Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Das Dorf Gottes 2-Tag 1
Einheit092
24.03.2013, 10:37
Ein neuer Tag bricht an. Am Anfang scheint alles friedlich und normal zu sein, wenn man von der ungewöhnlichen Kälte an diesem Freitag absieht. Als die Ersten von euch auf den Dorfplatz strömen sehen sie jedoch gleich 3 ungewöhnliche erschreckende Dinge:
Als Erstes fällt das blutige Schwert mit einem an ihm befestigten Zettel auf auf welchem Folgendes steht: "Irgendetwas hat heute morgen unseren Erfolg verhindert, doch nächste Nacht wird jemand sterben. Die Lumianer."
Das Zweite ist der Zettel am Ankündigungsbaum, auf welchem alle eure Namen stehen, wobei sich hinter dem von Konrad (Viviane) bereits ein Strich befindet.
Das letzte ist der ebenfalls doch hängende Zettel, welcher vom Pfarrer unterschrieben ist:
"Liebe Gemeinde heute Nacht ist das Böse in unserem Dorf erschienen, in Gestalt einer Sekte welche allen Redlichen nach dem Leben trachtet. Da der Magistratsposten vakant ist obliegt es mir die Jagd zu leiten. Daher kehren wir zu den altbekannten Ritualen und Gesetzen zurück die bereits einige Scheusale aus unserer Mitte entfernten. Ein Jeder hat am Tage eine Stimme und denjenigen welcher von den Meisten beschuldigt wird werden wir dem Galgen überantworten. Auf das wir gut entscheiden. Ich selbst habe bereits auf Anraten eines Mitglieds unserer Gemeinschaft Konrad (Viviane) gewählt, welches mich von der üblen Gesinnung dieses Mannes überzeugte. Ich gedenke ihm weiter zuzuhören. Entscheidet weise nach dem Gesetz während ich meinen Pflichten nachgehe.
Deus lo vult"
Der Tag beginnt und endet Mittwoch um 20h. Niemand ist tot.
Zitroneneis
24.03.2013, 11:15
Sie war allein.
Ihre Füße wund auf dem eiskalten Boden. Ihr Mund trocken. Ihre Augen blind in der Dunkelheit.
So schutzlos.
Zerbrechlich.
Schwach.
Doch sie ging weiter. Und weiter. Und immer weiter.
Bis sie eine ruhige Stimme hörte, kaum mehr als ein Wispern: “Was für ein kleiner Vogel hat sich denn zu solch später Stunde hierher verirrt? Tritt näher, Täubchen, damit ich dich sehen kann!“
Sie trat näher.
Sofort begann die Finsternis sich zu bewegen. Schatten sprangen auf sie zu. Hände griffen nach ihren Füßen. Zerrten an ihren Armen. Krallten sich in ihr Haar. Tausend Paar Hände.
Formlos, kalt, schwarz. Wie die fleischgewordene Nacht.
Sie war gefangen.
Schutzlos.
Zerbrechlich.
Schwach.
“Nun... willst du es wissen? Willst du wissen, wer ich bin? Hier. Schau nur gut hin, kleines Höllentäubchen.“
Ein gleißendes Licht breitete sich aus.
Erhellte. Blendete.
Zitternd wachte Luise auf. Ihr Herz raste und verzweifelt schnappte sie nach Luft. Atmete panisch schneller und schneller, als sie bemerkte, das sie keine bekam.
Erst nach einem kurzen Moment, der wie eine Ewigkeit erschien, fiel ihr wieder ein, was sie zu tun hatte. Mit einer fahrigen Bewegung griff sie die Bettdecke und presste sie vor Nase und Mund. Ließ die überschüssige Luft, welche sie in ihrer Panik eingesaugt hatte, wieder heraus.
Ihr Herzschlag beruhigte sich wieder, aber ihre Hände zitterten noch immer. So saß sie für ein paar kurze Minuten aufrecht im Bett und tat nichts, außer langsam ihren Atem zu beruhigen und ihre Gedanken zu sortieren.
Es war längst nicht das erste mal gewesen, dass sie einen derartigen Traum gehabt hatte. Diese Träume verfolgten Luise seit sie ein kleines Mädchen war. Es gab Zeiten, da sie jede Nacht träumte und am Morgen zitternd und schwer atmend aufwachte. Manchmal vergingen Wochen, ohne dass irgendein Traum jeglicher Art kam.
Doch sie kehrten immer wieder.
Als Luise zwölf Jahre alt gewesen war, hatte sie geglaubt, die Nachtmahren abgeschüttelt zu haben. Denn damals war es schon lange her gewesen, dass sie solche Alpträume gehabt hatte.
Doch dann war ihre Mutter verschwunden. Und die Träume wiedergekehrt, in einer bis dahin nie gekannten Intensivität. Und hatten sie nicht mehr für längere Zeiträume verlassen.
Luise sprach nie darüber. Zum einen, weil sie weder ihrem gutmütigen Vetter noch ihrem kränklichen Vater eine Last sein wollte.
Zum anderen aber auch, weil sie Angst hatte, davon zu erzählen.
Wenn sie schwieg würden die Träume vielleicht eines Tages verschwinden. Doch wenn sie ausgesprochen wurden, gab man ihnen einen Namen. Einen Körper. Man würde sie dann nicht einfach vergessen können.
Nachdem Luise sich etwas beruhigt hatte, erhob sie sich. Ihre bloßen Füße trafen auf einen ungewöhnlich kalten Boden, und Luise hatte die stille Befürchtung, dass es zu einer weiteren Winterwelle kommen würde. Wenn sie später das Haus verließ, würde sie ihren warmen Mantel brauchen.
Heute würde sie außerdem nicht den gleichen Fehler begehen, wie gestern. Kurzerhand nahm sie die Bürste in die Hand, kämmte sorgfältig all das schreckliche, feuerrote Haar zurück und flocht es zu einem Zopf zusammen. Nun würde sie wenigstens halbwegs wie eine anständige junge Dame aussehen. Einigermaßen zufrieden ging sie in die Küche.
Nachdem sie ihrem Vater sein Frühstück gebracht und selbst etwas zu sich genommen hatte, fragte sie sich wo Konrad blieb. Nach der gestrigen Nacht war es natürlich gut möglich, dass er noch am Schlafen war. Aber bei ihm anklopfen, nur um sicherzugehen ob alles in Ordnung war, konnte ja nicht schaden.
Doch als sie an seine Tür klopfte, erhielt sie keine Antwort, sondern hörte nur ein leises Fiepen. Vorsichtig öffnete sie die Tür und warf einen Blick in den Raum. Konrad lag auf dem Bett, tief am Schlafen.
Doch - wie Luise erschrocken feststellte - war er nicht allein!
"Was machst du da?", wisperte sie entsetzt. "Sowas gehört sich nicht! Nimm ihn sofort aus seinem Gesicht raus! Er erstickt sonst noch daran."
Mit diesen Worten eilte Luise, sehr darauf bedacht Konrad nicht zu wecken, auf das Bett zu und packte Kürbis, der es sich in der Nacht wohl mit seinem weichen, puscheligen Schwanz in Konrads Gesicht bequem gemacht hatte. Der kleine Fuchs schleckte ihr nur scheinheilig die Wange ab, was dem jungen Mädchen das erste ehrliche Lächeln an diesem Tag entlockte.
"Na komm, mein Kleiner. Früstücke erst einmal etwas", sagte sie besänftigt, nachdem sie Konrad wieder alleingelassen hatte und gab dem Welpen etwas Dörrfleisch.
Nach den gestrigen Ereignissen beschloss sie, die Apotheke etwas später zu öffnen. Zuvor wollte sie ihren Plan, Noel zu besuchen und mehr über ihn zu erfahren, in die Tat umsetzen. Sich mit ihm unterhalten. Über Schiffbau. Ja, das war sicher ein wunderbares Thema, um jemanden näher kennenzulernen.
Bevor sie das Haus verließ, klebte sie einen in sauberster Handschrift verfassten Zettel an die Tür.
Die Apotheke wird aufgrund der derzeitigen Situation erst heute Mittag öffnen. Bitte habt ein wenig Geduld.
In tiefer Trauer um den verschiedenen Hauptmann
Luise Elkarst.
Das Erste, dass er spürte, war ein Pochen.
Ein durchdringendes, zerfressendes Pochen, dass seinen Kopf plagte.
Noch bevor er es geschafft hatte, die unvorstellbar große Kraft aufzubringen, seine schweren Augenlider zu öffnen, sang sein ganzer Körper ihm ein Lied von Schmerz und Muskelkater.
"Pech und Schwefel..."
Murmelnd, ja flüsternd erwachte Noel aus einem ungemütlichen Schlaf, öffnete seine leicht verklebten Augen und sah in seine Hand; Sein Amulett lag darin, hatte er doch des Nachts Selbiges um seinen Arm gebunden. Stumm legte er es sich um seinen blassen Hals, verzichtete darauf, wie jeden Morgen einen Kuss darauf zu drücken. Schweigend kleidete er sich an, nahm sich einen Apfel vom Küchentisch und verließ darauhin sein unaufgeräumtes, schäbiges Haus.
Wie immer, wenn er den Himmel zum ersten Mal an einem Tag erblickte, sprach er sein kurzes Gebet.
Es war ein düsterer Tag. Zwar regnete es noch nicht, doch war die Sonne umringt und verdeckt von schweren, dunklen Wolken, die da das Himmelszelt in einen Anblick von Missgungst verwandelten. Noel beruhigte das Wetter. Er mochte es, viel besser als gestern.
Allerdings verschuf auch das seinem zitternden Körper, dessen Ursache er sich nicht erklären konnte, keine Linderung, noch dem bestialisch intensiven Pochen seines Kopfes oder gar der unnatürlichen, eisigen Kälte in seiner Brust, als ob eine Kristallhexe ihn verflucht hätte.
Der junge Mann entschied sich, seine Bibliothek aufzusuchen. Nach dem Stand der beinahe nicht zu erkennenden Sonne war es gegen 11:00 Uhr, er hatte noch eine Stunde Zeit bis zur Bibliothekseröffnung, aber das konnte Noel nur recht sein. So konnte er sich in Ruhe ein oder zwei Bücher zu Gemüte führen.
Worüber wohl? Vielleicht über eine Sprache oder Kampfkunst. Ja, sein Wissen weiterbilden war ein beständiges Verlangen des Jungen.
Mit diesem Gedanken und von unzähligen Beschwerden geplagt begab er sich zur Bibliothek, leise eine Melodie summend wählte er einen verlassenen Waldweg.
Zirconia
24.03.2013, 13:08
Rekon wachte an diesem Tag sogar schon morgens auf. Da Mina noch schlief, ging er direkt nach draußen, er wollte sie ja nicht stören. Er begab sich zum Dorfplatz. Als er dort ankam sah er ein Schwert. An diesem Schwert war ein Zettel zu finden. Rekon begann zu lesen... "Lumianer? Davon hab ich doch schon einmal gelesen... Aber was machen sie in unserem Dorf? Wollen sie es an sich reißen? Auf jedenfall scheinen sie versucht zu haben jemanden zu töten. Na zum Glück lebt die Person noch." Als er sich umsah, entdeckte er auch den Zettel am Ankündigungsbaum. "Sieht aus wie ein Stimmenzettel, aber wofür?" Als letztes entdeckte er den Zettel vom Pfarrer. "Also ist es wahr... Die Lumianer sind in diesem Dorf..." Rekon begab sich in Richtung Bibliothek, um ein Buch über Sekten zu finden. Vielleicht gibt es ja so etwas.
Mephista
24.03.2013, 13:18
Energiegeladen erwachte Brunhild an diesem Morgen und sprang aus dem Bett. Sie fühlte sich seltsam beschwingt seit gestern Abend und war sich sicher, dass der Tag nur gut werden könne. Nachdem sie sich fertig angekleidet hatte, richtete sie den in der Nacht sorgsam angelegten Verband aus abgerissenem Betttuch um ihre rechte Handfläche.
Glücklich schritt sie die Treppen hinunter, empfing den freudig mit der Rute wedelnden Rüdiger mit einem Na, selbst dass Du noch lebst vermiest mir nicht die Laune, ein gutes Zeichen! und begab sich vor die Gästekammer. Dort angekommen klopfte sie beherzt an die Tür und rief der dort ruhenden Lumi zu:
“Einen guten Morgen wünsche ich! Ich weiß nicht, wie lange Du normalerweise zu schlafen pflegst, aber ich mache erstmal Frühstück. Du kannst dann einfach in die Schankstube kommen, wenn Du fertig bist, ja? …Oh, und wenn Du Dich dann noch etwas waschen willst, kann ich gerne etwas Wasser aus dem Dorfbrunnen holen…“
Ohne eine etwaige Antwort abzuwarten ging sie schon in den Hauptraum des Gasthauses, entfachte dort ein Feuerchen an der Kochstelle und stellte an einem Tisch die Stühle herunter, damit ihr Gast dann dort speisen konnte. Neben dem Kamin entdeckte sie eine halbaufgefressene Wurst, an der sich Rüdiger gerade weiter gütlich tat. Dann musste sie ihn ja heute erstmal nicht weiter füttern, das konnte ihr nur recht sein.
Da sie als Wirtin nicht geizig erscheinen wollte, holte sie aus der Vorratskammer Brot, Käse, Milch und Hafer und bereitete aus letzterem einen Brei zu, den sie mit Honig süßte. Das Brot und den Käse legte sie auf eine Holzplatte, füllte eine große Kelle Haferbrei in eine Schale und stellte sie dazu. Ein Krug wurde mit Milch gefüllt und alles zum Tisch getragen und abgestellt. Brunhild legte noch einen Löffel und ein Messer dazu und richtete die Platte zurecht, bevor sie sich selbst ein wenig Haferbrei abfüllte und am Tisch bereits zu essen begann. Rüdiger, der zu ihr getrottet und seinen alten Kopf auf ihrem Schoß abgelegt hatte, kraulte sie das erste Mal seit Jahren abwesend hinter den Ohren.
Zitroneneis
24.03.2013, 13:40
Da Luise nicht allzu begeistert war von der Vorstellung, so früh morgens den Menschen auf der Straße zu begegnen, überquerte sie auf dem Weg zur Bibliothek nicht den Dorfplatz, sondern ging über die Wiese an Viktorias Garten vorbei und warf noch einen verträumten Blick auf das Veilchenfeld. Vielleicht sollte sie die junge Schneiderin um ein paar Blumen bitten, welche man dem guten Dahingeschiedenen, welcher mittlerweile sicher in der Kirche aufgebahrt war, auf die Brust legen konnte.
So in ihre Gedanken versunken, war sie beinahe überrascht, als sie plötzlcih vor der Bibliothek stand. Zwar hatte sie sich ein Gesprächsthema überlegt, aber unsicher war sie trotzdem, wie sie es beginnen sollte. Nervös öffnete Luise die Tür zu Bibliothek und fand tatsächlich Noel dort vor. Er wirkte etwas blasser als sonst. Vielleicht immer noch die Kopfschmerzen. Oder Schlafmangel. Womöglich aufgrund der Kopfschmerzen.
Als der Bibliothekar aufsah, blickte Luise erst schüchtern zu Boden und stammelte: "G-guten Morgen, N-noel. I-ich... ähm... also ich dachte mir... d-du bist ja b-bestimmt weit gereist... und du kennst vi-viele Bücher..." Nein, das war nicht gut. Wenn man ein gutes Gespräch führen wollte, sollte man das Gegenüber anschauen. Und deutlicher und lauter reden. Also blickte sie ihm mit aller Überwindung an und fuhr fort: "Ähm... ich habe da etwas g-gefunden, das mich interessiert. Eh... und z-zwar war ich als Kind mal i-n einer großen Stadt, u-und da gab e-es Schiffe. Und ich wollte i-immer schon mal w-wissen wie die gebaut werden. A-also wollte ich d-dich fragen: Hast du vielleicht B-bücher zu diesem Thema?" Das war doch schon besser. Luise fügte zu ihrer Frage noch ein kleines Lächeln hinzu, hoffend, dass es nicht zu unsicher wirkte.
Sicher eine halbe Stunde war vergangen, seit er die schweren Türen der Bibliothek geöffnet hatte. Das kleine, gothisch angehauchte Gebäude, welches mit seinen schwarzen, kreisrunden Regalen und blaugrünen Glasfenstern eher an eine Sektenkirche erinnerte, verschaffte Noel sofort etwas Beruhigung. Stumm ließ er die Tür ins Schloss fallen, ging zwischen den Regalen hindurch und griff wahllos zu einem Buch, mit dem er sich hinter seinen Thresen setzte.
"Hausfrauen und warum man ihnen nicht während des Kochens vor den Karren kacken sollte"
...
Naja. Warum eigentlich nicht.
Und dieses Buch laß Noel jetzt seit einiger Zeit, als sich die Tür seiner Stätte erneut öffnete.
Genervt verdrehte der Bibliothekar die Augen.
Gestern noch hatte er Konrad vorgeworfen, er solle doch darauf achten, die Apotheke nicht vor Geschäftsbeginn offen zu lassen, und nun war ihm selbiger Schnitzer unterlaufen. Wer würde ihn wohl stören, wer ihm aus seiner wohlverdienten Ruhe reißen? Egal, wer es war;
Er konnte sich auf einen deftigen Arschtritt gefasst machen, verfluchter Schwefelkranz!
Grahahahaha! Na los, tritt ihr in den Arsch, Noel. Ich warte. Gwahahahahaha.
Er musste träumen. Nein, Moment, rational gesehen konnte das nicht sein. Er war definitiv aufgestanden und in die Bibliothek gegangen, ein Traum war äußerst unwahrscheinlich. Aber was bei allen schwarzen Geistern war es dann?
Da stand, etwas nervös und träumerisch wie immer, seine kleine Elfe vor ihm in der Bibliothek, unsicher seinen Blick suchend, mit den Fingerspitzen aneinandertippend.
Okay. Ruhig bleiben. Wahrscheinlich will sie nur ein Buch ausleihen und verschwindet dann wieder zu Tyrell. Ja, das wäre die logischste Annahme. Ganz ruhig bleiben, das kriegst du hin. Durchatmen.
Das kalte Gefühl in Noels Brust verwandelte sich in etwas Undefinierbares, als er, verkniffen wie eine Salzsäure, hinter seinem Thresen hervor und Luise gegenübertrat.
Er hatte vorgehabt, das Wort zu eröffnen. Aber egal, wie sehr er seinen eigentlich riesigen Wortschatz und seine über jeden Zweifel erhabene Redegewandheit durchforstete, ihm fiel nichts ein. Da war nur weiße leere in seinem Kopf.
PEST UND VERDAMMNIS!
"G-guten Morgen, N-noel. I-ich... ähm... also ich dachte mir... d-du bist ja b-bestimmt weit gereist... und du kennst vi-viele Bücher..."
Süßes, warmes Gold. Seine Reaktionen wurden mit jedem Mal berechenbarer, so menschlich, und doch wurden sie nicht weniger angenehm. In Sekundenbruchteilen wurde die Kälte in Noels Körper von intensiven Flanmmen verzerrt, das Zittern stoppte, die Migräne wurde erträglicher. Er musste sich krampfhaft ein Lächeln verkneifen, hoffentlich merkte sie nichts, denn seine Mundwinkel zuckten unkontrolliert. Vielleicht konnte er ein Gespräch zu ihr aufbauen, Bücher waren seine große Stärke.
Das würde funktionieren!
...
...
Wäre sein Kopf nur nicht so furchtbar leer.
"Ähm... ich habe da etwas g-gefunden, das mich interessiert. Eh... und z-zwar war ich als Kind mal i-n einer großen Stadt, u-und da gab e-es Schiffe. Und ich wollte i-immer schon mal w-wissen wie die gebaut werden. A-also wollte ich d-dich fragen: Hast du vielleicht B-bücher zu diesem Thema?"
Schiffe... Schiffe. Schiffe? Schiffe!
Okay. In Ordnung. Jetzt geht es los, Noel. Schiffe. Also, was weißt du über sie?
...
Schiffe. Na los, komm schon Junge, denk nach, darüber musst du doch was gelesen haben.
...
Du liest jeden Tag dutzende Bücher, seit Wochen, Monaten Jahren, verfluchte Greifenscheiße, dir muss doch was einfallen, denk nach denk nach DENK NACH!
...
Das gibt es doch nicht. Dir muss doch irgendetwas einfallen, irgendetwas. Die kleine Elfe steht vor dir und lächelt dich an, Oh gott sie ist so süß, und dir fällt auf ihre Frage keine Antwort ein DU BELESENER TÖLPEL? DenkdenkDENK. Das gibt es doch nicht, diese Chance kann ich nicht verstreichen lassen!
Für Luise musste der junge Bibliothekar befremdlich aussehen. Wie ein zitternder Wassersack stand er schweigsam vor ihr, das Gesicht in Schweiß gebadet zuckten seine Augen nersös im Raum umher, seine Finger krampften sich fest in den Mantel.
"Schiffe. Sie... äh... nun. Sie fahren. Auf Wasser. Gewissermaßen."
SIE FAHREN AUF WASSER?!
WAS - ZUR - HÖLLEEEEEEEEEEEEEEEEEE?!
WAS REDEST DU DENN DA, DU ********!!!!!!!??)=&%$******?!?!
Oh Herr im Himmel, verzeih mir dass ich dich leugnete und hilf mir.
...
Es bringt nichts.
Mir fällt nichts ein!
GRAAAAAAAAAHHHHHHHHHH!
Mir fällt nichts ein mir fällt nichts ein!
Bei den dreizehn Tartatus-Göttern, ich fange gleich an zu heulen!
Wie ein kleines, unerträgliches Menschenkind! Ver******!!!!!
Herr, du meine Einfalt... das kann man ja nicht mit ansehen...
Kopfschüttelnd saß der große, graue Wolf hinter Noel, die Miene verdrießlich und ungeduldig verzogen.
Deus! Gesegnete Fortunapisse, rette mich! Ich bitte dich nicht oft um etwas, also hilf mir. Bitte!
Deus' Augenbrauen zogen sich überrascht in die Höhe. Der Bengel hatte tatsächlich Bitte gesagt. Dieser arrogante, hassende, desinteressierte Kerl hatte das Wort bitte benutzt.
Tief seufzend begann Deusexus, monoton zu sprechen.
Der Schiffsbau als Solches geht weit in der Zeit zurück, man nimmt an, die Ägypter hätten die ersten Schiffähnlichen Gefährdte konstruiert. An sich ist es stets eine Frage von Konstruktionsgenauigkeit, finanziellen Mittteln und gewünschtem Zweck. In unserem Land wird man nicht auf allzuviele Kriegs oder Handelsschiffe treffen, hier sind Transport und Passagierschiffe an der Tagesordnung, welche ihren Fokus auf Staumasse und Äußerlichkeiten legen. Für weitere Informationen in detaillierter Auflistung kann ich dir die Regale 2 bis 4 empfehlen, in denen du allerhand Literatur über jegliche Gefährte der bekannten Welt findest.
Noel hielt kurz beinahe beeindruckt inne, seufzte und wandte den Blick wieder der kleinen Elfe zu, als er, unter dem kläglichen Versuch, ruhig zu sprechen, zu erzählen begann.
"D-Der Schiffsbau als Solches geht weit in der Zeit zurück, man nimmt an, die Ägypter hätten die ersten Schiffähnlichen Gefährdte konstruiert. An sich ist es stets eine Frage von Konstruktionsgenauigkeit, finanziellen Mittteln und gewünschtem Zweck. In unserem Land wird man nicht auf allzuviele Kriegs oder Handelsschiffe treffen, hier sind Transport und P-Passagierschiffe an der Tagesordnung, welche ihren Fokus a-auf Staumasse und Äußerlichkeiten legen. Für weitere Informationen in detaillierter Auflistung kann ich dir die R-R-Regale 2 bis 4 empfehlen, in denen du allerhand Literatur über jegliche Gefährte der bekannten Welt findest..."
Nervös sah der junge Bursche zu Boden, fuhr sich mit einer Hand durch das verschwitzte, rote Haar. Noel war sich unsicher, ob er das Richtige gesagt hatte. War es interessant? War es das, was seine kleine Elfe hören wollte oder hatte er es sich endgültig mit ihr verdorben?
Sein Herz donnerte wie ein Holzlufthammer und machte die Sache nicht erträglicher.
Maria erwachte schweißgebadet aufrecht in ihrem Bett. Ihre Adern pulsierten und wie aus einem impuls heraus presste sie ein lautes "Ketzer!" aus ihrem Mund. Wie aus Schreck starrten ihre Augen weit geöffnet geradeaus, doch sah sie nichts direkt an, was sie hätte meinen können, außer diesem lodernden Feuer, dass just vor ihren Augen verschwunden war.
Dann wurde ihr gewahr, dass sie nur geträumt hatte, und diese Reaktion mit dem Traum zu tun haben musste. Es war ihr unangenehm, also bekreuzigte sie sich mit einem leisen Gebet in Gedanken: "Verzeih, Oh Herr, dass ich diesen Tag nicht mit einem guten Wort begann."
Dann nahm sie leise Vogelgezwitscher wahr, glitt aus dem Bett und zog das nonnigste Gewand an, das sie hatte. Kaum war sie fertig angezogen, läuteten die Kirchglocken auch schon den Morgen ein. Als Maria sich auf den Weg in die Kirche machen wollte, um ihr morgentliches Gebet zu sprechen, entdeckte sie eine Nachricht an alle Nonnen und Mönche am Eingang des Klosters.
Ein jeder von euch Mönchen und Nonnen bete für den verstorbenen Hauptmann und für das Dorf und helfe, die Lumianer aufzuspüren, die diese Nacht anscheinend hier im Dorf aktiv geworden sind.
Maria blinzelte verdutzt. Lumianer? Davon hatte der Pfarrer tatsächlich vor einigen Tagen erst gesprochen. Das war diese ominöse Sekte, die sich auch schon in anderen Dörfern einst breit machen wollte. Doch bevor sie da weiter drüber nachdenken konnte, hörte sie schon hinter sich eine Stimme.
"Guten Morgen, Maria." Es war Justus, der wohl hilfreichste, wenn auch mit der älteste Mönch des Klosters. Mit einem Blick auf den Zettel fügte er hinzu: "Gibt es etwa Neuigkeiten?"
"Guten Morgen", erwiderte Maria. "Der Hauptmann ist gestern verstorben, aber das wissen wir ja bereits - aber diese Sekte ist anscheinend hier aktiv geworden." Justus beugte sich zum Zettel. Er hatte bereits sehr schlechte Augen und tat sich mit dem Lesen ein wenig schwer. Maria konnte sich das nicht ansehen, also las sie ihm noch einmal vor, was auf dem Zettel stand... Der Mönch kratzte sich nachdenklich am Kopf. "Lumianer? Ist doch egal, wie die gottlose Sekte heißt, die sich hier rumtreibt - wir haben genug unverbesserliche Ketzter hier im Ort um die man sich alle längst kümmern sollte!"
Maria nickte und dachte an ihr gestriges Gespräch mit Noel.
Mit welchem Grund kann man behaupten, dass es keinen Gott gibt?
Traurig blickte sie zu Boden. "Lass uns beten gehen"; sagte Justus schließlich, als er den verdruß in Marias Blick erkannte.
Und so gingen sie gemeinsam zur Kirche hinüber.
Für den am Vortag verschiedenen Hauptmann, möge er in Frieden ruhen, betete Maria besonders lange und intensiv. Obwohl sie schon am Vorabend für ihn gebetet hatte, fühlte sie sich, als sei es das Gebet noch lange nicht genug gewesen.
Erst, als Justus, der allen Anschein nach mit seinem eigenen Gebet fertig war, neben ihr auf sie zu warten schien, und weitere Nonnen und Mönche die Klosterkirche zum Beten betraten, beendete Maria ihr Gebet. Jedoch nicht ohne das Gefühl, dass sie unbedingt etwas tun musste, um dem Dorf gegen die Lumianer zu helfen. Es war, als hätte Gott persönlich ihr diese Aufgabe gegeben.
Sie blickte Justus an und gemeinsam verließen sie die Klosterkirche und schritten scchweigend durch den Kräutergarten.
"Könntest du für mich nochmal in die Apotheke gehen? Wir haben so viele Teekräuter übrig, dass wir sie an die Apotheke geben können." Justus unterbrach die Stille so plötzlich und unerwartet, dass Maria einen kurzen Augenblick vor Schreck zusammenzuckte. "Ah! In die Apotheke? Ja, das kann ich wohl machen."
Wenig später drückte Justus ihr einen Beutel voller getrockneter Teekräuter in die Hand, den Maria schulterte. Die Kräuter waren sehr leicht, also war die Aufgabe für Maria sogar recht einfach zu bewältigen. Es war mehr wie ein Spaziergang. Sie lächelte Justus an und war Froh, nochmal ins Dorf gehen zu können. Dort könnte sie sich auch ein wenig umhören, ob schon jemand verdächtigt wurde.
Der Weg zur Apotheke führte ein wenig über den Marktplatz, in dessen Mitte sie ein Schwert sah. "Komisch, was macht denn ein Schwert hier?", murmelte Maria vor sich hin. Aber sie hatte ihre Kräuter, die sie erst wegbringen wollte. Um ein alleingelassenes Schwert konnte sie sich auch später kümmern. Vielleicht gehört es Rekon und er hat es dort verloren. Er ist doch auch sonst immer in Rüstung unterwegs, da kann es doch auch sein, dass er sich irgendwann auch ein Schwert zugelegt hat...
Maria schüttelte den Kopf und somit diesen Gedankengang fort. Was für belanglose Gedanken!
An der Apotheke angekommen, wollte sie die Tür öffnen - doch wie es schien, war sie verschlossen.
"Huch? Merkwürdig...", wunderte sich die Nonne zunächst - doch da fiel ihr Blick auf den Zettel an der Tür. " Dass sie alle schreiben können, ist echt ein Segen."
Die Apotheke wird aufgrund der derzeitigen Situation erst heute Mittag öffnen. Bitte habt ein wenig Geduld.
In tiefer Trauer um den verschiedenen Hauptmann
Luise Elkarst.
Bis zum Mittag dauerte es nicht mehr lange, also beschloss Maria in der Zwischenzeit sich doch mal um den Dorfplatz zu kümmern, oder eher um das Schwert, dass da lag.
Es war sicher nicht so gut, wenn die Kinder des Dorfes dort vorbei kommen und damit anfangen würden, zu spielen.
Auf den Dorfplatz zurückgekehrt (es waren ja eh nur drei Schritte dort hin...) besah sich Maria das Schwert genauer und entdeckte sowohl das Blut als auch die Nachricht der Lumianer.
Sie schluckte schwer. Richtig, die Lumianer, das hatte der Pfarrer mal erzählt, waren ein blutrünstiges Volk. Und nächste Nacht sollte jemand sterben? Maria machte sich wieder das Kreuzzeichen und betete zu Gott, dass er stehts die Richtigen schützen möge.
Der andere Zettel trug die Handschrift des Pfarrers. Er rief auf, die Verdächtigen zu hängen. Maria blickte mit einem gemischten Gefühl aus Traurigkeit und Entsetzen auf die Liste. Dort stand ein Name, der ihr sehr bekannt war. Konrad.
Ausgerechnet Konrad würde er hängen wollen? Dabei war er doch so Gottesfürchtig und gutmütig, und am vortag erst bei ihr gewesen - er würde niemals ein Ketzer sein können! Da doch eher dieser Gottlose...! Vor ihrem geistigen Auge sah Maria erneut Noels Gesicht, wie er Gott verleugnete. Mit diesen stechenden, bösen Augen. Sie schüttelte sich. Wahrscheinlich war er viel eher Lumianer als Konrad. Das passte einfach mehr. Es konnte gar nicht sein, dass ausgerechnet Konrad ein Lumianer sein sollte..
Und war gestern nicht noch jemand neues ins Dorf gekommen? Das hatte Konrad doch auch erzählt. Vielleicht hatte diese Person ebenfalls mit dem Auftauchen der Lumianer zu tun...
Maria stand vor der Liste wie angewurzelt und sah fassungslos auf den Strich hinter Konrads Namen. Aus welchem Grund sollte man ausgerechnet Konrad hängen wollen?
Während sie darüber nachdachte, verstrich einige Zeit...
Zirconia
24.03.2013, 15:09
Rekon hat die Bibliothek erreicht und sieht, wie Noel sich mit Luise Elkarst unterhält. Er entschließt sich, die beiden in Ruhe zu lassen und selbst das Buch zu suchen. Die Bibliothek ist sicherlich nicht die größte, die Rekon in seinem Leben sah, deshalb findet er sich mehr oder weniger gut in der Bibliothek von Noel zurecht. Auf einmal findet Rekon ein interessantes Buch: "Kräuter von Düsterwald - Band I" von Gregor Ignith. Rekon konnte seine Neugier nicht unterdrücken und fing an, das Buch zu lesen und sich über sämtliche Kräuter von Düsterwald zu informieren, auch wenn die meisten von ihnen nicht neu für ihn waren. Jedoch fand Rekon so einige interessante neue Kräuter und so begann er, die ganze Reihe, bestehend aus 5 Bändern zu lesen. Na ja... jedenfalls schaut er sich die ihm unbekannten Kräuter an...
Zitroneneis
24.03.2013, 15:24
"Schiffe. Sie... äh... nun. Sie fahren. Auf Wasser. Gewissermaßen."
Luise starrte den Bibliothekar verwundert an. Sie wusste ja, dass Schiffsbau ein gutes Thema war, um sich vorsichtig etwas besser kennenzulernen. Aber dass Noels Verhalten sich so schnell wandeln würde, sobald sie dieses Thema aufbrächte... das hatte sie nicht gedacht.
Der sonst so gefasst wirkende junge Mann schien nun um seine Worte zu ringen. Eigentlich war auch dieses Bedrohliche verschwunden, was sie sonst immer in ihm spürte. Er erinnerte im Augenblick mehr an einen stammelnden Jungen, der eine Ausrede suchte, denn an einen erwachsenen Bibliothekar, den anscheinend so viele Dorfbewohner fürchteten.
Auch seine nächsten Worte überraschten Luise:
"D-Der Schiffsbau als Solches geht weit in der Zeit zurück, man nimmt an, die Ägypter hätten die ersten Schiffähnlichen Gefährdte konstruiert. An sich ist es stets eine Frage von Konstruktionsgenauigkeit, finanziellen Mittteln und gewünschtem Zweck. In unserem Land wird man nicht auf allzuviele Kriegs oder Handelsschiffe treffen, hier sind Transport und P-Passagierschiffe an der Tagesordnung, welche ihren Fokus a-auf Staumasse und Äußerlichkeiten legen. Für weitere Informationen in detaillierter Auflistung kann ich dir die R-R-Regale 2 bis 4 empfehlen, in denen du allerhand Literatur über jegliche Gefährte der bekannten Welt findest..."
Luise hatte immer gewusst, dass Noel ein gebildeter Mann war, der vieles wusste. Somit waren es nicht seine Worte, die sie überraschten, sondern seine Art. Tyrell hatte ihr erzählt, dass Noel ein verabscheuungswürdiges zweites Gesicht besaß - aber davon konnte Luise im Augenblick einfach nichts sehen.
Seine Worte klangen mühselig auswendig gelernt und dann heruntergestammelt. Und er wirkte beinahe so nervös wie Luise selbst, wenn sie vor einem fremden Menschen reden musste. Irgendetwas musste den armen Bibliothekar furchtbar aus dem Konzept bringen. Hatte sie etwas falsches gesagt?
Da kam Luise ein schrecklicher Gedanke, mit dem sie gleich ohne nachzudenken losplatzte: "Hast du etwa -"
Rechtzeitig unterbrach sie sich selbst. Wenn ihr Gedanke stimmte, würde sie ihm wahrscheinlich einen rostigen Dolch ins Herz rammen, spräche sie ihn direkt aus.
Konnte es sein, dass Noel eine schlimme Erfahrung mit einem Schiff gemacht hatte? Oder auf einer Schiffbaustelle? Bestimmt hatte er einmal Eltern gehabt und er schien ja noch sehr jung zu sein. Bestimmt keine zwanzig Sommer. Vielleicht waren seine Eltern bei einem Schiffsuntergang gestorben? Oder von einer vom Gerüst fallenden Planke erschlagen worden? Vielleicht hatte er ein jüngeres Geschwisterkind gehabt, dass ins Wasser gefallen, von einem großen Schiff versehentlich gerammt worden und dabei umgekommen war? Oder er selbst hatte einen Piratenüberfall miterlebt?
Was es auch war, das Noel so belastete, die Frage "Hast du etwa etwas schlimmes auf einem Schiff erlebt?" wäre unendlich taktlos.
"- ähm, e-ein ganzes B-bücherregal ü-über... ähm... dieses T-thema... g-gelesen?", beendete Luise stattdessen ihre unterbrochene Frage und versuchte, beeindruckt zu klingen. Schnell eilte sie zu den genannten Regalen und schnappte sich achtlos ein Buch mit dem Titel "Das Bezirzen holder Burgfräuleins durch den Bau großer Schiffe für ihre Schoßhündchen" und sagte mit einem etwas gekünstelt fröhlichem Lächeln: "V-vielen Dank, N-noel. Ich w-werde mir d-das hier dann mal ausleihen u-und dann d-die Apotheke ö-öffnen. W-wir sehen uns bestimmt bald wieder in der Apotheke, w-wenn du... äh.. w-wieder K-kopfschmerzen hast..."
Dann durchschritt sie die Tür zur Straße.
Immer noch irritiert, nachdenklich und mitleiderfüllt von ihrem Gespräch gerade, nahm Luise diesmal den direkten Weg zur Apothek, über den Dorfplatz.
Dort angekommen fielen ihr mehrere Dinge auf.
Erstens saß dort am Brunnen Maria, die nonnigste aller Nonnen, und schien auf jemanden zu warten. Sie trug einen Beutel, ähnlich denen in welchen Mönche oder Nonnen manchmal Kräuter zur Apothek lieferten. Schuldbewusst dachte Luise daran, dass wohl auf sie gewartet wurde.
Das zweite, was ihr auffiel war ein Schwert auf dem Dorfplatz. Luise trat neugierig näher und stellte angewiedert fest, dass Blut daran klebte. Wer ließ sein ungesäubertes Schwert mitten auf dem Dorfplatz zurück. Dann laß Luise den am Schwert befestigten Zettel.
Eine Welt brach für sie zusammen.
Mechanisch drehte sie sich zu der nun auf sie aufmerksam gewordenen Nonne zu und fragte mit leiser, bebender Stimme: "I-ist das w-wahr? I-ist Konrad w-wirklich... ?"
Ihre Knie gaben unter Luise nach, und der darauf folgende Schmerz bestätigte ihr, dass dies kein Traum war.
Die Wahl Ross zum Hauptmann war dann doch irgendwie unerwartet gekommen. Klar wusste er, dass seine Familie nicht den schlechtesten Ruf hatte, aber das war dann doch irgendwie überraschend. Natürlich hatte Ross im Moment nicht allzu viel zu tun, er verbrachte den Abend damit, seine Axt zu schärfen, da sie in letzter Zeit einiges an Schnitt verloren hatte. Außerdem musste noch der Stall aufgeräumt werden, zumindest ersteinmal grob, da Ross eh noch ein paar Tage Zeit hatte, bis seine Familie zurück war.
Alles zu seiner Zeit, zuerst galt es, seinen Partner aufzusuchen, schließlich musste er noch sein Geld bekommen. Aus diesem Grund besuchte er diesen, aber irgendwas war anders als sonst. Ross konnte es nicht genau sagen, sein Partner machte einen reservierten Eindruck und schien dabei zu sein, seine Sachen zusammen zu sammeln, jedenfalls schien er Ross nichteinmal zu beachten. Das Geld bereits in der Hand machte Ross anstalten, seinen Partner zu begrüßen, aber als dieser Ross bemerkte, wirkte er nur noch unruhiger und als Ross ihm das Geld geben wollte, nahm er es hastig entgegen und bittete darum, dass Ross sein Haus auf dem schnellsten Weg verlasse.
Selbst am nächsten Tag konnte Ross sich keinen Reim darauf machen, allerdings war er auch nicht dafür bekannt, sonderlich tiefe Gedankengänge zu haben, weshalb er es irgendwann einfach aufgab, mit dem Gedanken, dass es sich eh später klären würde. Ross stand recht früh am Morgen auf und nachdem er sich ein spärliches Frühstück gemacht hatte, musste er sich nun für das Hauptmannsein vorbereiten, es war mit Sicherheit einiges liegen geblieben, was der alte Hauptmann aufgrund seiner schweren Krankheit nicht hatte machen können.
So verließ Ross sein Haus an diesem Morgen. Das Wetter war heute wieder eigenartig; eine merkwürdige schwere Kälte lag auf dem Dorf wie eine dicke Wolldecke. Die Sonne war am Aufgehen, allerdings konnte man deutlich erkennen, wie eine Wolkenfront aufzog und im Laufe des Tages würde diese wohl die Sonne überholen und wenn es ganz schlecht lief, würde es wohl Schnee geben, was für diese Jahreszeit dann wirklich sehr ungewohnt wäre. Als ob der letzte Winter nicht schon kalt genug war, das letzte was sie brauchen konnten, war Schnee im Sommer.
Ross beeilte sich und eilte ins Zentrum des kleinen Dorfes. Anscheinend war er heute nicht der erste, der auf den Beinen war, denn er bemerkte, dass in der Bibliothek bereits Licht brannte und er selbst hier draußen Stimmen hören konnte. Als er im Zentrum ankam, bot sich Ross ein schrecklicher Anblick. Dort lag ein blutverschmiertes Schwert, an dem sich ein Zettel befand. Irgendeine Gruppe, die sich selbst die Lumianer nannte, hatte es anscheinend auf das kleine Dorf abgesehen. Hinzu kam noch, dass sich noch weitere neue Zettel an einem Wandbrett befanden.
Anscheinend sollte wohl die traditionelle Hängwahl zur Lösung des Problems herangezogen werden. "Dieser Pfarrer. Was bildet er sich eigentlich ein, eine Hetzjagd anzuordnen, ohne mich vorher um Erlaubnis zu fragen?" Leider wusste Ross nur zu gut, welche Macht der Pfarrer ausübte und somit wusste er auch, dass er Schwierigkeiten bekäme, sollte er die Hetzjagd wieder abblasen. "Na klasse und das an meinem ersten Arbeitstag..."
T.U.F.K.A.S.
24.03.2013, 16:44
"Wieviel Uhr ist's?", fragte Lumi ins Kissen hinein. Es müsste jetzt früh morgens sein. Und so fühlte sie sich auch. Allerdings kam keine Antwort. Ein genervtes "Ugh..." von sich gebend rappelte sie sich und drückte den Rücken durch, was dieser mit einem lauten Knacken dankte. Danach folgte ihr typischer Morgen-Ritus: Aufstehen, anziehen, Frettchen suchen, nach Frettchen rufen, Frettchen nicht finden, Frettchen wüst beschmipfen, sich weiter anziehen, dann von Frettchen überrascht werden das plötzlich aus dem toten Winkel angesprungen kommt, Frettchen noch einmal wüst beschimpfen, durch die Haare wuscheln damit diese zumindest halbwegs annehmbar saßen und hinaustreten aus dem Schlafgemach - dieses Mal nicht aus einem Zelt, einem Schlafplatz unter dem Sternhimmel oder einem Haus in das sie niemand eingeladen hatte - dieses Mal aus einem sporadisch ,aber doch angenehm eingerichteten Zimmer mit dem irritierend weichen Bett, das sie wahrscheinlich vielleicht bestimmt niemals nach dem Frühstück machen würde. Sie grinste kurz und ging dann, Frettchen im Beutel, hinüber zum großen Raum, in dem heute Nacht Konrad noch ziemlich besoffen herumgelegen hatte. Feuer knisterte, es roch nach... nach... irgendwas Gutem zu Essen. Das Grinsen wurde breiter.
"Jó reggelt. [Guten Morgen]", sagte sie leise, als sie Brunhild (so hieß sie doch, oder? Lumi konnte sich zumindest an das "-hild" erinnern, alles davor... Brunhild. Passte schon.) am Tisch sitzen saß. Es war aufgetischt, selbst eine Schale volelr Milch für Djángo stand da. Jetzt lächelte sie. "Hast du das-ich meine, alles selbstgemacht?", fragte sie respektzollend mit großen Augen, als sie die Leckereien auf dem Tisch sah. Nicht dass sie nicht kochen konnte, aber Frühstück bestand für sie normalerweise aus einem furztrockenen Brotlaib und einem mehrere Minuten langen Lauf quer durch eine Stadt, sobald ihr der Besitzer dieses Laibs auf den Versen war. Es war eine schreckliche Angewohnheit von ihr, die Zeche zu prellen. Sie begann, stumm und gesittet den Haferbrei in ihrer Schüssel einige Male mit dem Löffel zu rühren.
Dieses Mal würde sie alles zurückzahlen. Das war's, nie wieder Zech-
"Boah! Oh Mann!"
Der Gedankengang wurde unvermittelt unterbrochen, als sie sich den mit einem geschätzten Kilo Haferbrei gefüllten Löffel in den Mund schob und laut freudig kieksend Brunhilds Kochkünste preiste. "Das ist schei-voll lecker, ich schwör!"
Brunhild lächelte mild und nickte danksagend.
"Ohne Lüge, isso, ist echt verdammt gut, echt RICHTIG verdammt gut, ich schwör.", sagte sie laut schmatzend, während sie sich noch zwei Ladungen in den Mund schaufelte und sich parallel dazu mit der anderen Hand ein Brötchen schnappte und auf ihren Tellerand legte. "Ich meine, Küche aus mein Heimatland auch verdammt gut, aber ich hab' seit bestimmt-", 1... 2... 3... 3... äääähhh...., "-übertrieben viele Jahre nicht mehr so gutes Frühstück gesehen. Ne, Djángo?". Djángo antwortete nicht. Der war viel zu sehr abwechselnd mit seiner Milch und der wedelnden Rute des alten Hunds beschäftigt, die er schon seit ihrer Ankunft am Tisch beobachtete. "Ich schwör, wenn Djángo mit dich reden könnte würde er sagen, so... so...", sie überlegte kurz, was nett und gleichzeitig bar jeglicher Profanität war, "... so 'Aber echt.', das würde er sagen, ne, Djángo?"
"Oh, es ist nichts besonderes - aber vielen Dank!", antwortete die Wirtin, sichtbar zufrieden mit sich selbst. "Du sagst 'dein Heimatland'? Wo kommst du denn ursprünglich her?"
Lumis Blick verfinsterte sich nicht unbedingt, wurde aber kurz etwas weniger freudig als zuvor. Sie wich dem Blick der Wirtin kurz aus und antwortete, nachdenklich den Rest Haferbrei in ihrer Schüssel rührend. "Ist... ist... komplu-kompli-schwierige Geschichte mit meiner Heimat, reicht wenn du weißt dass es nicht ist hier und dass.... ach, tut mir leid, ich werde immer nachdenklich bei mein Heimatland.", sie unterbrach kurz und schob sich noch einmal einen Löffel voller Haferbrei in dem Mund, um schmatzend mit "Alles nicht so leicht." vorerst dieses Thema abzuschließen. Kurz schwieg Lumi, dann fragte sie "Und du? Du bist von hier, ja? Kennst bestimmt alle Leute hier in die Gegend, ja?", kurz kratzte sie sich am Hinterkopf, wo sich seit gestern abend eine kleine Beule gebildet hatte, "Weil mich würde echt mal int'ressieren was einige der Leute hier so... dings, machen und so. Will mich nicht aufdringen, ne? Ich möchte nur dich und der anderen hier kennenlernen."
Sie grinste wieder und schaute Brunhild mit großen Augen an, bevor sie mit einem Bissen das halbe Brötchen futterte. Leise vor Freude schluchzend entfuhr es ihr dann doch: "Oh so scheiße gut, ich schwör...", erst einen Augenblick später fiel es ihr auf. "Tut mir leid, dass ich sage 'Scheiße', ich sage das viel zu-Oh Scheiße, ich hab' schon wieder-oh...!", eine kurze Pause und ihre flache Hand an der Stirn später fügte sie ein leises "Tut mir leid wegen 'scheiße'." hinzu. Dann legte sie wieder ihr Grinsen plus Hundeblick auf, während Brunhild ein wenig irritiert dreinschaute.
Luise antwortete nicht. Noch immer seine schwarzen Stiefel beäugend, wurde Noel zunehmend nervöser durch die Stille zwischen den beiden.
"Hast du etwa -"
Noel schreckte auf, als sich die kleine Elfe wieder wirsch in Schweigem verlor.
Einige Sekunden stammelte die kleine, zerbrechliche Gestalt vor sich hin und der junge Bursche musste den Wunsch unterdrücken, sie sofort mit den Armen zu umschließen und zu drücken.
So süß...es tut weh. Ich habe Schmerzen.
"- ähm, e-ein ganzes B-bücherregal ü-über... ähm... dieses T-thema... g-gelesen?"
Huh? Noel konnte das Gesagte noch nicht aufnehmen, da entfernte sich Luise auch schon künstlich lächelnd.
Er streckte den Arm aus, wollte die Situation noch retten.
"W-"
"V-vielen Dank, N-noel. Ich w-werde mir d-das hier dann mal ausleihen u-und dann d-die Apotheke ö-öffnen. W-wir sehen uns bestimmt bald wieder in der Apotheke, w-wenn du... äh.. w-wieder K-kopfschmerzen hast..."
Und mit diersen Worten verschwand das Mädchen aus der Bibliothek.
Nein...
Enttäuscht ließ Noel den Arm sinken und seine Schultern wurden schlaff.
Seine Haare klebten ihm im erschöpften Gesicht, Schweißtropfen säumten seine Wangen.
Verbockt. Ich habs verbockt. Sie war hier, meine kleine Elfe. Sie war hier, ganz mit mir allein, und hat mich etwas gefragt. Und ich habs verbockt.
"VerrrDAMMMMMT!"
Frustriert schlug Noel mit der Faust in ein neben sich stehendes Holzregal, welches daraufhin, war es doch nicht sehr standfest in seiner Konstruktion, krachend umstürzte, woraufhin dutzende Bücher in alle Richtungen davonflogen.
"... hah... hah... hah..."
Eigentlich hatte er doch keinen Grund, sich zu beschweren. Seine kleine Elfe war zu ihm in die Bibliothek gekommen, um mit ihm zu sprechen. Das lebensfeindliche Gefühl in ihm war verschwunden, alles war gut.
Aber warum... fühlte er sich dann trotzdem so leer?
Du musst lernen, das Positive zu sehen.
Deus kam von hinten herangeschritten, sprach mit gefasster Stimme wie stets.
Das Mädchen kam hierher, um dich zu sehen, das kannst du mir glauben. Und, soviel möchte ich dir verraten, die Situation ist längst nicht so schlimm wie du denkst. Im Gegenteil, du hast nichts falsch gemacht. Kopf hoch, Nolchen.
Noel beruhigte sich etwas, die unbändige Wut auf sich selbst erlosch langsam und er sprach wieder mit seiner gewohnt emotionslosen Stimme mit dem Wolf neben ihm.
"Nenn mich noch einmal Nolchen und ich bring dich um."
Deusexus grinste. Wie ein Soldat, der salutierte, hielt er sich die Pfote an den haarigen Kopf.
Verstanden, Käpt'n!
"Hmpf. Danke für eben."
Bevor Deus die Ohren spitzen konnte, ob er gerade richtig gehört hatte, schritt Noel zwischen den Regalen entlang zu einer weiteren Person in der Bibliothek.
Es war Rekon, jener kriegerische Geselle, den Noel schon vom sehen her kannte.
"Ich grüße. Rekon war der Name, richtig? Ich bitte um Verzeihung, doch dringliche Angelegenheiten bedarfen meiner Anwesenheit außerhalb der Mauern dieser Stätte des Wissens. Wenn ich Euch bitten dürfte, die Bibliothek einstweilen zu verlassen."
Der stämmige Mann packte nickend sein Buch Weg und verließ nach einigen Worten das Gebäude.
Dringliche Angelegenheiten? Ich verstehe, Mr.Stalker.
Werd nicht übermütig, Köter.
Schweigend verließ Noel die Bibliothek und schloss die massiven Türen ab.
Ruhig suchte er das Umfeld ab - da. Rote Strähnen. Luise war in der Ferne noch zu erkennen, sie sauste richtung Dorfplatz davon. Also würde Noel diesen Weg ebenfalls einschlagen. Etwas weiter vor ihm begab Rekon sich auch in diese Richtung.
Etwa zehn Minuten dauerte es, bis der runde Platz in Sicht kam. Bedauerlicherweise hatte er seine kleine Elfe aus den Augen verloren, doch etwas Anderes fing seinen Blick auf.
Ein in Tierblut getränktes Schwert, welches mit einer Notiz versehen war.
"Irgendetwas hat heute morgen unseren Erfolg verhindert, doch nächste Nacht wird jemand sterben. Die Lumianer."
Noels Augen weiteten sich. Lumianer.
Er kannte diese Sekte von verblendeten Maden. Sie waren seit jeher einer der Erzfeinde "Gottes Augen", daher hatte er viel über sie gehört. Und jetzt waren sie in diesem Dorf, mit dem Willen, es auszurotten, es zu übernehmen?
Nein. Oh nein, definitiv nicht. Dies war sein Zuhause. Der Ort, an dem er endlich ein Leben abseits von Blut und Leid gefunden hatte. Das würde Noel nicht zulassen, auf keinen Fall. Denn es war ihr Zuhause.
Krampfhaft umschlangen seine Finger den Dolch, als er das Schriftstück genauer inspizierte.
Was für unsagbare Narren. Hat man schon von den Tätern gelesen, die ihre Opfer ankündigen? Welch eine Farce.
Ich schwöre, ich werde euch in Stücke reißen.
Dann fiel Noels grimmiger Blick auf ein größeres Schriftstück, einen Zettel der Kirche.
nun, normalerweise gab es wohl keine achtlosere Lebenszeit-Verschwendung als Schriftstücke der Kirche. Aber unter diesen Umständen wagte Noel einen zweiten Blick.
"Liebe Gemeinde heute Nacht ist das Böse in unserem Dorf erschienen, in Gestalt einer Sekte welche allen Redlichen nach dem Leben trachtet. Da der Magistratsposten vakant ist obliegt es mir die Jagd zu leiten. Daher kehren wir zu den altbekannten Ritualen und Gesetzen zurück die bereits einige Scheusale aus unserer Mitte entfernten. Ein Jeder hat am Tage eine Stimme und denjenigen welcher von den Meisten beschuldigt wird werden wir dem Galgen überantworten. Auf das wir gut entscheiden. Ich selbst habe bereits auf Anraten eines Mitglieds unserer Gemeinschaft Konrad (Viviane) gewählt, welches mich von der üblen Gesinnung dieses Mannes überzeugte. Ich gedenke ihm weiter zuzuhören. Entscheidet weise nach dem Gesetz während ich meinen Pflichten nachgehe.
Ein bissiger Wurm tobte tief in Noels Magen, kroch seine Brust hinauf bis zu seinen Ohren, so er ihm etwas ins Selbige hauchte:
Verachtung.
Die Menschen dieses Dorfes waren nicht anders. Keinen Deut. Sie waren nichtswürdiger Abschaum. Hängen? Lebende Menschen nach Stimmenwahl hängen?
Oh ihr ungezählten Glaubensgötter, wie sehr ich euch hasse.
Noel musste sich zügeln. Der Hass tobte in ihm wie allesverzerrende Säure, aber es half nichts. Dies war sein Zuhause, wenn er es richtig anstellte, würden sie nur die Würmer der Lumianer hängen. Er würde das schaffen. Und was interessiert es ihm, wenn irgendwelche Niemande gehängt wurden? Solange seiner kleinen Elfe nichts passierte, leuchtete diese Welt hell und in den wundervollsten Farben.
Erst jetzt realisierte Noel die erste Nominierung: Konrad.
Das Gesicht in Abscheu verzogen schüttelte er leicht den Kopf.
Vielleicht mochte Noel den bärtigen Gesellen nicht, aber er war Luise' Cousin und sie vertraute ihm. Niemals würde sich dieser Mann einer verblendeten Glaubenssekte anschliessen und gar in Kauf nehmen, seiner Cousine etwas anzutun.
Insekten, verblendete, dass ihr blind die eigenen Leute dem Scharfrichter vorwerft. Aber solch ein Verrhalten passt so gut zu euch...
Ruhig sah Noel sich auf dem Platz um, dachte nach, was nun geschehen würde.
Etwas war seltsam: Deusexus hatte seit einiger Zeit nichts gesagt und zeigte sich auch nicht.
Mephista
24.03.2013, 17:15
Noch nie hatte sie ein Mädchen derart oft fluchen gehört, zumal die meisten Sch- Flüche nichtmal als solche gemeint schienen. Auf die Entschuldigung deswegen schüttelte sie lächelnd den Kopf und winkte ab. In diesen Räumlichkeiten hörte sie sowas öfter, als den meisten lieb gewesen wäre. Auch hoffte sie, keine Wunden aufgerissen zu haben, da das Mädchen auf die Frage nach ihrer Heimat so verschlossen antwortete. Dann besann sie sich aber auf die Frage, die noch im Raum hing: „Also jedenfalls…ja, ich komme von hier, hier geboren und aufgewachsen. Bis auf ein paar Besuche in den nächstgelegenen Dörfern und der einen Stadt habe ich mein ganzes Leben hier verbracht…“ Den Kopf stützte sie dabei auf den rechten Arm und kratzte vom Tisch einen nicht vorhandenen Fleck weg.
Hier gibt es ja nicht so viele Leute, aber die kenn ich alle ganz gut, das schon…Da ist zum Beispiel Ross, der die Nachfolge unseres guten alten Hauptmannes antritt, ein tüchtiger Holzfäller, nicht der hellste unter dem Himmel, aber hat ein gutes Herz und man kann sich wenns hart auf hart kommt auf ihn verlassen. Deswegen ist ers wohl auch geworden, Hauptmann, mein ich. … Merete…naja, sie spricht mit kaum Jemanden ein Wort, sie ist aus dem Norden, also so richtig Norden, aus einem viel kälteren Land, will ich meinen. Aber eine verdammt gute Jägerin scheint sie zu sein… Hm, Du hast wahrscheinlich schon das Kloster gesehen, was hier eingegliedert ist, dort sind einige Nonnen und Priester, aber vor allem Maria, die Äbtissin, extrem gottesfürchtige Frau. Vor ihr solltest Du besser nicht fluchen…“ fügte sie mit einem Grinsen zu. Sie schob sich den letzten Löffel Haferbrei ihrer Schale in den Mund, dann fuhr sie fort.
Wo war ich? Ach ja, Maria, die gute… Einen „Erfinder“ haben wir auch, den Tyrell, ein wenig merkwürdig ist der Junge, bastelt ständig an komischen Sachen herum und scheint nicht weit vorrauszudenken, aber ist an sich schon anständig. Bei Noel weiß ich noch nich so ganz, was ich von ihm halten soll… das ist der mit dieser blauen Gesichtsbemalung, der hatte Dir gestern auch ans Bein gefasst. Weiß nicht viel über seine Vergangenheit, er ist aber auf jeden Fall auf die meisten hier, bzw. eigentlich auf alle Leute überhaupt, sehr schlecht zu sprechen, außer Luise. Die betet er an, als wäre sie ein vom Himmel gefallener Engel. Sie räusperte sich; das viele Sprechen so früh am morgen trocknete ihren Hals vollkommen aus. Vom guten Adalbert, den grad eine Krankheit im Griff hat, ist das die Kleine. Das Kind ist gescheit geraten, möchte ich meinen; etwas sehr zurückhaltend, aber hilft ihrem guten Vater in der Apotheke wo sie nur kann und ist wohl ein sehr helles Köpfchen. Ihr Vetter arbeitet bei mir als Stalljunge seit zwei Jahren, den kennst Du schon, er hat Dich gestern hierher gebracht, Konrad…“
Einen Moment hielt sie inne, ehe sie die Stimme wieder erhob: “Ein wirklich feiner Kerl, hilft seinem Onkel aus und wartet drauf, eine Meisterstelle in der nächsgelegenen Stadt zu kriegen, er ist eigentlich Schreinergeselle weißt du…also wird er irgendwann wieder gehen...“
Die letzten Worte klangen seltsam belegt und die Wirtin blickte einige Augenblicke abwesend ins Leere, während sie über die verbundene Handfläche strich. Dann erinnerte sie sich an die Gegenwart Lumis, stand auf und schritt zum Tresen:
Wenn ich viel rede, bekomme ich unglaublichen Durst, das kennst Du ja vielleicht, fühlt sich schrecklich an…“ Schnell zapfte sie zwei Dünnbiere ab und kehrte mit den fast überlaufenden Krügen zurück. Einen vor Luminitsa abstellend, setzte sie sich und trank einige großzügige Schlucke aus ihrem.
“Naja, das sind zumindest einige aus unserem Dörfchen, ich will Dich ja nicht überrumpeln…“, meinte sie beim Absetzen augenzwinkernd zu ihrem Gast.
Auf einmal schnippte sie mit den Fingern:
“Das habe ich glatt vergessen! Ich wollte Wasser holen, damit Du Dich waschen kannst… Iss nur zu Ende, keine Bange, ich brauch nicht lang.“
Mit diesen Worten erhob sich die Wirtin, ergriff eine Wasserkanne und öffnete die Wirtshaustür. Der Freitag begrüßte sie mit eisiger Luft, sodass sie nach ihrer am Haken hängenden Heuke griff, sich diese umlegte und nach draußen in Richtung Brunnen schritt. Dort angekommen ließ sie den Eimer herab, kurbelte ihn gefüllt wieder hoch und goss das Wasser in die Kanne- als ihr Blick auf ein im Boden steckendes Schwert unweit von ihr fiel.
Interessiert trat sie näher und entdeckte einen daran befindlichen Zettel und beugte sich hinab.
IR-G-E-N-D-ET-WAS… irgendetwas, gut.
Während sie versuchte zu entziffern, was dort stand, fuhr sie die Buchstaben mit der Fingerspitze nach und bewegte angestrengt den Mund. Unter den anderen Wörtern der Botschaft waren kaum welche, die sie schnell erkannte, das würde also Stunden dauern…
Brunhild erhob sich wieder, da ihr am Mitteilungsbaum ebenfalls Zettel aufgefallen waren, die sie vor der Entzifferung erst einmal besehen wollte.
Vor dem Baum standen bereits Maria, Luise, Noel, Rekon und der neue Hauptmann- keiner von ihnen machte einen glücklichen Eindruck.
“Gott zum Gruße, ihr Lieben!“, sprach sie bei ihnen angekommen.
Der erste Zettel zog sie sofort an, da er sie an ihr geliebtes Lagersystem erinnerte. Sofort fiel ihr ihr Name auf, der weiter unten geschrieben stand, ebenso wie wohl die Namen der anderen Bewohner. Hinter dem Namen ihres Stalljungen war ein Strich, was das wohl zu bedeuten hatte?
Der andere Aushang würde es wohl sagen, doch als sie ihn betrachtete, stöhnte sie etwas zu laut auf. Da waren ja NOCH mehr Wörter als auf der Nachricht des Schwertes drauf!
Solche Ansammlungen an Wörtern ließen immer großes Unbehagen in ihr aufsteigen. Zum Einen weil sie vom Lesen soviele Wörter immer Kopfschmerzen bekam, wegen der Anstrengung und zum Zweiten, weil sie es schließlich nie hinbekam und immer Jemanden fragen musste, ihr vorzulesen. In solchen Momenten fühlte sich die Wirtin immer unglaublich dumm, weil die meisten im Dorf sehr gute Leser und Schreiberlinge waren.
Trotz dessen drehte sie sich strahlend um und fragte in die Runde:
“Wäre einer von Euch so gut, und könnte mir sagen, was da steht?“
Die Heuke enger um den Leib fassend sah sie die Fünf erwartungsvoll an.
Ligiiihh
24.03.2013, 19:15
"Tyrell, komm her."
(Nein... ich-)
"Tyrell, liebst du... mich nicht?"
(Was? Doch, sag sowas nicht...!)
"Bitte... komm hierher..."
(Wo gehst du hin? Nein... nein, nicht weiter weg! Nein-)
"Mama, geh nicht!!"
Das war laut. Nicht so laut, dass jemand anders es hätte hören können, aber... eine noch unangehmere Art, um Aufzustehen, als Niesen. (Oh große Güte...), dachte er, (....das war... nicht schön... w-was passiert hier nur...?) Für einen Moment kam alles wieder hoch. Es war ein schöner Tag, sonnig. Tyrell war draußen zum Spielen, während seine Mutter zuhause im Fieber lag. Sie sagte, er solle sich keine Sorgen machen... als er zurückkam, antwortete sie auf keinen Satz von ihm. Oder etwa doch? So genau weiß es niemand. Aber ab diesem Tag war Tyrell komplett auf sich allein gestellt. Wer sollte sich auch um ihn kümmern?
Deprimiert machte sich Tyrell einen weiteren Tee. Seine Erschöpfung verschwitzte er völlig während des Schlafens, allerdings dachte er, er sollte lieber auf Nummer sicher gehen. Der Tee zog genau drei Minuten, bis er ihn trank und in seinem Buch herumtüftelte. Er saß da, still und leise, vor sich hin. Er stieß dabei immer wieder zurück zur Seite mit dem Blitzfänger. Darin stand, dass Blitze nicht von Gottes Hand kommen, sondern eine natürliche Begebenheit sind. Solange niemand diese Seite zu Gesicht bekam, war für ihn die Welt noch vollkommen in Ordnung. Er steckte sein Buch weg, wo es unauffällig blieb, obgleich er seit Jahren schon keinen Besucher empfangen durfte, und ging nach draußen. Frische Luft schnappen. Dieses Vorhaben blieb nicht lange im Vordergrund, als er mit der Dorfmasse gen Zentrum schwimmte und dort ein Schwert vorfand, mit höchst interessantem Zettel, viel interessanter der dortige Inhalt.
Irgendetwas hat heute morgen unseren Erfolg verhindert, doch nächste Nacht wird jemand sterben.
- Die Lumianer(Oh je...), dachte er sich, (worauf wird das nur hinauslaufen...?") Dann fand er einen weiteren Zettel vor, am Ankündigungsbaum.
Liebe Gemeinde heute Nacht ist das Böse in unserem Dorf erschienen, in Gestalt einer Sekte welche allen Redlichen nach dem Leben trachtet. Da der Magistratsposten vakant ist obliegt es mir die Jagd zu leiten. Daher kehren wir zu den altbekannten Ritualen und Gesetzen zurück die bereits einige Scheusale aus unserer Mitte entfernten. Ein Jeder hat am Tage eine Stimme und denjenigen welcher von den Meisten beschuldigt wird werden wir dem Galgen überantworten. Auf das wir gut entscheiden. Ich selbst habe bereits auf Anraten eines Mitglieds unserer Gemeinschaft Konrad (Viviane) gewählt, welches mich von der üblen Gesinnung dieses Mannes überzeugte. Ich gedenke ihm weiter zuzuhören. Entscheidet weise nach dem Gesetz während ich meinen Pflichten nachgehe.
Deus lo vult
(Was zum... so paranoid? Wer bin ich, dass ich den Argwohn unseres Hauptmanns anzweifle, aber warum müssen wir schon so hart durchgreifen? Das hätte ich nicht erwartet... es hätte genauso gut ein übler Streich sein können. Ich kann's nicht fassen...) Nachdenklich streifte er durch das Dorf. Er kratzte sich dabei mehrmals, soll ja beim Denke helfen. Aber wirklich etwas zusammen bekommen hat er nicht. (Konrad...? Das kann ich nicht machen... so ein ehrlicher Kerl, der für seine Cousine da ist... aber was soll ich nur machen... wie schrecklich... ich will hier nicht sein.)
Zirconia
24.03.2013, 19:22
Rekon begab sich mit Noel zum Dorfplatz. Dort fand er eine Masse an Menschen vor. Nach einiger Zeit kamen Brunhild und Tyrell hinzu. Brunhild fragte nach dem Inhalt des Briefes vom Pfarrer. Rekon begab sich zum Baum, sah sich die Menge an und begann zu lesen:
"Liebe Gemeinde heute Nacht ist das Böse in unserem Dorf erschienen, in Gestalt einer Sekte welche allen Redlichen nach dem Leben trachtet. Da der Magistratsposten vakant ist obliegt es mir die Jagd zu leiten. Daher kehren wir zu den altbekannten Ritualen und Gesetzen zurück die bereits einige Scheusale aus unserer Mitte entfernten. Ein Jeder hat am Tage eine Stimme und denjenigen welcher von den Meisten beschuldigt wird werden wir dem Galgen überantworten. Auf das wir gut entscheiden. Ich selbst habe bereits auf Anraten eines Mitglieds unserer Gemeinschaft Konrad (Viviane) gewählt, welches mich von der üblen Gesinnung dieses Mannes überzeugte. Ich gedenke ihm weiter zuzuhören. Entscheidet weise nach dem Gesetz während ich meinen Pflichten nachgehe."
"Bewohner von Düsterwald! Der Pfarrer ruft uns dazu auf, eine Sekte, welche im unseren Dorf für Unruhe sorgen wird, zu stoppen, bevor zu viele ihr zum Opfer fallen. Um dies zu erreichen, sollen wir jeden Tag einen von uns hängen. Diese Methode scheint grausam, ist aber die einzige Methode, dieses Ziel zu erreichen. Der Pfarrer hat Konrad Elkarst nominiert. Doch bevor wir anfangen, Leute aus unserer Mitte zu morden, sollten wir uns über die Lumianer informieren. Noel, du bist der Bibliothekar dieses Dorfes. Weißt du etwas über Lumianer, oder besitzt du ein Buch über diese? Ross, findest du meine Idee sinnvoll, oder sollen wir etwas anderes tun? Ich habe nur meine Idee mitgeteilt und hoffe, dass ihr diese annimmt."
Rekon scheint die Aufmerksamkeit der Anwesenden zu haben und hofft darauf, dass diese ihnen antworten.
Es roch nach Regen.
Meretes müde Augen schauten hinaus zum kleinen geöffneten Fenster, welches ihr einen Blick auf den wolkenverhangenen Horizont über dem Gasthaus gewährte, aus dem sie - noch vor dem Einschlafen - angenehm lebendige Laute wahrgenommen hatte. Kein Regen war zu sehen, doch der ölige Geruch der Luft kündigte ihn an. Ein entspanntes Seufzen folgte, bevor sie sich aus dem Bett begab, durch das Fenster die Wirtin des Gasthauses erblickte, die eben jenes mit einer Wasserkanne in der Hand verließ.
Ja, eindeutig. Es sieht nach Regen aus. Die Isländerin blickte - nun draußen stehend - in den Himmel und nahm mit einem kurzen Schaudern das dichte Zusammenspiel der dunklen Wolken wahr. Schlechtes Wetter hatte die Angewohnheit, dann aufzutauchen, wenn zuvor jemand starb. Die größten Schlachten in denen Merete kämpfte, waren jene, die von noch größeren Regenschauern abgelöst wurden, denen gewaltige Stürme folgten. Als wollte die Erde selbst sich vom Blut der Gefallenen befreien, als wollte der Flammen auslöschende Regen mit dem Flammen anstachelnden Wind um das lodernde Feuer kämpfen. Sie sah nie, wer gewann, zog weiter, noch bevor die Natur eine Entscheidung traf, in den vorübergehenden Schutz der nächsten Herberge.
Ruhig durchschritt sie ihre Route durch das Dorf, auf der Suche nach einem geeigneten Platz in der Nähe des Brunnens, von dem aus sie - wie so oft - das Treiben beobachten konnte, welches ihr das ständige Gefühl von belebter Sicherheit gab, nach dem sie sich ebenso andauernd sehnte. Vorbei am Haus des jungen Mechanikers, der ihr am vorigen Tag sein Vertrauen aussprach, konnte sie aus einiger Entfernung bereits einen doch unerwartet überfüllten Dorfplatz ausmachen. War es der Tod des Hauptmannes, der die Dörfler so aufbrachte? Oder war etwas Schlimmes eingetreten, die Vorahnungen des Verstorbenen wahr geworden?
Von der Neugier getrieben wurden ihre Schritte zügiger, nicht überhastet, aber fast wappnend, um auf jede Überraschung vorbereitet zu sein. Ihr Gang wurde erst wieder langsamer und leiser als sie die ersten Worte vernahm. Rekon war es, welcher die Wirtin über die jüngsten Ereignisse aufklärte - und auch Merete lauschte nun interessiert.
Es ist wahr. Hauptmann, Sie hatten Recht! Das Unheil war in Form dieser Sekte über das Dorf gekommen und sollte es nun von innen heraus auffressen. Hass und Missgunst würden die Bewohner aufhetzen. Jeder würde beginnen, seine Nachbarn zu beschuldigen. Mehr und mehr würde man auf die Ängste vertrauen, sich von ihnen zu voreiligen Entschlüssen verleiten lassen und selbst die Rechtschaffendsten reinen Gewissens in den Tode schicken. Merete müsste einen kühlen Kopf bewahren, die wahre Bedrohung vom Schein unterscheiden, sich aktiv einbringen, um für ihre eigene Sicherheit zu sorgen. Um nicht selbst Opfer der aufgebrachten Masse zu werden.
Nur kurz zögernd näherte sie sich dem besagten Schwert, dessen Klinge einige Zentimeter im Boden steckte. Es würde durch den aufkommenden Regen ohnehin seinen Halt verlieren, weswegen die Jägerin es am Griff packte und herauszog. Sie bückte sich und nahm den Zettel, besah ihn sich, doch konnte nichts anfangen mit den Buchstaben, die ihr wahllos aneinandergereiht vorkamen. Beides trug sie schließlich zu der kleinen Traube an Menschen, die besorgt dreinblickend offenbarte, was Merete im Innersten fühlte. Sie bekundete ihre Zustimmung der Idee ihres Jagdgenossen gegenüber und befand es als sinnvoll, auch ihre Idee zu äußern. Ohne in einer der üblichen Formen auf sich aufmerksam zu machen, begann sie zu reden, in der Hoffnung, dass ihren Worten auch ohne ein Räuspern oder gar das Podest am Haupthaus gelauscht wurde.
"Jemand sollte den Dorfschmied einweihen! Möglicherweise lässt sich anhand der Schmiedekunst des Schwertes die Herkunft seines Trägers bestimmen." Während sie sprach, besah sie sich die Klinge des Beidhänders, ohne jedoch auch nur im Ansatz ausmachen zu können, was für Schmiedemerkmale sie trug. Sie lernte, mit Waffen zu töten, nicht aber, sie zu erkennen. Doch wer würde ein einwandfreies Kampfgerät so einfach hergeben? "Und das hier..." - sie hielt das beschriebene Papier mit der rechten Hand vor sich - "... sollte jemand nehmen, der etwas damit anzufangen weiß." Sie nickte zu sich selbst, bevor sie sich - Zustimmung erhoffend - umsah, insbesondere den neuen Hauptmann anblickend.
"Wenn es mir gestattet ist, würde ich dem Schmied das Schwert nun bringen und ihn um Rat fragen."
Maria starrte eine Weile fassungslos Konrads Namen, oder vielmehr den Strich hinter seinen Namen an. Ein Streich konnte das niemals sein, die Schrift des Pfarrers war unnachahmlich.
Da kam endlich Luise vorbei, musterte überrascht das Schwert und die Nachrichten, und dann sah sie erschrocken zu Maria rüber.
"I-ist das w-wahr? I-ist Konrad w-wirklich... ?"
Dann fiel sie zu Boden, ehe Maria etwas unternehmen konnte. Die Nonne hockte sich neben das Mädchen und legte beruhigend eine Hand auf ihre Schulter.
"Ach Luise. Noch ist nichts verloren - Konrad ist lediglich beschuldigt worden, von jemandem dem der Pfarrer anscheinend Blinder vertraut als Gott. Mal davon abgesehen, dass ich die Radikalität des Pfarrers nicht ganz nachvollziehen kann, glaube ich auch nicht im Geringsten, dass Konrad schuldig sein kann, ein Lumianer zu sein. Er ist einer der treuesten Gemeindemitglieder und hat bisher selten in der Kirche gefehlt. Nein, Konrad ist Christ und gehört zu uns guten. Da bin ich mir sicher. Und wir können dagegen sprechen. Wenn wir gut argumentieren, wird man uns Gehör schenken und jemanden an den Pranger stellen, dessen Lumianerität wahrscheinlicher ist."
Sie lächelte Luise tröstend an. Konrad würde nicht sterben müssen. Das konnten sie zwar nur mit einer Gegenwahl verhindern... Aber mindestens Konrad ist unschuldig. Dessen war sich Maria sicher.
In dem Augenblick kamen auch weitere Personen - Rekon und Noel aus der Richtung, aus der auch Luise kam. Aus der Bibliothek, wie Maria vermutete.
Brunhild kam aus ihrem Gasthaus gestürmt, wohl um eigentlich Wasser zu holen, und auch Marete kam vorbei. Die beiden Frauen, die wohl als welche der Wenigen im Dorf nicht oder nicht besonders gut, lesen konnten, bekamen die Nachrichten von Rekon vorgelesen.
Da Rekon das Schwert anscheinend nicht kannte, nahm Maria ihren ursprünglichen Gedanken, dass es wohl ihm gehören würde, beiseite - aber wem gehörte es dann?
Schweigend und nachdenklich stand Maria zwischen den Leuten, während auch Merete eine gute Idee aussprach, die helfen könnte, die Identität des Besitzers herauszufinden: "Jemand sollte den Dorfschmied einweihen! Möglicherweise lässt sich anhand der Schmiedekunst des Schwertes die Herkunft seines Trägers bestimmen." Merete nahm die Nachricht, die am Schwert hing, in die Hand und wandte sich zum Hauptmann mit den Worten "Und das hier sollte jemand nehmen, der etwas damit anzufangen weiß."
"Wenn es mir gestattet ist, würde ich dem Schmied das Schwert nun bringen und ihn um Rat fragen."
Maria nickte leicht mit ihrem Kopf. "Das wäre eine gute Idee. Sei bloß vorsichtig, dass du dich mit dem Blut, was daran klebt, nicht verunreinigst."
Schließlich holte sie noch einmal bewusst Luft und sprach, diesmal zur gesamten anwesenden Gruppe: "Auch wenn ich normalerweise voll und ganz hinter unserem Pfarrer stehe, diesmal befürworte ich seine Aussage in dieser Nachricht doch keineswegs. Sowohl diese angekündigte Todesstrafe als auch die Wahl Konrads als ersten Schuldigen empfinde ich als voreilig beschlossene Angelegenheit. Andererseits wird uns hier mit wahlloser Töterei gedroht, der wir anscheinend nur so entgegentreten können. Also, hat jemand eine Ahnung, was es mit den Lumianern genauer auf sich hat? Außer dass sie anscheinend Gottlose Riten haben, die das...", sie schluckte. "... Vernichten der Menschheit bezwecken?"
Dabei sah sie Noel an und musste sich tatsächlich bemühen, dabei keine voreiligen Schlüsse zu ziehen. Doch sein befremdliches, blaues Tattoo auf seinem Gesicht zog ihren Blick fest auf sich und sie konnte sich nicht verkneifen, ihn zu fragen: "Noel? Woran erkennt man einen Lumianer?"
Es herrschte reges Treiben auf dem Dorfplatz.
Noel stand etwas hinter der Masse, an einen Baum gelehnt und wartete ruhig ab, wie sich der Bienenstock nun verhalten würde.
Da sprach ihn Rekon an:
Noel, du bist der Bibliothekar dieses Dorfes. Weißt du etwas über Lumianer, oder besitzt du ein Buch über diese?
Alle Augen richteten sich fragend auf ihn. Ein ekelhaftes Gefühl. Er fuhr sich mit der Hand über den Nacken, bevor er zumindest letztere Frage beantwortete.
"Solche Schundliteratur führe ich nicht in meiner Bibliothek. Es gibt nicht viel über Lumianer zu schreiben."
Diese knappe Antwort reichte Rekon offensichtlich nicht, aber Noel machte keine Anstalten, mehr zu sagen, also wandte er sich wieder von ihm ab.
Dann war es die junge Jägerin, die einige Zeit sprach, ihre Worte waren unerwartet sinnvoll und passend, man merkte ihr die Erfahrung in solchen Situationen an.
Schließlich entdeckte Noel in der Menschenmasse vor ihm die verblendete nonnige Nonne von gestern in einem nonnigen Nonnenoutfit. Nonnig sprach sie zur Gruppe.
"Auch wenn ich normalerweise voll und ganz hinter unserem Pfarrer stehe, diesmal befürworte ich seine Aussage in dieser Nachricht doch keineswegs. Sowohl diese angekündigte Todesstrafe als auch die Wahl Konrads als ersten Schuldigen empfinde ich als voreilig beschlossene Angelegenheit. Andererseits wird uns hier mit wahlloser Töterei gedroht, der wir anscheinend nur so entgegentreten können. Also, hat jemand eine Ahnung, was es mit den Lumianern genauer auf sich hat? Außer dass sie anscheinend Gottlose Riten haben, die das...", sie schluckte. "... Vernichten der Menschheit bezwecken?"
Der Seitenhieb und anschließende Blick von zuerst der Nonne und Augenblicke später dem gesamten Dorf waren Noel nicht entgangen und brannten sich in seine Brust, bevor Maria nachsetzte.
"Noel? Woran erkennt man einen Lumianer?"
Die Augenbrauen des jungen Mannes zogen sich unmerklich in die Höhe. Gerade wollte er antworten, da merkte er, wie auch Luise, welche nervös hinter der Nonne kniete, ihn beäugte. Die Aufmerksamkeit des ganzes Dorfes lag auf ihm, er hatte seine Worte vorsichtig zu wählen.
"Zuerst zu deiner lächerlichen Anschuldigung, Nonne."
Noel schloss die Augen und lächelte herablassend.
"Ich kann dich beruhigen. Ich habe schon lange realisiert, dass man die Menschheit nicht ausrotten kann. Ihr vermehrt euch wie die Ratten, doch das muss wohl so sein. Widerliche Dinge haben nunmal die Angewohnheit, gehäuft aufzutreten."
Noel blieb ruhig und besonnen, achtete darauf, es nicht zu übertreiben, lag doch der Blick seiner kleinen Elfe auf ihm.
"Und was deine zweite Frage angeht... ich bin mir nicht bewusst, wie du zur Annahme gelangst, ich wüsste etwas über sie. Hatt der "Herr" dir das geflüstert? Jedenfalls werde ich euch ni-"
Warte.
Hm? Was willst du denn jetzt?
Deusexus trat plötzlich hinter dem Baum hervor, ungewöhnlich, Noel beim reden zu unterbrechen.
Es ist nicht klug, den Bewohnern dein Wissen zu verschweigen. Du wirst Euch nun als Gruppe ansehen müssen, die ihr gemeinsam kämpft. Oder ihr werdet alle sterben. Inklusive Luise.
Du sollst nicht ihren-
Mach die Augen auf und sieh der Realität ins Gesicht! Teile den Dorfbewohnern mit, was du über die Lumianer weißt, es wird dein Schaden nicht sein.
Warum sollte ich, wo ich doch nichteinmal weiß, ob dies nur ein dummer Scherz oder dergleichen war. Vielleicht haben sie es auch nur auf bestimmte Bewohner abgesehen, nicht mein Problem. Solange sie meine kl-
In Ordnung, wenn ich dir verrate, was dich erwartet, teilst du es dem Dorf dann mit?
Schweigend beäugte Noel den Wolf neben sich, versuchte, einzuschätzen, wie ernst er ihn nehmen konnte. Was wusste Deus?
In Ordnung.
Deusexus atmete lang und ungemütlich aus, bevor er zu sprechen begann.
'Das Spiel der Deuses.'
So nennen wir es. Es findet alle paar Jahrhunderte in einem neuen Dorf statt, zum reinen Zeitvertreib. Ich bin keiner von denen, die daran Amüsement finden, aber man beugt sich bekanntlich.
Deuses? Gibt es mehrere von dir?
Hm. Du würdest uns wohl als so etwas wie... "Götter" bezeichnen.
Eigentlich hätte Noel die Erkenntnis, das ein Gott (?) sich seit Jahren in seinem Kopf herumtrieb, schockieren müssen. Erstaunlicherweise blieb er ruhig.
Jedenfalls gibt es insgesamt Dreizehn von uns. Jeder hat sich vor einigen Jahren einen Avatar gesucht, auf den er in diesem Spiel setzt. Du warst meiner. Allerdings bin ich wohl der einzige Deus, der Kontakt mit seiner Wahl aufgenommen hat.
...Hm. In Ordnung. Was ist das für ein Spiel? Und was haben die Lumianer damit zu tun?
Wir nennen es "Das Dorf Gottes". Das Prinzip ist einfach: Eine Hälfte unserer Avatare werden in eine Partei geschoben, die andere Hälfte in die Andere. In diesem Fall waren es Dorfbewohner und Lumianer, weil der lumianische Glaube in diesem Land weit verbreitet ist. Es bot sich an. Jedenfalls werden die Lumianer jede Nacht einen von euch töten, woraufhin ihr euch gegensetig hängt. Es ist ein morbides Spiel um Leben und tot. Die Deuses', dessen Avatare am Ende noch leben, gewinnen und bekommen besondere Privilegien. Das ist schon Alles.
Lass mich das nochmal kurz zusammenfassen: Du bist ein Gott und es gibt 12 weitere von dir, aber nur du hast Kontakt mit mir aufgenommen. 13 Personen in diesem Dorf haben einen Deus, und unter diesen 13 sind alle Lumianer, die die anderen auslöschen und das Dorf übernehmen wollen. Also müssen wir die Richtigen Avatare hängen. Korrekt?
Deus nickte.
Exakt.
Noel grinste den Wolf an.
Darum sollte ich Hauptmann werden. Darum soll ich mein Wissen teilen. Du willst gewinnen.
Wieder grinste der Wolf.
Exakt. Auch wenn ich das Spiel nicht an und für sich mag. Aber wenn du überleben und Luise schützen willst, teile dein Wissen. Nicht über die Deuses, aber über Lumianer.
Na fein...nenn mir die 12 Avatare
Noel war eine Weile stumm geblieben, die Masse tuschelte schon, als er wieder das Wort erhob.
"In meinem alten... Beruf habe ich Lumianer lange Zeit bekämpft. Was wir hier sehen, scheint mir ihr übliches Vorgehen zu sein... sie unterwandern mit ihren Mitgliedern ein Dorf, töten jede Nacht einen Bewohner und führen die Menschen in die irre, damit sie die Falschen hinrichten. Woran man sie erkennt? Achtet von heute an penibel auf jeden eurer Mitmenschen, vertraut NIEMANDEM. Es ist an jedem selbst, einen Lumianer zu enttarnen und öffentlich anzuklagen. Denn das Ziel der Lumianer ist nicht weniger als die Auslöschung des ganzen Dorfes."
Noel lächelte kalt.
"DAS ist die wahre Natur des Menschen."
Stille. Noel setzte nach.
Eines möchte ich noch sagen. Die Lumianer befinden sich unter den folgenden Personen..."
Mechanisch zählte Noel 12 Namen der Dorfgemeinschaft auf. Luise' Namen sparte er aus. Bevor jemand fragen konnte, woher er sein Wissen nahm, nutzte er eine vorgefertigte Ausrede.
"Unter den Lumianern habe ich einen Freund, der sich nicht öffentlich bekannt geben kann. seine Informationen sind zuverlässig. Es ist an uns, die richtigen Personen aus diesen Zwölf herauszupicken und hinzurichten!"
Und mit diesen Worten lehnte sich Noel wieder an den Baum und schloss ermüdet die Augen.
Spiel der Deuses? Mir recht. Aber meine kleine Elfe... die bekommt ihr nicht.
Ob Lumianerin oder nicht.
Zirconia
24.03.2013, 21:50
"Solche Schundliteratur führe ich nicht in meiner Bibliothek. Es gibt nicht viel über Lumianer zu schreiben." war Noels Antwort auf Rekons Frage. Noels Verhalten wird sehr mysteriös. Er hörte auf einmal mitten im Satz für mehrere Minuten auf zu sprechen. Doch dann meint Noel, doch etwas über die Lumianer zu wissen und macht einen LuminanerFREUND für dieses Wissen verantwortlich? Das fand Rekon mehr als nur seltsam. Irgendwie bekommt Rekon Kopfschmerzen. Doch das hält ihn nicht davon ab, folgendes zu sagen: Noel, wenn du deine Informationen von einem der Lumianern beziehst, wirst du uns doch sicherlich sagen können, wer dieser Lumianer ist. Wir alle sind für das Wohlergehen unserer Mitmenschen verantwortlich. Je schneller wir diese Bedrohung loswerden umso besser!" Jetzt fiel Rekon ein, dass Mina schon sehr lange unbeaufsichtigt war, doch war jetzt nicht der richtige Zeitpunkt zum Rückzug in Richtung zuhause. Was sind das für Kopfschmerzen... As....mo.... Irgendwie schien sich Rekons Zustand zu verschlimmern... "Jede... Information über Lumianer... sind wichtig..." Man merkt Rekon seine Schmerzen bereits an. "Deshalb Noel... Sag uns... wer ist deine Quelle?" Was stimmte nur nicht mit Rekon? As...mo... Auf einmal brach Rekon zusammen. Schon irgendwie seltsam, wie plötzlich auftretende Kopfschmerzen einen erfahrenen Kämpfer und Jäger in die Knie zwangen...
Mina ist derweil aus ihrem Schlaf erwacht. Sie läuft durch das Haus und sucht nach Rekon. Der Regen hält sie davon ab, das Haus zu verlassen...
Gespannt lauschte Merete den Äußerungen des tättowierten Jungen. Noel. Ob der angespannten Situation, die sicher nicht weit davon entfernt war, zu eskalieren, weckte die Fischerstochter in sich selbst das Interesse an Namen. Zu wissen, mit wem und über wen man sprach, würde in naher Zukunft womöglich unverzichtbar sein.
Noel also. Die Art und Weise, in der er sprach war ungewöhnlich, ihr unbekannt. Doch was wusste sie? Die Personen, mit denen sie mehr als das alltägliche Wort wechselte, konnte sie an einer Hand abzählen. Dennoch - irgendetwas unterschied ihn von den anderen. Und er stachelte sie auf, forcierte erneut, zu was bislang nur der Pfarrer aufforderte. Merete konnte nur hoffen, dass der Rest nicht zu früh beginnen würde, seinen Worten - oder denen des Geistlichen - Beachtung zu schenken. Der Weg der Gewalt sollte der letzte Weg sein, auf den man sich verlässt. Das hatte sie früh gelernt.
Viel besorgter als die Bogenschützin schien jedoch ihr Jagdgenosse. "Noel, wenn du deine Informationen von einem der Lumianer beziehst, wirst du uns doch sicherlich sagen können, wer dieser Lumianer ist", stellte er mehr fest. Recht hatte er. Würde Noel die Wahrheit erzählen, so müsse er wissen, um wen es sich handle. Doch vielleicht trieb er nur ein Spiel mit ihnen oder suchte gar die Aufmerksamkeit der Masse, ohne überhaupt etwas zu wissen.
Rekon wirkte jeden Moment schwächer, doch sprach er weiter. "Deshalb Noel... Sag uns... wer ist deine Quelle?" Das Gesicht des Jägers verzog sich ein letztes Mal, bevor er mit offenen Augen fiel und auf dem erdigen Untergrund zusammensackte. Sein Zusammenbruch und der erste Regentropfen, der ihre Wange traf, weckten Merete aus sämtlichen Überlegungen und ließen sie handeln. Bevor die Sorge der Dörfler um den bewusstlosen Rekon überhandnahm, trat sie bereits an die Seite seines ohnmächtigen Körpers, hatte das Schwert notdürftig im Ledergurt verstaut. Der Mann war groß und trug zudem seine schwere, rote Rüstung, doch war dies nicht das erste Mal, dass sie einen - in diesem Fall glücklicherweise vorrübergehend - leblosen Körper trug. Sie hievte den Oberkörper hoch und hob ihn schließlich halb auf den Rücken, legte ihre Arme nach hinten unter die seinen. Für einen Moment drohte sie unter der Last zusammenzubrechen, doch wie erwartet hielten ihre Beine stand. Atem sammelnd wendete sie ihren Kopf zur Menschentraube. "Ich bringe ihn in seine Hütte und besuche anschließend den Schmied."
Nur wenig später schlug sie mit dem rechten Bein die Tür eben jener Hütte auf, darauf bedacht, das linke für den Stand fest im langsam aufweichenden Erdgrund zu verankern. Ein kurzer Schreck durchfuhr die Jägerin, als ihr ein aufgeregtes Japsen entgegenkam. Ein Mädchen - vielleicht 8 Sommer alt - stand vor ihr, mit besorgter Miene auf den regungslosen Körper Rekons blickend. "Was...?", begann sie, doch Merete unterbrach in einem Tonfall, den sie selbst als möglichst beruhigend empfand, noch weiter gedämpft durch die Last auf ihren Schultern. "Er verlor am Dorfplatz das Bewusstsein. Keine Sorge, er braucht Ruhe!", sprach sie, ohne zu wissen, was es war, das dem erfahrenen Jäger so übel mitspielte. Doch sein Atem war selbst durch die Rüstung zu spüren. Ein zuverlässiges und beruhigendes Zeichen dafür, dass er noch lebte.
"Sein Bett?" Das Mädchen hüpfte nervös von der Stelle und wies mit einem gerade ausgestreckten Arm den Weg, den die Isländerin zügig antrat. Vorsicht walten lassend drehte sie sich vor seiner Liegestatt um und ließ ihn ebenso achtsam darauf sinken, schob schließlich seine Beine hinauf. Die Rüstung sei sicherlich nicht die bequemste Schlaftracht, doch sah Merete Rekon sowieso stets in ihr, wie kurios auch die Situation. Und ohnehin würde sie den Teufel tun, ihm seiner Rüstung zu entledigen. "Behüte ihn gut, bis er aufwacht!", wies sie schließlich das Mädchen an, die ein hastiges Nicken folgen ließ, während die Fischerstochter bereits umdrehte und die Hütte verließ, um den Dorfschmied aufzusuchen.
Himbeereis
24.03.2013, 22:49
Nichtsahnend von dem ganzen Chaos in der Stadt, wachte Viktoria an diesem Morgen auf.
Sie hatte ein mulmiges Gefühl im Bauch als, sie aus ihrer Kammer trat und ihre Mutter zusammen mit ihrem Bruder am Frühstückstisch sitzen sah.
Hatte sie dieses Gefühl, weil ihre Mutter gesten Abend womöglich etwas gemerkt hatte?
"Guten Morgen", sagte Viktoria prüfend.
Ihre Mutter antwortete nicht. Es war alles wie jeden Morgen, aber etwas bereitete ihr leichte Bauchschmerzen.
Sie nahm sich, wie immer, ihre Scheibe Brot vom Tisch und warf Friedrich ein Stück Fleisch vor den Mund.
Als sie beide aufgegessen hatten, machten sie sich auf den Weg in die Schneiderei.
Als sie am Mittag eine Pause machte und hinausschritt, wunderte sie sich, über die lauten Geräusche, die sie vom Dorfplatz hören konnte.
Gedanken schossen in ihrem Kopf umher. In ihr brannte der Wunsch, das Versprechen, das sie ihrer Mutter gegeben hatte, zu brechen und sich zu den anderen Dorfbewohnern zu gesellen.
Vielleicht würde sie es nicht einmal raus finden, wenn sie nur in der Zeit ihrer kleinen Pause auf den Platz gehen würde.
Unsicher bewegte sie sich in die Richtung. Sollte sie? Oder sollte sie nicht?
Ein Fuß setzte sich vor den anderen und sie wurde plötzlich immer schneller, als wenn sie vor etwas weglaufen würde.
Als wenn sie vor ihrer eigenen Mutter und ihren Pflichten flüchten würde.
Schließlich ertappte sie sich dabei, dass sie die letzten Meter zum Dorfplatz gelaufen war.
Sie erblickte Luise.
Vollkommen kraftlos sah sie aus.
Besorgt lief Viktoria zu ihr.
Mephista
24.03.2013, 22:50
[Der Jäger Rekon erbarmte sich gnädigerweise, die Botschaft des Priesters vorzutragen, doch mit jedem Wort schien Brunhild das Blut in den Adern mehr und mehr zu gefrieren. Eine mordende Sekte, Lumbo-…Lumenao-…irgendwas mit Lum jedenfalls. War etwa der Medicus, der den alten armen Hauptmann vergiftete, einer von diesen Scheusalen gewesen?
Doch viel mehr schockierte sie die Antwort des Priesters auf diese Bedrohung:
Die Dorfbewohner sollten jeden Tag Jemanden wählen, von dem die meisten glaubten, er wäre ein Sektenanhänger und diesen erhängen. Und damit vielleicht sogar Unschuldige morden. Womit sie nicht besser wären als die, vor denen sie sich schützen wollen. Doch der Gipfel war, dass er sich von irgendwem bereden ließ, Konrad gleich zu bezichtigen. Allein das zeugte doch davon, dass der Priester nicht mehr bei Sinnen sein konnte. Gerade Konrad war mit Abstand derjenige, von dem sie am wenigsten glauben konnte, dass er einer menschenmordenden Sekte angehörte. Das konnte nicht sein. Das durfte einfach nicht sein!
Die Luft schien schlagartig um weitere zehn Grad kälter geworden zu sein, der Wirtin fuhren unangenehme Schauer bei ihren Gedanken über den Rücken und so raffte sie ihre Heuke so eng es nur ging um den Leib, als könnte sie sie vor allem Übel bewahren.
So bekam sie zunächst nur halb mit, wie der alte Jäger nach mehr Informationen verlangte und Merete das Schwert aufhob mit dem sehr sinnvollen Anliegen, es dem Schmied zur Untersuchung zu zeigen. Als die Nonne Maria das Wort ergriff und ihr aus der Seele zu sprechen schien, fiel ihr Blick auf Luise, die neben der Geistlichen kniete und seltsam teilnahmslos wirkte.
Dem Mädchen ging es ganz und garnicht gut zu gehen. Angesichts der Flut an Informationen und obendrein der Anschuldigung ihres Cousins konnte Brunhild das nur zu gut nachfühlen. Ein sehr zart besaitetes Wesen war die Apothekerstochter nunmal, und das schien alles einfach zuviel für sie gewesen zu sein.
Inzwischen hatte Noel begonnen darüber zu palavern, dass Menschen wie Ratten wären. Die Frau griff gerade leicht genervt nach der gefüllten und bereits beschlagenen Wasserkanne, als der gesichtsbemalte Rotschopf plötzlich verstummte und eine Weile völlig regungslos blieb. Mit hochgezogenen Augenbrauen betrachtete sie den jungen Mann von oben bis unten. Irgendetwas an ihm, neben seiner schlechten Stimmung gegenüber allem, was nicht Luise war, war äußerst seltsam.
Als er dann wieder zu sprechen begann, lauschte sie ihm sehr aufmerksam. Sein Wissen über die Lumke-… die Sekte war recht umfassend, doch seine Aufzählung von Dorfbewohnern, unter denen sich die Sektenanhänger befinden sollte, war so faszinierend wie suspekt. Viele der Anwesenden wurden benannt, auch Brunhild selbst. Dass er einen Freund bei dieser Sekte habe, schien ihr die ganze Sache noch suspekter zu machen, da es nicht gerade für ihn selbst sprach. Auf der anderen Seite hatte er sich selbst unter die Verdächtigen gezählt…
Etwas in ihr drückte ihr auf einmal die Kehle zu und sie hatte das Gefühl daran zu ersticken, wenn sie es nicht aussprechen würde. Sie holte tief Luft, griff fester um den Henkel ihrer Kanne und sprach:
Ich möchte Euch auch noch Etwas sagen. Und zwar dass ihr Euch alle schämen solltet! Auch nur darüber nachzudenken, andere an den Galgen zu bringen, und dabei womöglich einen Unschuldigen zu treffen, ist schändlich! Habt ihr auch nur eine Sekunde darüber nachgedacht, womit ihr Euer Gewissen belasten würdet, wenn das geschieht? Wir wären keinen Deut besser als diese Lum-…pazeriosten oder wie auch immer! Und derjenige, der Konrad also so einen beschuldigt hat, sollte sich schämen, auch wenn es keiner von Euch war! Er hat nie Jemandem etwas getan, sondern vielen geholfen und war immer nett und freundlich zu jedem. … Schwer keuchte sie, ehe ihr der eine Satz Noels wieder in den Sinn kam und sie in einem ungewohnt abfälligen Ton hinzufügte: „Und wenn wir Niemandem vertrauen dürfen, dann sollten wir uns wohl am besten gleich alle selbst erdolchen, dann kann uns keiner von diesen Lum-Typen umbringen. Aber ihr habt anscheinend einen Rat schon verinnerlicht, dass ihr Alle schon nicht mehr erkennt, wenn eine aus unserer Mitte Hilfe braucht…“
Wuttränen glitzerten in ihren Augen, als sie noch einmal kurz in die Runde sah und dann mit ein paar Schritten zu der immernoch apathischen Luise ging und sich vor ihr niederkniete.
Sanft strich sie über ihre Wangen und bemerkte dabei, dass ihre Ohren als Eiszapfen dienen könnten. Geschwind löste sie ihr Kopftuch, sodass sie ihre hochgesteckten Haare über die Schultern ergossen, und band es der Kleinen als Kopfring um, als Viktoria zu ihnen kam und sich ebenfalls besorgt zeigte.
Aus den Augenwinkeln bekam die Wirtin mit, wie Rekon ohnmächtig zusammensackte, und kurze Zeit später von der jüngeren Jägerin nach Hause getragen wurde. Zumindest spielten nicht alle auf einmal verrückt, beruhigend zu wissen…
Beherzt griff die ältere Frau der Apothekerstochter unter den Arm und half ihr hoch. Bedächtig führte sie sie, das Schneiderinnenkind nebenherlaufend, zu ihr ins Wirtshaus. Dort angekommen zog sie die Tür zu, um die Kälte nach draußen zu verbannen und stellte die Kanne ab.
“Entschuldige Lumi, dass es länger dauerte, aber wir stecken da offenbar gerade ganz schön in etwas drin und die arme Luise hier muss erstmal wieder aufgepäppelt werden…“, meinte sie an ihren Gast, während sie das arme Kind zum dem Kamin am nächsten liegenden Tisch bugsierte und hinsetzte.
Danach wand sie sich um, legte der stehenden Viktoria die Hand auf die Schulter und meinte milde: “Mach es Dir ruhig bequem…
Schnell holte sie Milch, welche sie in den Topf über dem Feuer gab, entledigte dann Luise ihres Mantels und hängte diesen zusammen mit ihrer Heuke an den Haken neben der Tür. Dann stürmte sie hinauf und kam mit ein paar warmen Wolldecken beladen zurück, wovon sie eine um Luises Körper und eine um ihre Beine schlang. Die anderen legte sie auf den Tisch, damit sich die beiden anderen Damen bei Bedarf bedienen konnten.
Daraufhin ergriff sie die Wasserkanne und nickte Lumi, als sie in Richtung Gästekammer damit schritt zu: Ich stelle sie vor Deinem Zimmer ab, Du kannst Dich daran bedienen und waschen…, tat wie geheißen und kehrte zurück.
Brunhild trat an den Topf heran, in dem die Milch inzwischen fast am überkochen war, und schöpfte die erhitzte Flüssigkeit in drei Krüge ab. Allen fügte sie einen großzügigen Löffel Honig bei, nur einem jedoch noch eine Kleinigkeit getrockneten Baldrian, den sie für stressige Tage immer vorrätig hatte. Den Sondertrunk stellte sie vor der immernoch regungslosen Luise ab, die anderen beiden bekamen Vitkoria und Lumi.
Kurz hielt sie inne und blickte zu einem undefinierbaren Punkt. Sie wollte die anderen Dorbewohner da draußen nicht so einfach unbeaufsichtigt lassen. Irgendwie machte ihr der Gedanke, sie würde es doch tun, extreme Magenschmerzen. So kramte Brunhild aus einer Ecke einen geschlossenen Metallzylinder mit Füßen und Henkeln und einer Klappe versehen vor, stapelte einige glühende Kohlen vom Kamin dort hinein, legte einige neue Holzscheite dazu und trug das ganze hinaus auf die Außenterrasse des Gasthauses, welche einen guten Blick auf den Dorfplatz bot. Unter großen Anstrengungen und Ächzen trug sie dann die Eingemummelte hinaus zu einem Stuhl neben dem Metallzylinder, holte ihren Mantel und war ihr ihn über, ehe sie bibbernd ihre Heuke überzog. Viktoria griff sich eine Decke und setzte sich zu der Apothekerstochter, während die Wirtin die Milchkrüge der Mädchen mitnahm und auf dem kleinen Holztischchen vor ihnen plazierte.
Dann atmete sie einmal tief durch, fuhr sich durch das offene Haar und ließ sich danach neben Luise nieder. Einen Arm legte sie dem Mädchen um die Schulter, drückte es an sich, küsste sie sanft auf die Schläfe und wiegte sie dann sacht in den Armen.
Die Reaktionen der Leute waren verhangen. Soweit logisch und im Rahmen seiner Erwartungen. Schließlich war es schon wieder Rekon, ein für Noels' Geschmack viel zu redseeliger Mann, der das in Bauerndialekt getränkte Wort an ihn richtete:
Noel, wenn du deine Informationen von einem der Lumianern beziehst, wirst du uns doch sicherlich sagen können, wer dieser Lumianer ist. Wir alle sind für das Wohlergehen unserer Mitmenschen verantwortlich. Je schneller wir diese Bedrohung loswerden umso besser!"
Ein böses, kleines Lächeln hob Noels' Mundwinkel seicht in die Höhe. Seine Lüge mag nicht die Effektivste gewesen sein, aber für diese Dummköpfe reichte
sie alle Mal aus.
"Du denkst nicht sehr weit, hm? Dieser Freund versorgt mich mit Informationen über die Lumianer, es wäre äußerst töricht und unüberlegt, ihn ans Messer zu liefern. Bedenke das nächste Mal eine solch triviale Schlussfolgerung, bevor du sprichst."
Als Reaktion begann der Geselle, zu torkeln und taumeln. Er schien Noel erschöpft, soweit konnte er es mit seinen theoretischen Medizinkenntnissen sagen. Schließlich stürzte der gerüstete Mann ohnmächtig zu Boden. Noel beachtete ihn nicht weiter, irgendjemand würde ihn schon versorgen.
Noel sollte recht behalten, die junge Jägerin brachte ihn in seine Hütte.
Plötzlich schrie eine raue Stimme aus der Menge in seine Richtung, dessen Inhalt offenbar ihm galt.
Ich möchte Euch auch noch Etwas sagen. Und zwar dass ihr Euch alle schämen solltet! Auch nur darüber nachzudenken, andere an den Galgen zu bringen, und dabei womöglich einen Unschuldigen zu treffen, ist schändlich! Habt ihr auch nur eine Sekunde darüber nachgedacht, womit ihr Euer Gewissen belasten würdet, wenn das geschieht? Wir wären keinen Deut besser als diese Lum-…pazeriosten oder wie auch immer! Und derjenige, der Konrad also so einen beschuldigt hat, sollte sich schämen, auch wenn es keiner von Euch war! Er hat nie Jemandem etwas getan, sondern vielen geholfen und war immer nett und freundlich zu jedem. … „Und wenn wir Niemandem vertrauen dürfen, dann sollten wir uns wohl am besten gleich alle selbst erdolchen, dann kann uns keiner von diesen Lum-Typen umbringen. Aber ihr habt anscheinend einen Rat schon verinnerlicht, dass ihr Alle schon nicht mehr erkennt, wenn eine aus unserer Mitte Hilfe braucht…“
Die Wirtin sah vorwurfsvoll in Noels Richtung, wieder konnte er nur lächelnd den Kopf schütteln.
Warum bin ich es, der immer solche Leute anzieht?
"Weib... vielleicht sind deine Ideale rein und deine Absichten richtig... aber, wie soll ich es ausdrücken, du bist dumm. Deine Erfahrungen in solchen Situationen sind gleich Nichts und, verzeih mir die Bemerkung, du besitzt offensichtlich nichteinmal die Gabe des Lesens. Schämen sollen wir uns, weil wir jemanden hängen möchten? Du bist naiv, Mädchen! Die Lumianer werden uns gnadenlos niedermetzeln, dich, mich oder Konrad! Jeden von uns! Vielleicht schon heute Nacht. Schäme dich, bade dich in deiner güldenen Menschlichkeit, während wir deine unheiligen Überreste finden, von fetten Maden zerfressen und mit klaffenden Löchern übersät."
Die Wirtin erwiederte nichts, Tränen der Aufgebrachtheit glänzten in ihren Augen. Sie begab sich zu Luise und half ihr vom Boden auf. Damit entschied Noel, dass es genug war. Stumm beobachtete er, wie die Wirtin die kleine Elfe zum nahegelegenen Wirtshaus brachte.
Nun müssten sie abwarten, bis sich alle Avatare auf dem Dorfplatz versammelt hätten und jemanden hängen. Noel war es im Grunde gleich, wer es war; Doch man musste Schadensbegrenzung betreiben. Stumm saß Deusexus neben ihm, genau wie Noel in nervöser Erwartung die folgenden Ereignisse abwartend.
Zirconia
25.03.2013, 09:29
Rekon... Du hast dieses Leid über uns gebracht...
Asmotheyx, was soll das? Warum tust du so was? Und vor allem: Wer bist du?
Du hast mich vergessen, Rekon? Mich, Asmotheyx? Vielleicht sagt dir der Name Nirai Ascella was...
Erinnere mich nicht an sie... Sie weilt schon lange nicht mehr unter uns...
Du hast dieses Leid über mich gebracht, Rekon. Verstehst du denn nicht? Ich bin der Geist Nirais in deinen Träumen!
Das kann nicht sein! Meine geliebte Nirai würde mir niemals soetwas antun! Sie würde niemals in meinen Träumen ein solches Chaos anrichten!
Das denkst du vielleicht... Merke dir eins: Das war nicht unsere letzte Unterhaltung!
Rekon wachte aus seiner Ohnmacht auf, mit einem Schrei, den man im ganzen Dorf vernehmen konnte...
"Seit wann bin ich denn wieder zuhause?" war die erste Frage, die Rekon sich gestellt hat. Mina kam zu ihm, erschrocken von dem lauten Schrei. "Ein Mädchen mit braunen Haaren und einem großen Messer an dem Gürtel, hat dich nach Hause getragen, weil du umgefallen bist... Ich hab mir solche Sorgen gemacht!" Dabei kannten sich Mina und Rekon noch nicht sehr lange, was aber recht zweirangig war. Obwohl diese Beschreibung nicht ganz so genau war, wusste Rekon genau, wer ihn nach Hause getragen hatte. Es war Merete, die andere Jägerin im Dorf. Auf jeden Fall müsste sich Rekon bei ihr bedanken und sich zudem entschuldigen, dass sie die Last seines Körpers plus Rüstung tragen musste. Aber erstmal wäre es besser, wenn er im Bett liegen bleibt.
Zitroneneis
25.03.2013, 11:18
Luise hatte gar nicht bemerkt, wie kalt ihr gewesen war, bis Brunhild sie vom Geschehen weggezerrt, in eine warme Decke gehüllt und sie in den Arm genommen hatte.
Unter all dieser Wärme saß sie nun, langsam auftauend da und beobachtete die Dorfversammlung, ohne dem Inhalt voll und ganz greifen zu können. Ihre Gedanken waren wirr und unsortiert und Fragen über Fragen häuften sich in ihrem Kopf:
Wer kam auf die Idee, Konrad könnte ein Mitglied dieser Sekte sein? War Konrad noch immer am Schlafen? Würde nun wirklich eine Jagt auf die Ketzer eröffnet werden? Wer war diese Sekte? Woher wusste Noel von ihr? Wer kam auf die Idee, Konrad könnte ein Mitglied dieser Sekte sein? Warum gab Noel plötzlich so menschenverachtende Singe von sich? Und was war das andere, wovon er geredet hatte? Wer kam auf die Idee, Konrad könnte ein Mitglied dieser Sekte sein? Hatte Luise etwas falsches gesagt? Hatte Noel nun so miserable Laune, weil sie ihn an das Schiffsunglück erinnert hatte? Wer aus dem Dorf könnte in der Lage sein, solche schrecklichen, ketzerischen Dinge zu tun? Wer kam auf die Idee, Konrad könnte ein Mitglied dieser Sekte sein ...? Konnte Konrad heimlich ein Ketzer sein?
Dieser Gedanke ließ Luise erbeben und sofort überkam sie Schuldgefühl. Konrad war immer da, wenn man ihn brauchte. Seid ihrer frühen Kindheit hatte er sich nahezu immer mit ihr abgegeben und sie wie eine kleine Schwester behandelt.
Außerdem war er der gottesfürchtigste Mensch, den Luise kannte. Abgesehen von Maria, welche ja die nonnigste aller Nonnen war. Auch nur in Erwägung zu ziehen, Luises älterer Vetter könnte ein boshaftes Sektenmitglied sein, kam dem Verbrechen nahe, selbst eines zu sein.
Mit zitternden Händen griff Luise nach der dampfenden Tasse, welche Brunhild ihr fürsorglich vor die Nase gestellt hatte, und führte sie an den Mund. Ein süßer Geschmack von Milch und Honig breitete sich auf ihrer Zunge aus - und ein Hauch Baldrian. Dankbar schmiegte Luise sich enger an die Wirtin. Ihr rückte wieder in den Sinn, dass Konrad gestern im Wirtshaus solch eine Freude gehabt hatte. Und bei einer solchen Frau war das wenig verwunderlich. Luise würde sicher nichts dagegen haben, sollte Konrad sich dazu entschließen, Brunhild eines Tages als seine Braut heimzuführen.
Als die Tasse halb geleert war, spürte Luise, dass sie wieder etwas beruhigter war. Ihre Hände hörten langsam auf zu zittern, sie nahm die Umgebung wieder etwas bewusster wahr und in ihrem Kopf herrschte kein allzu großes Chaos mehr. Die Fragen brannten ihr nun stattdessen auf der Zunge. Eigentlich wollte Luise niemanden mit ihren Gedanken belästigen, aber irgendwie mussten sie ausgesprochen werden. Und hier, bei der ruhigen Viktoria und der mütterlichen Brunhild, die beide stets ein offenes Ohr für ihre Sorgen hatten, war die junge Apothekertochter auch bei weitem nicht so schüchtern wie in Anwesenheit manch anderer.
"Danke Brunhild. Und Viktoria. Dass ihr euch immer so um mich kümmert", sagte Luise leise, aber vollkommen ehrlich. Dann schwieg sie einen Moment, gedankenverloren auf das Geschehen am Dorfplatz starrend. "Wisst ihr", fuhr sie dann nachdenklich fort, ohne den Dorfplatz aus den Augen zu lassen, "bis heute hätte ich nicht im Traum daran gedacht, dass unser Dorf einmal in eine solche Lage kommen würde." Ihre Stimme klang erstaunlich ruhig,als sie das sagte. Wahrscheinlich die Wirkung des Baldrians. "Dass irgendjemand Böses über Konrad gesprochen hat ist schlimm genung... aber dass der Pfarrer ihn - oder überhaupt jemanden - am Galgen sehen will... das ist unerträglich." Eine Locke roten Haars hatte sich aus dem Zopf gelöst und fiel Luise nun ins Auge. Geistesabwesend strich das Mädchen sie beiseite. "A-aber wenn der Pfarrer sagt, dass es hier eine solche Sekte gibt... und mit diesem blutigen Schwert und der Nachricht... muss es diese Lumianer w-wirklich hier geben, nicht wahr?" Sie trank einen weiteren Schluck aus der Tasse und fuhr dann fort, ohne auf eine Antwort zu warten: "U-und dann Noel... niemand scheint ihn zu mögen und dennoch teilt er sein Wissen - während er trotzdem fortwährend alle Menschen beleidigt und selbst ein Ungläubiger ist." Luise schüttelte verwirrt den Kopf. Zuvor hatte sie, abgesehen von ihrem Bauchgefühl, nie verstanden, weshalb jeder dem jungen Bibliothekar so wenig Vertrauen entgegen brachte. Nun konnte sie es nachvollziehen. Seine Handlungen begriff sie trotzdem nicht. "E-es ist, als ob es ihm vollkommen egal wäre, was andere über ihn denken. U-und als ob ihm sein Leben nicht wichtig wäre, wenn er so gefährlich daherredet." Luise bemerkte, dass sich eine weitere Strähne aus ihrem Zopf gelöst hatte. Sie war heute Morgen wohl unachtsam gewesen. Vielleicht waren ihre Hände auch einfach zu zittrig für eine solche Aufgabe gewesen. "Die schlimmsten Menschen sind jene mit Honig auf der Zunge und Arglist im Herzen. D-das sagt mein Vater immer. A-aber wenn Noel alles so offen nach außen trägt... sich so offen z-zur Zielscheibe macht... ist es dann nicht eher unwahrscheinlich, d-dass er ein Lumianer ist?" Sie schwieg wieder einen Moment. Was genau veranlasste Noel, so zu handeln? "E-er hat sich so gut um Kürbis´ Wunde gesorgt. U-und er war immer nett zu mir. Und... und ich glaube, er h-hat seine ganze Familie bei einem Schiffsunglück verloren. U-und er möchte nicht darüber reden. A-aber... aber..." Sie schluckte schwer. "Warum hasst er die Menschen nur so sehr?"
Sie ließ die Frage im Raum stehen, nahm einen weiteren großen Schluck aus ihrer Tasse und kuschelte sich an Brunhild.
Ross hatte lange darüber nachgedacht, was er nun tun sollte. Er hätte niemals damit gerechnet, dass genau an seinem ersten Tag als Hauptmann soetwas geschehen würde (und wer hätte sowas auch schon erwartet). Leider war er im Denken nicht so gut, deshalb hatte er auch nicht bemerkt, dass sich der Platz langsam mit schaulustigen zu füllen schien.
Es dauerte eine Weile, bis er zu allen Anwesenden sprach: "Also gut, dann soll es so sein. Wir treffen uns heute Abend alle wieder hier auf diesem Platz und dann entscheiden wir, wer von uns als Lumianer enttarnt werden soll. Ich will jeden dann jeden sehen, der gestern bei der Wahl dabei war. Außerdem soll Konrad erklären, was es mit dieser Stimme auf sich hat. Sprecht das im Dorf herum." dann machte er eine kurze Pause, bevor er noch etwas hinzufügt "Falls irgendwer etwas weiß, falls irgendwer etwas gehört hat, will ich dass er es mir mitteilt. Das letzte, was ich will, ist einen Unschuldigen zu opfern." mit diesen Worten wollte er den Platz verlassen, blieb jedoch noch einmal kurz stehen "Ich werde Anweisungen geben lassen, den Marktplatz nach Hinweisen abzusuchen. Wenn das erledigt ist, wird hier der Galgen aufgebaut werden. Ich bitte, nein als Hauptmann befehle ich ausdrücklich, dass alle heute Abend hier zu erscheinen haben, um abzustimmen, wer sich nicht daran hält, macht sich verdächtig"
Maria vernahm Ross' Worte, und starrte ihn entgeistert an. Er meinte es ernst. Heute Abend musste jemand sterben.
Oh, Herrgott, unser Allmächtiger, dachte Maria.bitte lass die Entscheidung den richtigen Treffen.
Und weil ihr dieses kurze Gebet nicht ausreichte, sagte sie laut zu den Anwesenden: "Wenn jemand mit mir darüber sprechen möchte, so möge er mich in der Kirche aufsuchen. Ich werde dort heute für unser Dorf beten. Das könnt ihr auch den anderen sagen, wenn ihr sie seht."
Sie nickte den versammelten Leuten zu, und ging, wie sie es gesagt hatte, in die Kirche zum Kreuz hinter dem Altar.
Dort sammelte sie sich, dachte nach und betete, am Abend selbst die richtige Entscheidung zu fällen und dass auch die anderen keine falsche Wahl fällen würden.
~*~ In der Apotheke ~*~
Er träumte...
Der Dorffriedhof empfing ihn wie ein Ort der Beschwichtigung. Vom Wald her rief ein Käuzchen...
„Du kamst hierher, das war es Frühling, nicht?“
„Vor zwei Jahren, ja. Es war Anfang Mai und der Flieder blühte. Von den Kirschbäumen regnete es duftende Blüten. Um den Maibaum tanzten die Mädchen mit Kränzen im Haar. Ich liebe dieses Dorf von Herzen, Bruder. Habe es schon als Knabe geliebt, wenn ich die Sommer hier verbringen durfte. Mit all seinen Wäldern und Feldern, den Tieren und den Menschen darin. Gott muss diesen Fleck lieben, meint ihr nicht auch?“
...er blickte auf das Grab seiner Tante – nur ihr Haarband und ein Fetzen ihres Kleides lag darin. Der Wald... wüsste Adalbert von ihrem Verbleib, er würde gesunden... der Wald.
...ein Schwall Wasser brachte ihn in die wirkliche Welt zurück.
Der Mönch Justus kniete leibhaftig neben seinem Bett. „Du bist schwerer zu wecken, als ein Bär im Winterschlaf!“ „Justus! Was... ich war am Grab meiner Tante...“ „Du liegst in deinem Bett im Haus deines Onkels, Junge. Und das Mittagsläuten hast du verpasst. Zieh dich an und folge mir.“ Der kleine und stämmige Mönch wirkte toternst, sodass Konrad ihm wortlos in die Küche hinab folgte. Die Tür zur kleinen Werkstatt war offen. Anscheinend hatte er es versäumt sie am Abend zu verschließen. Das schlechte Gewissen begann bereits an ihm zu nagen...
Der Mönch schob ihm eine Tasse hin. „Trink das, das wird deinen Kopf ein wenig aufklaren. Nun, ich bin nicht hier um über dich zu richten, Junge. Sondern um dir einen Rat zu geben.Alle großen Veränderungen im Leben sind schwer zu ertragen. Manchmal erscheinen sie schier unerträglich, wir glauben das wir uns damit nie abfinden können. Aber alle Dinge wirken zusammen zu unsrem Besten und Gott denkt immer an unser Glück.“ Konrad biss sich auf die Lippe und nickte, obwohl er kein Wort verstand.
„Unser hochgeehrter Pfarrer, erhaben über jeden Zweifel, hat angeordnet das eine Sekte die sich in diesem Dorf herumtreibt durch den Strick dezimiert werden soll. Die Lumianer haben sich mit einem Schreiben zu erkennen gegeben, das heute Morgen am Markt gefunden wurde. Dem Pfarrer hat indes ein Dörfler gebeichtet, das er glaubt du seist Teil einer Sekte. Und unser Bibliothekar nannte die Namen derer, die in Betracht kommen. Du und Luise seid auch darunter...“
Er hörte es. Lärm vom Marktplatz her. Sein Schädel dröhnte dumpf, während er lauschte... „du besitzt offensichtlich nichteinmal die Gabe des Lesens. Schäme dich, bade dich in deiner güldenen Menschlichkeit..."
Dann erst sickerten die Worte des Mönchs ein. Luise! „Wo ist Luise?“ Sie dürfte solche Worte nicht hören. Dürfte nicht den Blicken ausgesetzt sein. Himmel hilf, wenn es eine Hetzjagd gab würde sie sich am Ende noch vor die Verdächtigen werfen in ihrer schlichten und unbekümmerten Art!
„Konrad. Der Pfarrer hat deinen Namen als ersten genannt.“
Konrad packte den Mönch wütend an dessen Kutte, als er ihm die Antwort verwehrte. „Ich frage euch noch einmal -wo ist Luise?" Justus seufzte nur laut. „Die Wirtsfrau hat sich ihrer angenommen. Derzeit hat unser neuer Hauptmann noch alles unter Kontrolle. Konrad, hörst du mir überhaupt zu? Der Pfarrer hat die Jagd eröffnet. Und Ross hat sich dem zu fügen. Wenn der Platz untersucht wurde, wird der Galgen errichtet werden. Dein Name wurde genannt.“ Die letzten Worte sprach er mit Nachdruck.
Da fiel in Konrads pochendem Kopf der Groschen.Mein Name?
„Du weißt, das Beichtgeheimnis ist heilig. Werauchimmer es war, muss seine Gründe nicht nennen. Jedoch – du solltest die Gründe kennen. Der Pfarrer höchstselbst wird dir daher die Beichte abnehmen. Erzähl ihm alles, Konrad, verschweige nichts. Erkunde jetzt dein Gewissen. Und bete.“ Konrad saß vor ihm, nur hastig bekleidet und schwieg. Durch den Tee ebbte das Pochen in seinem Kopf zwar ab, aber es war schwer einen klaren Gedanken zu fassen. „Ich brauche ein wenig Zeit. Zuerst muss ich nach Lui...“ „Luise wird nichts geschehen. Nicht heute, Konrad. Der Pfarrer wird dich bald einer eingehenden Befragung unterziehen. Er hat die Mittel und Wege dazu... und er ist bereits auf dem Weg hierher. Du hast keine Zeit.“ „Was?“ „Nimm den Mantel. Rasch jetzt.“
~*~ Auf dem Marktplatz ~*~
Seine Beine waren schwer wie blei, als er auf Ross zuschritt. Er straffte mühsam die Schultern. Der Pfarrer nahte bereits heran, jedoch wollte er noch etwas sagen... Vor Trauer und Hilflosigkeit glänzten seine Augen. Sein Kopf war leer. Er ging im Geiste die Stelle der Philipper durch, die er als Kind so gern gehört hatte... Alles kann ich durch Christus, der mir Kraft und Stärke gibt. … Gott wird euch für eure Liebe und Fürsorge belohnen.
Konrad atmete durch und erhob das Wort. „Ich werde mich dem Urteil der Dörfler natürlich stellen. Und unsren Hauptmann in allem unterstützen, was er vorhat. Und sei es der Bau... des Galgens." Er schluckte. Die Situation war makaber. „Wenn die Wahl zu meinen Ungunsten ausfällt, hoffe ich das ihr euch um Luise und meinen Onkel kümmert. Sie ist ein gutes Mädchen, die Engel wachen über sie. Lasst nicht zu, das sie die Kälte der Einsamkeit spürt. Denn diese Krankheit ist so schlimm wie der Tod. Und sie hat unsren Onkel befallen, so schlimm... Steht zusammen, ich bitte euch. Ich kam hierher, nicht um Geld zu verdienen. Sondern wegen dem, was ich hier als Junge fand. Das kann euch kein Irrgläubiger nehmen. Wenn ihr nur... glaubt." Er bat nicht um Gebete. Oder Gedenken. Oder Gnade.
Vielleicht ist es besser so. Besser ich, als sie.
Das dachte er, als sein Blick über das Dorf streifte. Das Dorf, das er immer noch liebte. So sehr, das es weh getan hatte als keiner ihn zum Hauptmann haben wollte. So sehr, das es weh getan hatte, als er von seiner Nominierung hörte. So sehr... liebte.
Der Pfarrer war da. Ein ernst und strenggekleideter Mann, dessen schwarze Robe nicht viel von dem Mann dahinter preisgab. Das Kreuz um seinen Hals jedoch erfüllte Konrad mit Ehrfurcht und Hoffnung. „Konrad Elkarst. Durch die Beichte eines Mitbürgers bist du bist als Sünder vor dem Herrn benannt worden! Und als solcher in diesen schweren Zeiten nicht mehr würdig den Tempel des Herrn zu betreten. Betrittst du auch nur den geweihten Boden des Allmächtigen - sei es auch nur unser Gottesacker -, wirst du den Zorn der Kirche zu spüren bekommen. Daher bin ich hergekommen. Um der Beschuldigung mit aller nötigen Ernsthaftigkeit nachzugehen, werde ich dich einer Befragung unterziehen, zu der du auf die heilige Schrift schwören musst.“ Wer solch einen Schwur brach, dem half nicht Ablass noch Gebet um dem Höllenfeuer zu entkommen. „Wie ihr wünscht.“ Konrad verneigte sich vor dem Pfarrer, dabei fiel sein Blick jedoch zuerst auf die Bibel – und dann auf das Papier in der Hand ihres Hauptmannes.
Da traf ihn eine Eingebung wie ein Blitz. Alles mögliche stapelte sich in der Apotheke – so auch Gewürze, Wein und Papier. Das Papier! Die Hälfte der Dörfler vermochte nicht zu schreiben, nur eine Handvoll konnten sich solch feines Papier überhaupt leisten! Kaum ein fahrender Händler verkaufte Papier und wenn dann nur Lumpenpapier aus Stoff, denn die Apotheke hatte seit langem die Rechte am Verkauf. -Als Helfer und Wegbereiter der Mörder bist du genauso schuldig wie die, für die du arbeitest.- Werauchimmer das geschrieben hatte, war Teil dieser Sekte.
„Das Papier...“, flüsterte er während er eindringlich auf die Notiz in Ross Hand blickte. „Das Papier, Ross, das Papier!“ Zwei Hände griffen ihn grob an den Schultern und zerrten ihn fort zur Tribüne des Hauptmannhauses, wo er vom Pfarrer befragt werden sollte. Sein Blick blieb auf den Zetteln haften. Und er hoffte, das der Hauptmann verstand.
T.U.F.K.A.S.
25.03.2013, 17:14
Dünnbier also.
Auf ein gepflegtes Frühstück um diese Uhrzeit ein schäumendes Getränk, das definitiv aussah wie das Zeug mit dem sich Konrad gestern Abend weggeschmort hatte.
"Ich weiß ja nicht...", murmelte Lumi, während sie den bis zum Rand gefüllten Krug anstarrte und grübelte.
Erfinder, Nonnen, im Gesicht tätowierte Möchtegern-Banditen - wo verdammt nochmal bin ich heir gelandet?
Das Bier roch gut. Allerdings nicht gut genug, um sie spontan dazu zu bringen, mehr als einen Schluck zu probieren.
Mh.
Malzig.
Aber nicht schlecht. Noch ein Schluck. Ein kleiner noch hinterher.
Eienr ging noch.
Ein großer noch, wäre ja unhöflich wenn sie etwas übrig lassen würde.
"Ich stelle sie vor deinem Zimmer ab, Du kannst Dich daran bedienen und waschen…", hörte sie Brunhild sagen, als diese gerade wieder hereingekommen war mit einem rothaarigen Mädchen im Schlepptau, das sie als Luise vorstellte, und einer Kanne voller Wasser. Wie lange saß sie jetzt eigentlich hier? Zehn Minuten? Dreißig? Und warum wirkte alles so... so...
"Gut!", sprach sie und kletterte mühselig vom Stuhl herunter. "Gut, gut, gut, gut!" Breit grinsend, nicht ganz betrunken, aber sichtbar angesäuselt schlenderte sie zu ihrem Zimmer und betrachtete die Kanne mit stechendem Blick. "Ich gehe dann mal jetzt...", sie deutete auf die verschlossene Tür. Sie war nicht betrunken. "... da rein." Pause, immer noch auf die Tür deutend, immer noch auf die Kanne glotzend. "Da rein." wiederholte sie. Und merkte, wie ihr das Dünnbier in den Kopf schoss wie Feuerwerksraketen.
"Da rein."
Schwankend, die Kanne in einer Hand neben sich tragend ging sie ins Zimmer und verschloss die Tür hinter sich. Musste ja nicht jeder sehen, wie sich eine Handvoll Wasser erst ins Gesicht, dann auf den entblößten Oberleib klatschte und sich all den Dreck der letzten Tage wegrieb als wären es ihre schlimmsten Gedanken. Heute würde sie versuchen zu verschwinden. Und anhand der lauten Stimmen die von draußen in die Taverne gekommen waren, musste ja etwas draußen los sein. Es interessierte sie zwar nicht wirklich, da sie vorhatte, sich von Hor-Ross Geld zu leihen (oder Konrad) und dann auf schnellstmöglichem Wege auf die Händlerroute südlich von hier zu kommen, aber man wusse ja nie. Vielleicht gab es noch eine andere Möglichkeit. Erfrischt und von oben bis unten immer noch nass (was sie im Dünnbier-Wahn nicht wirklich interessierte) wankte sie - deutlich frischer als noch vor ein paar Minuten - aus dem Zimmer und schaute kurz hinüber zu Brunhilda, die ein rothaariges Mädchen versuchte zu trösten, während ein brünettes Mädchen daneben saß.
"Brunhilda?", fragte sie, doch die Wirtin schien gerade etwas geistesabwesend zu sein, "Zwei Dings...", sie hielt zwei Finger hoch, um allen im Raum anwesenden zu zeigen, dass sie rechnen konnte, "Erstens: Wer ist rothaariges Mädchen? Zweiter: Was geht da draußen vor?" Sie pausierte kurz, immer noch keine Antwort. "Jobb [Na gut], ich geh' gucken selbst. Und ich schwör...", sie deutete auf das rothaarige Mädchen. Ihr dämmerte gerade, wer sie war: Die Rothaarige die den Jungen mit der beschissenen Handschrift begleitet hatte, die Tochter von Analbert der nicht Analbert war sondern irgendwer anders der krank war, "Du hast zwar kein Seele, ne? Aber wenn Typ mit Dings im Gesicht dich wehgetan hat, ne? Ich schwör: Fogom ütni őt a rohadt csókoló ! Ich schwör, ich nicht stark, aber Schlag von Frau tut Mann in Ego und golyók [Eiern] weh!" Bei der Drohung schlug sie sich selbst mit der Faust in die flache Hand, was sie als sie zornig hinausging mit einem schmerzverzerrtem Gesicht quittierte. Doch bevor sie ging, wies sie Djángo mit eienr handgeste an, die Rothaarige zu beschützen. "Djángo ist WM. Wachmarder. Schwör. Bis gleich."
Eine Menschentraube hatte sich gebildet auf dem Dorfplatz. Wie Moses das Meer teilte teilte Lumi die Menschentraube vor sich (u.a. Konrad der gerade Horst anpöbelte) und studierte, was auf dem Dorfplatz herumlag: Ein blutbesudeltes Schwert mit einer Nachricht, eine weitere Nachricht am Ankündigungsbaum - Mann, wusste derjenige der das angestellt hatte nicht, wieviel Papier kostete? Konrads Name stand darauf, dahinter ein Strich. Und NOCH EIN ZETTEL hing am Pfosten in der Mitte des Platzes, bei allen guten Geistern wieso soviel Papierverbrauch? Das machte Lumi jetzt noch rasender als sie schon so war. Sie hatte keine Verbindung zum rothaarigen Mädchen, aber hatte genügend ungesunde Beziehungen zwischen ihrer Mutter und allem möglichen Gesocks aktiv mitbekommen um zu wissen, wie schädlich so etwas sein konnte. Fußfetisch-Junge stand geistesabwesend da, während Konrad, ein Pfarrer-Typ ([I]mit noch eine Zettel - bassza meg...), der Holzfäller-Typ und noch ein paar andere Typen kurz davor waren, sich entweder gegenseitig den Schädel einzuhauen, die Bibel abzuknutschen die der Pfarrer-Typ mit sich trug oder sich gegenseitig mit der Bibel die Schädel einzuküssen. Moment, was? Egal. Sie studierte das, was auf dem Zettel geschrieben stand. Kleinlaut murmelnd las sie sich selbst die Nachricht vor. Deutsch sprechen konnte sie um einiges schlechter als es lesen, aber selbst lesen fiel ihr schwer bei einem derartigen Krickelkrackel. "Warum musse alle in diese Dorf so eine scheiße Handschrift haben? Ich versteh' nicht!", murmelte sie nun etwas lauter, während sie weiterlas.
Es ratterte im Kopf.
Ratterte.
Arbeitete.
Deus lo vult.
Das hatte sie schon einmal irgendwo gesehen. Oder gehört?
Nee.
Sie las den Zettel der am Schwert hing.
Lumianer.
Ihre Augen rissen so weit auf, dass die Augäpfel am liebsten aus dem Kopf herauskullern wollten.
Ein leises "Kacke..." entglitt ihr. Noch nie hatte eine ihrer Prophezeiungen gestimmt. Noch niemals. Dieses Mal musste es ein schlechter Scherz sein der mit ihr gespielt wurde. Sie hockte da, schaute abwechselnd auf den Dolch, die eine Nachricht, die andere Nachricht, die beschissene Handschrift, es passte nichts zueinander und doch fügte sich alles zu einem homogenen Ganzen zusammen.
"Szent rohadt szar.", flüsterte sie, den Tränen nahe. So unauffällig wie möglich stand sie auf und ging langsam zurück zur Taverne, auf dem Weg für einen Augenblick den Rothaarigen Tattooträger einen Blick zuwerfend, öffente leise die Tür und setzte sich stumm zu Brunhild und Luisa. In der Hoffnung, dass man ihr das Lächeln abkaufte, das sie so schnell es ging aufgesetzt hatte. Sie musste hier weg. Heute noch.
"Ist ja gar nix los da draußen, hä?", sagte sie mit einem Anflug von Sarkasmus in der Stimme und strich all die Gedanken, die ihr gerade im Kopf herumspukten, zur Seite.
Zitroneneis
25.03.2013, 18:44
„Konrad wird nicht gehängt werden. Weder heute noch an irgendeinem anderen Tag, das schwör ich Dir.“
Brunhild wirkte als würde sie es genau so sehr zu sich selbst sagen wie zu Luise. Anscheinend war ihr der Gedanke, Konrad hängen zu sehen, nicht minder unangenehm als Luise.
Schließelich wechselte die Wirtin nach einem Moment der Stille das Thema. Langsam sagte sie: „Ein Schiffsunglück …? Wenn Du tief verletzt wurdest, kann eine bittere Saat in Dir aufkeimen, wachsen und Dich mit der Zeit von innen her verzehren. Meine alte Mutter hatte mir das vor vielen Jahren einmal gesagt, naja, wie auch immer… Bei Noel ist genau das passiert, glaube ich. Aber seine aufgegangene Saat hat ihn noch nicht komplett verzehrt. Du magst vielleicht die Einzige sein, der gegenüber er das zeigt, aber es beweist, dass es noch… Hoffnung für ihn gibt.“
Ein tiefes Einatmen war von ihr zu hören, als Konrad auf die Empore des Hauptmannhauses geschafft wurde.
„Ja, es gibt noch Hoffnung…“
Luise war sich dabei nicht so sicher. Allerdings wusste sie auch beim besten Willen nicht, was sie tun konnte, um Konrad zu helfen.
Doch bevor sie weiter darüber nachdenken konnte, wurde Brunhild von dem fremden Mädchen angesprochen, welches gestern ins Dorf gekommen war. Das von Konrad ins Wirthaus gebracht worden war und ebenfalls den Abend in der Kneipe verbracht hatte. Sie hatte sich wohl mittlerweile gewaschen, wirkte sie doch etwas gepflegter als am vorigen Tag. Mit großen Augen hörte Luise zu, wie das Mädchen mit einem fremdartigen Akzent fragte, was da draußen los war und sich dann entschloss, selbst nachzusehen. Vorher wandte das Mädchen sich noch an Luise:
"Du hast zwar kein Seele, ne? Aber wenn Typ mit Dings im Gesicht dich wehgetan hat, ne? Ich schwör: Fogom ütni őt a rohadt csókoló [Ich box' ihm in seine scheiß Fresse]! Ich schwör, ich nicht stark, aber Schlag von Frau tut Mann in Ego und golyók [Eiern] weh!"
Luise war einen Moment lang sprachlos. Sie war es nicht gewohnt, dass Fremde ihr solche Aufmerksamkeit schenkten und dann auch noch so direkt waren. Daher brachte sie auch nur ein leises "D-danke..." hervor als das Mädchen ihr das Frettchen vor die Nase setzte. "Djángo ist WM. Wachmarder. Schwör. Bis gleich." Dann ging das Mädchen.
Während Luise also über das weiche Fell des Frettchens strich, fragte sie Brunhild danach, was diese über die junge Dame wusste. Viel erfuhr sie nicht, aber anscheinend war der Name des Mädchens Lumi. Und, laut Brunhild war sie trotz ihres häufigen Gebrauchs von Flüchen eine durchaus nette Person.
Sicherlich also kein Mitglied dieser Sekte. Allerdings konnte Luise sich bei niemandem im Dorf tatsächlich vorstellen, Anhänger einer ketzerischen Organisation zu sein, welche das Leben zahlreicher Menschen forderte. Doch laut dem Pfarrer musste es irgendjemand sein. Aber wer?
Lumi war fremd und ihr Name verdächtig. Aber genau das wäre doch viel zu auffällig, oder?
Ähnliches galt für Noel mit seiner permanenten Gesichtsbemalung, dem Wissen über die Sekte und seiner Unbeliebtheit bei den anderen Dorfbewohnern.
Konrad... Er kam nicht in Frage. Egal, was der Pfarrer dachte, egal was die anderen Menschen dachten... Konrad war und blieb ein gottesfürchtiger, guter Christ, der den Menschen in der Not beistand.
Aber wenn der Pfarrer so dachte... vielleicht dachten dann auch andere so. Der strenge Mann hatte großen Einfluss auf die Gemeinde. Und Luise, als scheues, mit dem Makel des feuerroten Haars gestraftes Mädchen, würde ihn wohl kaum umstimmen können.
Aber... vielleicht gab es jemanden, der dies vermochte. Oder der zumindest die Leute besänftigen konnte. Und Luise hatte auch schon eine Idee, wer das sein konnte.
Als Lumi zurückkehrte und sich setzte, drückte Luise ihr Djángo auf den Arm. Mit einem scheuen Lächeln sagte sie: "D-danke. E-er ist ein guter Wachmarder." Dann warf sie einen Blick in die Runde. "Ähm... vielen Dank, dass ihr mir so geholfen habt. I-ich würde nun gerne mit Maria sprechen. I-ich glaube, dass sie diese... S-situation... vielleicht etwas beruhigen kann."
Bevor sie sich zur Kirche aufmachte, sagte sie noch zu Viktoria, die bisher stumm daneben gesessen hatte: "Ähm... i-ich würde später g-gerne einen Blumenstrauß für d-den verstorbenen Hauptmann machen. D-du kennst dich ja mit Blumen aus. Vielleicht machen wir das zusammen? A-aber nur, wenn du willst, n-natürlich", fügte sie eilig hinzu.
Dann begab Luise sich zur Kirche, wo sie Maria alleine betend vorfand. Die Apothekertocher nahm all ihren Mut zusammen und sprach dann:
"Ich bitte Euch, Schwester Maria. I-ich bitte Euch im Namen des Herrn und bei all seinen Engeln und Heiligen. Bitte, rettet Konrad!"
Die Nonne blickte überrascht auf. Selten hörte man solch fordernde Worte aus dem Mund des jungen Mädchens.
"Bitte!", wiederholte Luise mit purer Verzweiflung in der Stimme. "Ich werde alles tun, was Ihr wollt. Ich würde mich sogar selbst an seine Stelle setzen, wenn Ihr das für notwendig erachtet. Ich vertraue Euch. Ihr werdet im Namen des Herrn urteilen, das weiß ich." Tränen traten dem jungen Mädchen in die Augen, doch es blinzelte nicht, senkte nicht den Kopf. "Ich weiß, es ist eine große Bitte. Aber helft mir, weise zu handeln und Konrad zu retten!"
Peter stand an diesem Morgen früh auf. Die gestrige Versammlung auf dem Dorfplatz, die Nachricht vom Tode des Hauptmanns und die Wahl eines neuen sowie der anschließende Besuch im Wirtshaus mit Konrad hatte seinen ursprünglichen Tagesablauf gehörig durcheinander gebracht. Er war auf dem Felde lange nicht so weit gekommen, wie er es vorgehabt hatte. Das wollte er an diesem Freitag aufholen, damit er am geheiligten Wochenende keine Zusatzschichten schuften musste und stattdessen Zeit für die Familie hatte.
"Ich schicke dir am Mittag Willi mit einem Brot vorbei. Dann musst du nicht extra heim kommen, sondern kannst auf dem Felde essen." sagte ihm Margarethe zum Abschied. "Und zieh dir das dicke Gewand über, es ist über Nacht wieder sehr kalt geworden." "Ich hoffe, der Boden ist nicht zu hart. Noch mehr Verzögerungen kann ich mir nicht leisten" entgegnete Peter und schich leise aus dem Haus, da die Kinder noch schliefen und er sie nicht wecken wollte.
Doch er sollte an diesem Tage erneut nicht weit kommen mit seiner Arbeit. Der Acker war in dieser Nacht hart wie Stein geworden, da sollte keines seiner Werkzeuge durch kommen. "Na komm, mein Brauner" sagte er seufzend zu seinem alten Pferd "gehen wir nach Hause." Zu Hause angekommen, waren inzwischen auch die Kinder wach. Doch der kleinen Anna war der nächtliche Kälteeinbruch gar nicht gut bekommen. "Sie hustet und hat Fieber bekommen. Bitte Peter, kannst du eiligst zum Apotheker gehen und nach Medizin für sie fragen? Ich weiß nicht, ob ich es selbst in den Griff bekomme." Und so machte sich Peter auf den Weg ins Dorf und noch bevor er die Apotheke erreichte, wunderte er sich über die erneute Versammlung auf dem Dorfplatz. Anscheinend war eine Diskussion ausgebrochen.
"Also gut, dann soll es so sein. Wir treffen uns heute Abend alle wieder hier auf diesem Platz und dann entscheiden wir, wer von uns als Lumianer enttarnt werden soll. Ich will jeden dann jeden sehen, der gestern bei der Wahl dabei war. Außerdem soll Konrad erklären, was es mit dieser Stimme auf sich hat. Sprecht das im Dorf herum." vernahm er die Worte des neues Hauptmanns Ross. "Falls irgendwer etwas weiß, falls irgendwer etwas gehört hat, will ich dass er es mir mitteilt. Das letzte, was ich will, ist einen Unschuldigen zu opfern." mit diesen Worten wollte er den Platz verlassen, blieb jedoch noch einmal kurz stehen "Ich werde Anweisungen geben lassen, den Marktplatz nach Hinweisen abzusuchen. Wenn das erledigt ist, wird hier der Galgen aufgebaut werden. Ich bitte, nein als Hauptmann befehle ich ausdrücklich, dass alle heute Abend hier zu erscheinen haben, um abzustimmen, wer sich nicht daran hält, macht sich verdächtig"
Lumianer? Galgen? Peter verstand nicht, um was es ging und wendete sich daher an den neuen Hauptmann "Ross, was geht hier vor? Es soll jemand an den Galgen gehängt werden? Wer würde so eine gottlose Tat vollbringen?" Daraufhin zeigte ihm Ross die Nachrichten des Pfarrers und der Lumianer. "Ja Herrgottzeiten noch mal!" entfuhr es Peter, als er von der Anwesenheit der Sekte im beschaulichen Düsterwald hörte. Ungläubige. GottIose Ketzer. I hob's ja geahnt. murmelte er vor sich hin und seine Gedanken wanderten als erstes zu Noel. Er war ihm schon immer sehr suspekt gewesen. Es würde Peter in keinster Weise wundern, wenn er dieses Unheil in das Dorf gebracht hatte.
In diesem Moment kam auch Konrad dazu und bat sie sich um Luise zu kümmern, sollte sich das Dorf gegen ihn entscheiden. Konrad? Wer würde ihn beschuldigen? Er begegnete ihm jeden Sonntag in der Kirche. Er war doch kein Ketzer, kein Anhänger einer gottlosen Sekte. Aber warum behauptet der Pfarrer...? Peter starrte gedankenverloren vor sich hin und bekam dabei gar nicht mit, wie Konrad den Hauptmann auf das Papier aufmerksam machte.
Patricia tappste durch das Dorf. Wobei tappsen in dieser Aufmachung wohl das falsche Worte war. Jeder Schritt hörte sich an, als würde der Alteisenhändler sein Lager renovieren.
Im Dorf herrschte Bärenstimmung. Von dem was sie aufschnappen konnte, machten sich die Leute Sorgen um einen Fetzen Papier, ein Schwert und irgendwelche Sektenspinner, die dem Dorf Gewalt androhten.
Meinten die damit den rothaarigen Kleiderständer? Der hatte doch gestern immerhin auf offener Straße einen alen Mann echt unsanft angepackt. Den Mann hatte sie danach auch nicht mehr gesehen.
Die ganze Nachdenkerei machte echt hungrig. Was mit Honig wäre jetzt toll, brummte Patricia in sich hinein und machte sich auf den Weg.
Auf dem Dorfplatz stand der Kleiderhaken inmitten einer Menschentraube und keifte hysterisch herumfuchtelnd herum. Patricia fühlte sich bestätigt und trottete weiter, zur Taverne.
Noel saß jetzt seit zwei oder drei Stunden stumm auf der Bank und döste vor sich hin. Langsam wurde es spät und damit kühlte es auf. Allmählich hatte er keine Lust mehr, hier herumzuhängen, also dachte er über Alternativen nach.
Zuhause, Bibliothek - Zu weit entfernt. Er musste ja bei dieser lästigen Wahl dabei sein.
Freunde besuchen - Nun, wohl eher nicht.
Das Wirtshaus - Grmbl. Es war gerade gut besucht, und sich in einem Wirtshaus die Kante zu geben, war so gar nicht sein Gefallen. Allerdings fiel ihm nichts Anderes ein und es konnte auch nicht schaden, sich mal ein Bier zu gönnen. Stumm erhob sich der tätowierte Junge und schlurfte in Richtung des vor Lichtern glühenden Gebäudes los.
Folgst du schon wieder Luise? Du solltest vielleicht wissen, wann es vorerst genug ist. Deine Ansprache war in der Hinsicht ein Holzhammer, wenn du verstehst.
Ja, Noel verstand. Auch wenn er sich zurückgehalten hatte, das musste für die Kleine Elfe ein anmaßender Kontrast gewesen sein. Aber es half nichts; Irgendwann hätte sie so oder so davon erfahren, was für eine wahnsinnige Bestie er ist.
Ich will nicht zu Luise. Mir ist es hier zu ungemütlich. Ein Bier sollte auch für mich nicht so schwer zu ertragen sein.
Na fein. Vielleicht fällt ja ein saftiger Braten für mich ab.
Ist der Himmel kirschrot?
...
Stumm öffnete Noel die hölzernen Türen der Schenke. Das Bild, dass sich ihm bot, war angenehmer als erwartet: Es war nicht so voll wie er gedacht hätte, vereinzelt saßen Leute an den runden Holztischen oder spielten Zillard, seine Elfe war nicht hier, was Noel durchaus gut passte. Die Wirtin verteilte gerade Bier, der Thresen war hingegen vollkommen unbesetzt. Also entschied Noel sich, dort einen Platz zu suchen.
Er hatte sich kaum gesetzt, da kam ihm die Wirtin mit argwöhnischer Miene entgegen. Bevor sie den Mund öffnen konnte, um etwas zu sagen, schnitt Noel ihr ruhig das Wort ab.
"Jeder Gast ist ein willkommener Gast. Ist es nicht so?"
Das war das Motto deutscher Wirtshäuser. Brunhild wollte etwas erwiedern, aber für einen Moment schienen ihr die Worte zu fehlen. Noel hatte getroffen. Zähneknirschend begab sie sich hinter ihren Thresen und fragte mit zusammangepressten Zähnen, was er haben wöllte.
"Ein Bier, wenns genehm ist. Möglichst süß, ich mag keine bitteren Dinge. Das süße Bier der großen Städte ist hervorragend, ich bin gespannt, einen Vergleich zu ziehen."
Der Hauch Spott, den Noel in seine Aussage legte und das wirklich, wirklich, wirklich gut versteckte Lächeln waren eher unbeabsichtigt.
Einige Minuten später hatte er einen großen Krug des Getränkes vor sich stehen. Da sah er sich um; Deus hatte es sich in einer Ecke der Taverne gemütlich gemacht, und Noel schloss, dass es kein Zufall war, das ebenjene Ecke dort lag, wo man einen formidablen Ausblick auf jenes hatte, was unter den Röcken der in der Nähe sitzenden Maiden lag. Kopfschüttelnd wandte er sich seinem Bier zu und nahm einen Schluck.
Nicht übel.
Noel hatte den Krug kaum abgestellt, da setzte sich eine kleine Gestalt neben ihm. Blonde Haare, ein schmutziges Gesicht und ein kleines Wiesel auf der Schulter erinnerten ihn schnell daran, dass es sich um die Streunerin von gestern handelte. Die beiden sahen einander einige Sekunden stumm in die Augen, bis Lumi das Wort eröffnete.
"Du guckst so wie ich mich gerade fühle. Solange du mir nur in Augen guckst und nicht auf Füße ist alles gut, ja."
Noels rechte Augenbraue zog sich fragend in die Höhe. Dennoch war die Anwesenheit der Göre ihm nicht unangenehm. Ja, warum nicht etwas Zeit mit ihr totschlagen.
"Hm. Hey, ich lade dich ein, Mädchen. Was willst du trinken? Saft? Tee? Milch?"
Sie gab ein "Pfff..." von sich und lehnte sich grinsend zurück. "Saft zu bitter, Milch zu fad, von Tee krieg ich Blähungen. Entweder Wasser oder Bier, such dir eins aus wenn du nicht sterben willst wegen halálos fingás [tödlicher Fürze]." Einen Moment später klärte sie ihn auf. "Fürze die töten. Willst du nicht, echt. Also lieber Wasser oder Dünnbier, such' dir was aus, bin gerade zu sehr-"
"Ist ja gut, in Ordnung."
Noel lachte kurze leise auf.
"Du bist amüsant, weißt du das, Löckchen? Wirtin, Einmal ein kräftiges Bier für den Schmutzfink hier!"
Noel warf der missmutigen Brunhild ein paar weitere Goldmünzen hin, worauf Lumi ihr Getränk bekam.
"Was ist los mit dir? Genervt von den Dorfbewohnern? Schlechten Tag gehabt? Oder ist dein Tier an Würmern erkrankt?"
"Nein zu alles.", stöhnte sie, nachdenklich ins Leere schauend. Bedanken konnte sie sich ja immer noch wenn das Bier dann mal leer war. "Aber kennst du das, wenn du irgendwas sagst was du nicht ernst meinst und dann plötzlich sieht's so aus als ob genau das passieren würde?" Noch einmal seufzte sie leise. "So wie wenn du jemandem aus Spaß sagst 'Ich hoffe du hast morgen Unfall.' und dann hat er am nächsten Tag Unfall - so in etwa."
"Hm. Gewissermaßen."
Noels Blick sank auf sein silbernes Amulett, mit den Gedanken woanders.
"Hast du jemanden verloren, der dir wichtig ist? Woher kommst du, Mädchen? Oder redest du... davon?"
Noel deutete mit dem Finger auf die Tür des Wirtshauses, etwa in die Richtung, in der das Schwert steckte.
Als Reaktion kam nur ein Schulterzucken. "Irgendwie beides. Irgendwie nicht. Ist kompi-komplis-kom..."
"Kompliziert?"
"Igen [Jepp], genau das. Wer hat nicht Angst vor Dolchen mit Blut dran und komische Zettel wo so kruptischer Kram draufsteht, ja? Und alles nachdem euer Analbert-Hauptmann tot ist. Ist merkwürdig, oder? Ist wei das eine Mal, wo..."
Sie hatten gerade die Zelte aufgeschlagen.
"... das war..."
Ein Speer mit Blut an der Klinge steckt im Boden. Daneben er. Leblos.
"... mit sowas."
Eine Spur in Form eines Kruzifixes in den Staub gemalt.
Sie rührte mit dem Zeigefinger im Bierschaum herum, während sie gedanklich abschweifte. "Entschuldige, ich bin nur... bei sowas wird mir..." Sie räusperte sich udn hob den Krug an zum Prost. "Darauf, dass es nciht noch schlimmer wird, ja?"
Noel lächelte seicht. Das Mädchen war ihm sympathisch, und sei es nur, weil es ihr nicht besser ging als ihm.
"Ist schon in Ordnung."
Damit stieß er mit ihr an, trank das süße, goldene Gebräu, woraufhin eine kurze Stille zwischen den Beiden einsetzte.
"Hey."
Das Mädchen sah auf.
"Wie ist dein Name? Dich immer nur Schmutzfink, Göre oder Blondlöckchen zu nennen, ist mir zu mühsam. Ich heiße Noel."
"Lumi-", sie beendete abrupt. Ihr voller Name war mehr oder weniger ein böses wandelndes Omen.
"Nun, dann pass auf, Lumi. Ich achte schon darauf, dass man dir nicht deinen noch jungen Hintern aufreisst. Es wäre ein Verschwendung von unbeschmutztem Leben, dich zu richten. Zumal ich dir nicht zutraue..." , Noels Blick fuhr hinüber zu Deus, der die beiden grinsend beobachtete, "dich solchen Narren anzuschließen. Da scheinst du mir entschieden zu vernünftig. Also passe ich auf dich auf."
Lächelnd tippte Noel ihr mit dem Zeigefinger sanft gegen die Stirn.
"Ich bin großes Mädchen, aber danke. Für Bier.", sagte sie mit dem Anflug eines Grinsens auf dem Gesicht. "Solltest öfter nett sein, steht dich viel besser als dich zu benehmen wie seggfej. Äh, wie Arschloch." Pause. "Tut mir leid wegen 'Arschloch'."
Affektiv hielt Noel sich die Hand vors Gesicht, kicherte er doch ungewohnt herzhaft los. Verflucht, was war das?
War er plötzlich ein gottverdammter Optimist?
Noel wollte gerade weitersprechen, als krachend die Tür der Taverne auffiel.
"Es geht los! Es geht los!"
Der Bauer schluckte bedeutungsschwer.
"Die Hinrichtung. Die Wahl des Hängenden. Sie beginnt! Alle auf den Dorfplatz!"
Und damit verschwand er auch schon Richtung besagten Platzes.
Noels Blick wurde wieder ernster. Jetzt ging es los.
Stumm nickte er Deus zu, welcher sich schon erhoben hatte.
Noel umfasste sein silbernes Amulett, drückte einen gehauchten Kuss darauf und wandte sich ein letztes Mal Lumi zu.
"Also dann Lumi,"
Er zwinkerte ihr zu.
"Lass uns sehen, wer gleich vom Holze baumelt und hoffen, dass wir es noch sehen werden."
Und damit trat der junge Mnn auf den dunklen Platz, vielleicht seinen letzten Gang machend. Deus schritt an seiner Seite.
Doch wenn es sein letzter Gang war... wüsste er schon ganz genau, wie er sterben wöllte.
Nicht durch das Seil.
Nicht durch die Meute.
Durch eine kleine, herzensreine Elfe mit wundervollen, roten Haaren.
Maria war immer noch ins Gebet vertieft, und bemerkte kaum, dass Luise die Kirche betrat und sich neben sie stellte. Erst, als das rothaarige Mädchen sprach: "Ich bitte Euch, Schwester Maria. I-ich bitte Euch im Namen des Herrn und bei all seinen Engeln und Heiligen. Bitte, rettet Konrad!" blickte Maria überrascht auf. Sie spürte die Dringlichkeit des Wunsches, zumal Maria auch von Luises familiärer Beziehung zu Konrad wusste, und fing an, nach Worten zu suchen, die dem Mädchen helfen würden. Jedoch sprach Luise weiter, ehe Maria antworten konnte.
"Bitte! Ich werde alles tun, was Ihr wollt. Ich würde mich sogar selbst an seine Stelle setzen, wenn Ihr das für notwendig erachtet. Ich vertraue Euch. Ihr werdet im Namen des Herrn urteilen, das weiß ich." Maria wusste zunächst nicht genau, wie sie sich formulieren sollte, als sie die Traurigkeit erkannte, die in Luises Augen lag. Voller Tränen standen sie, und so wie die Lage aussah, würde es eine Weile dauern, bis das Mädchen wieder Sorglos vor sich hin leben dürfte. Luise redete weiter in Marias beginnenden Gedankengang hinein: "Ich weiß, es ist eine große Bitte. Aber helft mir, weise zu handeln und Konrad zu retten!"
Maria würde sich sehr freuen, wenn das Apothekermädchen überhaupt jemals wieder sorglos leben könnte, denn wer weiß, welche Leben diese Sekte in den nächsten Tagen kosten würde. Vielleicht nur noch die der Sektenmitglieder, vielleicht auch die aller Unschuldigen. Es war ein so furchtbarer Gedanke, dass Maria schlecht dabei wurde. Wo war dieses ansonsten so friedliche Dorf da nur reingeraten? ... Eins stand jedoch fest: Wenn einer helfen konnte, die Lumianer aufzuspüren, und das schlimmste zu verhindern, dann vermutlich Noel. Er schien Erfahrung mit ihnen zu haben, hatte er ja nach eigenen Angaben mit den Lumianern bereits zu kämpfen gehabt.
"Luise", begann Maria schließlich, und blickte ihr tief in die traurigen Augen. Jetzt galt es, dem Mädchen wieder Mut einzubringen, denn die Stimme des Pfarrers entsprach nicht der Meinung aller Dorfbewohner. "Es gibt da diesen Psalm, den ich erst vorhin wieder gelesen habe:
'Mit Tränen bringen wir die Saat aus, doch jubeln dürfen wir, wenn die Zeit der Ernte kommt.'*
Ich sehe, dass es dir zurzeit nicht allzu gut geht. Ich brauche dich nicht einmal dafür anzusehen, nein. An deiner Stimme ist es zu hören, und wer deine Situation kennt, der braucht nichtmal deine Worte dazu. Aber auch die nächsten Tage werden keine schönen sein. Und jede Wahl, die wir treffen, wird uns im innersten Schmerzen, denn dies bedeutet jeden Abend ein weiterer Abschied. Hoffentlich erwischen wir die richtigen Personen, also diejenigen, die verbergen, ein Lumianer zu sein. Aber genau wissen werden wir es erst hinterher."
Luise schien merklich betroffen zu sein, sodass Maria dem Bedürfnis, diesem schwachen, hilflosen Wesen eine schützende Umarmung zu geben, weder widerstehen konnte noch wollte.
"Ach, meine liebe Luise. So mach dir doch nicht so viel Sorgen um ihn. Ich kann nicht oft genug wiederholen, dass ich fest von Konrads Unschuld überzeugt bin. Er ist ein pflichtbewusster, stattlicher Mann von großer Güte und Treue und er möchte die gewiss Lumianer mit ebenso großem Interesse verjagen, wie wir alle. In der Bibel heißt es 'Gottes Wege sind vollkommen. Er ist ein Schild allen, die ihm vertrauen.**' - Konrad ist einer von uns, der Gott vertraut. Deswegen vertraue ich Konrad." Die Nonnige ließ los, ergriff stattdessen Luises Hände und sah sie Luise erneut an, diesmal mit einem festen und entschlossenen Blick.
"Das ändert natürlich nichts daran, dass er bereits eine Stimme auf dem Wahlzettel bekommen hat. Denke daran, dass eine Stimme allein nicht gilt, sondern alle Stimmen, die am Abend zusammen kommen, zählen. Heute Abend werden wir gemeinsam einen aus unserer Reihe bestimmen müssen - auch du wirst eine Wahl treffen - wer das Dorf als Lumianer verlassen muss. Der Pfarrer muss einem Irrtum unterliegen, vielleicht vertraut er selbst dem Falschen. Wer weiß wer diese Person ist, die das Vertrauen des Pfarrers so stark innehält, dass dieser sogar den Treuen Konrad wählt. Hast du gehört, was Noel erzählt hat? Anscheinend hat er sie früher schon einmal bekämpft." Maria blickte bei dem Gedanken an Noel, der ihr immer noch ein wenig unbehagen bereitete, einen Moment zum Kirchenfenster, durch das, bunt gestreut, schwaches Tageslicht hineinfiel, und sah dann wieder Luise ins Gesicht. "Die Lumianer sind vermutlich sehr trickreich und erfahren, denn laut unserem Bibliothekar haben sie bereits viele Leute in die Irre geführt. Wer weiß, ob nicht ein Lumianer mit dem Pfarrer gesprochen hat. Ein Lumianer, der jetzt versucht, das furchtbare Werk seiner Sekte anzutreiben, und umso mehr Menschen leiden zu sehen."
Einen Augenblick fehlten ihr weitere Worte, doch sie besann sich ihrer Nonnigkeit und versuchte, noch ein wenig mehr zu sagen, was Luise helfen könnte.
"Konrad macht sich um dich gewiss genauso viele Sorgen wie du dir um ihn. Aber wenn du ihm helfen willst, bleibt dir kaum etwas anderes übrig, als jemand anderen dafür zu wählen. Luise. Ich kann dir nicht sagen, wen du wählen sollst. Dies ist eine schwere Wahl, die auch ich bisher nicht treffen konnte und die mir auch noch sehr schwer fallen wird." So langsam wurde Maria bewusst, dass sie sich wiederholte. Doch vielleicht war das ganz gut so, denn sie empfand es als wichtig, was sie versuchte, Luise mitzuteilen, und wiederholungen sollen ja bekanntlich besser im Gedächtnis bleiben.
Erneut läuteten die Glocken und Maria blickte in die Richtung, in der etwa die Glocken hängen dürften, die man vom Kirchraum aus nicht sah. Nach dem das Geläut verklungen war, führte sie ihren Monolog zu Ende, Luises Hände immer noch haltend:
"Aber wenn ich dir einen Rat geben darf, der aus dem tiefsten Herzen einer Nonne kommt, dann bedenke folgende Worte: Was andere uns zutrauen, ist meist bezeichnender für sie als für uns."
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* (Psalm 126,5)
** (2.Samuel 31)
"Nein, Mädchen! Gewöhnliches Schmiederwerk. Könnt' von überall sein." Die raue Stimme des dickwanstigen Schmieds kratzte in ihren Ohren. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, legte er das Schwert vor sie und wandte sich wieder seiner Arbeit zu. Merete nahm es an sich, doch beschloss, es alsbald loszuwerden. In Anbetracht der Umstände würde es ihrer Geltung schaden, mit einer blutigen Klinge durch das Dorf zu schreiten.
Lass sie mich nicht verdächtigen!, dachte sie still und appellierte an ihren Verstand. Wenn sie nur ihr Bestes tat, die wahren Täter ausfindig zu machen, würde niemand sie beschuldigen. Doch andererseits: Hatte sie es in der Hand? So wie sie es verstand, war nahezu jeder in diesem Dorf rechtschaffen. Und dennoch - jemand würde verurteilt werden. Und würde es nicht erst die Ungläubigen treffen? Sie, die sie annähernd ihr gesamtes Leben damit verbrachte, vor der unbarmherzigen Gewalt der Kirche zu fliehen? Und selbst wenn sie das Vertrauen der Gemeinde besaß - davor, Ziel der blutrünstigen Sekte zu werden, bewahrte es sie nicht. Eine Kämpferin wie sie würde heimtückisch im Schlaf gelyncht werden, ehe sie sich im Kampf den Feinden stellen könnte.
Den Besorgnis verbergenden Blick stolz nach vorne gerichtet stieß sie - das Schwert im Gürtel verankert - zu der kleiner gewordenen Masse am Brunnen, blickte sich um. Kaum vorstellbar, dass einer dieser Menschen ein falsches Spiel spielte. Freiwillig den Frieden, die angenehme Stille vom Dorf zu nehmen, schien der verwaisten Jägerin töricht. Wer würde so etwas wollen? Welche Vorteile brächte es mit sich, Dorfleute zu töten, sie gegeneinander aufzubringen, wenn man doch einer von ihnen war? Konnte allein der Hass Menschen so weit treiben?
"Hauptmann!", rief sie und ließ ihren Blick starr auf dem neu gewählten Vertreter liegen, während ihre Beine sie zügig in seine Richtung trugen. Sie wiederholte den Ausruf zwei mal, je näher sie ihm kam, da er drauf und dran war, den Dorfplatz in Richtung des Haupthauses zu verlassen. Erst spät erlangte sie seine Aufmerksamkeit, blieb mit beiden Beinen vor ihm stehen, zog den linken Fuß hoch, um den Halt nicht im schlammig gewordenen Untergrund zu verlieren, während der harte Regen erbarmungslos ihr Haar, ihre Haut und den noch zu dünnen Stoff über dieser auspeitschte. "Hauptmann. Der Dorfschmied konnte mir nur wenig über die Klinge verraten. Sie sei gewöhnlich, ihre Herkunft nicht auszumachen", waren ihre Worte, gefolgt von einem raschen, jedoch vorsichtigen Herausziehen des Schwertes aus dem Leder, welches ihre Hüfte umspannte. "Wohl ist es in Ihrer Hand am tauglichsten aufgehoben, Hauptmann!", fügte Merete hinzu und bot ihm den Griff des Schwertes an, indem sie es - die Klinge vor ihrer eigenen Brust - von sich hielt, die schmutzigen Hände als Sockel für die Schneide benutzend.
Ross hatte erst gar nicht gemerkt, dass er den Zettel in der Hand trug, bis Konrad ihm etwas entgegenwarf, was Ross aber nicht gleich verstand. „Das Papier, Ross, das Papier!“ ja natürlich, Ross hielt den Zettel in der Hand und was war da jetzt so besonders? Bevor er noch einen weiteren Gedanken daran verschwenden konnte, tauchte plötzlich die Jägerin Merete auf und begann über das Schwert zu reden. Danach hielt sie ihm dieses hin. "Wohl ist es in ihrer Hand am tauglichsten aufgehoben, Hauptmann!"
Ross war zuerst verwirrt, nahm nach einigem Zögern aber die Klinge entgegen. "Eine gewöhnliche Klinge? Das Material vielleicht, aber seine Existenz ist eine Kriegserklärung an uns und ich will nicht in Händen halten, was mit den schmutzigen Händen des Feindes besudelt wurde. Aber als Beweismittel ist es sicherlich dienlich." dann fügte Ross noch hinzu "Konnte der Schmied noch irgendwas anderes dazu sagen? Wo die Waffe herkam zum Beispiel?" dann erinnerte Ross sich an etwas anderes "Es klebte doch Blut an der Klinge, nicht war? Wenn wir herausfinden, wessen Tier damit getötet wurde, können wir vielleicht herausfinden, wo sich diese Lumianer versteckt haben...dort wo sie das Tier abgeschlachtet haben, müssen Spuren sein."
Jetzt richtete Ross seinen Blick auf den Zettel, der noch immer in seiner Hand lag. "Ich werde jetzt diesen Konrad verhören, du Merete suchst dir ein paar Leute und fragst bei allen Bauern nach, die Vieh besitzen. Wenn sie Verluste beklagen, schaut euch in der dortigen Umgebung nach Spuren um." der Rest war mehr ein Selbstgespräch "Der Rest soll sich um den Galgen kümmern. Außerdem muss jemand den Pfarrer bei Laune halten..." seufzend bedeutete Ross mit einer Handbewegung Merete, dass sie sich beeilen sollte. Danach gab er noch ein paar Anweisungen an einige der Anwesenden, die sich bereits in Bewegung gesetzt hatten, den Galgen aufzubauen, bevor er letztlich dem Pfarrer hinterhereilte.
Mit einem höflichen Nicken nahm sie die Aufgabe an, die der Hauptmann Merete zuteil werden ließ, ohne sich sicher zu sein, ob dieser jene Geste noch erkannte, wies er doch bereits weitere Dörfler an, sich um den Galgen zu kümmern. Der Gedanke an das verordnete Töten gefiel ihr nicht, beängstigte sie gar. Würde erst Blut auf dem Grund dieser Gemeinde vergossen, wären die Flammen der Angst tief in den Herzen der Überlebenden verankert, würden sie zu hasserfüllten Bestien machen, die sich selbst in ihrer Mordlust auf eine Stufe stellten mit dem, was sie jagten.
Unzählige Menschen hatte sie getötet. Doch kam dies stets nur dann in Frage, wenn ihr Leben - oder das eines Freundes - unmittelbar bedroht war.
Nicht zuletzt, um in der Suche nach den Lumianern ihr Übriges zu leisten und die Gedanken an das Töten Unschuldiger abzuwimmeln, machte die Jägerin sich auf, die Viehwirte dieses Dorfes zu befragen. Ihr Weg führte sie zum Haupthaus, an dessen Südseite sie einen der Läufer entdeckte, gar jenen, der ihr am Vortag von der Versammlung berichtete, bei der der junge Mechaniker sie und die anderen über den Tod des Hauptmannes aufklärte. Der junge Bursche schien vertieft in ein Gespräch mit einem jungen Mädchen, das ihr blondes Haar zu zwei Zöpfen geflochten hatte und sich neben dem - das Gemäuer leicht überragenden - Dach des Verwaltungsgebäudes nur durch den dünnen, doch edlen weißen Stoff des Tuchs, welches ihr Haupt bedeckte, vor dem Regen schützte.
Das laute Fauchen des Niederschlags verwehrte Merete, selbst Fetzen der Konversation aufgreifen zu können, doch als sie näher trat und ihr Fuß lautstark Wasser aus einer größeren Pfütze verdrängte, erschraken beide. Das Mädchen lief ohne jegliche Verabschiedung davon und hinterließ einen Botenjungen, der die Bogenschützin nun ertappt dreinblickend ansah. Ihre Verwirrung verbergend erhob sie das Wort, sprach lauter, um die Oberhand über das Prasseln des Regens zu gewinnen.
"Ich habe Anweisung des Hauptmannes, die Bauern dieses Dorfes zu ihrem Vieh zu befragen. Wenn es eine Liste gäbe, die sämtliche Zuchten samt der ihnen zugehörigen Wirte enthielt, so bäte ich darum, sie zu sehen." Zuerst noch untersuchend an die leere Stelle zwischen den zwei Hütten blickend, hinter denen das Mädchen verschwunden war, fasste sich der Dorfläufer schließlich und schenkte Merete ein befreiendes Nicken. Für wenige Momente verschwand er im Inneren des Haupthauses und kehrte mit einem Schriftstück zurück.
Sie bat den Jungen, ihr einen Auszug der Liste vorzulesen und wies ihn an, im Auftrag des Hauptmannes andere Helfer zu finden, die die verbleibenden Viehwirte nach dem Zustand ihrer Tiere befragen sollten. Er nickte hörig und ließ sie einen der Namen wissen.
Peter Eichmann!, rekapitulierte Merete anschließend in ihren Gedanken und machte sich auf den Weg, ihn zu finden. Ihr Interesse an den Menschen war erst frisch, doch verband sie das Bild eines stämmigen, braunhaarigen Mannes mit dem Namen. So suchte sie - durch die kalte Nässe schreitend - das Dorf ab, wurde abermals am Platz beim Brunnen fündig, so glaubte sie.
"Peter Eichmann!", wiederholte sie, erneut lautstark gegen die akustische Gewalt des Unwetters ankämpfend, trat dabei auf den Mann zu, den sie für den entsprechenden Bauern hielt. "Der Hauptmann schickt mich!"
Zitroneneis
26.03.2013, 10:17
Einen Moment lang stand Luise einfach da, ihre Hände in Marias, und ließ sich die Worte der Nonne durch den Kopf gehen.
Was andere uns zutrauen, ist meist bezeichnender für sie als für uns.
Luise glaubte, den Satz zu verstehen, obwohl sie selbt Schwierigkeiten hatte, jemanden einer Schandtat zu bezichtigen.
Doch sie hatte schon oft gesehen, wie Erwachsene sich gegenseitig mal mehr, mal minder üble Beschuldigungen an den Kopf warfen, wenn es Probleme gab. Und oft genug stellte sich heraus, dass sie genau das Verhalten am Gegenüber kritisierten, was ihnen selbst zu eigen war.
Somit war es auch durchaus möglich, dass jene, die zuerst begannen andere als Lumianer zu beschuldigen, selbst solche waren.
Aber würde Luise sich nicht selbst schuldig machen, indem sie jemanden wählte, ohne Beweise zu haben, dass er wirklich einer dieser bösartigen, menschenverachtenden Ketzer war?
Sie sollte dies im Hinterkopf behalten. Denn selbst wenn das Dorf einstimmig jemand anderen als Konrad bestimmen würde, und selbst wenn sich der Gewählte als einziger Lumianer im Dorf herausstellen - selbst dann hätte Luise Mitschuld an seinem Tod. Selbst wenn der Lumianer den Tod verdiente, sein Blut würde dennoch auch an Luises Händen kleben. Einem Menschen seine Wahlstimme zu verleihen, bedeutete den Versuch, ihn zu töten. Sie durfte nicht vergessen, dass auch Entscheidungen einer Gruppe nicht die Sünde des Einzelnen entschuldigen.
Dennoch war sie Maria dankber. Die Nonne vermochte vielleicht selbst nicht genau zu sagen, wer hier der Schuldige war oder wer in Frage kam. Doch ihre Worte waren tröstlich und gaben Luise Hoffnung, dass auch andere von Konrads Unschuld überzeugt waren. Und sie ließen hoffen, dass womöglich sogar der Pfarrer sich manchmal irrte. Es war die richtige Entscheidung gewesen, Luises Gedanken und Gefühle der Nonne anzuvertrauen. Immer schon hatte man Schwester Maria vollstes Vertrauen entgegenbringen können. Und Luise würde genau dies auch weiterhin tun.
Mit einem dankbaren Lächeln ließ das Mädchen die Hände der Nonne los und wischte sich die Tränen aus den Augen.
Dann sprach sie mit wieder gestärkter Stimme: "Ich danke Euch, Schwester Maria. Ich bin sicher, dass Ihr recht habt, mit Eurer Einschätzung. Der G-gedanke einen anderen Menschen dem T-tode zu weihen... e-er gefällt mir gar nicht." Luise schluckte schwer und fuhr dann fort: "Aber es ist wohl tatsächlich notwendig, um Unschuldige zu schützen... ehrliche Menschen wie Konrad." Dann warf sie einen Blick auf den Altar und sagte: "Ich würde gerne mein Gebet verrichten. D-danach möchte ich mich, bevor die Wahl beginnt, noch mit Noel sprechen. E-er mag ein... M-menschenhasser... sein, aber e-er hat sicher einen Grund dafür u-und i-ich glaube nicht, dass er sein Wissen um die Lumianer so öffentlich teilen würde, w-wenn er selbst einer wäre."
Nach diesen Worten kniete sie sich vor den Altar, faltete ihre Hände und schloss ihre Augen.
Luise mochte diese Kirche. Sie war klein und beschaulich und durch die Buntglasfenster fiel stets ein warmes Licht. Sie war so anders als jene gewaltige Kathedrale, welche Luise als kleines Kind betreten hatte, während sie mit ihren Eltern zu Besuch in einer großen Stadt gewesen war. Die Steine waren von einem Kalten grau gewesen und die Decken so hoch, dass Luise alleine vom bloßen Ansehen schwindelig geworden war. Es hatte sort auch Buntglasfenster gegeben, viele sogar. Aber das durch sie hindurchfallende Licht hatte nur die graue Kälte, das ständige Dämmerlicht und die schreckliche Leere betont. Luise hatte sich verloren gefühlt und war glücklich gewesen, wieder auf die belebte, sonnenbeschienene Straße zu treten.
Und dieser Eindruck war nichts gewesen, im Vergleich zu der Bedrohlichkeit, welche die hohen steinernen Wände nachts ausgestrahlt hatten...
Aber das war im Augenblick unwichtig. Wichtig war, dass Luise nun ihr Gebet sprach und sich danach zu Noel aufmachte, bevor die Wahl begann.
Leite mich. Lass mich den richtigen Weg finden. Alles worum ich bitte, ist jetzt ein gerechtes Urteil. Bitte beschütze deine treuen Diener und führe sie zu den wahren Übeltätern. Und vergib mir, dass ich womöglich jemandes Tod verursachen werde. Ich werde dafür büßen, wenn die Zeit gekommen ist.
Als sie fertig gebetet hatte, bagab Luise sich, der Nonne noch einmal dankbar zunickend, zum Dorfplatz. Hier draußen schüttete es wie aus Eimern und selbst der dicke Mantel bot wenig Schutz. Schon bald spürte das Mädchen die Nässe im Gesicht, unter der Kleidung und in den Schuhen. Doch Luise ging entschlossen weiter und kam schließlich durchnässt am Dorfplatz an, wo sie Noel zuletzt gesehen hatte.
Es dauerte nicht lange, da hatte sie ihn auch schon entdeckt, sah wie er aus der Taverne trat. Allerdings schien auch die Wahl des zu Hängenden bald zu beginnen. Luise blieb keine Zeit.
Eilig hastete sie auf den jungen Mann mit dem blauen Mal im Gesicht zu und begann atemlos:
"Noel! I-ich weiß, d-dass ich dir heute M-morgen wohl zu n-nahe getreten bin. I-ich habe dich sicher verletzt m-mit meinem unüberlegten Gerede." Sie würde nie wieder gedankenlos über Schiffe reden. Das wusste sie jetzt schon. "D-du musst w-wirklich wütend sein. B-bestimmt hasst d-du mich jetzt dafür..." Das würde jedenfalls sein vorheriges Auftreten auf dem Dorfplatz erklären. Es musste hart gewesen sein, einfach so an seine furchtbare Schiffsvergangenheit erinnert zu werden. Sicher tat das einiges dazu bei, ein schlechtes Menschenbild zu entwickeln. Also fuhr sie, noch immer sichtlich nervös und schuldbewusst fort: "U-und das ist auch dein g-gutes Recht. I-immerhin w-war ich wirklich taktlos..." Sie schwieg eine Sekunde lang, um all ihren Mut zu sammeln. Dann blickte sie Noel direkt an und sprach: "A-aber das ist m-meine Schuld, nicht die der anderen Dofbewohner. I-ich kann d-dich schlecht um Verzeihung b-bitten, w-wo ich d-deine Gefühle so verletzt habe. A-aber selbst wenn du mir nicht vergibst - ich bitte dich dennoch darum: Teile dein Wissen über die Lumianer mit uns! Hilf dabei, die Unschuldigen zu schützen, indem du uns mit deiner Erfahrung und deinem Wissen beistehst!"
Es musste einen ziemlich einfältigen Eindruck machen, wie sie hier auftauchte, durchnässt wie ein im Regen verlorenes Kätzchen, all den nassen roten Strähnen im Gesicht, welche sich den Tag über aus ihrem Zopf gelöst hatten, und dann auch noch Forderungen stellte. Aber es war ihr wichtig. In ihren Augen schimmerte Verzweiflung, doch sie senkte nicht den Blick, sah Noel direkt ins Gesicht.
"B-bitte. Du musst es n-nicht für mich tun. E-es ist für alle, die hier leben. A-alle die e-ein friedlliches Leben führen wollen. Alle, d-die all das Unglück der Welt vergessen wollen. I-ich werde d-dich nicht weiter belästigen, w-wenn du das nicht möchtest. A-aber denk bitte an alle, die n-nichts mit a-alldem zu tun haben!"
Mephista
26.03.2013, 10:59
Noch immer auf der Außenterreasse des Gasthauses sitzend blickte Brunhild der sich zur Kirche laufenden Luise nach. Es erleichterte sie sehr, dass es dem Mädchen wieder den Umständen entsprechend gut ging. Die nonnigste aller Nonnen um Rat und Beistand zu fragen war sicherlich eine kluge Entscheidung. Der Blick der Wirtin war immer noch starr auf die Empore, gerichtet, auf der Konrad gleich verhört werden würde.
Sicherlich wollte sie wissen, was er zu sagen hatte, schließlich würde es bei der späteren Versammlung noch von Bedeutung sein könne.
Ein dicker Kloß bildete sich in ihrem Hals, beim Gedanken daran, dass sie heute Abend wirklich über das Leben eines Menschen richten wollten, um es noch vor Einbruch der Nacht enden zu lassen. Das konnte nicht gottgefällig sein, solch ein Treiben ist genauso sündig wie das, was diese Sekte mit ihnen tun wollte…
So erhob sie sich und ging die drei Stufen des Treppchen hinunter. Es mochte ihm vielleicht nicht helfen oder überhaupt auffallen, aber die Wirtin wollte jetzt bei ihrem Stalljungen sein, ihm vielleicht mutvoll ansehen und so zeigen, dass sie hinter ihm stand und keinen Zweifel an seiner Unschuld hatte… Da erreichte ihr Ohr ein nur allzu vertrautes rythmisches Scheppern, welches sich näherte. Den Kopf umwendend erblickte sie Patricia, die offenkundig das Wirtshaus ansteuerte. Mit einem Blick zur Sonne stellte Brunhild zwar fest, dass es zum Öffnen der Schankstube noch etwas früh war, doch einzelnen hungrigen und durstigen Seelen verwehrte sie auch am Tag nicht den Einlass.
Wehmütg schaute sie noch einmal zum Treiben auf dem Dorfplatz und zu Konrad, der gerade die Hand auf die Bibel legte und kehrte dann seufzend um. Kurz bevor sie eingetreten war, Patricia schepperte gerade die Stufen hoch, fiel ihr etwas ein.
Mit einem: Grüß Dich, meine Liebe! Geh schonmal rein und mach’s Dir bequem, ich kümmer mich gleich um Dich, muss nur noch kurz etwas erledigen…, quetschte an der berüsteten Frau vorbei und eilte zu den Ställen. Wie vermutet waren die inzwischen sehr unruhigen Pferde noch nicht versorgt worden- ihr Pfleger hatte auch wahrlich gerade andere Sachen am Hals. Also richtete Brunhild noch einmal ihren Handverband und machte sich an die Arbeit, die Ställe auszumisten und die Rösser zu tränken und zu füttern.
Als sie schließlich die Schankstube betrat und die Heuke an den Haken warf, empfing sie ihr Gast bereits ungemütlich grunzend. Beschwichtigend hob sie die Hände, bevor sie sich daran machte, die restlichen Stühle hinunterzustellen und die Tische abzuwischen.
„Verzeih, gute Patricia, aber es herrscht gerade einiger Trubel, wie Du sicher schon mutbekommen hast.“ Das Feuer wurde neu geschürt und der Boden gekehrt.
„Ich meine, ich habe vorher noch nie von die Lumstern gehört, und auf einmal sollen sie sich hier tummeln und uns alle umbringen wollen… Und der Priester hat angeordnet, die Bedrohung durch den Strick zu lösen…heute Abend schon sollen wir alle darüber richten, wer zu der Sekte gehört und der oder die wird dann gehängt…
Sie erinnerte sich daran, dass Noel auch Patricias Namen als einen der potenziellen Sektenanhängern genannt hatte. Sie war wirklich eine sonderbare Frau, aber konnte sich die Wirtin schlecht vorstellen, dass sie nachts Jemanden morden könnte, ohne dabei das ganze Dorf zu wecken.
Zur Antwort erhielt sie ein weiteres erbostes Gegrunze, in dem sie etwas wie „mit Honig“ herauszuhören glaubte. So holte sie aus der Vorratskammer Brot, zwei Würste und ein kleines Fässchen, von welchem sie einen Krug abfüllte. Alles stellte sie vor Patricia ab.
Das ist selbsgebrauter Met, ich hoffe er ist gut geworden, ich über noch an der perfekten Rezeptur… Und ich mach gleich noch Brei, damit Du auch mal wieder was Warmes im Bauch hast..., sprachs und setzte sogleich großzügig bemessen Roggenbrei auf.
Als dieser sich langsam über der Kochstelle erhitzte, fiel der beschürzten Frau auf, dass irgendetwas anders war als sonst. Hastig blickte sie sich um, ehe es ihr einleuchtete: Sie wurde garnicht vom sonst stets hinter ihr hertapsenden Rüdiger bei der Arbeit gestört!
“RÜDIGER, BIST DU ENDLICH TOT?“, rief sie einigermaßen laut und hoffte auf keine Reaktion, abgesehen von Patricias offenbar beglückten Schmatzen.
Von oben waren allerdings eilige Schritte zu hören, kurz gefolgt von dem Klang von etwas oder Jemandem, der die Treppe hinunterpurzelte. Mit aufgerissenen Augen erblickte sie im Gang den auf dem Rücken gelandeten Schäferhundgreis, der wild mit den Pfoten rudern wieder auf die Beine kam und ruteschwingend auf die zugetrabt kam, ein vollgesabbertes Unterhemd im Maul.
Entsetzt entriss sie dieses dem Köter und herrschte ich dann an: „Himmel, Arsch und Zwirn! -vergib mir meine Worte, Herr- bist Du jetzt auch noch senil geworden?! Du hast oben nichts zu suchen, das weißt Du genau! Geh ja auf Deinen Platz und da bleibst Du für den Rest des Tages! Wehe Dir, Du wagst es auch nur daran zu denken, Dich zu bewegen, mein Freundchen, dann wirst Du Dir wünschen, Du hättest dir bei der Treppe das Genick gebrochen…“
Rüdiger legte sich mit hängendem Kopf vor den Kamin und beobachtete mitleidig sein Frauchen, welches das Unterhemd hastig unter den Tresen warf. Einen Moment blickte sie zornig auf Patricia, bevor sie merkte, was sie tat und schnell wieder ein Lächeln aufsetzte.
Entschuldige…wo war ich?, gab sie seufzend von sich, während sie den Brei umrührte und mit getrocknetem Kerbel würzte.
Achja, diese Abtstimmung… ich halte garnichts davon, vielleicht unschuldige zu morden. Irgendein Dumschwätzer hat dem Priester in der Beichte vorgesäuselt, dass ausgerechnet Konrad zu diesen Mördern gehören soll. Kannst Du Dir das vorstellen? Er hat also auf jeden Fall eine Stimme, und wird jetzt draußen vom Priester und wohl auch Ross verhört…“ Sie sah hinüber zur Eingangstür und malte sich einige Momente die Szene aus, ehe sie vom fertigen Brei in eine Schale schöpfte und sie vor Patricia abstellte, welche sich gleich darüberhermachte und mit einem kurzen Grunzer Nachschank forderte.
Während sie den Krug auffüllte, fuhr sie in ihrem Monolog fort: Es ist vollkommen klar, dass Konrad unschuldig ist, aber das Problem ist… Ich möchte wirklich keinen hinrichten lassen und auch die Anderen sollten sich diese Sünder nicht aufbürden. Aber selbst wenn ich alle davon überzeugen könnte, sich ihrer Stimme zu enthalten, würde es die Stimme des Priesters nichtungeschehen machen und damit Konrad…
Brunhild schluckte und schob den aufkommenden Gedanken beiseite.
„Das heißt also, dass ich, -wir alle, für sein Leben das eines anderen opfern müssen und hoffen, dass es einer dieser Verrückten ist. Ich weiß wirklich nicht, ob ich das mit meinem Gewissen vereinbaren könnte. Notfalls würde ich ja mi-„
In dem Moment betraten der Schweinehirt samt seiner Töchter die Schankstube und beendeten damit ihren laut ausgesprochenen Gedankenfluss jäh. Dankend fuhr die Wirtin der Berüsteten über das Schulterstück, ehe sie sich ganz der Bedienung ihrer Gäste widmete für die nächsten Stunden.
Unter ihnen war überraschender Weise auch Noel, der sie auf den Platz als dumm ob ihrer Meinung und ihres Unvermögens zu Lesen hinstellte. Wenn er damit nicht irgendwo Recht hätte, würde sie ihn vielleicht sogar wieder hochkant rauswerfen, doch mit großer Bildung kann sich Brunhild wahrlich nicht rühmen. Außerdem würde sie es nur in absoluten Sonderfall einen Gast Speis und Trank verwehren. Und schließlich war der Bursche auch zu den meisten anderen so rüpelhaft, also nützte es nicht, einen Groll deswegen gegen ihn zu hegen…
So schritt sie anfangs noch bemüht lächelnd ob ihrer Gedanken auf den sich an den leeren Tresen Setzenden. Als sie zur Begrüßung anhob, kam er ihr mit einem :
"Jeder Gast ist ein willkommener Gast. Ist es nicht so?", zuvor. Verdutzt schaute sie ihn an. Was sollte das denn jetzt? Sie wollte etwas darauf sagen, wusste aber nicht recht, was.
Ihr über die Jahre perfektioniertes Wirtinnenlächeln kehrte schnell zurück:
Was darf’s denn für den Herren sein?
"Ein Bier, wenns genehm ist. Möglichst süß, ich mag keine bitteren Dinge. Das süße Bier der großen Städte ist hervorragend, ich bin gespannt, einen Vergleich zu ziehen."
Ihre Miene vereiste bei diesen leicht spöttischen Worten leicht. Kurz nickte sie, ehe sie den anderen Gästen zuerst ihre Getränke und Mahle brachte und dann zurück hinter den Tresen schritt, um dem Gesichtsbemalten sein so unglaublich süß abzuzapfen. Sie war vielleicht keine helle Leuchte unter Gottes Himmel, aber ihre Braukunst schlechtreden zu wollen, passte ihr garnicht in den Kram. Kurz war sie versucht, dem anspruchsvollen Herren sein Bier noch mehr zu versüßen und zog auch schon leise die Nase hoch… doch dann wand sie sich schlicht um und stellte den Krug mit einem extrabreiten Grinsen vor ihm ab.
Einige Zeit später sah sie Lumi die sich zu dem selbsternannten Bierexperten gesellt hatte und sollte auch für sie eine Maß abzapfen. Folgend beobachtete sie die beiden aus den Augenwinkel immer mal wieder und ihr fiel auf, dass sich Noel ihr gegenüber offenbar netter zeigte. Nicht so kriecherisch wie bei Luise, aber immerhin… In ihm steckte also wirklich noch irgendwo ein guter Kerl, auch wenn nur wenige in den Genuss kamen, diesen jemals wirklich zu Gesicht zu bekommen…
_______
Zum dritten Mal füllte Brunhild gerade die Breischale Patricias auf, als die Eingangstür stürmisch aufgestoßen wurde.
"Es geht los! Es geht los!"
Der Bauer schluckte bedeutungsschwer.
"Die Hinrichtung. Die Wahl des Hängenden. Sie beginnt! Alle auf den Dorfplatz!"
Und damit verschwand er auch schon Richtung besagten Platzes.
Stille kehrte ein, gefolgt von eifrigem Gemurmel, als auch schon die meisten Gäste sich erhoben und das Gasthaus verließen, darunter auch Lumi und Noel.
Die restlichen wurden mehr oder weniger schnell von der Wirtin hinauskomplimentiert, die mehr und mehr ein mulmiges Gefühl in der Magengegend bekam angesichts der Tatsache, dass die Abstimmung nun unmittelbar bevorstand. Als auch der letzte Gast den Schnakraum verlassen hatte, wurden eifrig alle Stühle wieder hochgestellt sowie die dreckigen Krüge und Schalen abgewaschen. Danach schritt Brunhild langsam zur Eingangstür, dort angekommen die Heuke wie in Zeitlupe anlegend. Sie trat hinaus in die Kälte und den nun aufkommenden Regen, blickte noch einmal zurück. Rüdiger hob den Kopf und wedelte aufgeregt mit der Rute. Mit todernstem Blick deutete sie mit zwei Fingern zuerst auf ihre Augen und danach auf die ihres alten Hundes, der draufhin sein Haupt wieder auf die großen Pfoten aufbahrte.
Alsdann schloß sie ihre Heim- und Arbeitsstatt ab und machte sich auf den Weg zu der sich vergrößernden Menschentraube.
Noel und Lumi traten auf den Platz heraus. Es war mittlerweile dunkel, um das Schafott herum aufgestellte Fackeln waren die zuverlässigste Lichtquelle, als sich das Dorfzentrum langsam mit tuschelnden Leuten füllte. Da passierte einmal mehr das schier Unmögliche: Luise kam keuchend auf Noel zugerannt, suchte seinen Blick, wollte offenbar mit ihm reden. Noel wollte aber nicht mit ihr reden. Trotz seines Unbehagens hätte er es allerdings nie fertig gebracht, Luise abzuweisen. Nie. Also ließ er sich wohl oder übel darauf ein.
"Lumi..."
Er legte seine Hand auf die Schulter seiner kleinen großen "Freundin."
"Geh schon Mal vor. Ich komm' gleich."
Mit hochgezogener Augenbraue beäugte sie Noel, bevor Lumi kopfnickend zum Zentrum schritt. Stumm und seufzend wandte sich Noel Luise zu, suchte ihren Blick und wartete ab, wie sie ihm Hass und Verachtung entgegenschreien würde. Vorher aber schwank seine Aufmerksamkeit zu Deus, der geduldig neben den beiden saß.
Verzieh dich.
Was? Du willst, dass ich DAS verpasse?! Auf keine Fa-
Ich sags nicht nochmal.
Grummelnd schlurfte der Wolfsgott Lumi hinterher, Noel mit einem unzufriedenen Blick strafend. Jetzt hatte der rothaarige Junge Zeit für seine Elfe.
"Noel! I-ich weiß, d-dass ich dir heute M-morgen wohl zu n-nahe getreten bin. I-ich habe dich sicher verletzt m-mit meinem unüberlegten Gerede."
Noel kniff schwer denkend die Augen zusammen.
Es ratterte in seinem Kopf.
...
...
...
...
...
HÄ?
"D-du musst w-wirklich wütend sein. B-bestimmt hasst d-du mich jetzt dafür..."
Noel verstand nicht genau, wovon sie redete. Da würde ein bisschen... moment. Verdammt. Kein Gedankenlesen.
Na ja, eigentlich war die Situation auch so klar - Seine kleine, süße, naive Elfe hatte Mal wieder Irgendetwas falsch verstanden. Einem unbestimmten Reflex folgend legte Noel ihr lächelnd eine Hand an die Wange, schob sanft ihre Strähnen beiseite.
"Hassen? Wie könnte ich dich jemals hassen, kleine Elfe? Wie dir Abneigung entgegenbringen?"
Luise schwieg, blickte ihm sichtlich verwirrt ins Gesicht.
"E-es wäre dein g-gutes Recht! I-immerhin w-war ich wirklich taktlos..."
Noel wollte gerade fragen, wovon sie sprach, als sie bereits weiterhaspelte.
"A-aber das ist m-meine Schuld, nicht die der anderen Dofbewohner. I-ich kann d-dich schlecht um Verzeihung b-bitten, w-wo ich d-deine Gefühle so verletzt habe. A-aber selbst wenn du mir nicht vergibst - ich bitte dich dennoch darum: Teile dein Wissen über die Lumianer mit uns! Hilf dabei, die Unschuldigen zu schützen, indem du uns mit deiner Erfahrung und deinem Wissen beistehst! B-bitte. Du musst es n-nicht für mich tun. E-es ist für alle, die hier leben. A-alle die e-ein friedlliches Leben führen wollen. Alle, d-die all das Unglück der Welt vergessen wollen. I-ich werde d-dich nicht weiter belästigen, w-wenn du das nicht möchtest. A-aber denk bitte an alle, die n-nichts mit a-alldem zu tun haben!"
Luise sah Noel direkt in seine dunklen Augen, mit den ihrigen, die so schimmerten, dass ein jeder Smaragd dagegen verblasst wäre.
Es tut weh.
Ihre Haare waren vom Regen durchnässt, ihre Kleidung schmutzig, Nervosität und Tränen zierten ihre Mimik.
Es tut weh.
Luise war schöner als je zuvor. Und wegen Irgendetwas fühlte sie sich schuldig ihm gegenüber.
Oh nein, naives Elflein, glaubt, meine Gefühle verletzt zu haben... es tut weh.
Da kenne ich so viele Arten des Umganges und so viele Wörter... und doch bekomme ich nicht einen einzigen Satz auf die Reihe. Kann sie nicht beruhigen. Und mich ebensowenig.
Es tut weh.
Ich liebe dich.
"Kleine Elfe..."
Noel wich Luise' Blick aus. Er ertrug ihn nicht mehr, sprach mit einer bebenden Stimme.
"Zuersteinmal.." ,
er zwang sich zu einem Lächeln. Ein für seine Verhältnisse erbärmliches Schauspiel. Nein, für jedermanns Verhältnisse.
"Du hast meine Gefühle nicht verletzt. Du bist der Grund, warum ich welche habe..."
Den zweiten Teil des Satzes murmelte er eher, als dass er sprach. Dann sah er Luise lächelns ins Gesicht.
"Ich bin dir nicht böse, Luise. Ich war es nie... und werde es nie sein."
Seine Hand auf ihrer Wange zitterte wahrscheinlich. Oh verdammt. Schnell zog Noel sie von ihr weg, hoffentlich noch rechtzeitig. Sie war nach wie vor stumm, Noel konnte ihren Gesichtsausdruck nicht deuten.
"Du willst, dass ich den Dorfbewohnern gegen die Lumianer helfe?"
Wieder folgte Noel einem Reflex. Er kniete sich vor dem Mädchen auf ein Bein, nahm ihre Hand in die Seinige.
""Alles, was du möchtest. Ich werde dir jeden Wunsch erfüllen. Versprochen."
Stumm drückte er einen leichten Kuss auf ihren Handrücken. Sie zitterte ebenfalls.
Noel erhob sich wieder und entkleidete sich seines Mantels, welchen er ihr unaufgefordert um den Körper legte.
Er hatte ja immer noch ein schwarzes Hemd an, das würde reichen.
"Er ist nicht der Beste, aber.."
Wieder zwang Noel sich zum lächeln, "er sollte dich etwas wärmen, kleine Elfe."
Dann schweifte sein Blick ab, herüber zum Schafott, während er nochmals mit Luise sprach.
"Es gibt da etwas, dass ich dir sagen möchte, weißt du? Aber ich kann es noch nicht. Ich bin... zu feige. Ich bin ein kleiner Feigling. Es war nie anders. Aber irgendwann..." ,
Und da erschien das erste echte Lächeln auf seinem tätowierten Gesicht, "möchte ich mich verändern. Ich möchte mutig werden. An diesem Tag sage ich es dir, ja? Also werde ich Alles in meiner Macht stehende tun, damit wir beide diesem Tag entgegengehen können. Ich werde das Dorf beschützen.
Versprochen, Luise."
Ein letztes Lächeln schenkte er dem Mädchen, bevor er sich, ohne eine Antwort abzuwarten, mit den Händen in den Hosentaschen zum Dorfplatz begab. Das erste Mal seit langer, langer Zeit hatte Noel das Gefühl, für den Moment mit sich und der Welt im reinen zu sein. Und würde dieses Gefühl auch nicht lange anhalten, so die Hinrichtung doch bevorstand und man Hass nicht ohne weiteres tilgen konnte, wollte er es für nun still genießen.
Deus wartete bereits auf ihn und ging mit Noel die restlichen Schritte.
Hast wohl gelauscht, was? Scheiß Köter.
Nein, habe ich nicht. Kein Wort. Das tut man nicht unter Freunden.
Pff...
Noel lächelte stumm in sich hinein.
Was wirst du jetzt tun?
Na, was wohl? Ich werde dieses Dorf beschützen. Jeden einzelnen Bewohner. Für sie. Für ihr Lächeln. Nein... auch für mich.
Wie meinst du das?
Warum... hasse ich die Menschen, seit ich denken kann, Deus?
...
Ich möchte mich verändern und die Menschen wie auch die Welt... akzeptieren können. Mögen können. Lieben können. Für Sie.
Der Wolf grinste zähnebleckend.
Verstehe.
Und damit trat Noel vor das Schafott, bereit, einen Lumianer hinzurichten.
Eine Alternative gab es nicht.
Stumm, wenngleich mit lodernder Entschlosenheit zog er seinen Dolch, hielt ihn in Richtung des Strickes und sprach laut über den Platz, mehr zu sich selbst, als zu irgendjemandem sonst.
"ICH, Noel De'chrones'tulem, schwöre bei meinem Dolche, dass HEUTE NACHT ein LUMIANER hängen wird!"
Eben als er die Hand auf die Bibel legte, streunte noch ein Kerl mit einer düster aussehenden Kutte heran. Eine Augenklappe bedeckte das rechte Gesicht, ein schäbiger Hut seinen Kopf. „Ich werd mal maßnehmen, Herr, so ein Strick will wohlgewählt sein. Na, was für einen Hals haben wir hier denn...“ Und während Henkers bester Freund Konrad eifrigst den neuen Kragen „anpasste“ begann das Verhör:
„Konrad Matthias Elkarst, dir wird von einem der Dörfler vorgeworfen das blutige Schwert dort platziert zu haben. Sprich wahr – was hast du zu diesem Vorwurf zu sagen?“
„Ich erinnere mich an die Runde für den toten Hauptmann im Wirtshaus. Ich erinnere mich an ein zweites Bier und... etwas mit einem Hund. Oder war es ein Marder? Jedenfalls erwachte ich in meinem Bett. Zwar nach der Mittagsstunde...aber so betrunken das ich herumgewandert wäre, war ich dann doch nicht.“
Aus den Augenwinkeln bemerkte Konrad wie Noel Luise vorm Gasthaus eine zeitlang an die Wange griff und ihr dann seinen Mantel umlegte. Das gehörte sich nun wirklich nicht! Aber wie sähe das aus, wenn er die zwei jetzt zurechtwies? Da alle auf die Bühne blickten, hatte es vielleicht auch niemand gesehen... und Justus hatte Recht, er musste sich erstmal um sich selber kümmern. Und so beteuerte er all seine Verfehlungen, die ihm einfielen: „Und ich habe gestern Fisch gegessen Herr. Nur ein Bissen, den Rest hat das Frettchen genatzt. Ich hab dann mit der Zugereisten gesprochen, wie ich es immer tue. Vielleicht sah mich ja jemand dabei und hat sich nichts dabei gedacht mir eine weitere Sünde anzuhängen. Aber ich beteuere euch, ich weiß nichts von dieser Lama-Sekte.“
In der eintretrenden Pause hörte man deutlich Noels Worte: "ICH, Noel De'chrones'tulem, schwöre bei meinem Dolche, dass HEUTE NACHT ein LUMIANER hängen wird!" Alle Augen richteten sich auf Noel, der in die Mitte des Platzes geschritten war und die letzten Worte laut rief. Er trug keinen Mantel mehr und in dem Hemd sah er aus wie ein zu kurz geratener Schornsteinfeger ohne Hut und ohne Schrubbgerät. Der Pfarrer seufzte und rieb sich entnervt an den Schläfen. „So kommen wir nicht weiter... Wenn du nichts von dem Schwert und der Notiz weißt, vermutest du selbst einen, der schuldiger ist, als ein Sünder wie du es bist?“
Konrads Kopf ratterte. Es musste doch eine Möglichkeit geben diese Lama-Anhänger zu erkennen. Der Zettel... Tyrell hat eine furchtbare Handschrift, die selbst ich erkenne. Luises Handschrift ist ähnlich einzigartig. Wer hätte noch Zugang zu Papier?… Nein... doch... vielleicht... Maria? Das kannn nicht sein. Wer nur, wer?
„Nun Bursche?“
„Ich weiß es nicht, Herr. Vielleicht mag unser Hauptmann Schriftproben nehmen lassen, um sie mit denen auf dem Papier zu vergleichen. Papier wiegt sich unsereins mit Gold auf – woauchimmer die Blätter herstammen, es mag kein armer Bauer gewesen sein, der sie erwarb. Das Pergament ist frisch und rein, wie ich es nur selten erblickte. Das ist alles. Anderes vorzuschlagen steht mir nicht zu.“ Und Gott behüt' das ich einen andren an den Strick schicke um meinen eigenen Hals zu retten. Heiliger Josef, wache über mich. Gütiger Herr, erlöse mich von der Versuchung... ich kann doch nicht einfach einen andren benennen. Nur weil ich ihn nicht mag. Oder weil er allen im Dorf Angst einjagt.
"Bitte... es gibt sicher irgendwen der mich gestern Nacht gesehen hat. Vielleicht Brunhild? Hat Peter mich auf dem Heimweg begleitet? Sicherlich doch... wenn ein Zeuge sich für mich ausspricht, dann lasst ihr mich doch gehn? Ja?" Die Kälte kroch ihm unter den Mantel und sein Atem gefror an den Augenbrauen... nur die Angst die sich durch ihn fraß schickte Hitze durch seine Adern. Er wirkte halbtot, wie er da kniete, vom Fasten ausgemergelt mit eingefallenen Wangen und von der Angst weiß wie ein Laken. "Ich wars nicht, Herr, ich schwöre! Wer dann, wer dann? Ich weiß es nicht...“, rasselte es leise aus seiner rauhen Kehle, bevor er sich die Arme um den Oberkörper schlang und sich hin- und herwiegte, wobei es seinen Körper vor Angst schüttelte und er dann vorneüber auf die mit Reif überzogenen Planken fiel. "Bitte... so hilf mir doch jemand. Irgendwer. Hilfe... ich will nicht sterben..."
„Der Bursche hat einen recht dürren Hals.“, murmelte Henkers bester Freund grimmig, der an den Pfarrer herangetreten war. „Wobei, meine Mutter sagte schon – traue nie einem Mann mit schmalen Nasenlöchern und dünnen Lippen. Ich find schon einen passenden Strick. Nur zu, lasst ihm mich aufhängen, Hauptmann! Der windet sich vor Schuld, das ist doch eine klare Sache. Wo ichs recht bedenke - um sicher zu gehen könnten wir ihn auch vorher noch ein wenig gradestrecken. Dann gesteht er sicherlich... oder lasst uns ein Gottesurteil einholen. Was darf es sein? Ein Kessel mit heißem Wasser oder doch ein heißes Eisen?“ Ein keckerndes Lachen hallte über den Marktplatz und es war klar, das immerhin Henkers bester Freund heute gewiss seinen Spaß haben würde.
Einige Zeit verstrich, in der Maria mit Luise in der Kirche stand. Das junge, hübsche Mädchen verrichtete noch ein Gebet, während Maria schweigend danebenstand und vermutlich den gleichen Wunsch hegte, wie Luise selbst.
Nach ihrem Gebet verließ das Mädchen die Kirche. Während sie alleine in der Kirche saß, beobachtete Maria noch ein wenig das letzte Licht, das durch die Kirchenfenster schien, bevor sie sich ebenfalls auf den Dorfplatz begab.
Der Galgen war inzwischen aufgebaut, lediglich ein paar Leute schienen noch zu fehlen, bis die Nominierung beginnen sollte.
Maria wurde ganz Schwermütig, sie wollte doch, dass alles friedlich blieb. Es reichte, wenn nur der Hauptmann gestorben war... Mussten jetzt noch weitere Menschenleben geopfert werden?
Ein paar Meter von der Gruppe entfernt blieb sie stehen, schloss die Augen und holte einige Züge tief Luft, um sich zu beruhigen. Dann trat sie heran, um die weiteren Ereignisse beobachten zu können.
Ross hatte das Verhör beobachtet und leider, wieder, keinerlei hilfreiche Erkenntnisse gewonnen. Alles lief nun wohl auf eine Wahl ins Blaue hinaus. Ross seuzfte und als er sich umdrehte, um den Dorfplatz zu überblicken, der mittlerweile langsam von Fackelschein erfüllt wurde, da sich der Himmel bereits zum Nachthimmel wandelte. Mittlerweile schienen alle, nein wohleher fast alle, angekommen zu sein. Auf jeden Fall waren es genug, um die Wahl zu starten und für den Fall, dass nicht alle noch zur Wahl auftauchten, würde er sich eben eine Liste mit den Namen der Abwesenden geben lassen. Ohnehin befürchtete Ross bereits, dass selbst wenn sie heute einen Lumianer erwischen sollten, dort noch mehr von ihnen waren und sie mit Sicherheit in der Nacht zuschlagen würden.
Ross machte sich also nun bereit und die Menge schien augenblicklich zu verstummen, als sie mitbekamen, dass es wohl losgehen sollte.
"Ich Ross Fäller, ehemals Holzfäller und seit gestern Hauptmann heiße euch bei diesem unschönen Ereignis willkommen. Das Dorf wurde von einer widerlichen Sekte infiltriert, die nun versucht, die rechtschaffenen Bürger, also uns, zu töten und das Dorf für sich zu beanspruchen. Doch das dürfen wir nicht zulassen. Wir werden ihnen unser Dorf nicht kampflos überlassen. Wir werden sie finden und zur Rechenschafft ziehen, egal wie gut sie sich auch verstecken mögen."
"Jeder Mensch und jedes Tier hinterlässt irgendwelche Spuren, Spuren die man nur finden muss. Einer allein wird allerdings nicht viel ausrichten können, deshalb bitte ich euch, die ihr mit Sicherheit alle eure Heimat behalten wollt, uns Hinweise zu geben und sei es auch nur, dass ihr in der Nacht ein Geräusch gehört habt. Denn egal, wie winzig der Hinweis auch sein möge, am Ende könnte er viele Leben retten. Jeder, der irgendetwas weiß, sich aer nicht äußert, tut nichts anderes, als dieser Sekte zuzuarbeiten."
"Heute Abend wird jemand hingerichtet werden, vielleicht ist es Konrad, vielleicht aber auch ein anderer. Also helft mit, dass heute kein Unschuldiger sterben muss." Ross ging zu dem Zettel, auf dem bereits in der Nacht jemand bei Konrad einen Strich gemacht hatte.
"Dieser Zettel hier soll eure Stimme sein. Wenn ihr nichts weiter zu sagen habt, möchte ich euch bitten, einen Strich bei dem Namen zu machen, bei dem ihr euch sicher seit, dass dies einer der Übeltäter ist. Derjenige, der am Ende die meisten Stimmen hat, soll heute gehenkt werden."
"Ich selbst werde heute ebenfalls meine Stimme abgeben, aber noch nicht gleich, denn ich will vermeiden, dass sich alle auf eine Person stürzen und dadurch womöglich irgendetwas wichtiges zurückhalten, ob nun willentlich, oder nicht. Niemand soll behaupten, der Hauptmann habe sie zu einer bestimmten Entscheidung gezwungen."
"Jeder, der noch etwas sagen möchte, soll nun sprechen. Danach möchte ich alle Anwesenden darum bitten, einer nach dem Anderen seine Stimme abzugeben. Möge die Wahl beginnen und möge sie glimpflich verlaufen." mit diesen Worten hatte es also begonnen.
"... weder ich noch Brunhild noch Merete können d...d...diesen Zett..t..tel geschrieben haben, Herr Hauptmann. Wir könn'n doch nich' schreib'n könn' wer nich'. U...u...und... weder T..Tyrell n...noch... Lumi oder der P...Peter, oder ihr R...Ross habt Geld für s...s...solch ein feines Pap...p..pier..."
Konrad schniefte leise.
„U.. u... und es gibt jemanden der... die Menschen so sehr scheut das er lieber die Einsamkeit der Morgenstunden sucht um seinem Tagwerk nachzugehen. Vielleicht weiß er ja was in den Abendstunden geschah.“
„Ihr sprecht von...“
Konrad schneuzte in sein Taschentuch und beäugte misstrauisch des Henkers Kumpanen, der grade einen doppelten Strick aus einem Hanfseil drehte.
„Es fällt mir recht schwer mit diesem... Bibliothekar umzugehen. Mich treibt vor allem Sorge um, sonst würd ich es nicht ansprechen. Auch um ihn. Keiner mag ihn wirklich, zu spitz ist seine Zunge. Ich denke er macht den meisten hier Angst. Jedenfalls würd' ich gern wissen ob er im Morgendämmern etwas sah, wo er doch die letzten Tage immer schon recht früh in der Apotheke stand. Vielleicht war er heute auch früh auf den Beinen und hat etwas gesehn oder gehört?“
Woran Konrad dachte war für keinen, der nicht des Gedankenlesens mächtig war nun erkennbar. Aber als sein Blick auf das Kreuz fiel, das auf der Brust des Pfarrers hin und herschwankte, da verfärbte sich sein Gesicht grünlich und seine Hände ballten sich zu Fäusten. Im Kloster... im Scriptorium... stapelten sich Pergamente solcher Art zuhauf. Aber es konnte nicht sein... verlören sie ihr Vertrauen in die Kirche, so verlören sie alles.
Der Hauptmann hatte den Beginn der Wahl verkündet und mit Einem Mal trat eine Totenstille auf dem Platz ein. Keiner bewegte sich, niemand wagte zu atmen.
Ross schien etwas irritiert von der Situation und dass niemand sich anschickte, Verdächtigungen auszusprechen.
"Hah..."
Na klar, es würde wieder an ihm hängen bleiben.
Also, sollen wir?
Ja...
Noel drückte lächelnd sein Amulett.
Fangen wir an!
Stumm begab Noel sich auf die Bühne, stellte sich ohne Worte der Erklärung vor Hauptmann Ross und sah emotionslos in die schweigsame Masse.
Ex-Schweigsam. Sofort begann das tuscheln, Blicke unverholender Abneigung und Verdächtigungen trafen Noel.
Was solls.
"Bürger Düsterwalds..."
Diesmal keine Lügen. Kein Schauspiel und keine unnötigen Feindseeligkeiten.
"Wir stehen als Gemeinschaft vor einer sicherlich kniffligen Entscheidung. Es ist ganz natürlich, dass die Anfangsfreude da gering ist. Also möchte ich, der an diesem Abend des Blutes wohl einer der meistgesprochenen Namen ist, zuerst das Wort an euch richten. Sowohl zur Verteidigung als auch zum Angriff. Denn, so sagt man, aktive Wölfe sind berechenbare Wölfe."
Noel ließ den Text auf die Leute wirken, versuchte einzuschätzen, ob sie ihm eine Chance gaben. Genuschel. Verhaltene Blicke. Aber keiner zerrte ihn von der Bühne. Das genügte.
"Ich möchte, gleich einem Egoisten, mit mir beginnen. Wie bereits erwähnt, ist es nicht gänzlich unwahrscheinlich, dass mein dünner, blasser Hals in einigen Stunden von den massiven Holzbalken des Schafottes hinter mir baumelt.
Wo sollte ich anfangen?
Ich will ehrlich zu euch sein.
Ja... einmal in meinem Leben will ich ehrlich zu anderen Menschen sein.
Ich habe nichts übrig für andere Menschen. Ich verachte viele Leute, verachte ganze Völker. Mein Leben vor diesem Dorf war leer und sinnlos. Doch hier fand ich ein Zuhause. Ich fand Menschen, die sich von der verdorbenen Masse der Zivilisation unterschieden. Und dennoch mied ich euch. Ich brachte euch Missgunst und Lügen gegenüber. Etwa bei meiner Nominierung zum Hauptmann. Es war eine unreine Nominierung, mit derer ich euch spotten wollte. Verzeiht."
Noel verbeugte sich kurz und schwieg einige Sekunden. Das Gesicht von Deusexus neben ihm wurde immer ungläubiger.
Er konnte es verstehen. Noel drehte hier gerade seinen Geist um, sein Leben. Aber er musste stark sein.
Mit diesem Gedanken im Hinterkopf, und die ganze Zeit sein Amulett umklammernd, sprach er weiter.
"Ich bin deswegen verdächtig. Auch wegen dem unheimlichen Hautbild, dass ich zur Schau trage. Ich ließ es stechen, als ich jung und dumm war. Entsetzlich dumm."
Noel schwieg einen Moment verbittert. Eine solche Bitterheit konnte man nicht spielen. Sie war echt.
"Wie ich sagte. Ich halte nicht viel von anderen Menschen. Ich schätze dieses Dorf als friedliche Heimat, und sympathisiere mit seinen Bewohnern. Aber es wäre kalt gelogen, dass ich mich aufgrund dieser Verhalte dafür einsetzen würde, eine Lumianer-Sekte auszuschalten. Wahrschenlich wäre es mir egal, und ich würde euch sterben lassen."
Empörung ging durch die Masse, das Getuschel wurde für einen Moment unerträglich laut. Als Noel ungerührt blieb, ebbte die Lautstärke erneut etwas ab.
"Das ist eine Tatsache. Eine Andere ist, dass es in diesem Dorf..." , Noel lächelte warm, er hätte nie gedacht, dass mal ein anderer Mensch als sie dieses Lächeln zu sehen bekäme, "... einen Menschen gibt, den ich über Alles liebe. Einen Menschen, ohne dessen Lächeln ich nicht existieren könnte. Eine geradezu lächerliche Ironie, nicht?
Ihr sollt mir nicht glauben, dass ich ein guter Mensch bin, der sich selbstlos für euch einsetzt. Das bin icht nicht, und werde es, so Fortuna will, nie sein. Aber für diesen einen Menschen... würde ich Alles tun. Und für diesen Menschen werde ich Alles tun, und sei es bis über den Tod hinaus, um jeden Einzelnen von euch vor den Lumianern zu beschützen. Das müsst ihr mir glauben."
Die Art, wie er das Wort "Alles" betont hatte, löste sichtlich irritierte und unsichere Reaktionen aus. Genau wie gewollt.
"Ich bin ein furchtbarer Mensch. Ich bin ein kleiner Feigling, ein Einzelgänger, der mit niemandem klarkommt und sich etwas auf seinen Intellekt einbildet. Aber ich bin, das schwöre ich bei meiner Liebe zu dieser einen Person und bei meinem heiligen Dolch, kein Lumianer und niemand, der jemandem von euch etwas antun wird."
Tief erschöpft hauchte Noel aus.
Seine Seele war von kleinauf durch Hass geprägt. Auch jetzt fühlte er sich unwohl, wollte weg von diesen ganzen Menschen, deren Anblick er kaum ertragen konnte.
Irrelevant. Ich habe es zu ertragen und mich zu verändern.
"Das war genug von mir. Ich werde euer Diener sein im Kampf gegen die Lumianer. Und wir werden die Richtigen finden. Und, so sehr es euch auch schmerzt, dafür müssen wir uns bekannte Personen richten. Darum werde ich nun die Hohnheit besitzen, meine Gedanken mit euch zu teilen, um einen ersten Anstoss des Verdachtes in diese Runde zu bringen. 12 Namen habe ich euch genannt.
Vertraut ihr meiner Menschenkenntnis, so seid euch sicher:
Weder Brunhild, Konrad, Maria noch das Mädchen Lumi gehören zu den Lumianern."
"Ach ja, wie kannst du dir da so sicher sein, du Spinner?"
"Genau! Wahrscheinlich seid ihr vier alle Luminaner und deckt euch!"
"Lutsch meinen riesigen, harten, haarigen *************, du Träne!"
Verschiedene Gesellen aus der Masse schrienen Noel ihre Einwände und... ähnliche Kommentare entgegen.
"Selbstredend sollt ihr einer Person wie mir nicht blind vertrauen. So gestattet, meine Theorie auszuführen:
Brunhild ist die allseitsbekannte Wirtin. Obgleich ich sie nicht schätze, ist sie keine Person, die die Lumianer in die ihrigen Reihen aufnehmen würden. Wie ich erwähnte, ich kenne diese Sekte. Zudem ist Brunhild, man verzeihe mir abermals meine Arroganz, viel zu... nun... beschränkt, eine solche Intrige dauerhaft bestehen lassen zu können. Oder einfach gesagt: Sollte sie lügen würdet ihr es ihr ansehen."
Konrad ist von einem naiven Narren der Mittäterschaft bezichtigt wurden, weswegen er in einen Strudel der Anschuldigungen geriet.
Mit Konrads's gestriger Aufrichtigkeit in Gedanken fuhr Noel fort.
"Doch dies, so ist meine Sicht des Verhaltes, ist purer Unsinn. Konrad, ein redlicher Geselle, seit ich in dieser Umgebung wandele, ist fürsorglicher Cousin Luises' und kümmert sich zudem um ihren bedauernswerten Vater. Denkt ihr einen Moment über diese Tatsache nach, so wird euch sicher auffallen, dass er keinerlei Gründe hätte, sich dem Lumianerpack anzuschließen. Denn das würde bedeuten, er müsste seine Cousine, Luise, töten. Glaubt ihr, er ist dazu im Stande? Denkt ihr ernsthaft, er würde seine kleine Cousine abschlachten?"
Mit vorwurfsvollem Blick und Tonfall ließ Noel eine Pause zu, ließ die Leute nachdenken. Wie es schien, wirkten seine Worte.
"Maria ist eine Frau Gottes und, man gestatte mir die Bemerkung, selbst für diese unerträgliche Zunft nochmal ein ganz eigenes Kaliber. Der Herr selbst würde nach einer Sitzung mit ihr vom Glauben abfallen."
Einige Leute lachten verhallten.Noel war indes nicht klar, dass er einen Scherz gemacht hatte.
"Schon allein von einfachster Logik her ist es ausgeschlossen, eine christliche Nonne den Lumianern zuzuschreiben. Nonnen werden von klein auf erzogen und vorbereitet auf ihr späteres Schicksal. Und ihren Glauben als Erwachsene noch einmal zu revidieren und dem Morden zugänglich zu machen ist, um die Dinge beim Namen zu nennen, unmöglich."
Und schließlich zu Goldlö-ähem, Lumi, dem Mädchen, welches erst gestern zu uns stieß. Dazu mag ich fast keine Worte verlieren, so offensichtlich ist es. Es mag auch für ein Kind möglich sein, dem Wahnsinn anheim zu fallen, doch in Osteuropa gibt es Lumianer nicht, Lumi hätte zudem nicht den geringsten Grund, in dieses Dorf zu kommen und sich einer deutschen Ketzersekte anzuschließen. Außerdem ist das Mädchen viel zu einfach gestrickt für solch eine Sache. Eher würde sie sich mit einem Messer selbst die Pulsadern aufschlitzen bei dem Versuch, es aus einer Scheide zu ziehen."
Wieder machte Noel eine Pause. Ihm ging die Kraft aus, immerhin hasste er es, zu sprechen.
"Diese Personen solltet ihr auf dem Stimmzettel meiden, so bitte ich euch. Wenn man jemanden in Schutz nimmt, hat man selbstredend Verdächtige. Ich werde nicht zögern und auch hier ehrlich zu euch sein. Denn irgendjemand muss die schwersten Worte, die da wie Blei auf unserer Zunge liegen, zuerst aussprechen. Vertraue ich meinem scharfen Verstand, der mich bisher selten im Stich ließ, sind folgende Personen die wahrscheinlichsten Ketzerbasdarde:.....oh verflucht."
Noel kannte die Hälfte der Namen nicht.
Deus! Rettung! Schnell!
Wie heißt das Magiewort?
WOLFSBRATEN, du dreckiger, flohverseuchter Kaminvorleger!
*Seufz...*
Gehorsam nannte ihm Deus die Namen, und so konnte er seine Rede fortsetzen.
"Tyrell, Peter Eichmann, Patricia Andars, Viktoria."
Ein erschrockenes Aufstöhnen ging durch die Masse. Noel sprach ruhig und doch entschlossen. Ohne weitere Reaktionen abzuwarten, fuhr er fort.
"Es ist kein Geheimnis, dass ich den Burschen Tyrell nicht ausstehen kann. Dies jedoch hat hiermit nichts zu tun. Ich weiß, dass er sehr bekannt und aktiv im Dorf ist, jeden Tag zeigt er sich. Doch heute... er ist wie vom Erdboden verschluckt. Nirgendwo sah man ihn. Wo ist der Junge, frage ich mich? Und war er gestern bei der Wahl des Hauptmannes nicht sehr stark enthusiastisch in suspekter Hinsicht? Es liegt mir fern, ein Kind zu verdächtigen. Ich halte ihn nicht für unser größtes Problem, doch behaltet es im Hinterkopf.
Peter Eichmann. Ein nach außen hin aufrichtiges Mitglied dieser Gemeinschaft, mit dem ich persönlich nie viel zu schaffen hatte. Doch auch bei ihm stellt sich die Frage: Wo mag er sein? Und warum ist er trotz dieser Situation anscheinend so vehement unbeteiligt? Könnte es sein, dass die Lumianer ihm etwas geboten haben für seine Unterstützung? Schutz? Reichtum? Ich weiß es nicht, meine Weisheit kennt Grenzen.
Patricia Andars. Ich habe vor vielen Jahren in der Zeitung über sie gelesen. Eine mächtige Ex-Leibwächterin einer der einflußreichsten Fürstinnen aus Fernost. Doch, so die Gerüchte stimmen, wurde sie unehrenhaft aus ihrem Dienst entlassen. Denkt über dieses Gerücht nach, und verbindet es geistig mit der Tatsache, dass sie eine formidable Kämpferin ist. Sie versteht das Morden, sie versteht den Krieg. Und sie zeigt sich kaum bis nie im Dorf, keiner hier kann behaupten, sie näher zu kennen, ist es nicht so!?"
Niemand Antwortete. Der Antwort genug.
"Und schließlich Viktoria, ein junges, unaufälliges Mädchen. Ich traf sie nur einige Male des Nachts durch Zufall. Meine Menschenkenntnis mag mich täuschen, doch diese Frau ist nicht das, was sie vorgibt, zu sein. Tief in ihr brodeln Gefühle, die so intensiv sind, dass der Himmel allein weiß, zu was sie führen können. Sie ist insichgekehrt und pflegt kaum öffentliche Kontakte. Das perfekte Muster eines Lumianers."
Damit herrschte Stille. Noel hatte im Großen und Ganzen gesagt, was er zu berichten hatte. Sein Hals war gänzlich ausgetrocknet, sein Hemd durchschwitzt und er relativ am Ende. Er wollte nur noch runter von der Bühne.
"Das ist Alles, für nun.
Bitte lasst mich ein Letztes Mal sagen:
Ich bin ein Diener dieses Dorfes. Und jeder Beweis meiner Unschuld, den ich euch erbringen darf, werde ich erbringen. Jeden, ohne Ausnahme. Denkt über meine Worte nach; denn ganz gleich, wer heute nacht stirbt, es ist ein Mitglied des Dorfes. Eine solche Wahl sollte wohlüberlegt sein, nicht?"
Ein letztes Mal verbeugte Noel sich tief, bevor er nach seiner langen Rede schweigend die Bühne mit dem verdutzten Hauptmann und der überforderten Masse zurückließ.
Noel entdeckte eine Bank am Rande des Platzes, gerade nah genug, um die Worte an der Bühne wahrzunehmen. Erschöpft ließ er sich darauf fallen und beobachtete mit halbgeöffneten Augen das Treiben.
Nicht schlecht, Noel. Ich dachte, ich würde dich kennen. Offensichtlich habe ich mich geirrt. Denn keines deiner Worte war gelogen.
Deusexus legte sich neben Noel auf die Bank, bettete seine Schnauze auf Noels' Knien.
Ich sagte es doch bereits. Ich werde mich für die Göttin, die ich liebe, verändern. Diese Veränderung begann soeben. Ich werde meinen Hass ablegen. Das schwöre ich.
Nun lag sein Leben in den wankelmütigen Händen des Schicksals.
Oder waren es Pfoten?
T.U.F.K.A.S.
26.03.2013, 17:32
Es wird schlimm enden..., dachte Lumi bei sich. Sie dachte nach. Es ergab keinen Sinn. Warum sollte eine Sekte ein Pissdorf mit einem Dutzend Einwohnern wie dieses hier infiltrieren? Irgendwas musste entweder Analbert der Hauptmann oder Horst der verdammte Holzfäller ohne Seele, oder irgendwer anders ausgefressen haben. Vielleicht war die Anzahl der Rothaarigen der Grund für ihr Auftauchen hier? So viele Leute ohne Seele, die einfach zu haben und noch einfacher zu töten sind, weil sie ohne Seele keinen Sinn für Gefahr hatten. Lumi schnupperte Gefahr an jeder Ecke - zwar konnte sie Noel nun besser leiden als noch gestern, aber er wirkte alles andere als allgemein vertrauenswürdig. Vielleicht machte gerade das ihn eher zum perfekten Opfer als zum perfekten Täter. Grübelnd tippte sie mit dem Zeigefinger gegen ihr Kinn, dachte nach, versuchte zu erinnern was sie...
„Es fällt mir auch schwer mit diesem... Bibliothekar umzugehen. Mich treibt vor allem Sorge um, sonst würd ich es nicht ansprechen. Auch um ihn. Keiner mag ihn wirklich, zu spitz ist seine Zunge. Ich denke er macht den meisten hier Angst. Jedenfalls würd' ich gern wissen ob er im Morgendämmern etwas sah, wo er doch die letzten Tage immer schon recht früh in der Apotheke stand. Vielleicht war er heute auch früh auf den Beinen und hat etwas gesehn oder gehört?“, heulte Konrad wie ein Waschweib und unterbrach Lumis Gedankengang gerade rechtzeitig. Sie war noch lange nicht bereit, dieses Trauma noch einmal zu durchleben. Sie hoffte nur, dass sie als Außenstehende nicht involviert werden würde in dieses barbarische Treiben.
Sie fixierte einen Moment lang Konrad mit einem ausdruckslosen Blick, drückte Djángo, den sie die ganze Zeit in im Arm gehalten hatte, fest an ihre Brust und streichelte ihm über das Fell. Es beruhigte sie ungemein in einer derart stressigen Situation. "Nem tehetem ezt, Djángo..", flüsterte sie ihrem flauschigen Freund ins Ohr. Es gab nicht genug Dünnbier in dieser Welt, um all die schlechten Gedanken wegzusaufen.
Mephista
26.03.2013, 17:49
"... weder ich noch Brunhild noch Merete können d...d...diesen Zett..t..tel geschrieben haben, Herr Hauptmann. Wir könn'n doch nich' schreib'n könn' wer nich'. U...u...und... weder T..Tyrell n...noch... Lumi oder der P...Peter, oder ihr R...Ross habt Geld für s...s...solch ein feines Pap...p..pier..." , hörte sie Konrad gerade sagen, als sie die paar Meter vom Wirtshaus zur Menschentraube überbrückt hatte. Hastig schob sie sich zwischen den Anderen hindurch nach vorne, vor ihm stehenbleibend und zu ihm aufsah. Er sah absolut schrecklich aus und seine Ansprache ließ offenkundig werden, dass es ihm wohl auch genauso ging.
Beim Näherkommen hatte sie des Hauptmannes Worte deutlich vernehmen können, dass jeder, der irgendetwas wusste, sich äußern sollte. Nach einigen betretenen Momenten des Schweigens trat Noel auf die Bühne und begann eine Rede zu halten, die in keinem Vergleich zu der Lachnummer vom Vortag stand. Er entlastete Personen, darunter auch sie selbst, aber vor allem Konrad. Im Gegenzug sprach er vier Mitgliedern der Dorfgemeinschaft eine mögliche Mittäterschaft zu, an die sie absolut nicht gedacht hätte. Gerade Peter und Viktoria schienen ihr so absolut nicht in das Schema von schlechten Menschen zu passen... Doch seine Ausführungen wollte sie im Hinterkopf behalten, denn etwas an seinem Tonfall und seiner Mimik sagten der Wirtin, dass er mit lauterer Zunge sprach.
Wieder kamen ihr Ross' Worte in den Sinn, dass jeder Hinweis, jede Aussage helfen kann. Und gerade sie sollte doch etwas zu des Schreinergesellens Unschuld sagen können... wenn ihr nur etwas Sinnvolles einfiele...
Der letzte Abend und die dazugehörige Nacht schien endlos lange her zu sein… Fieberhaft überlegte die Wirtin, was im Wirtshaus geschehen war… Sie verköstigte Patricia, unwichtig… ein unvergleichlicher Handkuss von Konrad- nicht gerade zweckdienlich im Moment… Bierausschank und eiliges Hin- und Herlaufen ohne Ende- denk nach, altes Mädchen, denk nach!
Endlich gab ihr ihre Erinnerung die wirklich wichtige Information preis, als sie sich auch schon den restlichen Dörflern zuwandte und die Stimme erhob:
“Ich möchte mich für Konrad aussprechen. Er war gestern Abend einer meiner Gäste. Alle, die ebenfalls dort waren, können das bezeugen, er hatte für alle die Getränke nach der ersten Runde bezahlt. Konrad blieb bis in die späten Abendstunden, ehe er mit Peter mein Wirtshaus wieder verließ. Er lag vor dem Kamin und war so trunken, dass Ihm aufgeholfen werden musste und er ohne Peters Stütze nichtmal hätte gehen können. Ich glaube kaum, dass es ihm in seinem Zutand möglich gewesen wäre, noch irgendeinem sündhaften Treiben nachzugehen… auch wenn ich mich für das von da an Geschehene nichtmehr verbürgen kann…“
„Es gibt also auch niemanden, der euch aufgefallen ist in letzten Tagen?“ Die Frage des Pfarrers war zwar an Konrad, aber auch an alle andren Anwesenden gerichtet – da weder Brunhild, noch Ross und auch nicht Noel eine greifbare Anklage vorgebracht hatten. Konrads Mund klappte nur auf-zu-auf wie bei einem Karpfen, der im Trockenen gelandet war. Da verpasste ihm des Henkers Kamerad eine mit der behandschuhten Rechten."Sprich, Bursche, wenn der Pfarrer dich was fragt und halt keine Maulaffen feil!" Er sah kurz tanzende Lamas, dann besann er sich, in welcher Lage er sich befand. "Nein mir fiel niemand auf..." murmelte er nur.
Ausser dem Kerl, der mit sich selber spricht und dem ich zutrauen würde nachts durchs Fenster einzusteigen um an den Haaren meiner Cousine zu schnüffeln? Jemand, dessen „Tagwerk“, darin besteht unschuldigen Mädchen aufzulauern, in ihren Haaren herumzuwühlen oder nach ihren Beinen zu greifen wie ein fleischgewordner Nachtmahr? Nicht wirklich Herr Pfarrer... zu den erhitzten Gedanken mischte sich auch noch gallige Wut in Konrad Herz.
Nicht nur das er hier vorm Pfarrer kniete und sich rechtfertigen musste, während doch eigentlich niemand hier im Dorf die Fastenregeln in der letzten Woche strikt einhielt, nein während ihm selber ein blutiges Schwert und ein Galgenstrick und alles mögliche an den Hals geriet, redete dieser Rotschopf als könne ihn kein Wässerchen trüben! Ratten können Krokodile fressen, so hieß es. Ja, Noel mochte das kleinere der Übel sein, die ihr Dorf bedrohten - womöglich sogar ein Verbündeter, der Luise beschützen könnte - aber jeder konnte nur eine gewisse Anzahl von Seitenhieben ertragen und was genug war, war genug. Und vor allem: Noel war das greifbare der beiden Übel.
Was in diesem Moment für Konrad einzig und allein zählte war, das Noel offenkundig gemacht hatte das er alles und jeden hier im Dorf opfern würde um an Luise zu kommen. Er war ein Monster. Sahen das die andren denn nicht? „DU! Du hälst dich vielleicht für etwas Besseres doch das ist nicht wahr. Dein Herz ist schwarz vor Neid und deine Worte sind pures Gift. Wer dir im Weg steht wird angeklagt, nicht wahr? Heute Tyrell, morgen dann ich und dann ihr Onkel, bis du hast was du begehrst?" Er spuckte in Noels Richtung aus. „Ich geb dir einen heiligen Dolch, Bursche! Brunhild ist also beschränkt, ja? Maria und die Geistlichen sind eine unerträgliche Zunft? Du sprichst eine wegen ihrer Herkunft frei und zeigst gleich als nächstes aus dem selben Grund auf jemand anderen. Luise bekommst du Ungeheuer nicht!
Ich klage dich, Noel der Umtriebe der letzten Nacht an! Und wenn es das letzte ist, was ich tue.“
Zirconia
26.03.2013, 21:15
Rekon, welcher seit seinem Sturz das Bett hütete, versuchte sich noch einmal aufzuraffen. Mit der Hoffnung, nicht noch einmal von Asmotheyx zum Zusammenbruch gezwungen zu werden.
Er hörte schon vom Weitem die erste Nominierung des Tages: Konrad, der sonst friedliche Zeitgenosse, hat Noel angeklagt. Rekon schritt langsam voran und erreicht nach einiger Zeit den Dorfplatz, wo großer Trubel herrscht. "Ich habe gehört, wie Konrad den verdächtigen Noel angeklagt hat..." sprach er, was aber niemand hörte, weil sie alle in großer Aufruhr waren. Mina ist Rekon anscheinend gefolgt um ihm zu helfen, falls er wieder einen Zusammenbruch hat. "Was ist in euch gefahren? Ihr fangt jetzt schon mit der Nominierung an? Obwohl das Dorf nicht vollständig versammelt ist?" sagte Rekon dieses Mal für einige verständlich. "Kann mich mal jemand aufklären, was in meiner Abwesenheit geschah?" Ein Wanderer, der anscheinend von niemanden beachtet wurde, erzählte Rekon, was hier geschah. Entsetzen machte sich in ihm breit. Er hätte nicht gedacht, dass es so schnell gehen würde. Vor allem wollte Rekon das Dorf nicht hängen lassen. Er sah sich zusammen mit Mina das Geschehen weiter an, um dann am Ende eine Entscheidung treffen zu können... Asmotheyx... Bitte lass mich in Ruhe...
"Peter Eichmann!"hörte er einen lauten Ruf über den Platz und er schrak aus seiinen Gedanken hoch. Hatte ihn da jemand gerufen? Peter sah auf und erblickte die junge Jägerin Merete, die auf ihn zukam. "Der Hauptmann schickt mich!"
"Grüß Gott, Merete. Was ist denn der Anlass?" begrüßte Peter sie freundlich. "Der Hauptmann möchte eine Liste über das Vieh aller Bauern des Dorfes. Er fragt sich, woher das Blut an diesem Schwert stammen könnte. Vermisst du vielleicht eines deiner Tiere?" Peter sah sie ein wenig fragend an. Er war doch kein Viehbauer? Allerdings hielt sich die junge Frau bisher immer sehr zurück was die Verbindung zu anderen Dörflern angeht. Da wusste sie vermutlich nicht viel über ihn. "Es tut mir leid, Merete" begann er daher, "aber ich besitze auf meinen alten Gaul keinerlei Tiere. Und mein Brauner war heute morgen noch wohlauf, sofern er es in seinem Alter denn noch sein kann. Aber ich kann dir gerne helfen die anderen Bauern im Dorf zu befragen. Da sind noch der alte Müller, welcher ein paar Kühe besitzt sowie der Bauer Huber mit seinen Hühnern." - "Vielen Dank, Peter. Das wäre mir eine große Hilfe."
Peter wollte sich gerade auf den Weg machen um einen seiner Kollegen zu besuchen, als die Anklage gegen Konrad eröffnet wurde. Es war ihm immer noch ein großes Rätsel, wer den Jungen angeklagt hatte, und wieso in Herrgottsnamen der Pfarrer auf ihn gehört hatte. Peter überlegte, wie er ihm helfen konnte. Immerhin hatte Konrad sich auch für ihn ausgesprochen - dass es nicht gerade ein Kompliment war wenn er sagte, dass er zu arm sei um sich Papier leisten zu können, bemerkte er dabei gar nicht. Da trat Brunhilde vor und gab an, dass er am Abend zuvor mit Konrad das Wirtshaus verlassen hatte. Peter erinnerte sich "Ja, das stimmt." stimmte er ihr leise zu. Vermutlich hatte ihn niemand gehört, deshalb räusperte er sich und fügte noch etwas lauter hinzu: "Ich habe gestern Abend, zu bereits sehr später Stunde, zusammen mit Konrad das Wirtshaus verlassen. Ich muss zugeben, dass wir beide nicht mehr ganz nüchtern waren, doch scheine ich noch etwas mehr zu vertragen, so dass ich noch in der Lage war zu gehen. Der arme Konrad hingegen, er konnte sich kaum noch halten. Wenn der, nachdem ich ihn beim Apotheker abgeliefert hatte, sich noch nachts herumgetrieben hat, dann fress ich 'nen Besen!" Peter hoffte, dass dies dem jungen Schreiner helfen würde. Dass er durch seine Aussage evtl. die Aufmerksamkeit auf sich selbst ziehen könnte bedachte er dabei nicht.
Daraufhin ergriff Noel, der Bibliothekar, das Wort. Peter hatte in seinem bisherigen Leben noch nicht besonders viel mit ihm zu schaffen gehabt. Er kam nicht groß zum lesen - was er eh nicht besonders gut konnte - dazu hielt er ihn für sehr merkwürdig. Er ging nicht in den Gottesdienst. Was für ein wichtiges Mitglied der Gesellschaft konnte er dann schon sein? Noel sprach sich für Brunhild, Konrad, Schwester Maria und ein Mädchen Namens Lumi aus. Von letzterer hatte Peter noch nicht gehört. Er sah sich um. Konnte er sie irgendwo erblicken? Er brach dann jedoch abrupt seine Suche ab, als er erneut seinen Namen hörte. Noel sprach immer noch. Und wenn Peter richtig hörte, nannte er ihn gerade als einen der Verdächtigen.
"Peter Eichmann. Ein nach außen hin aufrichtiges Mitglied dieser Gemeinschaft, mit dem ich persönlich nie viel zu schaffen hatte. Doch auch bei ihm stellt sich die Frage: Wo mag er sein? Und warum ist er trotz dieser Situation anscheinend so vehement unbeteiligt? Könnte es sein, dass die Lumianer ihm etwas geboten haben für seine Unterstützung? Schutz? Reichtum? Ich weiß es nicht, meine Weisheit kennt Grenzen."
Wo mag er sein? Peter konnte nicht glauben, was er da hörte. Er war doch hier, nur wenige Meter von ihm entfernt. Er wartete, bis Noel mit seiner Rede fertig war und ergriff dann erneut das Wort und wandte sich dabei direkt an Noel: "Grüß Gott, Herr Bibliothekar! Darf ich mich vorstellen? Peter Eichmann, Landwirt, ich bewirte einige der Felder dort drüben am Dorfrand" und zeigte dabei in Richtung Osten. "Nur damit du es weißt: Ich bin hier, und zwar schon seit einer ganzen Weile. Ich bin vielleicht kein Mann vieler Wort, aber mir liegt dieses Dorf und seine Bewohner am Herzen. Ich bin hier aufgewachsen, meine Familie lebt hier, ich kenne nichts anderes! Also wage es dich nicht noch einmal mich als abwesend oder unbeteiligt zu bezeichnen!" Bei seinem letzten Satz funkelte er Noel böse an.
Zitroneneis
27.03.2013, 10:52
Mit gleichermaßen verwirrter wie beunruhigter Miene sah Luise zu, wie Noel nach vorne marschierte und vor der versammelten Dorfgemeinde seinen Schwur leistete.
Und spätestens in diesem Moment wurde Luise klar, dass es kein Zurück mehr gab. Man würde nun beginnen, seine Verdächtigungen abzugeben und am Ende des Tages würde jemand hängen. Wahrscheinlich jemand, der unbeliebt war oder sich viel zurückhielt. Aber mit Sicherheit hatten die Wenigsten tatsächlich eine Ahnung wer Teil der Lumianersekte sein könnte.
Und Luise bildete keine Ausnahme. Hatte sie zwar Menschen, denen sie tief vertraute, so gab es doch genauso Menschen, die sie einfach kaum kannte. Und das schlimmste war, dass auch jemand in ihrem engen Vertrautenkreis, so klein er auch sein mochte, sie verraten konnte. Doch diesen Gedanken verbannte sie am liebsten. Adalbert kam aufgrund seiner Erkrankung nicht einmal in den Kreis der Verdächtigen. Und Luise würde lieber selbst hängen, als Konrad oder Schwester Maria zu verdächtigen. Die beiden kamen nicht in Frage. Es waren die Menschen, denen Luise am meisten Vertrauen entgegenbrachte und sie konnte sich nicht durchringen, einen der beiden auch nur in Erwägung zu ziehen.
Da hörte Luise Noels Ansprache. Seltsam kam es ihr schon vor, wie der junge Bibliothekar sich in der Öffentlichkeit derart als menschenverachtender Egoist darstellte, nur um dann zu begründen, dass er der Liebe wegen dem Dorf helfen wollte.
Luise wusste nicht allzu viel über die Liebe. Natürlich war da die Liebe, welche ihre Eltern ihr entgegenbrachten oder, im Fall ihrer Mutter, ihr entgegengebracht hatte. Und die Liebe Konrads, welcher mehr einem Bruder als einem Vetter glich. Vielleicht auch die Art von freundschaftlich-fürsorglicher Liebe, die sie manchmal von erwachsenen Frauen wie Brunhild, Maria oder Viktoria erfuhr.
Aber selbst in ihren jungen Jahren, noch nicht heiratsfähig und innerlich noch ein Kind, wusste Luise, dass dies nicht die Art von Liebe war, die Noel meinte.
Ein wenig mulmig wurde ihr zumute, als sie daran dachte, wie der junge Bibliothekar die Hand an ihre Wange gelegt hatte. Noch nie hatte jemand sie so berührt und, obwohl es sicher eine Geste der Versöhnung und des Trosts gewesen war, wusste Luise nicht so recht, ob sie diese Berührung mochte.
Schnell verdrängte Luise diese Gedankengänge. Es war nicht, als hätten sie etwas miteinander zu tun. Und relevant waren sie für die heutige Wahl auch nicht.
Also lauschte sie weiter Noels Rede, welche ihr von Sekunde zu Sekunde unangenehmer wurde.
Brunhild sollte beschränkt sein? Luise wusste, dass die Wirtin nicht lesen konnte und vermutlich allgemein weniger gebildet war als sie selbst. Doch Brunhild besaß eine wichtigere Weißheit - sie wusste nämlich mit Menschen richtig umzugehen. Etwas, von dem Luise nur träumen konnte, so oft wie sie die Dinge missverstand oder einfach kein Wort herausbekam.
Bei der Bemerkung, dass Maria einer unerträglichen Zunft angehören sollte, klappte Luises Kinlade herunter und sie schlug erschrocken die Hand vor den Mund. Sie hatte Noel nie in der Kirche gesehen, aber dass er eine derart negative Sicht auf die Kirche hatte, konnte Luise nicht begreifen. Auch seine Worte, welche den Glauben der nonnigsten Nonne unterstützten, klangen eher abwertend.
Und als Luise seine Verdächtigungen hörte, wusste sie nicht mehr, ob es eine so gute Idee gewesen war, Noel um Hilfe zu bitten. Sicher - er nahm einige Dorfbewohner in Schutz. Aber dafür beschuldigte er einige, die ebenfalls extrem unwahrscheinlich waren.
Tyrell? Ja, Luise hatte ihn heute ebenfalls kaum zu Gesicht bekommen. Aber er hatte doch bereits gestern Abend solch fürchterliche Kopfschmerzen gehabt. Schuldbewusst dachte Luise daran, wie sie ihn gestern so auf Trab gehalten hatte. Vielleicht war er über Nacht wirklich krank geworden. Sie sollte später wohl nach ihm schauen.
Und Viktoria? Peter? Beide mochten recht altmodische Menschen sein und keiner der beiden verlor besonders oft viele Worte. Aber Luise wusste einfach, dass beide ein gutes Herz hatten und dies auch oft genug zeigten.
Patricia... konnte gut möglich sein. Luise kannte diese Frau nicht besonders gut. Die Frau in der scheppernden Rüstung war ihr immer etwas suspekt gewesen. Was für einen Beruf hatte sie eigentlich?
Allerdings sah Luise auch die einzelgängerische Merete nicht oft. Wobei diese als Jägerin auch einen sehr einsamen Beruf hatte. Und ihre Verbindung zum verstorbenen Hauptmann war anscheinend gut gewesen.
Nachdem Noel seine Rede beendet hatte, waren die Reaktionen der Gemeinde, verständlicherweise nicht besonders positiv.
Dennoch überraschte Luise, dass ausgerechnet Konrad mir der ersten Nominierung begann. Übelnehmen konnte sie es ihm aber nicht. Noel hätte wissen müssen, dass seine bestenfalls zweifelhaften, schlimmstenfalls ketzerischen Aussagen nicht gut bei den Gottesfürchtigen ankamen. Und Konrad befand sich noch immer in Gewahrsam des Pfarrers und des besten Freund des Henkers. Da verlor auch ein großmütiger Mensch wie er seine Geduld.
Doch, so sehr er sich auch verdächtig machte, irgendwie konnte Luise nicht glauben, dass Noel ein Lumianer war.
Die Art wie er sich auf einem Silbertablett präsentierte... es war beinahe, als wolle er, dass man ihn nominierte.
Ratlos hörte Luise zu, wie Rekon Konrads frühzeitige Entscheidung anzweifelte und Peter sich rechtfertigte. Dann herrschte einen Augenblick lang Stille.
Schließlich beschloss Luise, in Aktion zu treten. All ihren Mut nahm sie zusammen und trat nach vorne. So laut sie konnte, sprach sie: "I-ich möchte auch e-etwas sagen. Mir ist b-bewusst, dass ich nur ein Kind bin und meine Meinung d-deshalb vielleicht nicht so b-begründet ist, wie die eines E-erwachsenen." Vor dem nächsten Satz musste sie erst tief einatmen. Erwachsene mochten es garnicht, von einem Kind belehrt zu werden. "A-aber ich m-möchte sie trotzdem a-aussprechen, d-denn vielleicht k-kann dennoch jemand e-etwas damit anfangen." Luise zitterte unter all den auf sie gerichteten Blicken. Blut schoss ihr ins Gesicht und ihre Beine fühlten sich an, als würden sie jeden Moment nachgeben. Aber sie blieb standhaft und senkte ihren Blick nicht. "I-ich stimme Noel zu, dass es eine Torheit war, unseren ehrwürdigen Pfarrer von Konrads Schuld zu überzeugen. Und ich glaube, dass auch viele andere dies so sehen." Luise blickte ihrem Vetter ins Gesicht und schenkte ihm ein aufmunterndes Lächeln, was aufgrund ihrer Nervosität aber wahrscheinlich erbärmlich aussah. Aber so lange, wie Konrad sie schon kannte, verstand er die Geste wahrscheinlich. Und das allein zählte.
Die Apothekertochter fuhr fort: "W-womit ich nicht einverstanden bin, sind s-seine D-darstellungen e-einiger ehrenwerter D-dorfbewohner. M-maria i-ist ihrem B-beruf und damit auch dem Herrgott mit Leib und Seele verschrieben. A-aber trotzdem h-hat sie immer ein o-offenes Ohr f-für uns einfache, sündige Menschen u-und kümmert sich s-so gut sie kann um die Gemeinde. I-ich k-kenne keine edlere G-gesinnung."
Dann fiel ihr Blick auf die Wirtin der "Runden Hirschkuh". "Und Brunhild ist a-alles andere als b-beschränkt. S-sie mag n-nicht lesen können. A-aber sie weiß i-immer, w-wie man anderen Menschen in Not h-hilft. S-sie kümmert s-sich unermüdlich u-um andere u-und lässt s-sich nicht davon abbringen, j-jemanden aufzuheitern o-oder zu trösten. O-ob es n-nun mit aufmunternden Worten o-oder mit warmer M-milch ist."
Luise wurde ein wenig schwindelig von dem vielen lauten Reden und der Menschenmasse, welche sie umgab. Aber sie ließ nicht locker. Sie würde ihre Stimme nicht eher senken, als dass sie gesagt hatte, was sie aussprechen wollte. "W-was Tyrell betrifft... e-es mag sein, d-dass er heute k-kaum gesichtet w-wurde. A-aber ich hatte Gründe d-dafür, ihm gestern m-meine Stimme z-zur Hauptmannswahl zu geben - u-und ich vertraue ihm n-noch immer. E-er litt schon gestern a-an Krankheitssymptomen, v-vielleicht ist er m-mittlerweile bettlägrig u-und wurde deshalb heute k-kaum gesehen."
Dann schaute sie schüchtern erst den Bauern Peter, dann Viktoria an und fuhr fort: "H-herr Eichmann u-und unsere junge Schneiderin s-sind beide nicht b-besonders gesprächig. A-aber beide sind großherzige u-und a-anständige L-leute. H-herr Eichmann war gestern Abend noch mit den anderen i-im Wirtshaus. I-ich habe ihn dort gesehen, wie e-er m-mit den anderen zusammen war u-und auf den alten Hauptmann angestoßen h-hat." Luise warf Konrad einen schuldbewusst Blick zu. "I-ich weiß, dass ein junges M-mädchen wie ich d-dort abends nichts z-zu suchen hat. E-es tut mir leid."
Mit verbleibender Kraft warf sie schließlich ihren letzten Gedankengang in den Raum: "D-dort habe ich d-dann auch jemanden gesehen, d-den ich nicht kannte. U-und zwar d-die "Rote Viola" m-mit der schönen Stimme. I-ich k-kenne sie nicht u-und anscheinend weiß a-auch sonst niemand, w-wer s-sich hinter d-dieser Maske v-verbirgt. W-was ich weiß, ist d-dass sie j-jemand a-aus dem D-dorf sein muss, d-denn eine s-so zarte F-frau könnte u-unmöglich nachts d-den Wald unbeschadet d-durchqueren. I-ich führe da eine Kräutermischung i-in der Apotheke, die herkömmlich als M-medizin angewendet w-wird, a-aber auch einen g-grünen, w-wasserlöslichen F-farbstoff aufweist. V-vielleicht w-wurde d-diese f-für die Haare v-verwendet." Einen Moment schwieg sie und fügte dann eilig hinzu: "I-ich will nicht sagen, d-dass sie eine Schuldige ist. A-ber vielleicht h-hat sie g-gestern Abend e-etwas gesehen."
Dann sprach sie: "U-und i-ich möchte n-noch sagen, dass ich nicht g-glaube, dass Noel e-ein Lumianer i-ist. Ich kann m-mir nicht vorstellen, d-dass e-er dann so v-viel ü-über sie preisgeben u-und sich selbst a-als Zielscheibe d-darbieten w-würde."
Mit diesen Worten trat sie ein paar Schritte zurück, froh, dass ihre Beine nicht nachgaben, und überließ erneut den Erwachsenen das Wort.
"Vielen Dank, Peter. Das wäre mir eine große Hilfe", ließ sie den freundlichen, hilfsbereiten Bauern noch wissen, bevor sich Merete der Bühne zuwandt. Der gesichtstätowierte Bibliothekar sprach, offenbarte sich ein weiteres Mal der Menge und verkündigte seine Verdächtigungen. Vage, durchsichtige Verdächtigungen, wie sie fand. Einige sogar an den Haaren herbeigezogen, wie Peter nur wenig später selbst bemerkte. Auch Konrad, der junge Schreinergeselle meldete sich zu Wort, es nun selbst ergreifend, nachdem er zuvor befragt worden war. In seinem Blick lag unverhohlener Hass Noel gegenüber. Gar spuckte er in seine Richtung und sprach sich aus dafür, den Rotschopf hinrichten zu lassen. Meretes Befürchtungen - die des Hauptmannes - waren eingetreten.
Die Jägerin machte sich auf, in Richtung der Bühne zu treten, die nach dem mutigen Auftritt Luises frei geworden war. Das zischende Tuscheln hielt die Dörfler auf Trab, beschäftigte sie und gab ihr so den Moment, den sie brauchte, ihre Gedanken zu ordnen.
Jetzt oder nie. Der Pfarrer, augenscheinlicher Vertreter der Barmherzigkeit Gottes in diesem Dorf, hatte die Saat des Hasses in den Köpfen der Menschen gepflanzt - die Saat, die sie dazu bringen sollte, sich gegenseitig zu hängen. Wie bezeichnend. Nur die junge Apothekerstochter erhob das Wort und schützte ihre Nächsten. Merete müsste die Saat entfernen, bevor sie keimte. Und auch, wenn sie die Ahnung plagte, dass es bereits zu spät dafür sei, erhob sie das Wort.
"Dieser Bogen..." - kurzerhand hatte sie ihr Jagdwerkzeug von der Schulter genommen und hielt ihn nun vor sich - "... tötete unzählige Männer. Doch nie sollte sein Ziel der Unschuldige sein, nie seine Aufgabe Mord. Nur wer das Leben bedrohte - das meine oder das meiner Freunde - erfuhr den raschen Tod durch diese Waffe."
Ihr Arm senkte sich, das Jagdwerkzeug mitreißend und schließlich auf den Boden des Podestes fallen lassend. "Des Hauptmanns letzter Akt war, uns zu warnen. Ich sage, er meinte dies. Nicht die Bedrohung durch die Sekte der Lumianer, die unser Volk unterwandern, sondern die Angst in uns allen, die uns verführt, zu morden, das Leben Unschuldiger zu riskieren, um uns selbst zu schützen, sich voneinander zu entfernen, in einer Zeit, in der wir alle enger zusammenrücken sollten. So lasset uns nicht den Weg dieser Angst gehen, kein reines Herz in den Tod schicken."
Sie selbst war zu aufgebracht, um die Reaktion der Menge vor sich ausmachen zu können, ließ ihrerseits nur ein Seufzen folgen und schloss ab:
"Seit ich denken kann, sehne ich mich nur nach dem Duft des Windes. Das größte Glück ist es, durch ihn zu erfahren, dass das eigene Herz noch schlägt. Wer sind wir, darüber zu richten, wem dies' Glück verwehrt bleiben soll? Wer bin ich, dies' Glück jemandem zu nehmen? Eher schlage ich mich selbst (MeTaLeVel) dem Galgen vor, als über das Schicksal eines anderen Unschuldigen zu entscheiden."
Kaum mehr als den eigenen Atem wahrnehmend verließ sie die Bühne wieder, hoffte inständig, dass ihre Worte Anklang fanden und sie niemanden auf eine falsche Idee brachte. Doch wenn sie es schon geschehen lassen musste, so würde sie es zumindest nicht unterstützen.
Zirconia
27.03.2013, 12:45
Rekon hörte Luises Rede und Meretes Selbstnominierung. Merete. Danke, dass du mich nach Hause getragen hast, nachdem ich von As... nachdem ich umgefallen bin. Luise, deine Argumentation ist schlüssig, doch kann es auch sein, dass Noel gerade weil er Lumianer ist, so viel erzählt, damit wir genau das denken, was du gerade sagtest. Ich halte Noel zwar für verdächtig, aber noch nicht für verdächtig genug, um ihn zu hängen. Der Bastler ist für mich auch unverdächtig. Mit Patricia habe ich eigentlich nicht viel zu tun, um sie beurteilen zu können. Peter kenne ich als freundliche Person und Nachbar. Maria ist die Frau, die Gott am nächsten ist. Im Moment habe ich nur einen Verdächtigen, den ich aber jetzt noch nicht anklagen will, da das Risiko zu groß ist." sprach Rekon und atmete noch einmal tief durch. "Ich möchte meinen Speer nicht in einen Unschuldigen rammen." waren die letzten Worte, bevor Rekon die Bühne verlässt. Die Bewohner scheinen ihn gehört zu haben...
Noel und Deusexus saßen zusammen auf einer Bank, dösten vor sich hin, Deus' haarige Schnauze auf Noels Knien und dessen Hand in seinem warmen, weichen Fell.
Da hörte Noel eine lautere Stimme vom Platze her, die sich Gehör verschaffte.
schon den restlichen Dörflern zuwandte und die Stimme erhob:
“Ich möchte mich für Konrad aussprechen. Er war gestern Abend einer meiner Gäste. Alle, die ebenfalls dort waren, können das bezeugen, er hatte für alle die Getränke nach der ersten Runde bezahlt. Konrad blieb bis in die späten Abendstunden, ehe er mit Peter mein Wirtshaus wieder verließ. Er lag vor dem Kamin und war so trunken, dass Ihm aufgeholfen werden musste und er ohne Peters Stütze nichtmal hätte gehen können. Ich glaube kaum, dass es ihm in seinem Zutand möglich gewesen wäre, noch irgendeinem sündhaften Treiben nachzugehen… auch wenn ich mich für das von da an Geschehene nichtmehr verbürgen kann…“
Ohne die Augen zu öffnen erkannte Noel, dass es sich bei der Besitzerin um Brunhild handeln musste. Sie entlastete oder schwächte zumindest den Verdacht gegen Konrad.
...was denkst du, Deus?
Hm, bin nicht sicher. Wenn der Kerl wirklich helle ist, könnte er sich so ein Alibi verschafft haben. Allerdings werdet ihr Menschen zu nutzlososen Reissäcken, wenn ihr mal richtig betrunken seid. In so einem Zustand konnte Konrad zumindest nicht mehr viel anrichten...
Hm. Ich hoffe, er gehört den Lumianern nicht an. Ich möchte es glauben.
Und bevor viel Zeit ins Land zog, öffnete Noel reflexartig die Augen, denn jemand kam auf ihn zugetrampelt.
„DU! Du hälst dich vielleicht für etwas Besseres doch das ist nicht wahr. Dein Herz ist schwarz vor Neid und deine Worte sind pures Gift. Wer dir im Weg steht wird angeklagt, nicht wahr? Heute Tyrell, morgen dann ich und dann ihr Onkel, bis du hast was du begehrst?" Er spuckte in Noels Richtung aus. „Ich geb dir einen heiligen Dolch, Bursche! Brunhild ist also beschränkt, ja? Maria und die Geistlichen sind eine unerträgliche Zunft? Du sprichst eine wegen ihrer Herkunft frei und zeigst gleich als nächstes aus dem selben Grund auf jemand anderen. Luise bekommst du Ungeheuer nicht!
Ich klage dich, Noel (Nonsense) der Umtriebe der letzten Nacht an! Und wenn es das letzte ist, was ich tue.“
Konrad hatte aufgebracht in Noels Richtung gebrüllt, die Masse hinter ihm starrte in stiller Erwartung auf die beiden. Noels' Ausdruck war mehr als verdrießlich, beinahe schmerzhaft.
Warum... feindet Konrad sich so mit mir an...?
Hmpf. Kann ich frei sprechen, ohne dass du in die Luft gehst?
Noel warf Deusexus eine Mischung aus vorwurfsvollem und wehleidigen Blick zu, was dieser als "Ja" interpretierte.
Darüber solltest du dich nicht wundern. Was erwartest du bitte, wenn du vor versammeltem Pöbel erklärst, dass du selbigen zur Hölle schicken würdest, nur um Luise zu schützen? Das darfst du dir denken, aber verdammtnochmal Noel, behalt soetwas für dich. Ehrlichkeit schön und gut, aber solche Aussagen stärken niemandes Vertrauen in dich. Du wolltest dich verändern, stimmts? Dann fang jetzt damit an!
Noel schwieg. Deuexus hatte ihn, seit die beiden sich kannten, selten so agressiv zurechtgewiesen.
...
Aber er hatte recht.
Stumm stieg Noel von der Bank auf, trat dem aufgebrachten Konrad gegenüber. Er verbeugte sich tief.
"Du sprichst wahr, und das in jedem Punkt, Konrad. Ich verstehe dein Misstrauen vollkommen. Verzeih dennoch meine Anmaßung, so du kannst. Ich hoffe, ich werde mein Schandmaul zukünftig beherrschen können."
Dann richtete der Junge sich wieder auf und wandte sich ans Dorf.
Bleib ruhig. Du hasst diese Menschen nicht. Niemand von ihnen hat dir etwas getan. Sei ehrlich. Sei es für sie.
"Konrad spricht wahr. Und jeder von Euch, der seinem Gedankengang folgen kann und diesem zustimmt, soll nicht zögern, mich ebenfalls zu nominieren. Ich werde bereit sein, zu gehen, wenn es denn euer Wille ist."
Nun war es Peter, der mit unwischem Gesichtsausdruck aus der Masse hervortrat.
"Grüß Gott, Herr Bibliothekar! Darf ich mich vorstellen? Peter Eichmann, Landwirt, ich bewirte einige der Felder dort drüben am Dorfrand" und zeigte dabei in Richtung Osten. "Nur damit du es weißt: Ich bin hier, und zwar schon seit einer ganzen Weile. Ich bin vielleicht kein Mann vieler Wort, aber mir liegt dieses Dorf und seine Bewohner am Herzen. Ich bin hier aufgewachsen, meine Familie lebt hier, ich kenne nichts anderes! Also wage es dich nicht noch einmal mich als abwesend oder unbeteiligt zu bezeichnen!"
Noel blickte beschämt zu Boden. Er hatte sogar einen seiner Beschuldigten übersehen. Ein Schlag nach dem Anderen fuhr schmerzhaft in seine Magengrube.
Vergiss nicht, Noel...,
Deus trat an Noels Seite.
Daran bist letztendlich du selbst Schuld. Hass erzeugt Gegenhass. Immer.
Es stimmt. Die Abweisungen der Bewohner geschahen ihm nur recht.
Plötzlich trat überraschend Luise zwischen die drei Männer. Ihre Blicke trafen sich einen Moment, bevor Noel dem ihrigen auswich. Zweifellos, es lag Abneigung, unwohlsein und Verbitterung in Luise' Augen. Er war selbst Schuld. Und trotzdem...
"I-ich möchte auch e-etwas sagen. Mir ist b-bewusst, dass ich nur ein Kind bin und meine Meinung d-deshalb vielleicht nicht so b-begründet ist, wie die eines E-erwachsenen."
Der Seitenhieb auf Noel schmerzte unbeschreiblich. Aber er blieb weiterhin stumm stehen.
Renn einmal nicht weg. Nur einmal.
Was folgte, war ein längerer Dialog Luises' über seine Anschuldigungen, die Meisten davon zweifelte das Mädchen an.
Noel verstand es. Wie konnte sie die Menschen, die sie kannte und die ihr nahestanden, als Mörder bezichtigen? Er würde sie nicht so verzweifelt lieben, wenn Luise nicht so wäre.
"U-und i-ich möchte n-noch sagen, dass ich nicht g-glaube, dass Noel e-ein Lumianer i-ist. Ich kann m-mir nicht vorstellen, d-dass e-er dann so v-viel ü-über sie preisgeben u-und sich selbst a-als Zielscheibe d-darbieten w-würde."
Ein kleiner, warmer Hauch von Dankbarkeit strich durch Noels Brust. Aber es blieb bei einem Hauch. Weitaus größer war das spöttsche Grinsen, dass neben seinem Ohr vor sich hin kicherte:
"Das hast du nicht verdient, du Wahnsinniger!"
Damit trat Luise wieder zurück. Noel wollte ihre Augen nichtsuchen, denn er war sicher, sie wären voll Anklage. Würde sie ihn nach diesem Abend jemals nocheinmal wie vorher ansehen?
Es folgten kleinere Gespräche der Jägerin, welche sich nominierte und Rekons' , welcher seine Gedanken teilte. Dann wurde es zunächst ruhig. Noch schien keine Entscheidung in Sicht, also setzte sich Noel erneut auf die Bank und überlegte, wen er wohl nominieren würde. Er wusste es nicht. Er musste abwarten.
Stört es dich nicht, dass luise dich... nun ja...
...hasst?
...
Jeder ist seines Schicksales schmied. Ich war mir immer bewusst, dass sie so reagieren würde, wenn sie mein wahres Wesen kennenlernt.
Aber weißt du was, Deus?
Noels Blick verlor sich lächelnd im weiten Sternenhimmel, als er weitersprach.
Ich möchte mich verändern. Und das betrifft auch Luise. Ich denke, unsere Bekanntschaft ist zuende. Aber... das ist in Ordnung. Ich sollte mich von ihr loslösen und zu einem Menschen werden, den sie nicht fürchtet... oder hasst. Wenn ich das eines Tages geschafft habe, wird sie mir vielleicht wieder ein Lächeln schenken...
Du bist dir im klaren, dass die Chance, dass du ihr Vertrauen zurückgewinnen kannst, mit jedem Tag sinkt, denn du dich von ihr distanzierst?
Immer noch lächelte Noel.
das war... unerwartet.
Es ist in Ordnung. Wenn sie einen Menschen findet, den sie liebt, mit ihm ihr Leben verbringt. Wenn sie mich hasst, verachtet und kein Wort mehr mit mir wechselt. Wenn wir Zeit unseres Lebens Fremde bleiben.
Wenn ich sie nur für den Rest meines Dasins beschützen kann... dann bin ich schon zufrieden. Die Hauptsache ist, dass Luise glücklich wird. Egal, mit welchem... Menschen an ihrer Seite.
verstehst du?"
Deus legte sich auf den Boden vor der Bank und schnaufte.
Menschen sind seltsam... ich verstehe euch einfach nicht.
Noel kicherte und strich dem Gott in Wolfsgestalt grinsend über das Fell.
Noel antwortete ihm nicht, sondern blickte nur zu Boden. Was war das? Tat es ihm leid? War es ein Schuldeingeständnis? Peter konnte es nicht deuten. Auch auf die Anklage Konrads verteidigte sich Noel nicht, er stimmte ihm vielmehr zu. Peter wurde es an dieser Stelle zu bunt.
"Was ist los, Noel (Nonsense), hat es dir die Sprache verschlagen? Haben wir dich durchschaut? Ich hatte es ja geahnt. Warst ja in meinen Augen schon immer ein merkwürdiger Bursche. Und dass du dich nun, wo du so in die Enge getrieben wirst, nicht einmal verteidigst, da kannst du dich ja auch gleich selbst dem Henker übergeben. Ein unschuldiger Mann wüsste sich zu verteidigen, wie unser Konrad hier. Meine Entscheidung ist damit gefallen und ich bitte den Herrn um Verzeihung, aber einen solchen gottlosen Ketzer wie dich möchte ich nicht mehr in unserem schönen Dorf haben!"
Ich mag eine Nonne sein, aber ich bin nicht so verbohrt und verschlossen wie manch anderer hier zu vermuten scheint.
Maria hütete sich, diesen Gedanken laut auszusprechen. Indes nahm sie die Unschuldssprechung Noels lieber hin, anstatt sich mit ihm über seinen angegebenen Grund zu streiten. Lieber so, als wegen eines sinnlosen Streits dann doch noch seine Stimme zu bekommen - und dann womöglich die des ganzen Dorfes... Das würde der Herrgott nicht gutheißen. Stattdessen warf sie während seiner Rede kurzzeitig einen bösen Blick zu, doch wirklich böse wollte sie ihm tatsächlich nicht sein. Nein, er tat ihr irgendwie leid. Zuvor hatte sie in der Kirche noch darüber nachgedacht, warum Noel sich so verhielt, wie er es tat - und er schien sich zumindest ab und zu zu bemühen. Vielleicht würde er es ja in nächster Zeit irgendwie schaffen, sich positiver und Menschengerechter zu verhalten - der Herr würde ihm schon dabei Helfen. Ob Noel sich der ewigen Anwesenheit des Herrn bewusst war oder nicht.
Schließlich trat sie selbst vor. "Ich denke, ich habe ... genug nachgedacht."
Einen Augenblick hielt sie inne und war etwas irritiert ob des Klangs, den dieser Satz innehielt.
Aber als sie merkte, dass die Menge ihr zuhören würde, sprach sie weiter:
"In der Tat mag Noel sich, durch sein sündhaft unchristliches Verhalten, für viele Leute verdächtig machen. Auch, dass er bereits so viel über die Lumianer wusste, ist ein erschwerender Faktor, der viele an seiner Unschuld zweifeln lässt. Dennoch glaube ich, dass... heute Abend..." - Maria wurde plötzlich irgendwie unsicher, schließlich war eine Nominierung gewiss nichts positives für diesen Abend, und ihr fielen die nächsten Worte entsetzlich schwer. Sie musste schlucken, bevor sie weitersprach, denn allein der Gedanke an das weitere, was sie nun sagen würde, schnürte ihr die Kehle zu und ließen sie zunächst nach anderen Worten suchen, die sie zuerst loswerden könnte.
"... Nunja, Noel ist meiner Meinung nach Unschuldig."
Ungläubig blickte die Menge sie an.
"Er ist ein verirrtes Schaf, dass gottverloren in der Welt zu treiben scheint. Erst vor zwei oder drei Jahren kam er hier an und wie es aussieht, fällt es ihm schwer, Fuß zu fassen. Ich glaube, er wird sich in den nächsten Tagen aufgrund der hiesigen Beschuldigungen umso mehr bemühen müssen. Und, Noel, würdest du dich zu Gott bekehren lassen, dann hättest du es gewiß leichter in deinem Leben. Die qualvollsten Höllenfeuer werden dich erwarten, solltest du in Wahrheit ein Lumianer sein..."
Sie warf einen Blick zu Noel hinüber und wirkte für einen Moment vielleicht sogar bedrohlich. Zumindest so bedrohlich, wie eine Nonne wie sie wirken konnte. Dann veränderte sich ihr Gesichtsausdruck wieder genauso schnell wie vorhin und sie sah erneut alle an.
"Doch das ist gar nicht das, was ich eigentlich sagen wollte. Gottweiß, wer noch alles vor einem gewissen Zeitraum in dieses Dorf fand - Noel ist nicht der einzige Ungläubige in diesem Dorf, der lediglich zugezogen ist und, wohl Aufgrund seiner Unchristenheit, Schwierigkeiten damit hat, hier Fuß zu fassen. Ebenfalls hätte ich einen Grund, die Unschuld einer anderen Person anzuzweifeln, die sich ebenfalls selber nominiert hat."
Maria hatte jetzt fast schon offen genug gesagt, wen sie nun nominieren wollte - also versuchte sie, nicht weiter darüber nachzudenken, sondern einfach weiterzureden.
"Der Grund liegt in der nahen Vergangenheit. Wie mir zu Ohren gekommen ist, wurde das Schwert, welches hier auf dem Dorfplatz in der Früh gefunden wurde, untersucht. Doch von wem? Wer hat es mitgenommen? Hast nicht du selbst diese Untersuchungen in die Hand genommen, Merete (MeTaLeVeL)? Es gab keine Ergebnisse dazu, was? Natürlich nicht, du konntest das schließlich genügend manipulieren...
Es mag ein Argument sein, welches für Meretes Unschuld spricht, dass sie sich selbst nominierte, doch könnte dies doch ebenfalls ein Täuschungstrick sein? Sie sprach über sich selbst, dass sie gemordet hat, auch wenn sie es so nicht nennen würde - jemanden so weit zu bringen, dass Gott sich seiner für den Himmel annimmt, ist aus meiner Ansicht heraus Mord. Und so wird sie sich damit doch genügend selbst auskennen, sie tötet doch jeden Tag, wenn auch meist nur Tiere. Skrupellos genug sollte sie also sein, und um ihre Schuld zu vertuschen, nahm sie sich letztlich zwar des Schwertes an, doch auch ihre Selbstnomination wirkt auf mich nicht harmlos.
Ich weiß, solche Anschuldigen ziehmen sich nicht für eine Nonne, dennoch finde ich diese Verhaltensweise äußerst Suspekt. Und sicherlich, ich hatte bisher nie mit ihr zu tun. Doch warum auch? Sie sucht keinen Kontakt zur Kirche, und somit auch nicht zu mir. Als wäre sie solch großen Sünden unterlegen, dass sie sich nichteinmal in die Nähe einer Kirche traut..."
Die Menge tuschelte. Ob die Nonne jetzt selbst irgendwie verrückt geworden war?
Jedenfalls blieben ihr jetzt die Worte fern - ihr fiel einfach nicht mehr ein, was sie noch dazu sagen sollte. Vielleicht hatte aber noch jemand anders ein Wort, dass er zu erheben wusste. Daher warf Maria nur noch einen traurigen Blick in Richtung Himmel, bekreuzigte sich und verschwand wieder vom Podest.
Ohne jemandem etwas Böses zu wollen, starb ihr Vater durch die Hand der Kirche. Weil er sich nicht beugte, sie nicht unterstützte, schlicht nicht bereit war, zu glauben. Niemanden hatte dies verletzt und doch nahmen sie ihn ihr. Und jetzt dies. Sollte ihr durch das Verweigern dessen, was die Kirche Glauben nannte, das selbe Schicksal ereilen, wie ihm? Oh Nonne, würdest du glauben, wärst du meine Wege gegangen?, fragte sie still, doch teilte ihr Denken nur mit sich.
Dennoch sprach sie, um sich den Vorwürfen zu entledigen, mit denen die überaus nonnige Nonne sie belegte.
"Ja, es ist wahr. Ich nahm das Schwert und brachte es dem Schmied, ließ seinen erfahrenen Geist entscheiden, was der Klinge Vergangenheit sei. Doch sei sie gewöhnlich, erklärte er." Bitter war Meretes Blick, schwerfällig zugleich. Sie sprach zu allen, doch musterte nur Maria. "Doch waren Sie es, Nonne, die mich antrieb. Sagten Sie mir nicht, dass es eine gute Idee sei, den Schmied aufzusuchen? Welch Spiel treiben Sie, mich ob der Idee zu verdächtigen, die Sie selbst unterstützten?"
Sie verließ das Podest. So viele Worte blieben ungesagt, doch schnürte die Angst ihr die Kehle zu.
Ligiiihh
27.03.2013, 17:16
Tyrell stand mitten in der Menge. Verwirrt und perplex stand er da, wusste nicht, was er machen sollte.
(Entsetzlich... wie sie plötzlich alle aufeinander losgehen... was ist bloß passiert? Eine simple Nachricht auf dem Dorfplatz bringt uns alle so sehr durcheinander. Das kann ich nicht fassen...!)
Er wusste nicht genau, was jetzt zu tun war. Sich an den Kopf fassend überlegte er eine Weile, bekam aber nicht wirklich etwas zustande. Alles nette Menschen um ihn herum, doch die todesflehende Gesichter verschlugen ihm die Sprache. Ohne einen Laut stand er da. Er hörte zu. Die Menschen fingen an, sich gegenseitig zu nominieren. Merete, die sich selbst als Opfer überließ und Maria, die sie plötzlich tatsächlich auch anklagte. Dann gingen die Leute auch noch auf Noel zu. Mit Tyrell hatte er es sich verscherzt, keine Frage, aber das war kein Grund, ihn umzubringen... oder doch? Tyrell wusste nicht, was zu tun...
"Geehrte Dorfbewohner von Düsterwald! Seid ihr alle jetzt völlig von Sinnen? Dies erscheint mehr eher als Ausnutzung der Situation, gar furchtbar finde ich es, dass wir Noel plötzlich als gottlosen Ketzer aus dem Dorf verbannen wollen. Das ist doch nicht der Sinn... wir sollten doch die Lumianer ausfindig machen und nicht die Karten unserer Antipathie ausspielen! Ich hätte nicht gedacht, dass es darauf hinausläuft... aber bis wir keinen einzigen Anhaltspunkt haben, werde ich doch lieber mich selber, Tyrell (Ligiiihh), dem Galgen überlassen, als dass das der pure Mensch in mir Oberhand übernimmt... ich bin wirklich schockiert...
Aber Merete! Danke! Ohne Euch wäre ich nie auf die Idee kommen, mich selber zu wählen. Das ist eine viel bessere Variante. Ich verfehle möglicherweise den Hintergrundgedanken des Wunsches unseres Hauptmannes, aber zurzeit finde ich da keinen anderen Ausweg. Auf dass wir heute auf neue Erkenntnisse stoßen, die wir morgen zunutze machen können..."
Es herrschte eine äußerst gespannte Stimmung auf dem Platz. Mittlerweile sah es so aus:
Noel hatte bisher zwei Stimmen.
Die Jägerin ebenso.
Konrad nach wie vor eine.
Tyrell nun auch eine.
Noels Gedanken rasten.
Denk nach. Denk nach. Setz die Puzzleteile zusammen.
Du willst einen Neuanfang machen. Tötest du den Falschen, verstösst du das Vertrauen der Dorfbewohner und hast einmal mehr Blut an deinen Händen.
Beobachte das Verhalten der Spieler... und dreh das Schachbrett um!
...
Ja... wenn man das Schachbrett umdreht... und sich in den Gegner hineinversetzt... dann ist einer der Anwesenden mit Abstand am Wahrscheinlichsten.
Aber reicht das, um einem Menschen das Leben zu nehmen?
Ach... halt den Mund. Du erwischst den Richtigen. Du schaffst es.
Noel begann beherrscht ruhig, zu sprechen.
"Bewohner Düsterwaldes... die folgenden Worte fallen mir nicht leicht. Wirklich.
Aber wenn ich die Stränge verbinde, das Schachbrett herumdrehe und das Verhalten der Lumianer analysiere... so ist Tyrells (Ligiiihh) Fassade die Bröckligste. Es schmerzt mich, ein Kind beschuldigen zu müssen... doch so der Wahnsinn der Lumianer ihn vergiftet hat, ist es vielleicht besser so.
Möge Fortuna geben, dass ich den Schuldigen nominiere.
...
Es tut mir leid, Tyrell."
Stumm wartete Noel ab, wie das Ergebnis der Wahl aussehen würde und bereitete sich darauf vor, diese Welt zu verlassen.
Zitroneneis
27.03.2013, 18:19
Luise wollte es nicht. Sie wollte nicht mit ihrer Stimme dazu beitragen, dass jemand starb.
Sie hatte überlegt, sich selbst zu nominieren. Sie war keine Lumianerin, aber es gab immer Sünden, für die es zu büßen galt.
Und es war besser, frühzeitig dem Herrn gegenüber zu treten, als in weiterer Sünde zu leben. Würde sie aber jetzt gegen sich selbst die Stimme erheben, wäre es lediglich eine scheinheilige Tat, um die eigenen Finger aus der wahren Entscheidung herauszuziehen. Und Luise konnte und wollte nicht einfach etwas vorheucheln. Also entschied sie sich zu etwas anderem.
Erneut trat sie hervor und sprach: "I-ich wünsche niemandem den Tod. D-doch i-ich werde m-mich auch nicht heraushalten, w-wenn es darum geht, d-das Dorf zu beschützen. Mir b-bleibt wohl k-keine W-wahl als in G-gott zu vertrauen und danach zu handeln." Sie schluckte schwer. "D-deswegen vertraue ich in d-das Urteil, welches s-seine treuste D-dienerin, Schwester Maria, hier ablegte - und stimme f-für Merete (MeTaLeVel)." Sie warf der Jägerin einen gequälten Blick zu. "I-ich hoffe, Recht zu behalten. D-denn es täte mir aufrichtig Leid, j-jemand unschuldigen i-in den Tod zu schicken."
Dann trat Luise zurück und schwieg. Obwohl sie Schwester Maria vertraute, bildeten sich jetzt schon Zweifel an ihrer eigenen Entscheidung.
Sie hoffte inständig, gerade eine Lumianerin beschuldigt zu haben. Denn sonst würde sie sich niemals selbst verzeihen können.
Leider verlief es bei weitem nicht so gut, oder es verlief zu gut, je nachdem, wie man es sehen wollte. Entweder waren einige Bewohner zu weichherzig, jemanden zu opfern, weshalb sie sich selbst vorschlugen, oder sie waren in der Tat Mitglieder dieser Sekte und hatten sich einfach nur gestellt. Natürlich war Ross sich bewusst, dass er als Hauptmann die Aufgabe hatte, eine Entscheidung zu treffen und im Gegensatz zum Rest der Bevölkerung, konnte, nein durfte, er sich nicht selbst wählen, was er letztlich sowieso nicht getan hätte, da damit niemandem geholfen wäre.
"Bisher konnten diese Lumianer noch keinen wirklichen Schaden anrichten, weshalb uns sicher noch einige Zeit bleibt, sie zu finden und aufzuspüren. Bis dahin müssen wir aber eine Entscheidung treffen. Bevor ich wähle, will ich aber noch kurz etwas loswerden, was einen unserer hiesigen Spezialisten angeht, die anscheinend gerne ein Drama veranstalten. Ich spreche hier von Noel, der sich aufgrund seines Verhaltens sehr verdächtig gemacht hat. Das letzte, was wir brauchen, ist jemand, der den Hass der Bewohner auf sich zieht, denn sollte sich herausstellen, dass er unschuldig ist, hätten wir ihn zwar nicht mehr am Hals, aber wir hätten auch einen Unschuldigen weniger. Ich glaube nicht, dass Noel zu dieser Sekte gehört. Es ist nicht nur ein Gefühl, ich meine, seht ihn euch an. Er sieht nicht aus wie jemand, der ein Schwert auch nur hochheben könnte. Abgesehen davon, scheint er von seinen Gefühlen her wohl so verwirrt zu sein, dass er wohl keinen klaren Gedanken fassen und erst recht nicht so eine Nachricht, wie die, die die Lumianer uns gelassen haben, verfassen könnte."
"Wie dem auch sei. Ich weiß nicht, wer von denjenigen die sich selbst angeklagt haben, nun schuldig ist, oder nicht. Dennoch respektiere ich ihren Mut, sich selbst zu opfern, um die anderen leben zu lassen. Mir wäre es lieber, wenn wir einen Lumianer enttarnt hätten, doch leider kann haben wir heute dabei wohl kein Glück gehabt und müssen hoffen, den richtigen zu erwischen. Meine Stimme geht daher an Merete (MeTaLeVel)."
Mephista
27.03.2013, 18:22
Eine dunkler Keim wuchs gerade in ihrer doch eigentlich so heimeligen Dorfgemeinschaft heran. Die Erszen hatten schon begonnen, andere zu nominieren. War es bei Konrad, obgleich sie ihn noch nie zuvor so aufgebracht gesehen hatt, noch eine verständliche Schutzreaktion, vermochte Brunhild Noels, Peters und gerade der guten Nonne Marias Stimmen nicht zu hinterblicken.
Merete hatte mit ihren Worten, denen die Selbstbezichtung folgte, im Wesentlichen Anklang bei ihr gefunden. Auch der Wirtin war es nicht geheuer, was sich hier gerade zutrug, Gott konnte in diesem Moment nicht mit liebendem Blick auf sie hinabsehen. Auch der kleine Bastler verkündete vor Allen, dass er seinen eigenen Tod dem jedes Anderen vorzöge.
Langsam besah sie sich jeden der Anwesenden mit der wachsenden Erkenntnis, dass sie Keinem unterstellen könnte, zu der Sekte zu gehören. Und das würde sie an diesem Abend auch nicht tun. Da sich Brunhild sehr wohl bewusst war, dass nach dem Dorfrecht eine Enthaltung bei einer Abstimmung wie dieser einer Selbstbezichtung gleichkam, schritt sie still zu dem Verkündungsbaum. Auf dem Abstimmungszettel suchte sie dann die Buchtsabenfolge, welche sie als ihren Namen wiedererkannte und setzte dahinter einen Strich (Brunhild/Mephista). So bliebe dem Hauptmann später Aufwand erspart.
Eine Bekreuzigung später kehrte sie zu ihrem Platz zurück und beobachtete den Ausgang der Abstimmung.
Zirconia
27.03.2013, 18:45
Rekon war total verwirrt und gehetzt, da der Tag sich dem Ende näherte. Er wusste nicht, ob es das richtige ist, was er tat, als er das Wort ergriff. "Ich bin mir eigentlich ziemlich sicher, dass Merete unschuldig ist, doch scheint sie mit 4 Stimmen dem Tode sehr nahe zu sein. Das ist nicht das, was ich mir für das Dorf wünsche. Es soll keine unschuldige Person zum Tode verurteilt werden. Das will ich nicht verantworten. Deshalb, man verzeih es mir, werde ich, Rekon Alyas Nascia, den hier anwesenden Noel De'chrones'tulem (Nonsense) anklagen. Es tut mir Leid, Noel, aber du bist der einzige, den ich verdächtige. Verzeih es mir bitte..." und mit diesen Worten ging Rekon zum Stimmzettel und machte einen sauberen Strich hinter Noels Namen. Er hoffte, dass er den richtigen angeklagt hat...
Welch Spiel treiben Sie, mich ob der Idee zu verdächtigen, die Sie selbst unterstützten?
Meretes Worte gingen Konrad im Kopf herum als er dem nahestehenden Henkersgehilfen zunickte. "Habt ihr meine Stimme bereits notiert?" "Oh nein, nein noch nicht. Noch ist alle Zeit der Welt um den rechten Hals ins rechte Licht zu rücken." "Dann bitt ich euch, zeigt mir den Namen der Jägerin." Meretes Name flackerte im Fackelschein.
Konrad wusste nicht, was er von Marias Worten halten sollte. Er hatte zum ersten Mal Angst vor der Kirche gehabt an diesem Tage. Aber Ross hatte insofern Recht, das Noel sich zu auffällig verhielt. Noel war vielleicht ein Narr, aber sein Tod würde ihnen keine weiteren Hinweise liefern. Merete also. Wieso wollte die Nonne sie tot sehen? Wieso Luise sich ihrem Urteil angeschlossen hatte verstand er - zu jung war sie um eine eigene Meinung zu haben. Aber Ross führte sie wie ein Opferlamm zur Schlachtbank. Wenn Merete unschuldig war, hätten sie zwei Verdächtige gewonnen.
"Merete. (MeTaLeVel) Es tut mir Leid doch euer Opfer wird vielleicht den andren helfen klarer zu sehen. Ich glaube ihr seid unschuldig. Zumindest wart ihr die einzige die versucht hat heute die Nachforschungen zu unterstützen. Und ihr wart die erste vor Brunhild und Tyrell die sich selber wählte. Weise erschien es in meinen Augen. Aber ... in diesen dunklen Tagen suchen die Wölfe unter den weichherzigsten ihre Opfer aus. Meine Stimme allein wird euch nicht retten. Doch seid ihr unschuldig versprech ich euren Tod zu vergelten. Denn dann sind es Maria und Ross, die sich vor uns andren rechtfertigen müssen." Er zog den Strich hinter Meretes Namen. Und die Tinte schien ihm zu glänzen wie Blut. Sie ist unschuldig... so dachte er. Doch sicher war er nicht.
"Häh, Weiber. Sie ist eine Frau. Die bringen sowieso nur Unglück. Könnt froh sein wenn ihr sie los seid. Nun denn, rasch ans Werk!"
Einheit092
27.03.2013, 19:04
Das Dorf hatte sich nach langer mühvoller Abstimmung dazu entschieden Merete. (MeTaLeVel) dem Henker zu überantworten, doch was war ihre wahre Gesinnung?
Die Nacht beginnt und dauert längstens bis Freitag 12h. Die Nachtrollen werden tätig, Metas Rolle erfahrt ihr gleich.
T.U.F.K.A.S.
27.03.2013, 19:25
"Gut...", seufzte Lumi und schaute Djángo an. Dieser erwiderte ihren Blick mit einem Hauch von Schuldzuweisung in seinen Augen. "Nézz rám így! [Schau mich nicht so an!]", entgegnete sie wiederum. Ganz raushalten konnte sie sich nicht aus dieser Farce. Diese gottverdammte Farce.
Sie wühlte an Djángo vorbei in ihrem Beutel herum und zauberte die Spielkarten heraus. Sie atmete laut aus, mischte die Karten in ihren Händen, schloss dabei die Augen.
Ross, der König. Präsenz, Einfältigkeit in seiner aufgezwungenen Monarchie. Er wurde Dorf-Oberhaupt und erst seitdem schien es hier so vorzugehen. Definitiv ein sicherer Kandidat.
Merete, die Königin. Stolze Kriegsamazone, viel zu nett scheinend und ebenfalls recht dumpf wirkend in ihrer unerbittlichen Loyalität ihrem Dorfe gegenüber. Aber eine Jägerin ihres augenscheinlichen Kalibers hätte Konrad sowas von den Garaus gemacht - da wirkte es doch blöd, dass außer einer blutbeschmeirten Klinge (wessen Blut war das überhaupt?) keine Spuren gab für einen versuchten Mord. Und ihrer Statur nach zu urteilen wäre es für sie ein Klacks gewesen, den rotzevollen Konrad umzubringen. Sie schied zwar in Lumis Kopf aus, aber die Karten logen nicht - eigentlich. Fast immer gar nicht. Oft schon, aber nur wenn es Lumi passte. Ugh.
Tyrell, der Bube. Beschissene Handschrift, könnte zwar einer dieser Wahnsinnigen sein aber hat es ordentlich versiebt letzte Nacht. Auch wenn Kinder eigentlich als Mörder gute Dienste leisteten in den Orten in welchen sich Lumi soweit herumgetrieben hatte - eine derart wackelige Gestalt hätte tatsächlich ein derart todsicheres (ha!) Ding vergeigen können. Auch ein Kandidat.
Noel, das Ass. Entweder durchlebte er gerade eine schwierige Phase oder er war wirklich so von Grund auf durchgeknallt, dass er Leute töten wollte um seine Ziele durchzusetzen. Allerdings schien er mehr den Macker zu machen als wirklich etwas draufzuhaben - jeder Mensch verwandelte sich in seinen Augen in einen Kriegsgott wenn er ein Schwert hielt, egal wie mädchenhaft er war. Mit so etwas kannte-
Ugh.
Wer kam sonst in Frage? Alle anderen erschienen Lumi recht harmlos, selbst die dicke Frau in der Ritterrüstung ließ keine Andeutungen darauf zu, dass sie einfach aus Spaß (oder für ihren komischen Sektenheini der an der Spitze stand) LOeute umbringen würde. Umhauen, vielleicht. Aber direkt das Messer ansetzen? Und wieder - nicht einmal es hinkriegen zu treffen? Egal, sie wurde die 10.
Das rohaarige Mädchen hatte keine Seele, aber das war nicht ihre Schuld. Und so wie sie sprach war sie alles andere als gefährlich. Oder vielleicht gerade deswegen? Die 9.
So bekam jeder Einwohner eine Karte zugeteilt, der Lumi verdächtig wirkte. Als sie fertig gemischt hatte, legte sie den Stapel auf den Boden, hob eine Hälfte der Karten von der anderen und tat diese wiederum auf die erste Hälfte, sodass es fair blieb. Nichts gezinkt, markiert, sonst irgendetwas .
"Jól [Gut]...", flüsterte sie und betete stumm in ihren Bart, dass es den scheiß Horst treffen würde.
Sie griff die oberste Karte, drehte sie, studierte sie mit ernstem Blick und verzog das Gesicht vor Ekel vor sich selbst. "Bassza meg..."
Still stand sie auf, den Trubel der Leute um sie herum ignorierend schritt sie unauffällig zum Abstimmungszettel, warf Horst einen hasserfüllten Blick zu und setzte mit dem anhängenden Kohlstift einen Strich neben Tyrells (Ligiiih) Namen. So jung, wahrscheinlich unschuldig, aber sie wusste nicht, was sie sonst tun sollte. Heraushalten konnte sie sich nicht, ejtzt wo sie mehr doer weniger gefangen in diesem Scheißdorf war. Sie schaute Horst noch einmal an und zischte ihm ein "Baszd meg magad, Horst. [Fick dich, Horst]" entgegen als sie von der Bühne zurück zu ihrem Kartendeck schlurfte, das sie fein säuberlich wieder mit einem Band zusammenschnürte und zurück in den Beutel kramte. Dann setzte sie sich wieder, eingehend den Boden studierend.
= Ich habe nebenbei erwähnt wirklich so gewählt weil ich mich nicht entscheiden konnte.
Sie blickten hinaus auf das Meer, das feuerrote Farbenspiel, das die aufgehende Sonne auf den sanft dahinschreitenden Wellen hinterließ. Wellen, die nichts von den vielen Kämpfen wussten, die sie hinter sich bringen mussten. Wellen, die sie ihrer Vergangenheit entledigten und eine freie Zukunft versprachen. Sie blickte in die Augen des blonden Mannes, der dort vor ihr stand, dem der Wind nur leicht durch das kurze Haar strich. Die Iriden reflektierten das Blau der See, das Rot des Morgens.
Island war nicht mehr zu erkennen und doch würde sie ihr gemeinsamer Weg noch weit tragen. Für den Moment jedoch genossen sie die Ruhe, atmeten deutsche Seeluft ein, Luft, die frei war von Blut und Kampf. "Meine Mutter sang mir einst ein Lied!", sprach Arik. "Möchtest du es hören?"
Merete nickte und erfuhr die Melodie, die zu der ihren werden sollte. Sie entstammte einer Sprache, die sie nicht beherrschte, doch übersetzte ihr Gefährte ihr jedes Wort.
Bereits fünf Sommer war das nun her und Arik starb nur wenige Nächte darauf, opferte sich für sie, die sie flüchtete, immer weiter 'gen Süden, nie die Melodie vergessend, die er sie lehrte.
A whisper in my ear
A voice so strong and clear
Upon this beach I see
A million grains of sand
Sie war geflüchtet und hatte die Sprache des Landes gelernt, das ihre neue Heimat werden sollte, nie die Erinnerung an die vergessend, die zu ihrem Wohl das Leben ließen.
And I believe we are destined
Bound to survive against all odds
Weit war sie gekommen, drei andere Sommer gereist und fand schließlich den Frieden, den sie suchte in diesem Dorf.
Out where the truth lies,
I will follow
Out beyond this barren surround
I cry without a sound
Ein Hauptmann, groß und gut, nahm sich ihrer an, schenkte ihr die Gelegenheit, dieses Dorf ihr Heim zu nennen.
Out where the truth lies,
I will follow my eyes into the sun
Zwei Sommer vergingen und sie schien ihr Ziel erreicht zu haben. Ein Leben fernab von Krieg und Hass. All die langen Jahre der Flucht machten sich bezahlt.
Sometimes I lie awake
I dream of everyone
Who walked the path I take
Who ran beneath the sun
Doch mit dem Tod des Hauptmannes erstarb auch der Frieden. Feinde nahmen ihn und die Angst ließ die Menschen handeln, verführte sie zu Mord.
And I believe it's my destiny
Bound to survive against all odds
Letztendlich traf es sie.
http://www.youtube.com/watch?v=AjZRHMDelHg
Hatte sie nicht alles getan, um das Leben zu verdienen? Gekämpft und Recht von Unrecht unterschieden. Nie stahl sie eines Arglosen Gut. Nie schnitt ihr Dolch eines Unschuldigen Haut. Nie traf ihr Pfeil ein reines Herz. Sie verlangte doch nur das Einatmen dieser süßen Luft, nur nach dieser sehnte sie sich. Sie - die letzte Überlebende der Uppreisamoti Kirkja.
Töricht war sie gewesen, hatte sich selbst zur Zielscheibe gemacht. Ein Fehler, den man dankend nutzte, um sich ihrer zu entledigen. Ihr Weg hatte als Heidin begonnen und endete als solche. Zentnerschwer wogen ihre Füße als sie die hölzernen Stufen zum Galgen hinauftrat, als würden all die Meilen ihres Lebens sich erst jetzt melden, ihr den letzten Gang erschweren. Doch solange sie nur nicht vergaß, zu atmen, die letzten Züge der weichen Luft unter ihrer Brust zu spüren, so wäre es erträglich.
Ihr Blick fuhr in die Menge, doch wurde er nicht genauer. Etwas in ihr sträubte sich, einzelne Gesichter auszumachen. Wozu? Was willst du in ihren Mienen lesen? Reue, die es dir erträglicher macht? Angst, die es für sie rechtfertigt? Nichts von dem willst du sehen, Mädchen. Richte den Blick 'gen Himmel und atme. Genieße die letzten Züge der Luft, die du so liebst.
Merete tat die letzten Schritte und blieb stehen. Der ruhigen Geste des Henkers besten Freund, der sie sadistisch lächelnd anwies, auf den Stuhl zu steigen, folgte sie. Seine groben Hände griffen in ihr Haar, zogen es nach hinten, den rauen Strang schlang er um ihren Hals, bis seine Pranken sich lösten, ein ewiger Moment der Ruhe folgte.
Oh, Arik, es tut mir Leid. Du machtest mir ein Geschenk, gabst dein Leben für meins. Wie nachlässig ich mit diesem Geschenk umging. Verzeih mir!
Ein letzter Atemzug. So eine süße Luft. So friedvoll ihr Geschmack.
Oh, Arik, so hör' mich an! Sei mir nicht bös', wenn ich verlang', dass es den Himmel gäb', von dem unser Feind berichtet. So hege keinen Groll gegen mich, wenn ich wünsch', dass auch uns beiden ein Platz in diesem Himmel nicht verwehrt blieb'. Auf dass ich selbst vor dir knien und dich um Verzeihung bitten kann.
Der Stuhl unter ihren Füßen wurde zur Seite gestoßen und Merete fiel. Der Strick klemmte sich beißend um ihren Hals, doch ihr starkes und trainiertes Genick hielt stand. Und so rang sie vergeblich nach der Luft, die ihr Ein und Alles war, bis das dicke Seil den Kampf um ihre Kraft gewann und der entseelte Körper einer unschuldigen Bürgerin leblos am Galgen schwang.
Kalte, eisige Stille.
Der Atem einer jeden Lunge selbst schien zu gefrieren, als das junge Mädchen vor den glasigen Augen der Menschen um sein Leben kämpfte, jede Sekunde herauszuholen versuchte. Langsam, unendlich langsam verlor sie den Kampf und ihr schmächtiger Körper zuckte nur noch einige letzte Mal, bevor er obszön vom Galgen hing.
Kein Sternenstaub. Sie ist... unschuldig.
"Ich will nicht sterben! B-bitte... bitte bring mich nicht um!"
"LASS MEINEN PAPA IN RUHE! DU TEUFEL, GEH WEG VON IHM!"
"Warum tust du uns das an?
Warum schlachtest du meine ganze Familie ab?
Was haben wir dir getan?
Warum tust du uns das an?
Warum tust du... uns... das an...."
Die Stille, die an diesem Abend mehrere Male auf dem Platze aufgetreten war, war nichts, aber auch nichts im Vergleich zu dem, was jetzt mit seinen unsichtbaren Klauen den Platz bedeckte.
Es gab hier keine Stimmen mehr.
Die Kraft wich aus Noels schmächtigem Körper, seine Lippen zitterten leicht, als er seinen Kopf hängen ließ, die roten Haare tief im Gesicht.
Ich habe versagt. Ich bin nichts wert. Ich habe Alles falsch gemacht.
Deus trat still an Noel heran, setzte sich vor ihn, um ihm von unten in die dunklen Augen zu sehen.
Du kannst nichts dafür, Noel. Du hast getan, was du konntest. Irgendjemand musste sterben. Der erste Avatar ist raus. Das Spiel geht weiter.
DAS IST KEIN SPIEL!
Getan, was ich konnte? Es war nicht genug, verdammter Gott!
Ich, ein Redner der sich bisher einbildete, das Wort zu beherrschen wie kaum ein anderer Mensch, welcher auf dieser Erde wandelt, habe versagt dabei, eine Gruppe Bauerntölpel von den wahren Schuldigen zu überzeugen!
Einen Dreck beherrsche ich, Pest und Verdammnis!
Noels Beine gaben nach. Ertrinkend in Schuldgefühlen und Selbsthass schlug er mit seinen dürren Fäusten immer und immer wieder auf den steinigen Boden des Dorfplatzes, brüllte mit zusammengepressten Zähnen seinen Frust heraus.
"Verändern wollte ich mich! Dieses Dorf beschützen, jeden einzelnenen Unschuldigen! Für sie! Für meine kleine Elfe...Worte! Nichts als vor Arroganz trieffende Worte!
Versagt habe ich im ersten Anlauf! Das Ergebnis war, das wir eine der fähigsten Kämpferinnen Düsterwaldes' an die Lumianer-Maden verloren!
Wenn ich es schon nicht schaffe, eine junge, mutige Kriegerin zu schützen, wie soll ich erst.. wie soll ich... meine kleine Elfe schützen... ?"
Frustriert und für seine Verhältnisse vollkommen außer sich kniete Noel auf dem kalten Platz, krallte sich die Finger in sein ausgemerkeltes Gesicht. Es war zuviel. Nie hatte er im letzten Jahrzehnt Gefühle gezeigt. Und jetzt dieser Schwall. Das wollte ihm nicht in den Kopf. Sein lange aufgebauter Stolz zerbröselte nach und nach.
"Die Zeit ist aus den Fugen... nicht länger steht sie im Raum, die Frage des sterbens oder nicht. "
Verbittert biss sich Noel auf die Lippe, bis diese blutete.
Stumm und wissend, dass Worte, ganz gleich wie fein und exakt gewählt, Noel jetzt nicht helfen würden, saß Deus mit geschlossenen Augen hinter ihm und wartete, dass er sich beruhigte.
Wenn man sein Leben lang eine gefühllose Bestie ist und sich plötzlich entschließt, ein "Mensch" zu werden... ist das immer eine Tragödie. Das Spiel der Deuses kennt sein erstes Opfer, doch es geht weiter. Das Morden. Das Spiel.
Schweigend verlor sich der Blick des Wolfes in der baumelnden Leiche Meretes.
Der erste Tag neigte sich dem Ende. Voller Schock und Schrecken registrierte Maria, was sie angerichtet hatte - Jetzt trug Maria eine Schuld, die Merete nicht getragen hatte. Merete war unschuldig. Und Maria verantwortlich für Meretes Tod.
Nur weil sie keine Christin gewesen ist, und Maria sie deswegen kaum kannte und einschätzen konnte, und Marias oberflächliche Einschätzung von Vorurteilen geprägt war, nur deswegen hätte Maria überhaupt in Betracht gezogen, dass Merete den Lumianern angehörte. Nein, das Böse war in anderen Menschen zu finden.
Vielleicht, so dachte Maria, vielleicht lauert das Böse wirklich in uns allen. Vielleicht hatte Merete recht... Das gesamte Dorf wird daran verenden. Vielleicht hat Gott uns verlassen und uns zum Abschluss die Lumianer geschickt...
Maria hielt sich die Hände vor den Mund, sank auf die Knie, und versuchte, sich auf's atmen zu konzentrieren. Es wurde alles so schwer.
Atmen. Maria, atmen. , erinnerte sie sich selbst in Gedanken.
...
Warum eigentlich? Das tut Merete jetzt doch auch nicht mehr.
...
Plötzlich schossen Maria Worte durch den Kopf, nahezu unkontrolliert, und doch erschienen sie so wahr...
Nonne, du verdienst, zu sterben.
Du bist unwürdig.
Du bist unwürdig, die Kirche und das Kloster je wieder zu betreten.
Deine Sünden und deine Schuld werden nie reingewaschen sein.
Dein Leben ist dem Untergang geweiht.
Ihr war so schwer, als wenn irgendetwas sie zu zerdrücken versuchte. Sie spürte ihre Schuld, einem unschuldigen Menschen das Leben gekostet zu haben. Sie war diejenige, denen andere gefolgt sind. Auf ihr Wort wurde vertraut, und es war Falsch gewesen. Vielleicht würde man ihr nun nie wieder vertrauen.
Dann betrachtete Maria den Mond über ihnen, vor ihren Augen längst verschwommen. Auch die umgebenden Menschen kehrten ihr - langsam - wieder ins Bewusstsein zurück. Sie war immer noch auf dem Dorfplatz. Doch wo sollte sie hin, wenn die Nacht anbrach? Ins Kloster konnte sie nicht mehr, nein, da würde sie nicht mehr bleiben dürfen. Dafür hatte Maria zu große Schuldgefühle, man würde sie gewiss nicht mehr in Gottes Wänden sehen wollen. Alles, was sie nun noch tun konnte, war lediglich beten. Beten um Gottes Beistand. Um Gottes Vergebung. Und ob ihr selbst noch irgendjemand trauen würde?
Der nasse Boden unter Marias Füßen war kalt und hart. Viel zu kalt und viel zu hart... Genauso wie die ganze Luft voller toter Kälte stand. Doch Maria hatte nichts anderes verdient.
Da fiel ihr Blick auf Brunhild. Ob vielleicht zumindest Brunhild ihr noch vertrauen könnte? ... Ob man wohl Brunhild vertrauen könnte? Sie hatte ihre Wahl immerhin nicht öffentlich gemacht. Was für eine kluge Frau.
Maria blieb kaum eine andere Wahl, als es zumindest zu versuchen.
Auch wenn sie nun vielleicht die sündigste aller Nonnen war, so brauchte sie nun einen Platz, um die Nacht zu überbrücken.
"Brunhild", sie sprach die gute Frau leise an. "Brunhild... Ich weiß, dass dieser Fehler unverzeihlich war. Doch fürchte ich nun, dass ich heute Nacht nicht mehr in Gottes Wänden verbringen können werde. Zu tief sitzt mir die Schuld in allen Gliedern ob des unschuldigen Fräuleins Leben. Ob ich... ob ich vielleicht ... zumindest diese Nacht.. bei euch im Gasthaus verbringen dürfte?"
Und nach einem kurzen Zögern fügte sie eilig hinzu:
"Ich... ich bin auch bereit, mich dafür von euch einschließen zu lassen, sodass ich nicht aus dem Zimmer heraus kann, wenn ihr mir nicht traut. Ich werde heute Abend nur noch beten, und dann schlafen gehen, sofern ich denn heute noch einmal Frieden fände..."
Traurig und Hoffnungsvoll blickte sie Brunhild an.
Einaudi - Odd Days (http://www.youtube.com/watch?v=BszRS1r2gk4&list=PL13577D62088352DB)
Konrad wusch sich mit Brunnenwasser das Eis aus dem gefrorenen Haar und den Angstschweiß vom Nacken. Er stand noch dort und atmete einmal mehr die rauchige Nachtluft als Merete fiel. Er hatte Hinrichtungen bereits gesehen, meist war es nur ein rascher Moment. Aber das gewohnte Krachen blieb aus und so schien es als kämpfte Merete. Gegen den Tod. Gegen die Ungerechtigkeit. Sie hatte nicht einmal die eigene Stimme zurückgezogen, als ihr Leben in Gefahr war. Eine starke Frau. Eine furchtlose Frau. Unschuldig.
Er zog seinen Hut und wandte den Blick ab. Ohne sich bewusst dafür zu entscheiden begann er für Meretes Seele zu beten. Einige Tropfen fielen von seinem Kinn auf den weichen Grund hinab auf dem er stand. Färbten ihn dunkel. Unter seinen Füßen bemerkte er musterlose Formen im weichen Sand, platt getreten. Meinte ein kleines Reh auszumachen, einen Stern. Wellen, Strudel, Seevögel...
Es gab eine Ort, an den er als Junge sehr gerne gegangen war. Um mit den großen Fischen den Fluss hinabzuschwimmen und sich dort vom Mond bescheinen zu lassen. Um Ruhe zu finden.
~*~ Der alte Wildpfad ~*~
Seine Füße fanden von selbst den alten Wildpfad, den er als Junge so oft gelaufen war. Er folgte dem Lauf des Flusses die Sägemühle hinab. Dem Tode entkommen wollte er noch einen Abend erfüllt leben. Wirklich und gut leben. Merete war aus dem Wald gekommen, nachdem sie den merkwürdigen Schweif gesehen hatten. Viktoria war sich nicht sicher gewesen ob es ein gutes Zeichen war. Aber Konrad war nicht auf den Kopf gefallen. Es hatte etwas für Merete bedeutet. Etwas wichtiges. Es hatte nicht mit der Hauptmannswahl zu tun gehabt. Vielleicht ein Zeichen zur Abwehr des Bösen? Nein... er hatte die Geschichten gehört, das alte Könige im Norden auf See verbrannt wurden. Brandpfeil. Ein Zeichen. Ihr Zeichen. Tribut.
Er stolperte nicht, selbst als er die Augen schloss und im Lauf nachdachte...
Es roch noch nach den Torffeuern. Schau das du ins Warme kommst.
Der Traum von seiner Tante. Ich bin sicher, die Krankheit die meinen Onkel befiel ist vor allem die Einsamkeit durch ihren Verlust. Wüsste er von ihrem Verbleib... Wäre nicht diese rätselhafte Nominierung gewesen, hätte ich Merete darum gebeten mich in den Wald zu begleiten. Ross hätte es erlaubt. Er ist jünger als der alte Hauptmann und kennt den Wald.
Es roch nach frischem Harz. Lauf nicht zu weit.
Du hast Igel, Meisen und Rehkitze angeschleppt, da warst du nichtmal so hoch wie die Tischkante. Ständig barfuß und mit diesem schrecklichen Lodenhut mit Federn und Steinen daran auf deinem strubbeligen Haar. Deine Tante hat oft versucht es dir abzuschneiden.
Es roch nach reinem Schnee vermengt mit aufgewühlter Erde. Denn dort fressen dich die wilden Tiere.
Aber du bist auf und davon gehüpft um bei der Mühle im Nachbardorf Kröten zu fangen oder einfach nur mit den Möhren im Klostergarten zu reden um ihnen beim wachsen zu helfen.
Es roch nach den ersten zarten Blüten. Denn dort holt dich der 3-Augen Bill.
Sie kam im selben Sommer hierher wie ich. Doch wir haben nie ein Wort gewechselt.
Mondwasser und klare Luft. Und der Wyrm verschleppt dich in seinen Hort.
Aber sie war hier zuhause, wie ich hier zuhause bin.
~*~ Am Waldsee ~*~
Es war merkwürdig leicht gewesen an der Kirche vorbei zu gehen, die ihm nun verwehrt war. Er brauchte keinen heiligen Boden um bei Gott zu sein. Der Wald war seine Kathedrale. Die Räucherfässer und das Klappern der Gebetsketten fehlten zwar, aber der Wald lag still und nicht minder heilig da.
Die Laterne stellte er neben seinen Stiefel – da erst fiel ihm auf das er in den Fußabdrücken eines anderen stand. Er neigte den Kopf, sicherte seinen Stand in den kleinen Abdrücken und setzte die umwickelte Bolzenspitze an der Laterne in Brand. Dann schickte er mit ruhigen Händen einen Stern hinauf zum Himmel zusammen mit einem Gebet: "Möge ihr letzter Wunsch in Erfüllung gehen." Er war nie ein besonders guter Schütze gewesen – die Sehne der kleinen Armbrust schnellte zurück und knallte ihm gegen die Hand und der Feuerbolzen wackelte bedenklich und stieg nur knapp über die Baumwipfel ehe ihn die Mitte des Sees verschluckte. Er hoffte nur das Meretes Seele den Schein gesehen hatte und lächelte.
Die dunklen Baumwipfel rauschten. Die Schaukel, die er als Kind gebaut hatte, hing tief in den See hinab. Seine Beine tauchten bis zu den Knien ein, seine breiten Schultern drückten die Hanfseile sacht auseinander als er auf das Brett kletterte. Seine Hand mit dem Abdruck der Sehne ins kühle Wasser hielt. Und sich vom Windspiel und vom See trösten ließ. Es war als würde er alte Freunde treffen. Freude vermengt mit Leid, weil er verpasst hatte ihrer Geschichte zu lauschen.
Glück, Glanz und Ruhm verschwinden im Nichts wie ein Tropfen der ins Wasser fällt.
Eine kreisförmige Welle verläuft am Horizont. Es bleibt nichts zurück.
Konrad senkte den Kopf zum Gebet. Er atmete tief und ruhig und fragte Gott um Rat, wie er es immer tat wenn ihn etwas beunruhigte. Und er rief seinen Schutzpatron an: Ad te beate, Josef. Sieh auf das Volk, das Jesus Christus mit seinem Blut erworben hat, und hilf uns mit deinem mächtigen Beistand. Du Beschützer der heiligen Familie, wache über unser Heim. Halte fern von uns alle Ansteckung durch Irrtum und Verderbnis. Du starker Helfer, steh uns bei im Kampf mit den Mächten der Finsternis. Nimm uns in deinen Schutz, dass wir nach deinem Beispiel und mit deiner Hilfe heilig leben, selig sterben und das ewige Leben erlangen... führ' Meretes Seele sicher heim an den Ort an dem ihre Anvertrauten auf sie warten.
„Besser ich als ein anderer.“
Deus Io vult - Gott will es.
„Ich hätte dasselbe tun sollen.“, die Worte kamen heraus wie ein Schluchzen. Sie war beispiellos vorangegangen. Doch er selber war von Furcht erfüllt gewesen es ihr gleichzutun. Zur eigenen noch eine fremde Stimme zu haben die in die Waage fällt... Wie können sie wissen was Gott will? Sie können das heilige Wort lesen, Konrad. Du kannst es nicht. Gott spricht zu mir durch seine Schöpfung. Er ist gütig. Er vergibt, wo der Pfarrer mir nicht vergeben kann. Er ist größer als sie.
Ein Käuzchen raschelte mit seinem Gefieder. Es war Frieden. Für einen Moment. Der Mond floss zwischen dem Geäst hindurch, wisperte Geschichten im aufkommenden Nebel auf dem Leuchtkäfer dahinglitten. Kein Glasfenster könnte schöner sein oder reicher an Geschichten und Trost. Lass die große Leere nicht in dein Herz, Konrad Mattisson. Die Welt ist gefährlicher geworden. Und allüberall ist Liebe nun verwoben mit Trauer. Und doch besteht Hoffnung, solange Vertrauen zu finden ist. Lass dir das Herz nicht schwer werden. Geh nun und ruh', denn du bist erschöpft nach so viel Plagen und Trauer. Schlaf in Frieden heut' Nacht.
~*~ Heimwärts ~*~
Er blickte zurück auf den Wald der sich nach Westen erstreckte. Irgendwo dort fand sich der Schlüssel – die Wahrheit über das Verschwinden seiner Tante. Er würde Rekon fragen. Ihm hatte Merete vertraut. So wie Ross sich für Noel ausgesprochen hatte. Vertrauen. Noch war nicht alles verloren, wenn sie vertrauten. Er würde sich treiben lassen und darauf hoffen, das Gott ihn durch diesen aufkommenden Sturm trug. Und sein Herz war leicht denn sein Weg war nun klar. Er bekreuzigte sich und schritt zurück ins Dorf.
Aus dem Augenwinkel meinte er ein helles Tier davonspringen zu sehen. Aber es war wohl nur der Mond und die Müdigkeit in seinen Gliedern.
~*~ Im Wirtshaus ~*~
Er legte Brunhild einen großen Beutel mit Kräutern auf den Tresen. „Ich hab eben noch nach den Pferden geschaut. Die Arbeit die liegen geblieben ist hol ich nach, versprochen. Mach bitte hieraus einen großen Pott für alle, meine Beste. Is' gegen die Kälte und eine anbahnende Erkältung. Wir waren heute alle recht lang draussen.“ Er räusperte sich und blickte mit gespielter Empörung Noel an, während er sich Luise zuwandte und sie aus dessen Mantel pflückte. Er sprach ein wenig lauter weiter: „Ich werd nämlich nicht zulassen das diese Lama-Sektennasen an einer Grippe verenden! Nicht wenn die Chance darauf besteht, das des Henkers Gehilfe bei ihnen vorher noch vorbeischaut und sie ein wenig das fürchten lehrt.“ Dann legte er Luise sorgfältig ihren eigenen Mantel um, drückte ihre Schulter sacht und schritt auf Noel zu. „Hier. Den Mantel musst du bei deinem Auftritt vorhin verloren haben.“ Seine Augen blickten distanziert und abschätzend auf Noel. Vor allem auf dessen blutig aufgebissene Lippe. "Lern erstmal dich selber zu beschützen, bevor du versuchst für andre ein Schild zu sein. Und solange diese Verrückten hier herumspazieren bin ich nicht sicher, was ich mit jemandem mache der ihr zu Nahe kommt. Legs nicht drauf an, dann kommen wir schon irgendwie miteinander aus. Und trink nen Schluck Tee - du standest den ganzen Abend über nur in deinem Hemd herum. Kannst froh sein wenn du keine Frostbeulen hast. Hier." Und er reichte ihm den Mantel und einen großen duftenden Pott mit honigsüßem Kräutertee.
Dann setzte er sich mit einer eigenen Tasse von dem Kräutertee zu Justus, der eben von den Feldern zurückgekehrt war. Die Mönche hatten im Auftrag des Pfarrers den Teufel in den Ställen und in den Gebäuden ausgetrieben. Es war ein langer Tag gewesen – doch manch einer sorgte sich auch nun noch um das Seelenheil der Dörfler und stand ihnen bei. Wie auch sein Beichtvater. Konrad hatte ihn eben auch noch darum gebeten sein Testament abzuändern – um Lumi darin zu bedenken.
„Du riechst nach Wind und Wald, Konrad. Wär dein Vater kein Händler von sonstwo, sondern von hier, hätte dich der Herzog sicher als Falkner angestellt. Aber da du nicht von hier bist... Junge... du hast dir damals schon keine Freunde gemacht mit deiner Offenheit und der Rumtreiberei. Sei es der Flickenjorgen, der hier alle paar Jahre durchkam bevor ihn der Wolfswinter erwischte oder diese Ausländer die dich anzogen wie Frühlingsblumen die Hummeln. Mich wunderts nicht, das wer dich beim Herrn Pfarrer angeschwärzt hat.“
Konrad wich dem offenkundigen Griff an eine seiner Schwachstellen mit einer Gegenfrage aus. „Mein Vater lehrte mich zu reiten und mit der Balester umzugehn, auch wenn ich bei keinem von beidem viel Geschick bewies. Und er erzählte mir von größeren Männern, nach deren Vorbild ich lebe. Wieso erzählt keiner von den großen Frauen dieses Landes? Den Weisen, Beherzten, Sanftmütigen? Wieso erzählt keiner von der heiligen Hildegard oder...“
„Mädchen sind einfach nicht dafür geschaffen, groß in der Weltgeschichte herum zu klettern. Das ist gefährlich. Ausserdem bringen Frauen nur Unglück. Hörst du mich Konrad? Unglück. Sie tun was sie wollen und sind launisch wie Aprilwetter. Das ist das einzige worauf du dich verlassen kannst.“
Er dachte an Meretes Augen. Wer weiß schon, was ihre Augen sahen. Ihre Augen wirkten so alt. Neugierig hatten sie manchmal aufgeblitzt, forschend, fragend. Und doch blieb die Nordfrau immer stumm. Als hätte sie mehr gesehen. Als hätte ihr Herz mehr gefühlt. Als wäre ihre Seele vom Meer weit und frei geworden. Wie klein müssen ihr unsre Sorgen erschienen sein, wenn sie das Meer gesehen hatte. Sein Vater Matthias und seine Brüder Titus und Wilhelm waren ständig auf Reisen. Liam hatte ihm vom Meer erzählt. Wie furchteinflößend und stark es war. Und wie wunderschön.
Konrad blickte derweil nachdenklich auf Lumis goldene Locken, die seinen so ähnlich waren. Er vermutete das sie, wie diese Nordfrau, irgendwoher kam wo es nicht so schön war wie hier. Etwas war mit ihrem Auge passiert... oder war sie so geboren worden? Vielleicht war sie eine von den Frauen die mit Geistern reden konnte? In seinem Geburtsort hatte es sie gegeben – die Weiber, die man nur heimlich ins Haus holte, wenn kein Mediziner mehr helfen konnte. Oder um sicherzugehen, wenn ein Vorhaben gelingen sollte. „Stell dich mit den Nornen gut, blüht der Distel Federhut, weben sie dir Schicksalsfäden, auf denen Licht und Tränen zum Himmel streben.“
„Was murmelst du da in deinen Bart?“
„Nichts.“
„Nichts also, hm? Hör mal her, du hast in deiner Zeit hier viel Gutes getan, Junge. Manche Dinge kann ein Mensch nicht einfordern. Nur erhoffen. Und sie bleiben ein Geschenk.“
„Ihr meint die Hauptmannwahl? Darüber bin ich schon hinweg. Luise...“ „Wird dieses Jahr alt genug sein um sich zu vermählen, so ihr Vater es wünscht. Und du solltest ihr dabei helfen und die notwendigen Möbel zur Aussteuer beitragen. Und nicht dein Geld irgendwelchen Rumtreiberinnen in den Rachen werfen nur weil deine Neugierde dich umtreibt.“ Luise. Sie war ihm mehr als alle andren hier im Dorf in diesem Jahr ein Rätsel geworden. Und doch. Ihr aufmunterndes Lächeln. Ihr schuldbewusster Blick. Ihre Stimme. Das Leuchten ihres Haars. Das alles war gleich geblieben. Aber der Zwiespalt dieses jungen Herzens... das er ihr nicht folgen konnte wohin sie nun ging. Sie sieht aus wie ihre Mutter. Und die hat der Wald verschlungen.
Konrad stand auf und nickte Justus zum Abschied zu. "Schluss für heute, mein Bett ruft mich. Also vermerk es Justus, 40 Goldtaler. Keinen weniger. Verstanden?" "Wie du wünscht. Auch wenn es närrisch ist..." "Lass gut sein Justus, du hast es verpasst mich zu einem klugen Mann zu erziehn, dann bin ich halt ein Narr. Aber ein glücklicher Narr. Peter? Brunhild? Danke... für eure Worte. Es wär vielleicht anders ausgegangen heut', hätt ich keine solchen Freunde wie ihr es seid. Schlaft ruhig heut Nacht und erholt euch von dem Schrecken. Gott schütze euch. Luise? Wir gehn heim. Komm."
In der Apotheke richtete er sich mit der Balester auf dem Gang im oberen Stockwerk einen Schlafplatz vor Luises Kammer ein. Luise schimpfte ihn zwar, weil er ein Dummkopf war, den Boden seinem Bett vorzuziehen, aber wenn sein Onkel eines nicht überleben würde, dann wäre das ein erneuter Schicksalsschlag. Und doch fiel er bei seiner "Nachtwache" in einen tiefen Schlummer, als er da so saß und durch das Nordfenster des Ganges auf den Sternenhimmel blickte und nur Kürbis leise und aufgeregt in seinem Schoß japste und mit dem Schwanz wedelte, fast so als jage er in seinem Traum mit hohen Sprüngen ein paar Mäuse.
Zirconia
27.03.2013, 21:58
Nachdem Rekons Jägerkollegin unschuldig dem Galgen überlassen wurde war er schon ein bisschen traurig. Er entschloss sich, eine Nachtjagd zu machen, um an etwas Nahrung zu kommen und um Merete zu zeigen, dass sie beruhigt ruhen kann. Rekon ist noch eifriger als sonst und erlegt mehrere schlafende Tiere. Natürlich munterte ihn das nicht direkt auf, aber wenigstens waren es kleine Erfolgserlebnisse. Nach einiger Zeit kam ein Händler vorbei, der Alkohol anbot. Rekon kaufte sich recht viel um sich seinen Frust wegzutrinken. Als er mit ganz schön viel Fleisch und einem Haufen Alkohol (verstaut in einem großen Beutel) sein Zuhause erreichte, war Mina schon am schlafen. Er füllte das Lager und fing an zu trinken, bis er eingeschlafen ist.
Na Rekon? Wie fühlt es sich an, jemanden zu verlieren?
Ich bin Verluste eigentlich schon gewöhnt, aber irgendwie ist die Trauer immer da...
Was ist los? Diesmal schreist du mich ja gar nicht an?
Asmotheyx, ich habe getan was ich konnte. Ich konnte weder dich, noch Merete retten...
Du hast also doch versucht, mich zu retten?
Natürlich. Du warst die einzige Frau für mich.
Du schmeichelst mir... Lass uns fortan zusammenarbeiten. Zusammen können wir die Bedrohung stoppen...
Nach diesem Gespräch in Rekons Traum, schmiedeten Asmotheyx und er Pläne, die Lumianer loszuwerden...
T.U.F.K.A.S.
28.03.2013, 08:16
Nachts durch ein verlassenes Dorf wandern war nicht wirklich eine Lieblingsbeschäftigung der Zigeunerin. Aber jeglicher Kontakt mit Menschen war ihr im Moment zuwider. Sie stellte sich vor dem Galgen auf, dessen Schlaufe traurig in der kühlen Brise baumelte. Sie kannte Merete nicht, allerdings wirkte sie von Anfang an alles andere als kaltblütig. Eher dumm und loyal. Wie ein Hund. Ein dummer, lieber Hund, der sich viel zu sehr darum kümmerte, es seinem Herrchen recht zu machen. Und das war alles andere als negativ gemeint, wo Djángo im Prinzip nicht mehr für Lumi war als das, was Merete wohl für's Dorf war - loyal. Einfältig, aber ehrenhaft. Ehrenhafter als Lumi, zumindest.
Sie griff in den Sack mit dem Wunderpulver, schnappte sich eine Handvoll des nach Lavendel und Schwarzpulver riechenden Gemischs und hielt sich die zur Faust geballten und mit Pulver gefüllte Hand vors Gesicht. Lumi schloss die Augen. Und flüsterte ein kleines Stoßgebet zu Ehren der vormalst Loyalsten hier.
"Mere.... Met-Mereteta-Meta-Bassza meg... Diese Frau war ein guter Mensch - glaub ich. Sie war... sie war eine von euch. Eine Frau, die die Natur liebte...und das Jagen. Und als Jägerin hat sie - schätze ich - sämtlichen Wälder von Dusterwald bis Finsterwald erforscht, sogar rauf bis nach die nördliche Grenze... ach, wie hieß dieses verkackte... äh... vergessen, egal. Sie starb... sie starb so wie viel junge Menschen in diese Generation vor ihre Zeit."
Sie merkte, wie sich das auf merkwürdige Art und Weise angenehme Aroma des Wunderpulvers in ihrem Körper breitmachte. Ihr fiel es schwer, noch gerade zu stehen ohne zu schwanken. Und schämte sich ein bisschen als sie merkte, wie ihr Stoßgebet langsam aber sicher vollkommen entgleiste.
"In deine wie auch immer geartete göttliche Weisheit hast du sie zu dich genommen, so wie die anderen jungen Frauen in der Blüte ihres Lebens. Auf Schlachtfeldern rund um diese Land, in Wäldern als sie gegen riesige Bären kämpften, in... weiß nicht, überall halt wo plötzlich Leute sterben können. Diese junge Frauen gaben ihr Leben...so auch du, Mere-Metere-Metere-scheise. ME-RE-TE-TE, die das Jagen liebte. Und jetzt... Mer-Tem-duweißtschondassdugemeintbist... genau so wie es dein letzte Wunsch gewesen ist - jedenfalls vermute ich das - werde ich dafür Sorgen tragen dass dein Seele - das du hoffentlich hattest weil du hattest kein rote Haare wie fast alle hier in diese Kuhkaff - auf sicheren Weg hochgeht in was auch immer deine Himmel ist. Von diesem Dorf aus, welches du immer so geliebt hast. Gute Nacht, süße Krieger-Prinzessin."
In dem Moment, als sie die Hand öffnete und das Pulver in Richtung des Galgens pusten wollte, kam ihr ein starker Gegenwind entgegen, der ihr die ganze Ladung im wahrsten Sinne des Wortes um die Ohren fegte. Es knallte ein paar Male, sie kiekste vor Schrecken und hielt sich die Hände vors Gesicht, plötzlich schien sie für ein paar Momente wie in einem glitzern scheinenden Nebel gefangen, der sich nach ein paar Sekunden wieder verzog. Still hockte sie nun am Boden, breit grinsend.
"Und tschüss, Jägerfrau...", sagte sie, stand langsam wieder auf und antwortete auf Djángos nervöses Gefiepse mit einem lapidaren "Jetzt bin ich wieder gute Laune! Ha-ha!", während sie unbeholfen und nicht mehr ganz Herrin ihrer Sinne zurück zur Taverne wankte.
Mephista
28.03.2013, 13:37
Die Kälte durchdrang mühelos alle Stoffschichten und fuhr bis in die kleinste Faser ihres Körpers.
Es war die Art gewesen, wie die stille Jägerin ihren letzten Gang angetreten war, die unumstößlich verdeutlichte, dass sie bar jeder Schuld gerichtet wurde. Diese Erkenntnis, die die Wirtin den Blick abwenden ließ.
Es war das Geräusch des unsäglichen Todeskampfes gewesen, das noch immer in ihren Ohren nachhallte. Ihr die Tränen in die Augen schießen ließ.
Es war der nun leere, entseelte Ausdruck in den Augen der zu Unrecht Gehängten, dass sie wie in Trance nähertreten und niederknien ließ.
Die Hand ausstreckend trachtete sie danach, die schlaffen Glieder zu umfassen. Die vielleicht noch nicht ausgefahrene Seele um Verzeihung zu bitten, dies Schicksal nicht abgewendet zu haben. Den Zeitpunkt des Kennenlernens immer wieder verschoben zu haben, im trügerischen Glauben, es gäbe in der Zukunft noch genug Zeit dafür. Doch sie fühlte sich nicht würdig genug.
Die Hand zog sich zurück und legte sich an ihr Gegenstück zum Gebet. Inständig bat Brunhild den Herren um sicheres Geleit für die Seele Meretes, flehte ihn an, sie möge, wo auch immer sie hinwanderte, den Frieden finden, der ihr hier nicht mehr vergönnt war. Um Beistand ersuchte sie ihn demütig, obgleich sie bei Weitem nicht die frommste Frau unter seinen Kindern auf Erden war. Beistand für sie und alle anderen Bürger, die kommende Zeit zu überstehen und den Blick zu klären für die, die ihre Gemeinschaft zerstören wollten und Vertrauen ausnutzten.
Bedächtig bekreuzigte und erhob sie sich, die sichtverschleiernden Tränen aus den Augen wischend. Noch länger vermochte sie es nicht zu ertragen, hier zu verweilen. Gerade wand sie sich um, um zurück zu ihrem Heim zu gehen, als die nonnige Nonne auf sie zukam.
"Brunhild", sprach Schwester Maria sie an "Brunhild... Ich weiß, dass dieser Fehler unverzeihlich war. Doch fürchte ich nun, dass ich heute Nacht nicht mehr in Gottes Wänden verbringen können werde. Zu tief sitzt mir die Schuld in allen Gliedern ob des unschuldigen Fräuleins Leben. Ob ich... ob ich vielleicht ... zumindest diese Nacht.. bei euch im Gasthaus verbringen dürfte?"
Und nach einem kurzen Zögern fügte sie eilig hinzu:
"Ich... ich bin auch bereit, mich dafür von euch einschließen zu lassen, sodass ich nicht aus dem Zimmer heraus kann, wenn ihr mir nicht traut. Ich werde heute Abend nur noch beten, und dann schlafen gehen, sofern ich denn heute noch einmal Frieden fände..."
Einige Momente betrachtete Brunhild die Geistliche verdutzt und unsicher, während ihre Gedanken im Kopf rasten.
Sie war die Erste gewesen, die nach Meretes mutiger Selbstanklage die Stimme gegen die nun Tote erhob. Ihre Vorwürfe mochten teils seltsam angemutet haben, zumal sich Merete dagegen glaubhaft verteidigt hatte. Worauf die Nonne stumm geblieben war… Doch auf der Anderen Seite sprach Marias Gesicht nun offen von ihren Schuldgefühlen, dem ehrlichen Gram ob ihrer Fehleinschätzung und der Trauer um das verlorene Dorfmitglied… Und sie war immernoch ein hoch angesehenes Mitglied der Kirche, vor der die Wirtin Respekt hatte.
Tief atmete sie ein, ehe sie den Mund zu einem leichten Lächeln animierte. Er wollte ihr nicht recht gehorchen: “Schwester Maria, ich bin überzeugt, dass Deine Wahl lauteren Begründungen folgte, so hörten sie sich für mich zumindest an. Ich kann mir allerdings nicht herausnehmen, Dir deswegen mein Vertrauen in Dich zu versagen oder nur deshalb Böses von Dir zu denken. Morgen wird es reichlich Gelegenheit geben, Deine Wahl vor allen zu erklären, auch wenn Du Dich nicht so nötig erklären musst wie ein Anderer, der Merete dem Galgen überantwortete…“
Sie seufzte bei dem Gedanken und gerade den Konsequenzen der letzten Worte auf. Die Nacht würde sie definitiv darüber schlafen müssen, um sich sicher zu werden…
Jedenfalls, , fuhr die Wirtin fort, werde ich Dich natürlich heute Nacht bei mir schlafen lassen. Lumi bezieht zwar gerade die Gästekammer, aber mein eigenes Gemach soll Dir heute Nacht zu Verfügung stehen, ich werde das alte Zimmer meiner Eltern nehmen... Ich werde für Dich gleich alles herrichten, Du kannst dann jederzeit Dich zur Ruhe begeben… Natürlich hoffe ich, dass Dich dann der Lärm aus dem Schankraum nicht stören wird, auch wenn ich Dich natürlich gerne auf einen Trunk einladen würde, wenn Du magst… Kurz dachte sie über die Vorstellung einer Bier trinkenden Maria nach, ehe sie nachsetzte: Oder einen heißen Tee…
Sacht strich sie der Nonne über die Schultern, ehe sie sich schon auf den Weg zu ihrem Gasthaus machte.
Im Kamin glommen die Holzkohlen herunter und der alte Hund träumte davor von dicken Würsten und einer jüngeren Brunhild, die ihn immer gerne geknuddelt hatte.
Eine friedliche Stille lag in dem Raum, die ihr gerade nach dem Geschehenen entsetzlich falsch vorkam. Obgleich sie sich gerade Nichts sehnlicher wünschte als Ruhe, entfachte sie die Lampen am Eingang genauso wie das sterbende Feuer im Kamin. Rasch stieg sie nach oben in ihr Zimmer, ersetzte ihr eigenes Bettzeug durch neues und kehrte sorgfältig den Raum aus. Dann schaffte sie ihr benutztes Bettzeug in den einzigen ungenutzten Raum des Wirtshauses. Seit dem Tod ihrer Mutter vor sechs Jahren hatte sie ihn nichtmehr betreten. Eilig bekreuzigte sie sich, ein nicht einfaches Unterfangen mit Bettlaken und –decke auf dem Arm. Das gigantische Stofftuch über dem großen, gut gearbeiteten Bett wurde heruntergezogen, das Bettzeug achtlos darauf geworfen.
Als Brunhild wieder unten war, hatten sich bereits erste neuen Gäste eingefunden, die nach einer schnellen Entschuldigung eilig bedient wurden.
Die Stimmung war gedrückt, es war geradezu totenstill für das Wirtshaus, nur gediegenes Gemurmel und verhaltene Gespräche. Kein Lachen, keine schief dahingeschmetterten Lieder erklangen. Auch die Inhaberin strahlte keine Freude und Geborgenheit wie sonst üblich aus, obschon sie sich redlich darum bemühte. Ihr Lächeln war nicht mehr als schief hoch gezogene Mundwinkel, ihre Bedienung erfolgte einsilbiger. Es wollte ihr nicht einleuchten, warum sie der Tod der Jägerin so unglaublich mitnahm, wo sie doch eigentlich kaum etwas mit ihr zu tun gehabt hatte.
Vielleicht, weil mit ihr das gestorben war, was bis vor Kurzem noch so klar schien. Dass wir hier ein friedliches und freundliches Dörfchen mitten im Nirgendwo sind. Dass wir hier unbekümmert und ohne Angst leben können, weil wir von Personen umgeben sind, denen wir vertrauen können…
Konrad legte Brunhild einen großen Beutel mit Kräutern auf den Tresen. Sie hatte sein Kommen garnicht bemerkt. „Ich hab eben noch nach den Pferden geschaut. Die Arbeit die liegen geblieben ist hol ich nach, versprochen. Mach bitte hieraus einen großen Pott für alle, meine Beste. Is' gegen die Kälte und eine anbahnende Erkältung. Wir waren heute alle recht lang draussen.“
Noch zu verdutzt für eine Antwort nahm sie einfach bemüht freundlich nickend den Kräuterbeutel an sich. Der große Kessel wurde über das Feuer gehangen und Wasser darin zum Kochen gebracht. Eilig waren die Krüge gefüllt und mit Honig bekömmlich gesüßt, als sie sie auch schon auf den Tresen stellte, auf dass sich jeder nehmen konnte. Lumi drückte sie einen Pott bedächtig in die Hände, die eben leicht dümmlich grinsend und torkelnd hereingekommen war. Dieses Verhalten sah die Schankfrau sonst nur bei Gästen, die ihre Schankstube verließen, deswegen war es ihr bei der Blondgelockten nicht ganz geheuer.
Sich selbst hatte sie auch einen Kräutertee zurückgehalten, an dem sie sich nun bei jeder Bedienpause wie eine Ertinkende am Rettungsseil festklammerte. Ihr Blick schweifte dabei über die Menschen im Raum und blieb immer wieder an dem Hinterkopf Konrads haften, der sich gerade mit dem guten Mönch Justus unterhielt.
Inmitten der sie noch immer durchdingenden Kälte entfachte sich ein kleines Feuer. Es vermochte vielleicht nicht ihre Trauer und den Schmerz zu verbrennen, wohl aber zu lindern.
Sie ertappte sich dabei Erleichterung zu verspüren, dass es nicht sein Hals war, um den sich die Schlinge tödlich gelegt hatte. Und selbst dafür verfluchte, sein Leben über das von Merete zu stellen.
"--- Aber ein glücklicher Narr. Peter? Brunhild? Danke... für eure Worte. Es wär vielleicht anders ausgegangen heut', hätt ich keine solchen Freunde wie ihr es seid. Schlaft ruhig heut Nacht und erholt euch von dem Schrecken. Gott schütze euch. "
“Es war nur die-„
"Luise? Wir gehn heim. Komm."
“Wahrheit….“ Ein Seufzen entrann ihrer Kehle. Gute Nacht ihr Beiden, möget Ihr von Gott behütet ruhen!“, rief sie ihm und Luise nach, die gerade in die klirrende Nacht hinausliefen.
Eine ganze Weile später war schließlich auch der letzte nicht mehr ganz nüchterne Nacht gegangen. Alle Stühle wurden hochgestellt und das Feuer gelöscht. Rüdiger blickte ihr auf dem Treppenansatz nach, und irgendetwas in seinem Blick lie sie noch einmal hinuntersteigen und ihn in den Arm nehmen. Freudig schlabberte ihr durchs Gesicht. Es schien ihr endlos lange hergewesen zu sein, seit sie das letzte Mal Jemanden in die Arme schloss, nur des Umarmen und der daraus resultierenden Nähe willens. Nach einer gefühlten Ewigkeit schließlich löste sie sich wieder von ihm und ging ohne todwünschenden Nachtgruß die Treppe hinauf in ihr heutiges Schlafgemach.
Zwischen lauter... Menschen auf kaltem Pflaster knien. Ich bin erbärmlich.
Keiner der Bewohner nahm Notiz von Noel, beachtete oder half ihm gar.
Lediglich Konrad trat stumm von hinten an ihn heran.
"Hier. Den Mantel musst du bei deinem Auftritt vorhin verloren haben.“
Stumm sah Noel dem Mann in die Augen. Er stand auf und nahm den Mantel entgegen, legte ihn sich ohne Worte des Dankes um und vergrub sowohl die Hände in den Taschen als auch das Gesicht im Kragen. Noel fühlte sich mit dieser Situation extrem unangenehm. Er erwartete, dass Konrad ihm gleich wieder Zorn und Hass entgegenwerfen würde, aber wie um Noels Erwartung zu strafen, war das Gegenteil der Fall.
"Lern erstmal dich selber zu beschützen, bevor du versuchst für andre ein Schild zu sein. Und solange diese Verrückten hier herumspazieren bin ich nicht sicher, was ich mit jemandem mache der ihr zu Nahe kommt. Legs nicht drauf an, dann kommen wir schon irgendwie miteinander aus. Und trink nen Schluck Tee - du standest den ganzen Abend über nur in deinem Hemd herum. Kannst froh sein wenn du keine Frostbeulen hast. Hier."
Konrad hielt ihm eine Tasse warmen Tee entgegen. Unerwartet.
Etwas zögerlich nahm Noel seinem Gegenüber die Tasse aus den Händen, nahm einen Schluck. Das warme Getränk wärmte seinen Magen, als auch tiefer Liegendes. Trotzdem wich er Konrads' Blick aus und dachte über das Gesagte nach. Er sollte sich von Luise fenhalten.
...
Das war gut. Er hatte sich diese Auflage selbst gegeben, aber wenn er es musste, wäre es umso wahrscheinlicher, dass er es tat.
Konrad... war ein guter Mensch. Er liebte seine Cousine ebenso sehr, wie Noel, wenn auch (hoffentlich) auf andere Art und Weise. Er konnte sie beschützen. Warum also sich ihr noch nähern?
Ich halte mich von ihr fern.
"...te...ich....fern..."
"Hm? Was hast du gesagt?"
Noel hatte etwas gemurmelt dass, ob seines Flüstertones,konrad entgangen war.
Nach kurzem Schweigen sah Noel Konrad in die Augen und wiederholte sich.
"Ich werde mich von ihr fernhalten, darauf habt Ihr mein Wort. Ich werde euch in der Apotheke nicht mehr belästigen."
Noel drückte dem rotgelocktem Mann mit einem leisen "Danke" die Tasse in die Hand und ging, ohne eine Reaktion abzuwarten, Richtung Taverne davon.
In sich versunken trat Noel in die nun deutlich stillere Taverne ein.
Die Stimmung war, wie könnte es anders sein, gedrückt, dezent gesagt.
Nirgendwo Trunkgesänge, keine spielenden Spießgesellen, keine lachenden Frauen, keine ausgelassene Stimmung.
Noel schlurfte zum Thresen, legte die Hand tief in seine schmerzende Stirn. Da trat Brunhild ihm gegenüber.
"Du siehst so aus, wie die meisten sich hier wohl fühlen... Ein normales Bier oder verlangt es den Herren nach etwas Stärkerem?"
Die Wirtin, die Noel noch vor Minuten gleich zum zweiten Mal an einem Tage beleidigt hatte, sah ihn mit unwirschem, aber doch undeutsamen Blick an.
"... mir gleich. Hauptsache es lässt die Sinne verblassen..."
Still verschwand die junge Frau in ein Hinterzimmer, um wenig später mit einer faszinierend golden schimmernden Flasche wieder aufzutauchen. Brunhild platzierte ein großes Glas auf dem Thresen und goss Noel großzügig ein.
"Das ist bester Apfelkorn vom alten Helmut. Wird sehr sicher für die gewünschte Wirkung sorgen... Warum wünscht Jemand wie Du sich die Sinne zu vernebeln?"
Angeekelt von dem Gedanken, Alkohol zu trinken, griff Noel zum Krug und leerte ihn mit einem beherzten Schluck, bevor er ihr mit dem Blick im Thresen versunken antwortete.
"Ich habe eine große Rede gehalten, ich würde euch beschützen... in der ich dich zu unrecht gekränkt hab. Tud' mir leid.
Es gibt' für mich gerade kein Grund, meine Sinne beisammen zu lassen.
...mehr."
Noel hielt der Wirtin den Krug entgegen und mit unsicherem Blick füllte sie den Krug erneut. Noel leerte ihn in Sekunden.
Zaghaft lächelnd winkte Brunhild ab.
"Ach, mir wurden schon schlimmere Sachen an den Kopf geworfen, glaub mir. Eine pompöse Rede war es durchaus... ich denke, Niemand hatte gedacht, dass es so enden würde... doch deswegen in Selbstmitleid zu verfallen, scheint mir nicht der richtige Weg zu sein."
..."Dass s'... keen Selbstmitleed... ich hab versagt. Isch wollt die Jägrin' beschützn... aber niemand hat mir zu...zu'ehört... wie soll ich sie nur beschützn, wie nur..."
Jammernd versank der junge Bursche auf dem Thresen in seinen Armen, war längst nicht mehr der stolze Bibliothekar vom Vortag.
Durch seine Arme konnte Brunhild ein gedämpftes "Mehr" vernehmen, womit er wohl den leeren Krug meinte.
Irritiert ob seines für ihn so merkwürdigen Verhalten zögerte sie einige Momente, ehe sie ihm doch noch einmal nachschenkte. Dann lehnte sie sich langsam zu ihm vor.
"Wenn Dir wirklich keiner Gehör schenken wollte, ist es mindestens genauso deren Versagen. ...Und Du könntest sie sicherlich beschützen, wenn Dein Verstand klar und Du nüchtern bist...
Nach kurzem Überlegen, und obwohl ihr ihre Innere Stimme riet, es auf keinen Fall zu tun, tätschelte sie leicht den Rotschopf.
Noel tauchte aus seinen Armen auf. Klebrige Tränen verschmierten sein blasses Gesicht, als er den nächsten Krug von Hochprozentigem leerte und wieder auf dem Thresen versank wie ein erbärmlicher Säufer.
"Sin' mir doch scheez... schiss.... kagegal, aber ch' wollt misch doch für sie vrändrn... wenn meiner kleen Elfe was passor... passia...ach scheeße!!!"
Noel schug mit der Faust sichtlich angetrunken auf den Thresen, bevor er ein weiteres Mal mit dem Kopf auf seine Arme sank.
"Will nisch alleen sein... Pesd un' Verschramnis... nich hassn, kleine herlfe..."
Gefüllt wie ein prächtiges Fass in der Weinzeit wimmerte der junge Noel vor sich hin, als er sinnesvernebelt und im Flüsterton eine leise Melodie zu summen begann.
"...kleene Erlfe, einschd traf 'ch disch im Wald...
...kleine Elfe, de' Sone schien, und dennoch wars so kalt...
...kleine Elfä, kommst su mir, lächeltesd auch so fein...
Kleine Elfe, sagtest mir, lass un' freundä sein...
Kleine Elfe, lachst sou hell, springst im Fluß um'er...
Klein' 'lfe, rettesd mich, vergess' dat Gefühl niemähr..."
Im Halbschlaf umklammerte der Junge das Amulett, dass er um den Hals trug und presste es an seine tätowierte Wange, ließ Rotz und Wasser seine silberne Oberfläche beschmutzen, als er schließlich auf seinen Armen betrunken einschlief und schnarchend noch einige Worte murmelte.
"Nich hassn... tud mir leid... nich hassn...Luise."
Damit glitt Noel, das Amulett an sich gedrückt, in einen unruhigen Schlaf ab.
Brunhild stöhnte auf. Sie hätte dem Burschen nicht nochmal auffüllen dürfen, jetzt hatte sie die Lauge... Eingeschlafene Gäste konnte sie höchstens bei sich den Rausch auschlafen lassen, wenn es sich um vertrauenswürdige Stammkunden handelte. Doch da sie Noel nicht zu diesen zählte, und sie wider der Sektengeschichte sowieso schon mehr als genug Personen bei sich beherbergte, musste er weg. Und zwar möglichst, solange noch eine kräftige Männerhand zum Anpacken da war.
Ein lautes Pfeifen durchschnitt die Stube, alle Köpfe drehten sich zur Wirtin um, die mit einem Kopfnicken zum Schlafenden ihr Problem deutlich machte. Wenige Momente später standen der Schweinehirt und sein Neffe schelmisch grinsend vor ihr.
Ich gebe jedem von Euch eine Runde Starkbier und eine halbe Wurst aus, wenn ihr ihn unbeschadet und ohne ihn zu beklauen nach Hause schafft. Das Wirtshaus konnte sie geöffnet nicht allein lassen, und die beiden Männer waren viel zu einfach gestrickt, als dass sie versucht hätten, das Freibier trotz eines Unauffälligen Diebstahls einzufordern.
Gackernd und witzelnd ob der scheinbar nicht vorhandenen Trinkfestigkeit des Gesichtsbemalten schulterten der Schweinehirt samt Anhang den Gesichtsbemalten und verließen die Wirtsstube. Nach einigen Anläufen ward die Eingangstür Noels endlich geöffnet- also eingetreten- und der trunkene Junge mehr oder weniger sanft aufs Bett geworfen. Die leicht demolierte Tür wurde beim Rausgehen achtlos zugeworfen, schließlich warteten eine halbe Wurst und Bier auf sie...
Zitroneneis
28.03.2013, 17:47
Luise hatte einen Fehler gemacht.
Es wurde ihr schmerzlich bewusst, als sie sah, wie Merete ihren Gang zum Galgen antrat. Ohne ein einziges Wort, einen anklagenden Blick. Sie hatte sich nicht gewehrt, hatte es einfach geschehen lassen.
Und Luise war nicht eingeschritten, hatte trotz ihrer Zweifel stumm zugesehen.
Geschworen hatte sie sich, zu ihrer Entscheidung zu stehen und bis zum Ende dazubleiben. Doch als sie sah, wie die junge Jägerin hilflos am Strick hing, hörte wie sie verzweifelt und vergeblich nach Luft schnappte, wich Luise zurück und wandte ihren Blick ab, verschloss die Ohren vor den Geräuschen.
Doch es half nichts, die Bilder hatten sich in ihren Kopf eingebrannt und die bald einsetzende Stille hinterließ ein anklagendes Echo. Merete war tot. Und Luise trug Mitschuld daran.
Mit gesenktem Kopf, machte sie sich heimlich davon.
Eine Weile hatte Luise nun alleine im hinteren Teil von Viktorias Garten verbracht. Diesmal hatte sie darauf acht gegeben, nicht gesehen zu werden. Der Kirschbaum verdeckte die Sicht auf das junge Mädchen. Lediglich Noel hätte sie von seinem Haus aus sehen können, hätte er dort aus dem Fenster geschaut. Doch Luise konnte das bleiche, tätowierte Gesicht nirgends ausmachen und war auch irgendwie froh darüber. Sie wollte einfach allein sein.
Normalerweise beruhigten das Rascheln der Blätter, das Ächzen der alten Zweige und das Meer aus blauen Blüten Luises Seele. Doch jetzt saß sie einfach reglos da und war innerlich so aufgewühlt, dass sie nicht wusste, was sie tun sollte.
Seltsamerweise kamen aber keine Tränen. Möglicherweise hatte sie zu viel geweint und damit all ihre Tränen vergossen. Vielleicht war es ihr aber auch nicht vergönnt, ihre Verzweiflung mit Tränen fortzuwaschen. Vielleicht musste sie erst büßen, bevor sie ihrer Trauer freien Lauf lassen und sich damit ihres festen Griffs entledigen konnte.
Eine Weile blieb Luise einfach sitzen, doch als sie schließlich merkte, dass ihre Gedanken sich im Kreis drehten. Seufzend stand sie auf und ging zum Wirtshaus, wo sie hoffte, Konrad anzutreffen.
Er machte sich bestimmt Sorgen um sie, und bei den derzeitigen Umständen, war das nur allzu verständlich.
Später, als Konrad sich trotz jedes Widerspruchs vor ihrer Zimmertür postierte, bereute sie ein wenig, wie große Sorgen er sich machte. Sie konnte ihn nicht dazu bewegen, einfach in sein bequemes Bett zu steigen und dort zu schlafen. Warum musste er nur immer so sehr den Beschützer spielen? Warum konnte er nicht einfach an sich selbst denken? Nein, Konrad ließ sich nicht von seinem Vorhaben abbringen und seine kleine Cousine wusste, dass der Versuch, ihn umzustimmen, zwecklos war.
Doch nachdem Luise lange mit offenen Augen im Bett gelegen hatte und schließlich noch einmal in eine Decke gewickelt vor die Tür trat, fand sie ihn fest schlafend vor. Kürbis jedoch war von dem Geräusch erwacht und sprang Luise, trotz verbundener Pfote, freudig entgegen. Geistesabwesend nahm Sie ihn in den Arm und blickte ihren Vetter an.
"Du bist wirklich ein Dummkopf", murmelte das Mädchen und setzte sich neben ihn. Einen Moment lang betrachtete sie sein friedlich schlafendes Gesicht und fuhr dann leise fort: "Du solltest wirklich... mehr an dich selbst denken. Hier so unbequem... zu sitzen... bestimmt gibt das morgen... Rückenschmerzen..." Schläfrig rieb Luise sich die Augen. Warum war sie auf einmal so müde? Den Welpen an sich drückend sagte sie noch: "Dabei... bin ich... doch schon... gar nicht mehr so... klein..."
Und dann sank sie selbst, neben ihm an die Wand gelehnt, in einen tiefen Schlaf.
Maria lächelte. "Das ist so lieb von dir, Brunhild. Ich weiß nicht, wie ich dir je danken könnte."
Sie folgte der Wirtin ins Gasthaus und wärmte sich, wie eingeladen, an einem Tee, doch wohl war ihr in der Menge der Gäste nicht zumute. Deshalb beeilte sie sich ein wenig mit dem austrinken und stand auf, ehe jemand auf sie zukommen konnte. Morgen würde sie Rede und Antwort stehen, wenn es sein musste, aber für heute hatte Maria genug erlebt. Sie wandte sich an Brunhild.
"Vielen Dank für das gute Getränk. Ich würde nun nach oben gehen, und Gott um Vergebung bitten. Wenn der Herr mir nicht verzeiht, dann kann mir dies ebenso wenig."
Geknickt schaute Maria zu Boden. Wenn sie wenigstens so Tapfer gewesen wäre, und sich ebenso selbst nominiert hätte - So im Nachhinein betrachtet wäre das wohl die sinnvollste Entscheidung gewesen. Die wenigsten im Dorf waren mit der Entscheidung, jemanden zu hängen, zufrieden gewesen. Wenn alle mitgemacht hätten, und sich selbst nominierten, dann wäre wohl keiner gehängt worden. So war es dann aber nun geschehen, dass Maria sich entsetzlich dumm - und vor allem sündig fühlte.
Sie blickte sich um, hier und da trübselige Gesichter. Keiner war wirklich froh um die unschuldige Gehängte. Dies verstärkte Marias Schuldgefühl umso mehr.
Dann verließ sie den Bereich des Gasthauses und trat die Treppe nach oben, in ihr vorbereitetes Zimmer, setzte sich und betete im einfallenden Mondlicht. Bis ihr die Augen zufielen und sie schlief...
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