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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : [Kurzgeschichte] Schwarz



Moana
05.02.2011, 03:39
Das Wasser war schwarz…

Sie schloss die Türe hinter sich zu und schritt nach Draußen in den Regen. Zügig zückte sie ihren Regenschirm aus der Handtasche und spannte diesen auf.

Sie ging eiligen Schrittes die Straße entlang. Warum sie es so eilig hatte, konnte sie sich selbst nicht so genau erklären. Sie wusste eigentlich, dass sie sich umsonst beeilen würde. Doch irgendwie musste sie trotzdem weiter gehen. Etwas in ihr trieb sie an.

Der Regen wurde schwächer, es nieselte nur noch. Doch für sie war es immer noch feucht genug, dem Schirm gespannt zu halten. Sie stand nun an der großen Brücke, die zum Stadtkern führte. Beim Überqueren wurden ihre Schritte langsamer, bis sie stehen blieb und einen Blick in den riesigen dunklen Fluss warf. Das Wasser war ziemlich dunkel, fast schon schwarz und strahlte eine ungeheuere Atmosphäre aus. Als würde es jeden verschlingen und zermahlen, der es wagte, sich zu weit über die Brücke zu lehnen. Der Fluss wirkte wie bösartiger schwarzer Drache. Und er sah wütend aus. Nach einem kalten Schauer, den ein vorbeifahrender Bus bei ihr auslöste, sah sie sich auch schon wieder eilig weiter gehen.

Die Stadt war nicht sehr lebhaft. Einige Soldaten patrouillierten durch den Stadtkern, einige wenige Menschen tummelten sich auf dem Marktplatz umher, um wenigsten ein paar der selten gewordenen Früchte zu ergattern. Sie blieb vor einem Schaufenster stehen. Hinter diesem Schaufenster befand sich einst eine kleine Bäckerei, in der sie sich oft mit ihm getroffen hatte, um Kaffee zu trinken und um über Aktuelles zu tratschen. Nun hing ein Schild mit der Aufschrift 'Geschlossen' am Fenster und hinter der Scheibe befand sich eine zerbrochene Glastheke, eingeschlagene Fliesen und verstaubte Kommoden und Auslagen. Ein Anblick, den sie sehr traurig fand. Doch sie schüttelte die düsteren Gedanken beiseite und lief von dannen, ihr Ziel nicht aus den Augen.

Die Stadt schien an der bedrückenden Atmosphäre zu ersticken, den es war wirklich nicht sehr viel los. Auf den sonst viel befahrenen Straßen rund um den Bahnhof war normalerweise die Hölle los, doch der Verkehr hielt sich in Grenzen, als sie am Fussgängerüberweg darauf wartete, die Straße zu überqueren. Sie erinnerte sich plötzlich daran, als sie das erste Mal in dieser Stadt ankam und überwältigt war von dem Treiben und Leben der Städter. Und wie sie vor lauter Staunen ihre Tasche fallen lies und diese auf dem Boden aufging. Und daran, das er ihr dabei half, den heraus gefallenen Inhalt wieder aufzulesen.
Auf der anderen Seite angekommen beschleunigte sie ihren Gang. Gleich war sie am Ziel.

Sie schritt durch die große Tür des Eingangsbereiches des sonst protzigem Bahnhofs. Es waren viele Menschen in der großen Halle, aber es wirkte nicht so, als wäre sonderlich viel Leben in ihr. Die Menschen blickten mit düsteren, traurigen, fragenden und wartenden Blicken drein. Einige schrieen das Bahnpersonal an, andere stahlen Handtaschen, wieder andere saßen stillschweigend auf den Bänken und warteten. Der Großteil der Menschen befand sich jedoch vor einer Absperrung. Dahinter befanden sich einige bürokratisch aussehende Menschen, welche ständig dabei waren, Listen zu durchforsten. Manchmal riefen ein paar Menschen vor der Absperrung auf, wenn ein Name gerufen wurde, manchmal wurden Namen ins Leere gerufen und zwischendurch brachen einige Frauen in dem Pulk vor der Absperrung weinend zusammen. Ein Wechselbad der Gefühle offenbarte sich ihr an dem Ort, an dem sie endlich Gewissheit wollte.

Sie schritt an das Personal heran und begann zu sprechen:
"Ich bin auf der Suche nach einem Baelric, Baelric Luimont."
"Sind Sie eine Angehörige?" begann der bürokratisch aussehende Stiftschwinger vor ihr, sie zu fragen.
"Nein."
"Sind Sie mit ihm verheiratet?"
"Nein."
Er schwieg und durchforstete einige Listen.
Noch eine.
Und noch eine.
Er zückte sich schweigend eine Zigarette, entzündete diese und nahm noch eine Liste zur Hand.

"Ich bedauere zutiefst, Ihnen das sagen zu müssen, aber ich fürchte, dieser Mann ist nicht Heim gekehrt."

Schwarz.
Nichts als Schwarz.
Alles war Nichts, Nichts war Schwarz.
Schwarz wie der Drache.
Ende.

Aenarion
05.02.2011, 15:08
Gefällt mir ganz gut, muss ich sagen. Die Geschichte hat eine gute Atmosphäre und erzählt nicht zu viel, sie ist auch schön kompakt und zielgerichtet und liest sich dadurch sehr flüssig. Trotz der Kürze hat das Ganze einen Spannungsbogen, der sich zum Ende hin schön zuspitzt, weil nicht zu viel verraten wird.
Ein paar Kritikpunkte hätte ich dennoch. ;)

Nach einem kalten Schauer, den ein vorbeifahrender Bus bei ihr auslöste, [...]
Ist ein etwas komischer Satz. Ich denke, er sollte eher heißen: Nach einem kalten Schauer, den ein an ihr vorbeifahrender Bus aulöste...
Aber ob "auslösen" in dem Fall wirklich das beste Wort ist, weiß ich nicht...


[...]als sie am Fussgängerüberweg darauf wartete, die Straße zu überqueren.
"...überqueren zu können" würde meiner Meinung nach irgendwie besser passen, ist aber nicht so wichtig. ;)


"Sind Sie eine Angehörige?" begann der bürokratisch aussehende Stiftschwinger vor ihr, sie zu fragen.
Er beginnt nicht nur, sie zu fragen, er fragt sie einfach. Er könnte eventuell beginnen, sie auszufragen, aber einfach nur fragen passt am besten.

Und den letzten Absatz könnte man meiner Meinung nach weglassen. Man weiß eh schon, was passiert ist und wie sich die Protagonisin füht, der letzte Absatz ist in dieser Hisicht fast zu deutlich und gleichzeitig etwas deutet er noch einmal etwas übertrieben auf die Symbolik hinter dem Ganzen. Mit dem Titel und der Beschreibung des Flusses weiter oben ist das eh schon getan, ich finde den letzten Absatz daher wirklich überflüssig. "...dieser Mann ist nicht heimgekehrt." (heimkeheren ist ei Verb als solches btw.) Punkt aus.

Ansonsten nur noch ein paar wenige Tipp- oder Rechtschreibfehler, aber insgesamt gefällt mir der Text wirklich. Vor Allem hat er sich dann irgendwie doch in eine ganz andere Richtung entwickelt, als ich am Anfang gedacht hatte - trotz der kürze. :A

Moana
10.02.2011, 02:12
Vielen dank für das Feedback. Bin erfreut, das sich jemand den Welsch überhaupt durchliest :D

Ja, ich hab manchmal etwas eigenartige Formullierungen in meinen Geschichten, daran sollte ich glaube ich noch arbeiten.

Das der letzte Abschnitt überflüssig wirkt, finde ich weniger bzw weniger störend in dem Fall. Der dient meiner Ansicht nach nur dazu, die ganze Geschichte lyrisch etwas zu unterstreichen. Das so etwas passieren wird, ist dem Leser nach dem leztzten Satz ('heimkehren') durchaus klar. Der letzte Abschnitt soll lediglich eine mehr oder weniger kunstvolle Abrundung des Ganzen sein.

Tipp- oder Rechtschreibfehler sind bei meiner Art und Weise, Geschichten zu schreiben nicht unüblich (ich schreib die meistens in einem Wisch und les die dann erst Tage später nochmal durch :D). Müsste ich selbst nochmal überprüfen...

aber Danke auf jeden Fall :)

Aenarion
10.02.2011, 21:33
Das der letzte Abschnitt überflüssig wirkt, finde ich weniger bzw weniger störend in dem Fall. Der dient meiner Ansicht nach nur dazu, die ganze Geschichte lyrisch etwas zu unterstreichen. Das so etwas passieren wird, ist dem Leser nach dem leztzten Satz ('heimkehren') durchaus klar. Der letzte Abschnitt soll lediglich eine mehr oder weniger kunstvolle Abrundung des Ganzen sein.
Ja, das ist mir schon bewusst. ;) Ich denke dennoch nicht, dass das der geschichte zuträglich ist, eher im Gegenteil. Aber du bist der Autor, du musst wissen, wie dein Text aussehen soll. Wenn's dir gefällt, lass es so.^^