sondern "ich erlebe wie Protagonisten enthüllen" ist, ergibt sich also anderes Gameplay, dass damit besser oder schlechter zusammenwirkt. Wenn du vorhast deine Handlung typisch jRPG-cineastisch rüberzubringen, also wenig Spielerentscheidung, mehr erleben, dann sollte das kein Problem sein.

G-Brothers
12.08.2013, 13:41
Wenn du vorhast deine Handlung typisch jRPG-cineastisch rüberzubringen, also wenig Spielerentscheidung, mehr erleben, dann sollte das kein Problem sein.
Sowieso. Es ist kein Spiel, wie ich Anfangs auch geschrieben hab, sondern ein Roman. Und fertig ist er auch schon, also war das keine Konzeptidee, sondern eine grobe Zusammenfassung Vom Anfang. ^w^
Nur ist es halt so, dass ich wegen Logiklücken, Rechtschreibfehler und allgemeinen Unzufriedenheiten ab und zu an einer Neuauflage (weiter) schreibe.
Da hab ich mich bei einem kürzlichen Probelesen gefragt, ob es nicht schlauer wäre, die anfängliche Enthüllung wegzulassen. Allerdings würde dann eben die typische Form von Amnesie-Szenarien auftreten, wovon ich eigentlich kein Fan bin.
Klar wollen die Protagonisten erfahren, wer sie eigentlich wirklich sind, aber das gerät dann (ebenfalls) mehr und mehr in die Vergessenheit, wenn sie einer Söldnergilde beitreten, diesen bunten Haufen kennen lernen und sich dort einleben.
Ganz weg bleibt dieser Aspekt dann auch nicht, vor allem gegen Ende, wenn sie sich immer mehr wieder an alles erinnern, und dann ihre Persönlichkeiten wieder in die ursprüngliche Richtungen schwanken.

Jedenfalls bedanke ich mich für euer bisheriges Feedback. Jetzt weiss ich immerhin, dass ich in der richtigen Richtung unterwegs bin/war. Auch wenn der "Unbewusste Erzfeinde"-Aspekt nicht ganz so besonders ist, wie ich dachte, kann ich mir aber
dennoch sicher sein, dass der Ablauf der Geschichte dennoch etwas Eigenes hat, vor allem wegen den verschiedenen Charakteren.