Mordechaj
20.02.2011, 17:33
Der OP-Beitrag sollte keine Handlungs-Spoiler enthalten. Falls dennoch jemand welche findet, würde ich mich über Handzeichen freuen.
Ich bitte darum keine nichtgekennzeichneten Inhalte (d.h. Videos oder sonstiges Material ohne Ausweisung der Altersfreigabe) zu posten, da die Serie nicht jugendgeeignet ist. Ein höhere Autorität in diesem Forum kann diese Bitte gern an meiner Stelle revidieren.
http://npshare.de/files/f827b778/Spartacus-Blood-and-Sand-wallpaper-3.jpg
Spartacus: Blood and Sand ist eine von Starz produzierte TV-Serie, die am 22. Januar 2010 Premiere hatte. Erzählt wird die Geschichte der historischen Figur Spartacus (Andy Whitfield; Liam McIntyre für Season 2), dem thrakischen Gladiator, der von 73 bis 71 v.Chr. den Sklavenaufstand gegen das Römische Imperium anführte. Die ausführenden Produzenten, Steven S. DeKnight und Robert Tapert, konzentrierten sich darauf, die Ereignisse von Spartacus' weitestgehend unbelegtem Frühleben bis hin zu den historisch fundierten Begebenheiten zu rekonstruieren. Die Sendung erhielt in den USA sowie anderen Ländern aufgrund der sehr bildlichen Gewalt, deutlichen sexuellen Darstellungen und vulgärer Sprache eine Altersfreigabe ab 18 Jahren.
Der Stil der Darstellung wird vor allem durch einen leichten aber deutlichen Überbelichtungseffekt evoziert, vergleichbar mit der Darstellungsweise in "300".
Es werden außerdem einige verstörende Züge in die Darstellungsweise eingebracht, angeblich um das Gefühl von Authentizität zu verstärken. Obwohl die Originalsprache Englisch ist, erscheint die Sprechweise und Satzstruktur eher archaisch und bedient sich teilweise Lateinischer Normen über die normale Regel - zum Beispiel werden bestimmte und unbestimmte Artikel ausgespart ["Dominus told me"] , das Wort "yes", welches in klassischem Latein keine Entsprechung besitzt, wird durch affirmative Phrasen ersetzt (p.e. "Would you use of gladius?" - "That is my desire").
In selber Manier durchzieht "zufällige" Nacktheit die Handlung und [kulturell geprägte] Geschmäcker über Sexualität, was wir als "obszön" empfinden würden, sowie über Gewalt [und vulgäre Sprache] scheinen weit in den Hintergrund zu rücken. Charaktere mit homosexueller Orientierung werden weder anders dargestellt, noch werden sie anders behandelt als irgendjemand anderes, wodurch sie zu einer beinahe zufälligen und alltäglichen Vorliebe gemacht werden.
(Quelle: en.wikipedia.org)
Die Serie läuft sehr, sehr langsam an und vieles ist wirklich so auf 300 gemacht, was mich persönlich extrem annervt. Sie enthält unzählige historische Fehler und verliert sich von Zeit zu Zeit (vor allem wenn es um die Gladiatorenkämpfe geht) in einer unglaublich pathetischen Stilisierung, vor allem auch was Nationalgedanke und Loyalitätsbewusstsein angeht, Dinge die einer unhistorischen Überblendung entspringen.
Trotzdem eröffnet die Sendung eine völlig freie Sicht, welche sich vom medialen Wertekosmos abzuheben weiß. Weder Sprache, noch Darstellung, noch Bearbeitung unterliegen irgendwelchen gesellschaftlichen Normen, man findet sich direkt im Tollhaus einer parahedonistischen Gewaltgesellschaft wieder.
Hinter Gewalt, Sex und Intrigen verbirgt sich eine beeindruckende Dramaturgie, Konfliktfelder werden absolut präzise generiert, die Zuspitzung der Ereignisse ist absolut stimmig mit Charakterentwicklungen verflochten. Man hat neben der Zielgruppenorientierung mit Action und Spezialeffekten nicht verschlampt, den Geschehnissen durch eine strenge und dabei äußerst durchdachte Erzählweise Leben einzuhauchen. Wie normal und unverkrampft hier mit Sexualität und mit sexueller Orientierung umgegangen wird, ist trotz der für den modernen Wertezyklus ungeeigneten Darstellungsweise einfach nur beispielhaft.
Besonders beeindruckend war für mich der Handlungsbogen, der sich grob gesehen dem normalen Usus solcher Heldengeschichten beugt (Initiation, Prüfung, Aufstieg, Fatalisierung, Ausgang), im Detail aber deutlich zu Neuem bereit ist und genau weiß, womit das Publikum zu gewinnen ist.
Leider sind einige Szenen viel zu verblümt auf die Heroisierung der Spartacusfigur aus, als dass sie sich in die bissige Szenerie einordnen könnten. Spartacus ist der einzige, der für das moderne Kulturverständnis weitestgehend ehrenhaft bleibt. Er bedient sich extrem selten irgendwelcher harten Ausdrücke, wenn er Sex hat, ist das irgendwie sanft und total leidenschaftlich. Spartacus bekommt ganz zufällig die musical moments ab, welche sein Schicksal verabsolutionieren, Chöre, Streicher, alles was irgendwie Sympathie mit der Situation erweckt.
Seit dem Ende seiner Initiation triumphiert er über jeden Gegner, was irgendwann ziemlich langweilig wird und durch Blutströme und herausquillende Gedärme kompensiert werden muss, Spartacus ist ehrlich, ernst, zeigt Kalkül, Menschlichkeit, Entschlossenheit, Mäßigung, Erfahrenheit, Mut, Stärke...
Es ist fast eklig, was für einen Halbgott man aus ihm macht. Und es ist absolut öde.
Das Ende der ersten Staffel ist ein einziges Aufräumen. Jeder einzelne Konflikt, der über Episoden hinweg mühsam aufgespannt wurde, wird in einem blutigen Drama konsequent niedergerissen, die Loslösung aus der eigenen Fatalität, wie es sich für einen Spartacusaufstand gehört, wird aggressiv und bestimmend vollführt, die Spannung löst sich wie im Vulkanausbruch am Ende von Stromboli, nur mit dem Unterschied, dass absolut jeder Intrigenwirker brutal auf die Fresse bekommt und jeder noch so kleine zivilisatorische Schimmer, den die Handlung zugelassen hat, gnadenlos umgepustet wird. Wir finden uns in einer klassischen Dramenmoral wieder, die keine eindringlichere Hybris zugrunde haben und die keine derbere Katharsis verursachen könnte.
Bemerkenswert ist die schauspielerische Leistung der Darsteller, die für ein solches Format durchaus ungewöhnlich ist. Lucy Lawless (Xena) spielt eine absolut beeindruckend gute Lucretia und John Hannah (Vier Hochzeiten und ein Todesfall) geht in der Rolle des Batiatus auf wie in keiner anderen. Viva Bianca (All Saints) zeigt deutlich, dass blonde Australierinnen es immer noch drauf haben: Die Rolle der Ilithyia muss eine unheimlich schwere sein, keine hat (außer die von Spartacus und Crixus) so viele Wendungen, keine andere bedarf derart permanent dieses Spagates zwischen näselnd herabblickender Arroganz, teeniehafter Rolligkeit und geistiger Verstörtheit. Bianca glänzt in allen Bereichen so sehr, dass es einen schüttelt. Sie ist eine über alle Maßen geniale Besetzung für eine absolut geniale Charakterform.
http://npshare.de/files/57d14453/spartacus_blood_and_sand13.jpg
Alles in allem eine stimmige Erweiterung des Formates, die ihresgleichen sucht. Zwischen ausschweifenden Blutbädern, softcore porn und sprachlichem Verfall, neben pathetischer Heroisierung und gekünstelter Empathie und unter einem großen Berg an fehlgeleiteter Reminiszenz verbirgt sich ein absolut brillantes und erfrischend überauthentifiziertes Konzept, das sich von Stereotypen und gutbürgerlicher Normativierung lossagt, um geradezu schmerzhafte Immersion hervorzurufen. Für jeden Zuschauer mit Vorliebe für historische Action oder für die nicht ganz so sensiblen Fans von antiker Szenerie und über 18 Jahre äußerst sehenswert. Für Augen mit Abneigung gegen allzu realistisch-brutale Darstellungen allerdings alles andere als zu empfehlen.
Hat jemand sonst die erste Staffel schon gesehen? Ist noch jemand beeindruckt? Feel free to share your impressions.
Ich bitte darum keine nichtgekennzeichneten Inhalte (d.h. Videos oder sonstiges Material ohne Ausweisung der Altersfreigabe) zu posten, da die Serie nicht jugendgeeignet ist. Ein höhere Autorität in diesem Forum kann diese Bitte gern an meiner Stelle revidieren.
http://npshare.de/files/f827b778/Spartacus-Blood-and-Sand-wallpaper-3.jpg
Spartacus: Blood and Sand ist eine von Starz produzierte TV-Serie, die am 22. Januar 2010 Premiere hatte. Erzählt wird die Geschichte der historischen Figur Spartacus (Andy Whitfield; Liam McIntyre für Season 2), dem thrakischen Gladiator, der von 73 bis 71 v.Chr. den Sklavenaufstand gegen das Römische Imperium anführte. Die ausführenden Produzenten, Steven S. DeKnight und Robert Tapert, konzentrierten sich darauf, die Ereignisse von Spartacus' weitestgehend unbelegtem Frühleben bis hin zu den historisch fundierten Begebenheiten zu rekonstruieren. Die Sendung erhielt in den USA sowie anderen Ländern aufgrund der sehr bildlichen Gewalt, deutlichen sexuellen Darstellungen und vulgärer Sprache eine Altersfreigabe ab 18 Jahren.
Der Stil der Darstellung wird vor allem durch einen leichten aber deutlichen Überbelichtungseffekt evoziert, vergleichbar mit der Darstellungsweise in "300".
Es werden außerdem einige verstörende Züge in die Darstellungsweise eingebracht, angeblich um das Gefühl von Authentizität zu verstärken. Obwohl die Originalsprache Englisch ist, erscheint die Sprechweise und Satzstruktur eher archaisch und bedient sich teilweise Lateinischer Normen über die normale Regel - zum Beispiel werden bestimmte und unbestimmte Artikel ausgespart ["Dominus told me"] , das Wort "yes", welches in klassischem Latein keine Entsprechung besitzt, wird durch affirmative Phrasen ersetzt (p.e. "Would you use of gladius?" - "That is my desire").
In selber Manier durchzieht "zufällige" Nacktheit die Handlung und [kulturell geprägte] Geschmäcker über Sexualität, was wir als "obszön" empfinden würden, sowie über Gewalt [und vulgäre Sprache] scheinen weit in den Hintergrund zu rücken. Charaktere mit homosexueller Orientierung werden weder anders dargestellt, noch werden sie anders behandelt als irgendjemand anderes, wodurch sie zu einer beinahe zufälligen und alltäglichen Vorliebe gemacht werden.
(Quelle: en.wikipedia.org)
Die Serie läuft sehr, sehr langsam an und vieles ist wirklich so auf 300 gemacht, was mich persönlich extrem annervt. Sie enthält unzählige historische Fehler und verliert sich von Zeit zu Zeit (vor allem wenn es um die Gladiatorenkämpfe geht) in einer unglaublich pathetischen Stilisierung, vor allem auch was Nationalgedanke und Loyalitätsbewusstsein angeht, Dinge die einer unhistorischen Überblendung entspringen.
Trotzdem eröffnet die Sendung eine völlig freie Sicht, welche sich vom medialen Wertekosmos abzuheben weiß. Weder Sprache, noch Darstellung, noch Bearbeitung unterliegen irgendwelchen gesellschaftlichen Normen, man findet sich direkt im Tollhaus einer parahedonistischen Gewaltgesellschaft wieder.
Hinter Gewalt, Sex und Intrigen verbirgt sich eine beeindruckende Dramaturgie, Konfliktfelder werden absolut präzise generiert, die Zuspitzung der Ereignisse ist absolut stimmig mit Charakterentwicklungen verflochten. Man hat neben der Zielgruppenorientierung mit Action und Spezialeffekten nicht verschlampt, den Geschehnissen durch eine strenge und dabei äußerst durchdachte Erzählweise Leben einzuhauchen. Wie normal und unverkrampft hier mit Sexualität und mit sexueller Orientierung umgegangen wird, ist trotz der für den modernen Wertezyklus ungeeigneten Darstellungsweise einfach nur beispielhaft.
Besonders beeindruckend war für mich der Handlungsbogen, der sich grob gesehen dem normalen Usus solcher Heldengeschichten beugt (Initiation, Prüfung, Aufstieg, Fatalisierung, Ausgang), im Detail aber deutlich zu Neuem bereit ist und genau weiß, womit das Publikum zu gewinnen ist.
Leider sind einige Szenen viel zu verblümt auf die Heroisierung der Spartacusfigur aus, als dass sie sich in die bissige Szenerie einordnen könnten. Spartacus ist der einzige, der für das moderne Kulturverständnis weitestgehend ehrenhaft bleibt. Er bedient sich extrem selten irgendwelcher harten Ausdrücke, wenn er Sex hat, ist das irgendwie sanft und total leidenschaftlich. Spartacus bekommt ganz zufällig die musical moments ab, welche sein Schicksal verabsolutionieren, Chöre, Streicher, alles was irgendwie Sympathie mit der Situation erweckt.
Seit dem Ende seiner Initiation triumphiert er über jeden Gegner, was irgendwann ziemlich langweilig wird und durch Blutströme und herausquillende Gedärme kompensiert werden muss, Spartacus ist ehrlich, ernst, zeigt Kalkül, Menschlichkeit, Entschlossenheit, Mäßigung, Erfahrenheit, Mut, Stärke...
Es ist fast eklig, was für einen Halbgott man aus ihm macht. Und es ist absolut öde.
Das Ende der ersten Staffel ist ein einziges Aufräumen. Jeder einzelne Konflikt, der über Episoden hinweg mühsam aufgespannt wurde, wird in einem blutigen Drama konsequent niedergerissen, die Loslösung aus der eigenen Fatalität, wie es sich für einen Spartacusaufstand gehört, wird aggressiv und bestimmend vollführt, die Spannung löst sich wie im Vulkanausbruch am Ende von Stromboli, nur mit dem Unterschied, dass absolut jeder Intrigenwirker brutal auf die Fresse bekommt und jeder noch so kleine zivilisatorische Schimmer, den die Handlung zugelassen hat, gnadenlos umgepustet wird. Wir finden uns in einer klassischen Dramenmoral wieder, die keine eindringlichere Hybris zugrunde haben und die keine derbere Katharsis verursachen könnte.
Bemerkenswert ist die schauspielerische Leistung der Darsteller, die für ein solches Format durchaus ungewöhnlich ist. Lucy Lawless (Xena) spielt eine absolut beeindruckend gute Lucretia und John Hannah (Vier Hochzeiten und ein Todesfall) geht in der Rolle des Batiatus auf wie in keiner anderen. Viva Bianca (All Saints) zeigt deutlich, dass blonde Australierinnen es immer noch drauf haben: Die Rolle der Ilithyia muss eine unheimlich schwere sein, keine hat (außer die von Spartacus und Crixus) so viele Wendungen, keine andere bedarf derart permanent dieses Spagates zwischen näselnd herabblickender Arroganz, teeniehafter Rolligkeit und geistiger Verstörtheit. Bianca glänzt in allen Bereichen so sehr, dass es einen schüttelt. Sie ist eine über alle Maßen geniale Besetzung für eine absolut geniale Charakterform.
http://npshare.de/files/57d14453/spartacus_blood_and_sand13.jpg
Alles in allem eine stimmige Erweiterung des Formates, die ihresgleichen sucht. Zwischen ausschweifenden Blutbädern, softcore porn und sprachlichem Verfall, neben pathetischer Heroisierung und gekünstelter Empathie und unter einem großen Berg an fehlgeleiteter Reminiszenz verbirgt sich ein absolut brillantes und erfrischend überauthentifiziertes Konzept, das sich von Stereotypen und gutbürgerlicher Normativierung lossagt, um geradezu schmerzhafte Immersion hervorzurufen. Für jeden Zuschauer mit Vorliebe für historische Action oder für die nicht ganz so sensiblen Fans von antiker Szenerie und über 18 Jahre äußerst sehenswert. Für Augen mit Abneigung gegen allzu realistisch-brutale Darstellungen allerdings alles andere als zu empfehlen.
Hat jemand sonst die erste Staffel schon gesehen? Ist noch jemand beeindruckt? Feel free to share your impressions.