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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Mary Sues bzw. idealisierte Charaktere



Owly
19.10.2012, 15:26
Ich zitiere den Wikipedia-Artikel über Mary Sues:

Es handelt sich um eine meist weibliche und oft sehr junge Hauptperson (männliche Mary Sues werden Marty Stu, Murray Stu, Gary Sue, Gary Stu oder - selten - Barry Lue genannt), die mit höchst idealisierten Zügen und Charaktereigenschaften ausgestattet ist. Sie vertritt moderne Positionen und zieht in der Handlung das Interesse aller Nebenfiguren auf sich. Selbstverständlich ist, dass sie alle auftauchenden Probleme bravourös löst.

Weiterhin ist dort zu lesen:

Oft wird unterstellt, dass sie eine idealisierte Selbstdarstellung des Autors ist und hauptsächlich dessen eigene Phantasien bedient.


Ich denke letzteres ist schwer nachzuvollziehen, wenn man den Autor nicht kennt. In einschlägigen Online-Tests wird der Mary Sue-Grad eines Charakters an den Idealvorstellungen und Äußerlichkeiten seines Urhebers gemessen. So würde z.B. Lio in Biohazards Alone Richtung Mary Sue tendieren, weil er und Bio die gleiche Tätowierung tragen. Tragisch finde ich das jedoch nicht. Für alle, die ihn persönlich kennen, ist das ein nettes Gimmick. Der Rest wird es entweder nicht wissen oder ignorieren können.

Auch die Übertragung des persönlichen Ideals auf die Hauptfigur finde ich nicht zwangsläufig kritikwürdig. Viele Figuren, die ich ausgesprochen gut und unterhaltsam finde, sind absolut idealisierte Menschen. Besonders die Kinderserien, mit denen ich aufgewachsen bin, sind voll davon: Anne Shirley (Anne mit den roten Haaren), Perrine, Niklaas(, ein Junge aus Flandern), Sara Crewe (Sara, die kleine Prinzessin). All diese Charaktere sind in ihrer Gutmenschlichkeit jesusgleich und tragen ihre Erzählung alleine auf ihren Schultern. Mehr als ihre Charakterdynamik braucht es nicht, um zu unterhalten. Auch als Erwachsener empfinde ich so.

Spiele sind voll von idealisierten Figuren: Der beinharte Actionheld, das anthropomorphe Tierchen, der heldenhafte Weltenretter. Für RPGs sind in erster Linie letztere interessant.
Ein wunderbares Exemplar dieser Gattung ist Alex aus Lunar: The Silver Star. Game Arts hat quasi ein Patent auf diese Art Helden. Alex funktioniert so wunderbar, weil er nicht deplatziert wirkt. Alles in dem Spiel ist bunt, stilisiert und theatralisch. Kurz: Die perfekte Bühne für einen perfekten Recken. Wenn Alex eine gute Tat vollbringt, hat man das Gefühl, das gehört zum natürlichen Kreislauf der Spielwelt.
Ein negatives Beispiel ist der namenlose Held aus Suikoden Tierkreis. Das Spiel ist ein weichgespülter Mix aus den geerdeten Stories der Vorgänger und animehaftem Overkill voller Süßlichkeit, Drama und Fokussierung auf einen Charakter. Sein ständiges: "You don't know if you don't try", beißt sich mit dem Kriegsalltag und der politischen Komponente, die das Spiel zu vermitteln versucht. Der jungenhafte Eifer kollidiert mit der sonstigen Erzählrealität.

Als These möchte ich daraus ziehen:

Die Spielwelt und der Erzählstil diktieren, welche Charaktere funktionieren und welche Entwicklung für sie realistisch ist.
Und umgekehrt:

Die Charaktere und ihre Entwicklung diktieren, wie die Spielwelt und der Erzählstil angelegt werden müssen.

In West-RPG spielen Mary Sues denke ich eine ganz andere Rolle: Man erschafft sich meistens einen idealisierten Charakter, weil es keinen Unterschied macht. Er existiert sowieso nur im Kopf des Spielers und als visuelle Repräsentation. Lieber laufe ich rum wie Atlas, statt Average Joe.


1. Habt ihr schonmal eine Mary Sue in einem eurer Spiele gehabt?
2. Was haltet ihr von idealisierten Charakteren bzw. was glaubt ihr, wie müssen Spielwelt und Erzählung angelegt sein, dass sie funktionieren?
3. Es wird gesagt, RPGs müssen charakterorientiert sein. Heißt das, eure Charaktere entstehen zuerst und der Rest danach?

Kelven
19.10.2012, 15:50
Ich selbst würde die Mary Sue nicht mit einem idealisierten Charakter gleichsetzen. Unter einer Mary Sue verstehe ich eine Figur, die in allen Punkten idealisiert ist, also praktisch gar keine Schwächen besitzt. Ich zitiere hier mal ein Zitat von der englischen Wiki-Seite, das mMn den Nagel auf den Kopf trifft (bezieht sich auf Star Trek):

"Mary Sue stories — the adventures of the youngest and smartest ever person to graduate from the academy and ever get a commission at such a tender age. Usually characterized by unprecedented skill in everything from art to zoology, including karate and arm-wrestling. This character can also be found burrowing her way into the good graces/heart/mind of one of the Big Three [Kirk, Spock, and McCoy], if not all three at once. She saves the day by her wit and ability, and, if we are lucky, has the good grace to die at the end, being grieved by the entire ship."

Solche Figuren finde ich langweilig. Idealisierte Charaktere allgemein finde ich toll, die passen in sehr viele Geschichten rein. Gutmenschen mag ich allerdings nicht, es sei denn es handelt sich um Kindergeschichten, in denen man den Kindern Werte vermitteln will.

Zu den Fragen.

1. Niemals!
2. Sie sind wie gesagt toll, wenn sie zur Stimmung der Spielwelt passen. Grandia und Skies of Arcadia leben von der Idealisierung, so was wie Shadowrun oder Mad Max 2 würden mit ihr nicht funktionieren.
3. Ja, eine Geschichte wird immer von den Charakteren und über die Charaktere erzählt, deswegen ist das unausweichlich. Es sei denn das Rollenspiel soll alleine vom Gameplay leben, aber solche Rollenspiele mache ich ja nicht.

La Cipolla
19.10.2012, 16:02
Willst du den Thread vielleicht mal (leicht verändert) ins Atelier kopieren? So eine allgemeine Diskussion dazu fände ich definitiv mal ganz nett, dann kann man sich hier auch auf die Maker-spezifischen Themen fokussieren.

Luthandorius2
19.10.2012, 16:10
Ich würde hier auch die englische Wikipedia zitieren:

It is generally accepted as a character whose positive aspects overwhelm their other traits until they become one-dimensional.und
While the term is generally limited to fan-created characters, and its most common usage today occurs within the fan fiction community or in reference to fan fiction, original characters in role-playing games or literary canon are also sometimes criticized as being "Mary Sues" or "canon Sues" if they dominate the spotlight or are too unrealistic or unlikely in other ways.
Quelle: http://en.wikipedia.org/wiki/Mary_Sue

... also so einen Charakter auch eher als einseitig und dadurch vielleicht auch unrealistisch(wenn nur superstark und eben keine Schwächen) ansehen. Also eher etwas langweilig.

Es sollte schon sinnvoll erläutert werden, wieso der Char so ist wie er ist(außer man macht ein Spiel gegen einen bösen Herrscher, wo eben der böse Herrscher der später als letzter Endboss auftaucht einfach nur böse ist - sowas hat man ja auch oft, dass da nix erläutert wird, wenn die übrigen Chars noch eingermaßen brauchbar sind ist das okay). Oder man hat ein Spiel das sowieso mehr auf Gameplay setzt. Aber dann braucht man schon gutes Gameplay, damit es interessant bleibt.

Ansonsten: Wenn es eben ein supertoller Char ist der auch mal gern für andere sich einsetzt und total selbstlos ist, dann bitte irgendwie erläutern wie er dazu gekommen ist(gutes, reiches Elternhaus und dadurch gute Bildung und eventuell von Natur aus einen hohen IQ was in Kombination mit den Fördermöglichkeiten der wohlhabenden Eltern ihn zu einem tollen Wissenschaftler z. B. haben werden lassen). Aber wieso dann total selbstlos? Irgendwas könnte vorgefallen sein. Andere könnten ihm aufzeigen wollen dass er auch mal an sich denken soll usw. oder er könnte selber mal ins Zweifeln kommen. Kleinere sonstige Schwächen vielleicht auch dazu. Sonst ists halt einfach langweilg - und dann muss man mit dem Gameplay punkten können.

Ich persönlich habe ja auf Grund von Faulheit und zu vieler anderer Dinge die ich hobbymässig zu tun habe trotz ausgiebigen Hartz-IV-Konsums noch immer kein Spiel selber erstellt würde, habe aber zu Frage 3 trotzdem eine Meinung:

Ich würde mal sagen ein Spiel dass eine Geschichte erzählen will(was in der Regel ja bei den Rollenspielen so ist) soll eben auch erst mit der Geschichte anfangen - bei der Entwicklung. Zumindest die Grobidee... das was man eigentlich machen will. Dann sollte man sich überlegen welche Charaktere das eben am besten vermitteln können, vielleicht sogar verstärkend wirken und in Kombination mit eben dieser Handlung und Geschichte sehr gut zusammenpassen wodurch Charaktere und Geschichte viel besser wirken als wenn man diese in anderer Kombination hätte(gleiche Charaktere in anderem Umfeld/ Handlungsrahmen oder gleiche Handlung mit anderen Charakteren wären dann schlechter). Dann eben aber sich diese Charaktere etwas genauer überlegen. Und dann zurück und die Handlung feiner ausarbeiten(wenn man sich z. B. Hintergründe zu den Charakteren überlegt hat die dann da mit rein müssen und man vorher ja nur eine grobe Idee für das "größere Drumherum" hatte). So würde ich wohl vorgehen.

Sabaku
19.10.2012, 16:11
Mary Sues habe ich vor allem durch die Animexx-Community und deren qualitativ von genial bis grottenschlecht schwankenden Romantic-Fantasy-Fanfictions kennengelernt. Szenario ist da meist folgendes: Helden aus einer bereits erzählten Geschichte (Spiel, Film, Buch) treffen zufällig auf eine Dame, die wie oben schon erwähnt, so ziemlich alles drauf hat und, was jetzt nicht oben steht, zu einem hohen Wahrscheinlichkeitsgrad so supercool aber gleichzeitig so superniedlich sind, dass sie mindestens 80% der dort auftretenden männlichen Figuren ins Bett kriegen. Dementsprechend löst der Name bei mir irgendwas zwischen Augenrollen und tiefste Verachtung aus, weil Mary Sues zumindest bei mir auch einen extremen Fremdschämfaktor auslösen.

Allerdings muss man sagen, dass zumindest ich die Mary Sues in Spielen und Filmen nicht so schnell wiedererkenne (es sei denn sie tragen auch noch den selben Namen/Nick wie z.B. der User der es gemacht hat hier im Forum benutzt :"D), weil ich meine dass die auch nicht ganz so dick auftragen, wie manch Hobbyautor das nun in einer Spiel-und-Spaß-Story tut. Zudem tauchen die meisten die mir jetzt einfallen höchstens als Nebenfiguren oder kleine Eastereggs auf, nehmen nicht soviel Raum ein und nehmen selten starken Einfluss (also ich rede jetzt von den "Selbstdarstellungs-Marys")



Habt ihr schonmal eine Mary Sue in einem eurer Spiele gehabt?
Absolute Mary Sues? Gary Stues vielleicht, weil ich perfekte, weibliche Figuren irgendwie generell ablehne. Bei Männern kommt das schon eher hin, obwohl die jetzt auch nicht wirklich perfekt ins Schema passen. Mephisto hätte da aber glaubich so ein paar Gary Stuische Anwandlungen zu bieten. (ich hab das Gefühl das hätte ich jetzt nicht schreiben sollen...)

2. Was haltet ihr von idealisierten Charakteren bzw. was glaubt ihr, wie müssen Spielwelt und Erzählung angelegt sein, dass sie funktionieren?
Jede Figur springt irgendwann aus dieser idealisierten Rolle. Sei es ein dramatisches Ereignis oder nur der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. Und ich glaube, wenn man im Spiel einen großen Wert auf Charakterinteraktion legt und oben genanntes gut timed, könnte das zumindest ein Teil von gutem Storytelling sein.

3. Es wird gesagt, RPGs müssen charakterorientiert sein. Heißt das, eure Charaktere entstehen zuerst und der Rest danach?
8 Sinners ist so zumindest entstanden. Dazu sollte ich aber auch erwähnen, dass ein kleiner Teil der Figuren zuvor schon Teil eines Text-RPGs wurden, das angelehnt war an eine Computerspielreihe die ich sehr genossen habe. Die Umgebung, die ich jetzt in mein Spiel umsetze, ist keine deutliche Anlehnung an dieses Game, aber zumindest davon inspiriert. Letztendlich haben sich dann Figuren und Umfeld gegenseitig inspiriert, was meiner Meinung nach eine schöne Symbiose ergibt.

sorata08
19.10.2012, 16:17
Generell sollte man - denke ich - idealisierte Charaktere und "Mary Sues" strent unterscheiden. Erstere muss nicht in erster Linie völlig in die Falle einer/eines Mary Sue/Gary Sue tappen, wenn sie schlicht gehalten sind.
Denken wir doch mal an Link aus "The Legend of Zelda": Der Auserwählte, immer nette und hilfsbereite Recke, dem (durch Hilfe des Spielers) auch alles gelingt. Er ist ein idealisierter Held, der einem aber nicht so tierisch auf den Keks geht wie genannte Mary Sues und teilweise auch nicht immer der alleinige Fokuspunkt der Spiele ist (es geht ja auch um die Rettung von Zelda und so).
Mary Sues sind mir vorallem durch dieses "auf den Keks gehen" und die offensichtliche Selbst-Einfügung der Autoren aus Fan-Fictions geläufig. Sie sind komplett idealisiert, das Zentrum aller Aufmerksamkeit, bringen aber Pseudo-Dramen und Krankheiten mit, um leichte Schwächen einzubringen, die letztlich aber nichts an ihren Charakter ändern und zudem völlig sinnfrei konzipiert sind. Ein beliebtes Beispiel: Die erfolgreiche und gutaussehende Schülerin, die alle Aufmerksamkeit hat, aber letztlich doch meint, keine Freunde zu haben und ein völlig unglückliches Leben als hochgefeiertes und beliebtes Mädel führt.
Ein echter Graus kann ich nur sagen!

Zu den Fragen:
1. Habt ihr schonmal eine Mary Sue in einem eurer Spiele gehabt?
Ich denke, so direkt in dem von mir angesprochenen Ausmaße nicht. Mir erscheint nur der Held von Charon - Dawn of Hero leicht in eine zu idealisierte Richtung zu gehen, was aber auch an meiner damaligen schlechten Inszenierung liegen mag.
Er sollte eine Art "guter" Dämon sein, was soweit ging, dass er sich drüber echauffierte, andere Menschen töten zu müssen.
An sich nichts schlechtes, nur irgendwie war das Gewicht dieses Konflikts irgendwie dadurch minimiert, dass es später kaum zur Sprache kam. In der Hinsicht ist er mir mittlerweile zu idealisiert. Allerdings gefällt mir der spätere Teil der Story, in der der Held durchaus dumme Dinge tut und wieder korrigieren muss. Aber auch das ist arg verbesserungswürdig... ^^;

2. Was haltet ihr von idealisierten Charakteren bzw. was glaubt ihr, wie müssen Spielwelt und Erzählung angelegt sein, dass sie funktionieren?
Wie man an Link sieht, kann es durchaus funktionieren, wenn man sich auf gewisse Aspekte beschränkt.
Wenn der Held halt der stille idealisierte Held ist, weil es im Spiel darum geht, heldenhaft coole Dinge zu erleben, dann passt das einwandfrei.
Soll man sich hingegen direkt mit dem Charakter identifizieren/für ihn Sympathie hegen etc., sollten schon mehr realistischere Facetten hinzukommen. Gerade Charaktere mit Fehlern machen sie einem sympathisch, weil man selber ja auch nicht perfekt ist.

3. Es wird gesagt, RPGs müssen charakterorientiert sein. Heißt das, eure Charaktere entstehen zuerst und der Rest danach?
Jein. Bei mir bedingen sich Charaktere und Story gegenseitig. Konflikte entstehen durch die Existenz und Handlung von bestehenden Charakteren, andererseits handeln die Charaktere auch bedingt durch die Konflikte und die Handlung.
Ich denke, das kann man da als sehr "verzahnt" bezeichnen. xD

MfG Sorata

Daen vom Clan
19.10.2012, 16:17
Na, ob in SKS so etwas auftaucht, können andere Leute besser beurteilen aber wenn, dann würde ich mich dafür verdammt schämen, weil ich normalerweise absoluter Fan von "Schwächen" bin und den Charakteren auch einiges davon mitzugeben versuche. :)

Normalerweise kann ich mir vorstellen dass es deutlich einfacher ist solche Uberchars zu vermeiden, wenn man sich als Maker entweder mit einem ganzen Haufen von Charakteren identifiziert oder mit keinem so richtig. Also dass man sich definitiv nicht selbst ins Spiel schreibt, weil dann die Versuchung einfach zu groß ist.

K.L.R.G.
19.10.2012, 16:56
Hm, sehr treffend, dass es hier jetzt so nen Thread gibt. Eine schlimme Mary Sues ist mir letztens erst in nem Makerspiel über den Weg gelaufen ...

Manche Autoren versuchen die reinrassige Mary Sue zu umgehen und ihr Schwächen anzudichten. Im schlimmsten Falle läuft es darauf hinaus, dass Mary Sue die Welt rettet, alle in ihrem Umfeld sie lieben, aber sie selbst voller Selbstzweifel ist und sie ist ja auch soooo hässlich und soooo schüchtern .... (während sie mit neben dem gut Aussehenden an ihr interessierten General die Truppen in die Schlacht führt *augen verdreh*). -> Trudy Canavan kann das exzellent und hat mich bisher stets dazu gebracht ihre Bücher nach 200 Seiten aufzuhören ...

Zuletzt ist mir so eine Figur in nem Makerspiel begegnet. Genau genommen in Der Zauberer und die Prinzessin, dem ich nach dem Kelven-Spielethread nochmal ne Chance gegeben hab. Und tatsächlich möchte ich dieses Spiel mögen. Es hat sooo tolle Atmosphäre ... Aber die gottverdammte Hauptfigur ist eine so unglaublich nervige, unfähige und dämliche Mary Sue (zumindest laut meiner Definition).


Ich weiß, dass es schwer ist so ne Figur zu schreiben. Gerade wenn es ne jugendliche Heldin sein soll die natürlich rüber kommen soll. Aber manchmal kann es echt nicht schaden der Figur n bisl Selbstvertrauen und Eigeninitiative zu geben.

Alicia oder wie sie heißt fällt auf die dümmsten Sachen rein, zeigt 0 Eigeninitiative und der einzige Grund warum alle ihr Helfen und Vertrauen in sie haben ist das sie die Auswerwählte ist! Und das schlimmste ist, dass die alles hinkriegt. Aber anstatt das zu akzeptieren und neugierig auf diese fantastische Welt zu sein die sich ihr erschließt läuft sie rum und erzählt irgendwas von "Ich bild mir das nur ein". Trotzdem sind alle noch der felsenfesten Meinung sie sei die Auserwählte ... argh ....

Ja, der "Ruf zum Abenteuer" samt Verweigerung gehört zum Aufbau einer jeden Heldengeschichte dazu, aber diese Figur ist so schlimm und gestellt, dass sie mir das ganze Spiel versaut.


Also um dem ganzen Abreagieren über diese Figur ein wenig Struktur zu geben. Die ultimative Mary Sue-Anleitung:


Mary Sue-Baukasten:
1. Er/Sie ist der Auserwählte.
2. Er/Sie findet sich hässlich und nicht attraktiv, während die gesamte männliche und/oder weibliche Belegung sie (insgeheim) vergöttert.
3. Er/Sie ist mit einem außergewöhnlichen Talent gesegnet das nur Einer unter Zehntausenden hat.
4. Er/Sie ist natürlich nicht nur Meisterschwertkämpfer oder Meistermagier sondern Meisterschwertkampf-Gladiator-Pirat-Magier-Superheld-Ninja-Roboter-Cyborg-Robocop ...
5. Er/Sie zeigt keinerlei Eigeninitiative und kriegt alles von Freunden, Göttern oder anderen Helfern in den Schoß geschmissen, anstatt es sich hart erarbeiten zu müssen ...


Mir fallen sicherlich noch mehr Punkte ein, aber wenn eine eurer geplanten Figuren in nem Spiel 3 bis 4 Punkte aufweist, solltet ihr ihn überprüfen und euch überlegen, ob ihr eine Mary Sue haben wollt oder nicht ... Wichtig ist vor allem der Punkt der Eigeninitiative!!! Sorgt dafür, dass eure Figuren auch innerhalb der Handlung für etwas hart arbeiten/kämpfen müssen und es nicht von Deus-Ex-Machina-Kräften in den Schoß gelegt kriegen!

Kelven
19.10.2012, 17:46
@K.L.R.G.
Man sollte sich aber schon auf eine Definition einigen, sonst redet man ja aneinander vorbei. Außerdem sehe ich bei dir jetzt die Gefahr, dass du von "Ich mag die Figur nicht" zu "Die Figur ist schlecht geschrieben" schlussfolgerst. Andersherum funktioniert es zwar, das solltest du dann aber nicht im Raum stehen lassen, sondern müsstest es schon ausführlich erklären. Zauberer & Prinzessin ist natürlich sehr idealisiert. Nicht zuletzt weil es ein modernes Märchen sein soll. Alicia ist am Anfang der Geschichte eine Außenseiterin mit wenig Selbstbewusstsein. Ob man das nun mag oder nicht bleibt jedem selbst überlassen, aber ich hab mich dafür entschieden, um ihr den Raum zu geben, sich im Laufe der Geschichte zu entwickeln. Ich wollte hier keine "fertige" Figur benutzen. Die Geschichte ist nun aber kein Charakterdrama, sondern soll heiter und leichtherzig sein, eben ein Märchen, deswegen werden die Konflikte nicht mit aller Ernsthaftigkeit präsentiert (die ganze Sache mit der Auserwählten wird z. B. in der Geschichte ja selbst persifliert). Ich hatte jedenfalls nicht vor aus Alicia eine glaubwürdige Teenagerin zu machen, wobei in solchen abenteuerlichen Geschichten sowieso meistens keine normale Menschen vorkommen. Schon gar nicht eine perfekte Figur, deren Perfektion ich hinter Selbstzweifeln verstecken wollte. Mir ging es darum, ein paar zwischenmenschliche Konflikte mehr als sonst in die Geschichte einzubauen. Ganz zufrieden bin ich damit selbst nicht, weil ich auf die anderen Figuren gerne mehr eingegangen wäre. Dazu hätte ich dann aber eine Gruppe und ein Rollenspiel gebraucht, was das Spiel ja nicht ist.

Owly
19.10.2012, 20:28
Ich will nicht ausschließen, dass ich den Begriff falsch verwendet habe.
Während ich dein Wikipedia-Zitat zu lax finde, Kelven ("characterized by unprecedented skill in everything from art to zoology, including karate and arm-wrestling", das klingt nach Internet-Polemik vom Feinsten), sehe ich bei Luthandorius2s nicht, was das Problem mit Mary Sues sein soll.
Ich greife nochmal das Beispiel Sara Crewe auf:
Sie ist...
- ...ein reiches Mädchen,
- Halbwaise,
- wohlgesittet,
- sehr hübsch,
- hochintelligent,
- überaus fantasievoll,
- kann besser mit kleinen Kindern als ihre Erzieherinnen im Mädcheninternat.
Als ihr Vater stirbt und sie verarmt zurücklässt, wird sie von ihrer Umwelt tagtäglich geschunden. In der Situation zeigt sich ihre Schwäche: Sie ist so stolz, dass sie ihren Anstand bewahrt, statt aufzubegehren. Am Ende wendet sich natürlich alles zum Guten und ihre vermeintliche Schwäche entpuppt sich als weitere Stärke. Denn statt sich zu rächen, reagiert sie besonnen und großzügig.
Die Figur scheint eine Bilderbuch-Mary Sue zu sein. Sie wurde auch noch von einer Frau geschrieben. Aber sie funktioniert wunderbar, ist im Roman und in der Serie absolut liebenswert.


if they dominate the spotlight(1.) or are too unrealistic or unlikely(2.) in other waysDa sind zwei Punkte drin, die ich so nicht stehenlassen will.

1. Ein Charakter steht im Rampenlicht, wenn er Dreh- und Angelpunkt der Handlung ist. Nach so einer vagen Definition müsste fast jede Hauptfigur jeder Erzählung eine Mary Sue sein: Alice im Wunderland, Tom Sawyer und Huckleberry Finn, Emil Sinclair (Demian), alle von mir im ersten Beitrag genannten Charaktere.
Wenn in einer Erzählung die Entwicklung eines Charakters behandelt wird, warum dann den Fokus auf Nebenschauplätze lenken?

2. Um beurteilen zu können, ob ein Charakter unrealistisch ist, betrachtet man ihn im Kontext seiner Umgebung. Insofern finde ich Luthandorius2s Beispiel gut:

(gutes, reiches Elternhaus und dadurch gute Bildung und eventuell von Natur aus einen hohen IQ was in Kombination mit den Fördermöglichkeiten der wohlhabenden Eltern ihn zu einem tollen Wissenschaftler z. B. haben werden lassen)Es ist sehr wahrscheinlich, dass so ein Charakter mehr gute Eigenschaften entwickelt hat, als ein unterprivilegierter. Sarah Crewe passt auf die Beschreibung und wirkt nicht unrealistisch. Sehr idealisiert, ja, aber nicht unrealistisch.

Ich denke ich tue mich schwer mit der Abgrenzung zwischen Mary Sue und idealisiertem Charakter.


@La Cipolla: Ich kann mal schauen, ob ich den zufriedenstellend umgeschrieben kriege. Aber hattest du selbst nicht vor einiger Zeit mal so einen eröffnet?

sorata08
19.10.2012, 22:29
1. Ein Charakter steht im Rampenlicht, wenn er Dreh- und Angelpunkt der Handlung ist. Nach so einer vagen Definition müsste fast jede Hauptfigur jeder Erzählung eine Mary Sue sein: Alice im Wunderland, Tom Sawyer und Huckleberry Finn, Emil Sinclair (Demian), alle von mir im ersten Beitrag genannten Charaktere.
Wenn in einer Erzählung die Entwicklung eines Charakters behandelt wird, warum dann den Fokus auf Nebenschauplätze lenken?
Bei gängigen Mary Sues werden sie aber ins Zentrum der Handlung und der Charaktere gedrängt. Jeder will Freund mit der Mary Sue sein, sie rumkriegen und es gibt außer extra-dramatisch aufgewärmten Rivalen niemanden, der sie nicht leiden kann.
Aber die Mary Sue wird diese Beliebtheit eher mit kaum Begeisterung wahrnehmen und trotzdem über ihr tragsiches Schicksal rummopen.
Besonders in FanFictions wird das schlimm, weil dann selbst etablierte Charaktere sich natürlich nach der Mary Sue verzehren. Es gibt ja niemand anderen kompetenten in der Geschichte.

Ich denke, es ist einfach die drastische und pseudodramatische Übersteigerung eines (idealisierten) Hauptcharakters, der eine echte Mary Sue ausmacht.

MfG Sorata

Zakkie
19.10.2012, 22:41
Zu Mary Sues möchte ich nur sagen, dass TV Tropes eine gute Charakterstudie aller Art ist. Dort lernt man am schnellsten eine Mary Sue nicht zu schreiben.

Ringlord
19.10.2012, 23:10
Zu Mary Sues möchte ich nur sagen, dass TV Tropes eine gute Charakterstudie aller Art ist. Dort lernt man am schnellsten eine Mary Sue nicht zu schreiben.
Ja, nämlich mit der Methodik, überhaupt nicht zu schreiben.

Kelven
19.10.2012, 23:13
@Owly
Du kannst den Begriff gar nicht falsch verwenden, weil solche Begriffe meistens sowieso nur subjektive Definitionen haben. Selbst oder gerade auf Wikipedia. Ich wollte den Text auch gar nicht zitieren, um eine Definition zu liefern, sondern nur um zu zeigen, wie ich mir das ungefähr vorstelle. Meistens ist es besser, so was ausführlich zu beschreiben, also von daher:

Mary Sues sind eine Untermenge der idealisierten Figuren. Ein Extrem.

Eine idealisierte Figur ist eine, die bewusst nicht glaubwürdig ist, um eine größere Nähe zum Publikum herzustellen, sympathischer zu wirken, die Identifikation zu erleichtern, um gewissen Wünschen und Vorstellungen gerecht zu werden. Mary Sues sind in allen Belangen perfekt, weil sie Wish-Fulfillment des Autors selbst sind. Das funktioniert bei Büchern übrigens viel besser als bei Spielen, die sind dafür wohl zu aufwändig und komplex, deswegen kommt es vermutlich nur sehr selten vor, dass jemand ein Spiel mit sich selbst als Hauptfigur macht.

Zakkie
19.10.2012, 23:14
Ja, nämlich mit der Methodik, überhaupt nicht zu schreiben.

Absolut alles hat das Potential Mary Sues oder Klischées zu werden. Und Klischées sind nur so schlecht, wie man sie umsetzt.

Itaju
19.10.2012, 23:23
1. Habt ihr schonmal eine Mary Sue in einem eurer Spiele gehabt?

Ich glaube, Frauen, nun, sagen wir eher Love Interests in meinen Spielen waren immer idealisierte Versionen der Frauen auf die ich so stand (Itaju in Sleeping Shadow). Die Helden Loser (das war ja schon das Konzept bei Sleeping Shadow). Bei Assembling the Void will ich da noch nicht zu viel verraten, weil das auch Thema der Handlung sein wird.



2. Was haltet ihr von idealisierten Charakteren bzw. was glaubt ihr, wie müssen Spielwelt und Erzählung angelegt sein, dass sie funktionieren?

Menschen die übertrieben perfekt sind, sollten sich in einer Spielwelt bewegen, die Perfektion thematisiert. Ein filmisches Beispiel wäre Pleasantville (spielt in einer überdrehten fake-50er-Jahre-TV-Serien Welt mit dermaßen überdrehten Heile-Welt-Familien.



3. Es wird gesagt, RPGs müssen charakterorientiert sein. Heißt das, eure Charaktere entstehen zuerst und der Rest danach?

Puh, das sagt Dir jedes Story-Telling Lehrbuch. Klappt bei mir leider nie. Ich würde sagen, in meinen Geschichten (ich rede jetzt nicht von RPGs, ich habe ein paar nicht-Computerspiel-Geschichten zu Ende gebracht) steht immer die Welt und/oder das Konzept im Mittelpunkt. Die Figuren dienen dann dazu, den Konsumenten an das Konzept heranzuführen.


Im Übrigen noch das ultimative Beispiel für eine Mary Sue: Oliver Twist.

Luthandorius2
19.10.2012, 23:58
Mal was anderes. Wenn man mit dem Charakter bzw. den Charakteren anfängt... und dann erst die Handlung machen will - kann es dann nicht sein dass man doch automatisch mit der Handlung anfängt bzw. sich schon vorher Gedanken über die Handlung gemacht hat?

Ich meine so ganz "nur Charakter" geht es ja nicht, oder doch? Wenn man z. B. einen Charakter macht der irgendwie eine schwere Kindheit hatte, dann will man das ja natürlich sicher auch dem Spieler vermitteln. Wenn das nicht irgendwie vorkommt ist es ja unnötig und dann könnte man das aus dem Charkonzept rausstreichen.

Hat man da dann nicht selber schon die Vorstellung gehabt irgendwas zum Thema "schwerer Kindheit" zu mache? Und dadurch sich schon beeinflussen lassen was für einen Char man überhaupt macht? Ich mein irgendwelche Vorstellungen muss man ja haben, was man später denn mal an Handlung präsentieren will.

Katii
20.10.2012, 05:46
Keltenrabe... hatte eine, wenn nicht mehr Mary Sues xD... aber das war vor 10 Jahren als ich 16 war xD..... da waren sowieso einige peinliche Teeniesachen drin xD..... heute würde ich es anders gestalten

Kelven
20.10.2012, 08:58
@Luthandorius2
Ja, man kann beides gar nicht voneinander trennen. Die Geschichte wird letztendlich immer über die Charaktere erzählt. Sie erleben alles was passiert. Ein Spiel handelt nicht von einem Krieg zwischen zwei Königreichen, sondern davon, dass die Charaktere in diesen Krieg involviert sind. Nimmt man die Charaktere aus der Geschichte heraus, dann hört die Geschichte auf zu existieren. Natürlich kann man sich zunächst ein Setting ausdenken oder eine Hintergrundgeschichte und dann erst die Charaktere, doch weder Setting noch Hintergrundgeschichte sind eine Handlung.

La Cipolla
20.10.2012, 09:06
MARY SUE TEST (http://www.springhole.net/writing/marysue.htm)
Als Orientierungspunkt meiner Meinung nach richtig gut, auch weil er Punkte anspricht, an die man nicht sofort denkt.
Ich glaube aber nicht, dass a) jede Mary Sue fehl am Platz ist, und b) die Definition etwas Starres ist. Alles eine dicke Grauzone.


@La Cipolla: Ich kann mal schauen, ob ich den zufriedenstellend umgeschrieben kriege. Aber hattest du selbst nicht vor einiger Zeit mal so einen eröffnet?
Meinst du den (http://www.multimediaxis.de/threads/133693-Ein-kleiner-Mary-Sue-Test-f%C3%BCr-euren-Hauptcharakter)? Das war ja mehr der Test, keine echte Diskussion. Edit: Aber eigentlich kann ich den Link auch mal noch hierlassen. :D

BDraw
21.10.2012, 14:33
Ich kann Mary Sues eigentlich überhaupt nicht haben, auch wenn ich zugegebenermaßen das nicht ganz so eng sehe mit der Anwendung des Begriffs. Alucard aus Hellsing bleibt für meine Begriffe der ätzendste, langweiligste Charakter überhaupt, dicht gefolgt von Naruto und gut 70% der One Piece-Protagonisten, weil sie mir eben einfach zu "über" erscheinen. Selbst die Stärke von Ashs Pikachu nimmt nicht so lange exponential zu. <_<

Am liebsten sind mir da Charaktere, die deutliche Charakterschwächen haben und genau deswegen auch hin und wieder den Kürzeren ziehen (oder sich gleich mit dem Rest der Heldentruppe kurzzeitig verkrachen). Dieses "wir sind alle im Grunde unseres Herzens selbstlos, gütig, stark, vergeben allen alles und sind die Bewacher von Freundschaft und Liebe", was gerade in östlichen RPGs stellenweise so ausgereizt wird, kann ich gar nicht mehr gut ab. Das sind genau die Punkte, die ich primär mit Mary Sues verbinde: Die Reinkarnation der heiligen Mutter Theresa. Das ist auch das, was mich an Tales of Graces so gestört hat - und weswegen ich Lenneth und vor allem Hrist und Aylith aus Valkyrie Profile so super finde, auch wenn letztere zugegeben sehr flach geschrieben ist.
Wobei Mary Sue-Charaktere ein Spiel enorm bereichern können, wenn sie bewusst als Mary Sues konzipiert sind und das im Spiel auch auf die Schippe genommen wird.

Ich würde jetzt nicht unbedingt sagen, dass Mary Sues grundsätzlich Selbstrealisierungen des Autors sind. Vielmehr habe ich den Eindruck, dass der Autor absolut alles einbauen will was er toll findet und dabei einfach vergisst, dass Perfektion die Wurzel aller Langeweile ist. In meinen ganz alten Spieleideen waren da einige echt üble Sachen drin, wo ich einfach viel zu viele positive Eigenschaften und Stereotypen in eine Figur geschmissen habe, die am Ende quasi der allgemeingültige Messias war. <_<

Ich würde aber nicht sagen, dass RPGs charakterorientiert sein müssen. Wenn das Gameplay wirklich gut ist kann ich auch ohne tolle Charaktere leben, andersrum entschuldigt eine gute, packende Story, Charakterkonstellation und Atmosphäre ebenso viel. Für ersteres würde ich hier etwa Zelda, Pokémon oder Lucifer's Call nennen, Beispiel für letzteres wäre Fragile Dreams.

Auge des Sterns
22.10.2012, 04:54
1. Habt ihr schonmal eine Mary Sue in einem eurer Spiele gehabt?
Weder von mir gespielte, noch von mir erstellte Charaktere sollen mich wirklich repräsentieren. Eher sollen sie eine eigenständige Persönlichkeit sein, welche in unterschiedliche Richtungen gehen kann. So mag es auch zu idealisierten Persönlichkeiten kommen. Aber diese sind auch nicht perfekt, auch wenn sie durchaus ihre Talente haben. Der MS-Test meint jedenfalls, dass alles in Ordnung wäre. Auch der Mary Sue Rassentest sagt mir, es ist alles okay.


2. Was haltet ihr von idealisierten Charakteren bzw. was glaubt ihr, wie müssen Spielwelt und Erzählung angelegt sein, dass sie funktionieren?
Sie können sehr gut als Mittel verwendet werden um gesellschaftliche Umstände zu kritisieren oder um einen Gut-Böse-Kontrast herzustellen. Hierzu bedarf es natürlich dem Gegenstück, welches alle Ideale eben nicht verkörpert. Dies kann eine verkorkste Gesellschaft sein (dieses Problem ist in jeder Ära vorzufinden) oder aber der klassische Bösewicht.
Irgendwie lässt sich doch eh alles mögliche und unmögliche verkaufen (Hollywood sage ich nur), also sollte dies doch auch funktionieren.

3. Es wird gesagt, RPGs müssen charakterorientiert sein. Heißt das, eure Charaktere entstehen zuerst und der Rest danach?
Mal sehen.... erst das Konzept, dann die Spielewelt, dann die Charaktere und ihre Geschichte(n). So sieht es bei mir aus. Ohne Konzept (das schließt Gameplay mit ein) zu arbeiten ist, so meine ich, ein Körper ohne Kopf. Man kommt nicht wirklich zu einem zufriedenstellenden Ergebnis. Man muss sich dann wohl auch die Spielewelt überlegen, bevor man zu den Charakteren übergeht. Denn eine Heimat und Kultur werden sie in der Regel haben. Und gegebenenfalls ist es auch nötig Beziehungen einzelner Völker untereinander aufzulisten (sofern es die Story betreffen soll). Die Charaktere selbst sind in das Instrument, durch welches wir diese Spielewelt dann erleben. Sie tragen damit das Rollenspiel, auch wenn sie nicht wichtiger sein müssen als der Rest. Ich verweise hier auf BDraws Post.

Viviane
22.10.2012, 10:20
Was haltet ihr von idealisierten Charakteren bzw. was glaubt ihr, wie müssen Spielwelt und Erzählung angelegt sein, dass sie funktionieren?
Was Daen sagt - von Powergaming und "perfekten" Helden kann niemand was lernen. Wieso funktionieren Mary Sues - ganz einfach, die Leserschaft kann sich damit identifizieren. (siehe Bella Swan (Twilight)) Und der Aufwand eine Mary Sue - Klischeefigur zu erstellen ist absolut gering.
Um zu funktionieren braucht man A, einen Plot der nur um die Figur gestrickt ist und B, eine möglichst kurze "Sendezeit" denn nach 2h spielen und lesen "oh du bist ja so ein toller Held" wird es jedem langweilig. Aber es gibt ja auch für Überhelden noch Herausforderungen - böse Klone ihrer Selbst beispielsweise.

Es wird gesagt, RPGs müssen charakterorientiert sein. Heißt das, eure Charaktere entstehen zuerst und der Rest danach?
Was Kelven sagt - wer eine gute Geschichte erzählen will muss mit guten Charakteren beginnen um den Spieler anzusprechen. Kann ich mich nicht mit wenigstens einem der "Helden" identifizieren bleibe ich immer nur Beobachter und das kann schnell nach hinten los gehen. Nicht so sehr wie die Erkenntnis, das ich volle Kanne auf eine Mary-Sue-Klebespur gefallen bin und mich an sowas wie "Fifty Shades of Grey" 10 Seiten lang ergötzt habe. Wenn es richtig gesetzt wird kann eine Mary Sue auch richtig unterhaltsame und witzige Seiten haben - grade wenn der Autor es schafft dem Charakter nicht eines mit der Schicksalspfanne überzubraten sondern ihr/ihm Handlungsmöglichkeiten zu geben. Alicia etwa war anfangs sicher Mary-Sue-lastig, das gibt sich aber spätestens als sie beginnt sich nicht mehr mit ihrer Rolle abzufinden und auch die Motive der Leute in ihrem Umfeld zu hinterfragen und dann eben aktiv zu werden.

Ist übrigends auch der heiße Tip in jedem Autorenseminar gewesen, in dem ich war: Eine gute Geschichte lebt von ihren guten Charakteren. Punkt. Und ich hab bisher keinen Grund gefunden das anzuzweifeln.

Zu dem Punkt der "Nervensäge" denke ich das Idealisierung auf jeden anders wirkt. Mir gehen die aalglatten, konturlosen und oberflächlichen Charaktere nur dann auf den Keks, wenn sie wirklich keine Schwachstelle haben. Valnar ging mir in VD2 etwa auf den Keks, als ich das "Happy End" ohne Asgar freigespielt hatte. Ohne Asgar, der ihn trietzt und zu Entscheidungen "zwingt", ist Valnar nämlich nichts anderes als eine männliche Mary Sue: Quengelig, ohne Selbstvertrauen oder Lebensfreude aber der Schweinwerfer des Schicksals steht auf seine Stirn gerichtet (abgesehen von den moralischen Entscheidungen die man machen konnte - die waren aber wenig an der Charakterbildung beteiligt)
Falls sich jemand wundert wieso die bösen Jungs bei Fanfictionschreibern zu diversen Spielen (man nehme nur mal Sephiroth) mehr Zulauf haben - sie haben Konturen, sie haben Profil, sie haben Charakter. Und Kekse.

Andererseits bieten Mary Sues sicherlich eine größere Projektionsfläche für die Spieler - einfach zu erstellen, gut kompatibel aber für Spieler die eine Geschichte erleben wollen nicht wirklich interessant. Ausser das KS, die Rätsel und die Pixeleien sind so großartig das der Name des Helden allein schon beim betreten der 2. Map wieder vergessen ist. Aber es gibt ja für jede Nische eine Auszeichnung. ;)

Und Tom Sawyer ist keine Mary Sue. Aber das ist nur meine Meinung.

Owly
28.10.2012, 23:16
Mit der TV Tropes-Definition kann ich was anfangen. Nach der ist eine Mary Sue zu mindestens gleichen Teilen von der Umwelt bestimmt.
Aber: Kann eine Mary Sue ein tragischer Charakter sein? Einer, der durchgehend leidet? Pippi Langstrumpf und etliche andere Figuren aus der Kinderbuchliteratur (Pollyanna als Bilderbuch-Mary Sue), sind quasi perfekt, werden bewundert und meistern jede Herausforderung. Wahrscheinlich ist mein Hang zu der Art Literatur ungewöhnlich, aber ich, als Erwachsener, empfinde die Figuren nicht als handwerklich schlecht. Kindern machen sie Mut auf die Welt, allen anderen geben sie ihn zurück. Ich finde es unheimlich befriedigend, wenn ein perfekter Gutmensch am Ende Gerechtigkeit widerfährt.


Und Tom Sawyer ist keine Mary Sue. Aber das ist nur meine Meinung.Meine ebenfalls. Huck Finn wäre eher eine, aber nur, weil er so eine starke Mentorenfigur abgibt.


Nicht so sehr wie die Erkenntnis, das ich volle Kanne auf eine Mary-Sue-Klebespur gefallen bin und mich an sowas wie "Fifty Shades of Grey" 10 Seiten lang ergötzt habe.Kann man sich also sparen?

Viviane
29.10.2012, 02:01
Kann man sich also sparen? -

Aber sowas von! Erst letzte Woche nannte jemand die Reihe "50 Shits of Grey", was es deutlich passender beschreibt. Wobei - mich hat das Buch in den ersten 50 Seiten, sagen wir bis zum ersten Kuss etwa und dann vielleicht noch bis zur Stelle an der Grey ihr den "Vertrag" vorlegt interessiert - aber da sie ihn 3 Bände lang nicht unterschreibt und de facto ein "Gutmensch-roman" der schlimmsten Sorte daraus wird, dazu die Bände durch Riesencliffhanger zum weiterkauf zwingen und der Schreibstil an eine 12-Jährige erinnert, kann ich nur abraten.


Sie trennen sich am Ende des 1. Bandes, Teil 2 besteht nur daraus wie sie sich wieder "umkreisen" und er ihr Zugeständnisse macht (was absolut nicht mit seinem Auftreten in Teil 1 zusammenpasst) und in Teil 3 wird geheiratet, weil die Gute ihm das böse böse SM-Gebaren (was durch seine schlimme Kindheit kam, klar) ausgetrieben hat. Die "erotischen" Szenen sind angeblich im 1. Band am besten - ich musste herzlich lachen, als ich das gelesen habe, denn die gehören mit ihren Wortwiederholungen zu den schlimmsten Szenen, die ich je gelesen habe. Und sind dazu absolut "vanilla" - heißt SM-frei geschrieben, nimmt man die eine Szene aus, in der sie sich schlagen lässt um ihm dann sagen zu können das sie zu blöd ist ein Savewort zu nutzen (äh oder um ihm zu sagen "ich würds für dich tun, aber das tut voll weh, aua)- ;)
Dazu ist die Heldin 22 (oder so, jedenfalls Studentin) und immer noch Jungfrau, obwohl jeder Kerl es mit ihr treiben will. *facepalm*

Wer sich aber über Twilight amüsieren konnte (egal ob Film oder Buch) kann auch hier zugreifen, weil es viel, viel zu lachen gibt wenn man die Klischees durchschaut hat.
Wer sich schnell fremdschämt, weil die "Heldin" einfach nur langweilig und dämlich ist und noch dazu alles was von "Otto Normalverbraucher" abweicht für pervers, krank oder abartig hält, sollte sich ein Liebesmärchen wie "Die Maske der Leidenschaft" von Daria Charon kaufen. Mit Handlung, mit sympatischen Charakteren und - man höre und staune für einen "beworbenen Erotikroman" - erotische Handlungen die nicht als Hexenwerk verdammt werden. ;)

Zu wissen das die 3 Bücher mit über 1000 Seiten einfach nur als Twilight-Fanfiction angefangen haben und die Protagonisten, damit 50 Shades of Grey verlegt werden konnte, einfach nur neue Namen und Augenfarben bekamen, hat mich dann davon abgebracht noch den 2. Band zu kaufen (vom 3. gar nicht erst zu reden). Tus dir nicht an, ich hab mich für die 3€ Porto und den 1ct fürs englische Buch schon geärgert - am meisten aber darüber, das ich mir nicht einfach vorher die 1-Sterne Rezensionen bei Amazon durchgelesen habe. Die sind voller Spoiler - danach bist du aber klug, hast eine bessere und noch amüsantere Lektüre gehabt als die Bücher und dafür kannst du das Geld in wirklich gute Bücher investieren. Tom Sawyer zum Beispiel. ;)

Spontane Frage, die mir noch zum Thema einfiel:
Sind Alex und Brian eigentlich männliche Mary Sues? ... Immerhin sind sie Stereotype des "Held rettet Welt" und keiner fragt, wieso blaue Haare charakterbildend sein müssen, einfach weil der Charakter egal ist. Oder sind sie nur bloße Platzhalter um Interaktion mit Pixelgegenständen zu ermöglichen? (wobei ich das ja einer Mary Sue in einer Geschichte irgendwie auch zuschreiben würde - und nichtmal soviel ^^) Oder ist es doch das "perfekte, fehlerlose", das Mary Sues ausmacht und müsste man Alex dann in einen schwarzen Anzug stecken und die Haare gelen, damit er als "ideal"-Held durchgeht?

Sabaku
29.10.2012, 02:27
Oder ist es doch das "perfekte, fehlerlose", das Mary Sues ausmacht und müsste man Alex dann in einen schwarzen Anzug stecken und die Haare gelen, damit er als "ideal"-Held durchgeht?

Wenn er der Held eines Agentenfilms werden soll - zu dem typischen RPG-Helden passt das ja eher weniger (wenn wir vom Stereotypen ausgehen).

Die Frage an sich ist schwierig. Brian und Alex wurden in sovielen Spielen verwurstet...und sie wurden zwar in Massen davon in die Rolle des stets zum guten Gehörenden Protagonisten gequetscht, aber zu einem Gary Stue ("in jeder hinsicht perfekt "(FF-Generation-Definition)) macht einen das noch lange nicht.

Kelven
29.10.2012, 09:15
@Owly

Wahrscheinlich ist mein Hang zu der Art Literatur ungewöhnlich, aber ich, als Erwachsener, empfinde die Figuren nicht als handwerklich schlecht.
Bezeichnet sie denn überhaupt jemand als handwerklich schlecht? Mal ganz abgesehen davon, dass das sowieso nur ein subjektives Urteil sein würde. Viele Geschichten brauchen perfekte Helden. Nicht nur um eine gute Identifikationsfigur für Kinder zu bieten. Auch in Actionfilmen sind die Helden oft so. Mir gefallen die "perfekten" Actionhelden der 80er-Jahre jedenfalls weitaus besser als die modernen, mehr oder weniger gefallenen Helden. Ich schaue Action gerade deswegen, damit der coole Held die bösen Buhmänner vermöbelt. Das sollte er dann auch mit der allergrößten Effizienz.

sorata08
29.10.2012, 15:23
Wenn er der Held eines Agentenfilms werden soll - zu dem typischen RPG-Helden passt das ja eher weniger (wenn wir vom Stereotypen ausgehen).
Ich würde allerdings nicht alle Helden von Agentenfilmen als "Mary/Gary Sues/Stues" bezeichnen.
Klar, James Bond kommt eigentlich immer aus allem heraus, kann Differentialgleichungen im Kopf lösen, während er Motorräder auf Klippen zufährt, aber auch der hat Laster, ohne die er weit weniger Schwierigkeiten haben würde: Hitzköpfigkeit, Alkohol und Frauen kosten ihm eigentlich immer fast Kopf und Kragen. Von seinem massiven Ego mal ganz abzusehen...
Ist jetzt mMn nicht das, was man unter ideal und perfekt im Sinne des Themas Mary Sue verstehen würde.

Sabaku
29.10.2012, 15:29
Ich würde allerdings nicht alle Helden von Agentenfilmen als "Mary/Gary Sues/Stues" bezeichnen.

So meinte ich das eigentlich nicht (nur die Beschreibung von Vivian klang ziemlich nach Agent, also dem Stereotypen, nicht nach einer "Mary Sue"). Aber jetzt wo ich deine Beschreibung von James Bond lese, scheint der gar nicht soweit weg davon zu sein :"D

sorata08
29.10.2012, 20:04
So meinte ich das eigentlich nicht (nur die Beschreibung von Vivian klang ziemlich nach Agent, also dem Stereotypen, nicht nach einer "Mary Sue"). Aber jetzt wo ich deine Beschreibung von James Bond lese, scheint der gar nicht soweit weg davon zu sein :"D
Im Sinne von "Er hat immer Erfolg" hast du natürlich Recht. ;)
Ich meine aber, das stereotypische Mary Sues eher nachrangige Schwächen haben, die gekünstelt daherkommen, wie "ist recht ansehnlich, aber wird natürlich von niemanden gemocht" und solche Späße.

Was mir auch amüsant vorkommt, sind diese Charaktere, die völlig konträre Eigenschaften mit sich bringen, damit sie "detailliert sind". Also die spaßigen Hitzköpfe, die dennoch generell mit Vorsicht und Bedacht an den Tag gehen. Das hat man bei Mary Sues auch oft, da dann zu negatives wieder ausgeglichen werden soll.
"Die Mary Sue ist eigentlich recht abweisend aber doch hilfsbereit, weil sie alle mögen"

MfG Sorata

Owly
29.10.2012, 22:30
@Viviane:
Das klingt böse. ^^ Ich ignoriere solche Trendbücher normalerweise konsequent, denke mir aber, dass sie irgendwie gut geschrieben sein müssen. Unabhängig davon, dass ich aus ihrer Zielgruppe falle. Da ignorieren bisher immer geklappt hat, werde ich dabei wohl bleiben.
@Viviane und Sabaku:

sie wurden zwar in Massen davon in die Rolle des stets zum guten Gehörenden Protagonisten gequetscht, aber zu einem Gary Stue ("in jeder hinsicht perfekt "(FF-Generation-Definition)) macht einen das noch lange nicht.Ich denke, vielen Spiele kommt zugute, dass sie eben Spiele sind. Abseits der Story wird so viel getan, das nichts mit ihr oder dem Kanon der Charaktere zu tun hat, dass überschwängliches Gutmenschentum trotzdem nur in überschaubaren Dosen verabreicht wird. Das heißt natürlich nicht, dass das gut ist. Besser wäre es, Story und der Rest wären so eng miteinander verzahnt, dass Profile sich dem Spieler offenbahrten.


Bezeichnet sie denn überhaupt jemand als handwerklich schlecht?Mary Sues ja schon. Oder nicht? Und nach jeder Definition sind meine liebsten, weiblichen Figuren alles Mary Sues.

Mir gefallen die "perfekten" Actionhelden der 80er-Jahre jedenfalls weitaus besser als die modernen, mehr oder weniger gefallenen Helden. Ich schaue Action gerade deswegen, damit der coole Held die bösen Buhmänner vermöbelt.Da bin ich bei dir, aber die 80er-Helden waren sicher nicht perfekt. Sie waren vielleicht perfekt darin sturzbesoffen trotzdem noch alles zu treffen. Cool waren sie bestimmt, aber die wenigsten in ihrem Umfeld mochten sie. Spätestens ihr Vorgesetzter nicht mehr.


Was mir auch amüsant vorkommt, sind diese Charaktere, die völlig konträre Eigenschaften mit sich bringen, damit sie "detailliert sind".Konträre Eigenschaften sind zwar nichts ungewöhnliches, ich verstehe jedoch was du meinst. Da sind die Grenzen der Glaubwürdigkeit schnell erschöpft und man tut sicher gut daran, sich auf die Darstellung weniger perfekter Eigenschaften zu beschränken.

La Cipolla
31.10.2012, 12:44
James Bond ist eigentlich ein sehr gutes Beispiel einer Mary Sue, vor allem in den älteren Filmen (bei Daniel Craig wird es imho etwas differenzierter). Das ist immer dann sehr deutlich, wenn gerade diese augenscheinlich schlechten Eigenschaften entweder FREI von jeder negativen Konsequenz sind und/oder positiv dargestellt werden -- ein Aspekt, den man nicht vernachlässigen sollte! Bond ist nicht hitzköpfig oder egoman, er ist ein Draufgänger. Er ist ein Womanizer , der auch auf Kosten seiner Liebhaberinnen immer irgendwie rauskommt (frei von jedem Schuldgefühl, das länger als einen Film anhalten würde), und letztendlich ist "gerührt, nicht geschüttelt" allen voran ein Style-Element. Seine Vorgesetzten lassen ihm letztendlich alles durchgehen, und negative Konsequenzen werden konsequent runtergespielt.

War ja auch ein Problem, das viele Leute mit dem neuen Bond hatten -- der ist halt nicht IMMER der, der überall ohne Kratzer rauskommt, es gibt Konsequenzen. Was den Charakter letztendlich menschlicher macht und in einem Superheldensetting wie James Bond durchaus auch negativ aufgenommen werden kann.

real Troll
31.10.2012, 13:48
1. Habt ihr schonmal eine Mary Sue in einem eurer Spiele gehabt?
Captain America. Naja, so halb.

2. Was haltet ihr von idealisierten Charakteren bzw. was glaubt ihr, wie müssen Spielwelt und Erzählung angelegt sein, dass sie funktionieren?
Ich finde Kanten interessanter als ideale Harmonie. Aber eine märchenhafte Erzählung, die das Reine, von der Schlechtigkeit der Erwachsenenwelt unberührte Gute im (vermutlich dann: kindlichen) Helden als klare Liebeserklärung ohne relativierende Scham formuliert, muss kein peinlicher Kitschreinfall oder eine Tugendallmachtsfantasie werden. Die Stilmittel, mit denen man sowas bspw. präsentieren könnte, stehen bereit und sind erprobt: Schwarz-weiß Schattenrisse als Grafik, die der Fantasie viel Raum lässt und das Geschehen schon im Anblick von Grautönen befreit. Dazu eine einfühlsame Musikauswahl und eine Handlung über archetypische Themen, die nicht ironischen Versuchungen verfällt.
Simpler klappt es natürlich, wenn man einfach einen Superhelden nimmt, dann aber darauf achtet, ihm auch eine superheldentaugliche Welt als Spielfläche zu bereiten.

3. Es wird gesagt, RPGs müssen charakterorientiert sein. Heißt das, eure Charaktere entstehen zuerst und der Rest danach?
Bei mir entsteht meist erst eine ungefähre Idee über das Szenario der Spielwelt und dann überlege ich, welche Art Held dort reinpasst. Schränkte mich so ein Held zu sehr ein, verwürfe ich das Szenario. Macht mir der Heldenentwurf hingegen Spaß, baue ich das Konzept weiter aus. Dabei gibt es zwischen Szenario, Held und Handlung aber keine ultimative Dominante, ich entwickle die drei Bestandteile in großer Wechselwirkung zueinander. Der Held ist nie Supermann genug, die Welt und ihre Geschenisse komplett umbiegen zu können. Und anders herum: Welt und Geschehnisse sind in ihren Anforderungen nie so gestaltet, dass der Held ein austauschbares Charakter-Nichts wäre. Neben den äußeren Umständen haben auch die persönlichen Motive des Helden einen entsprechend großen Einfluss auf sein Agieren.
Also ein ganz klares Sowohl-als-auch.

Kelven
31.10.2012, 13:58
@Owly

Mary Sues ja schon. Oder nicht? Und nach jeder Definition sind meine liebsten, weiblichen Figuren alles Mary Sues.
Man sollte immer vorsichtig sein, wenn jemand einem etwas als objektiv schlecht verkaufen will. Viele Geschichten würden ohne die perfekten Figuren gar nicht funktionieren. Wahrscheinlich hält so mancher nur die Figuren für Mary Sues, die er nicht mag, obwohl viele seiner Lieblings auch welche sind.

TwoFace
01.11.2012, 09:58
Es gibt viele Wege Mary Sues zu vermeiden:

In einem Fungame kann man beispielsweise dem Helden einen recht überheblichen und egomanen Charakter geben, ihn aufgrund seines Pechs aber hin und wieder (auf seinem Weg zum Ziel) auf witzige Art und Weise auf die Schnauze fallen lassen. So nimmt man ihm die ich-bin-perfekt-Attitüde. Ein perfektes Beispiel hierfür wäre die Serie Darkwing Duck, die ich damals (und auch heute noch) sehr gerne gesehen hab. Hingegen: Typische (männliche) Mary Sues sind mMn zB Superman und Batman (falls diese beiden noch nicht genannt wurden). Wie schon von BDraw gesagt: Manche Helden sind zu "über", da macht es mir keinen Spaß. Beispielsweise Supermans einzige Schwäche (die irgendwie auch nur so wirkt als hätte man ihm nachträglich eine Schwäche verpasst, damit er eben eine hat) ist sein Kryphtonit, wohingegen Batman total fehlerlos handelt und das ist langweilig. Auf Spiderman hingegen trifft das nicht zu; er hat zwar Superkräfte, jedoch auch Schwächen, sowie Gegner, die ihm hier und da überlegen sind und an denen er wirklich zu nagen hat. Wenn der Held nicht sofort die perfekte beste Möglichkeit nimmt, um jeden übermächtigen Feind sofort aus dem Weg zu räumen, sondern auf dem Weg ab und an erstmal scheitert, die Lage vllt aussichtslos erscheint, er sich erst einen Plan schaffen muss, den er nicht sofort aus dem Ärmel schütteln kann und an die Grenzen gehn muss - das erzeugt Spannung und Wiedererkennungswert. Als "Schwäche" könnte wiederrum aber auch eine Frau dienen, in die der Held hoffnungslos verknallt ist und in deren Gegenwart er sich wie ein Trottel benimmt. xD die Möglichkeiten hier sind vielfältig. Man muss es als Entwickler eben irgendwie ausbalanciert kriegen zwischen "man kann den Held durchaus ernst nehmen und er hats drauf" und "übermächtig ist er nicht, er hat ebenso viele Schwächen wie Stärken, vllt sogar noch mehr" usw.

Kelven
01.11.2012, 10:12
Superman und Batman scheitern doch manchmal auch, selbst wenn das dann wieder rückgängig gemacht wird, ein neuer Held ihr Kostüm übernimmt oder das nur alternative Universen waren, keine Ahnung, ich kenne mich mit Superhelden-Comics nicht so aus. Ich gehe aber mal davon aus, dass man die Comics nicht liest, um seine Helden scheitern zu sehen.

TwoFace
01.11.2012, 10:19
Geht ja nicht drum, dass sie unbedingt scheitern müssen, nur dass sie eben verhältnismäßig viel mehr Stärken als Schwächen haben.

Simon
01.11.2012, 10:27
Wenn ein Held mehr Schwächen als Stärken hat, macht ihn das nicht irgendwo zum Antihelden?

TwoFace
01.11.2012, 10:29
"Antiheld" assoziiere ich automatisch mit "Antagonist". Von daher würd ich das verneinen. Oder wie meinst du das?

Mephista
01.11.2012, 10:50
"Antihelden" zeichnen sich dadurch aus, dass sie es an einer bestimmten, für normale Helden typische, positiven Charaktereigenschaften mangeln lässt, zum Beispiel dass sie zwar superstark, aber platschblöd sind, oder einfach moralisch verwerflich handeln. Das macht sie irgendwie schon wieder sympathisch. Antihelden können genausogute Mary Sues sein wie normale Helden. Genau wie die sogenannten "Antifeinde (Antivillians, ich kenne den Begriff nur aus dem englischem, im Deutschen wird er gar nicht verwendet, was ich sehr schade finde XD)", die nochmal eine weitere Differenzierung darstellen, aber genauso Mary Sues sein können.

Das für mich bekannteste Beispiel für eine Mary Sue der krassesten Sorte, die erst ein Anti-Villian ist und im Verlauf der Geschichte zum Anti-Hero wird, ist Sesshoumaru von InuYasha. Aber sowas von. (Sorry, wenn ich damit einige abschrecke, aber ich stehe auf diesen Manga/Anime XD) Und obwohl, bzw. gerade weil er so ist, so uber und dabei AntiVillian/Hero, ist er so ein toller Charakter. Mein persönlicher Liebling der Serie zum Bleistift ;)

Edit: Achja, noch eine kleine Ergänzung. Anti-Helden haben nichts mit Antagonisten zu tun. Shakespearse's Hamlet ist zum Beispiel ein ganz berühmtes Beispiel für einen Anti-Helden. Er ist der "Held" bzw. Protagonist der Geschichte, aber vor allem sein Herumgedruckse, und der aus Versehen begangener Mord an Ophelias Vater machen ihm ganz klar zum Antihelden. Aber gerade seine Schwäche, eben dass er sich nicht entscheiden kann und deswegen einen auf irre macht, zeichnet Hamlet ja aus. ;)

TwoFace
01.11.2012, 11:02
Achso. Dann entschuldigt mein Unwissen.

Owly
02.11.2012, 12:57
@Kelven:
Ja, und deshalb sollte man mit der Definition von Mary Sues vorsichtig sein. Der Begriff ist ja grundlegend despektierlich gemeint. Aber nicht alle Eigenschaften einer Mary Sue bzw. die Eigenschaften, die gerne genannt werden um zu erklären, warum sie schlecht ist, sind auch tatsächlich schlecht. Mary Sues sind vielleicht handwerklich schlecht, wenn absolut jedes Klischee über sie zusammenkommt, ohne Drumherum und Aussage.


Das für mich bekannteste Beispiel für eine Mary Sue der krassesten Sorte, die erst ein Anti-Villian ist und im Verlauf der Geschichte zum Anti-Hero wird, ist Sesshoumaru von InuYasha.Ich kenne die Serie nicht allzu gut, aber wurde Sesshoumarus Charakter jemals als erstrebenswertes Ideal präsentiert? Er stellt doch die typische Art kalter Verachtung zur Schau, die seit Cloud und Squall auch in Videospielen sehr modern ist.

Kelven
02.11.2012, 13:11
@Owly
Er soll zumindest so gut wie immer cool und perfekt wirken.

Ich denke auch, dass man mit solchen sehr vereinfachenden Begriffen vorsichtig sein sollte, vor allem wenn sie eine rein negative Konnotation haben (und man selbst sie vielleicht gar nicht so meint). Deswegen mag ich z. B. auch das Wort "kitschig" nicht, weil es zu stark vom persönlichen Geschmack abhängt. Jeder hat seine eigene Grenze, aber der er etwas zu gefühlsduselig findet. Andere benutzen das Wort sogar, obwohl sie gar nicht finden, dass die Gefühle zu plump dargestellt werden. Das sind die Tücken der Kommunikation.