Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Literatur Husky
T.U.F.K.A.S.
25.10.2010, 16:22
Husky ist eine Boy-meets-Girl-Geschichte. Er lernt sie in der Psychatrie des Bundeswehrkrankenhauses kennen. Sie hat psychische Probleme, aber er sieht darüber hinweg und will mit ihr zusammen sein. Doch sie bringt sowohl ihn als auch sich selbst in immer tiefer greifende Schwierigkeiten, die enden müssen, wie es vorbestimmt zu sein scheint.
"Wie sieht es aus?", fragt sie mich mit belegter Stimme. Ich schaue mich um und sehe nichts als Chaos. Apokalyptisches Chaos. Leichen, brennende Autowracks, Menschen ziehen andere Menschen aus ihren Fahrzeugen und leisten erste Hilfe, Müll wurde auf die Straße geschleudert, ein Wohnhaus brennt ab, aus dem immer noch Leute fliehen. Blut klebt an Wänden und auf dem Asphalt. Patronenhülsen, zerbrochene Baseballschläger, es riecht nach Schwarzpulver. Schreie, Sirenen, Hupen erfüllen die Smog-geschwängerte Luft und mir kommt es vor, als wäre ich der einzige Überlebende eines Krieges.
Moment: Ich BIN der einzige Überlebende eines Krieges.
"Alles in Ordnung.", lüge ich und streiche ihr durch die rotblonden Haare. "Alles okay."
Sie liegt in meinen Armen und krallt sich mit beiden Händen an meinen Schultern fest. Die Schuss-, Hieb- und Stichwunden in und an ihrem Bauch, ihrer linken Brust und ihrem Unterleib sind tödlich. Sie blutet stark. Zu stark. Ihr weißes T-Shirt ist mittlerweile partiell rot eingefärbt. Ich weiß, dass sie es nicht schaffen wird bis der Notfallwagen auftaucht. Wahrscheinlich ist das der Grund, warum ich nicht weine, obwohl ich es vielleicht tun sollte. Wir haben keine Angst.
Sie hat blaue Augen wie ein Husky und sieht mich mit einem dermaßen eindringlichen Blick an, dass es mir einen kalten Schauer über den Rücken jagt.
"Du lügst.", flüstert sie, "Ich mag deine Notlügen." Sie lächelt mild und lässt langsam, aber sicher von meinen Schultern ab. "Komisch. Mir ist nicht mal kalt." Ihre Hände gleiten von meinen Schultern und ruhen reglos auf meinen Oberarmen.
"Das ist gut.", antworte ich.
Ich bekomme keinen Ton mehr raus. Egal, wie sehr ich gegen die Tränen ankämpfe, sie kullern über mein Gesicht. Ich fange an, leise zu schluchzen. Sie regt sich nicht mehr. Und das Letzte, was sie sagen konnte war, dass sie meine Lügen mag. Ich falle über ihr zusammen, halte sie fest, will sie nicht gehen lassen. Doch jetzt ist es zu spät. Sie schließt die Augen, hört auf zu kämpfen. Aber nicht bevor sie leise und mit einem Lächeln auf dem Gesicht "Das hab' ich gut gemacht." sagt. Ich kann mehr oder weniger spüren, wie die Seele aus ihr herausfährt, als sie jede Art von Spannung in ihren Gliedmaßen verliert und ihr Körper nichts weiter ist als eine leere, wunderschön anzusehende, traurig stimmende Hülle.
Ich höre auf zu weinen, wische mir die Tränen aus dem Gesicht, richte mich wieder auf und streichel zärtlich ihre Wangen, während wir auf den Krankenwagen warten. "Ja. Gut gemacht.", sage ich ihr und blicke geradeaus ins Leere.
KAPITEL 1 - WANTED DEAD OR ALIVE
"Sie sind also ihr Verwandter?", fragte mich die dicke Krankenschwester hinter dem Info-Tresen des Bundeswehr-Krankenhauses mit einem markanten Hamburger Dialekt.
"Nein... also ja!", antwortete ich und wurde langsam ungeduldig. Seit einer knappen Viertelstunde stand ich hier und wollte nichts weiter tun, als meine Stiefmutter zu besuchen und ihr einen Blumenstrauß in die Hand zu drücken.
"Nun, dann bräuchte ich einmal Ihren Ausweis.", sagte die dicke Mutti und streckte ihre Hand nach mir aus. So, als ob sie bereits nach einem unsichtbaren Ausweis greifen würde, der in der Luft hing.
"Hören Sie, ich will ihr lediglich diesen Blu...", fing ich an zu erzählen (vor allem, weil ich meinen Ausweis nicht dabei hatte), wurde aber harsch abgeledert von Miss Tresen.
"Neeee, so läuft das hier nicht, mein junger Freund.", sagt's und wollte immer noch den Perso sehen.
"Ich bin lediglich hier, um meiner Stiefm...", setzte ich erneut an, wurde allerdings wieder unterbrochen von der Bundeswehr-Brüokratie.
"Nee, nee, nee, Sie können nicht hier einfach so reinstolzieren, ohne mir wenigstens einen Nachweis Ihrer Identi..."
"Geht denn mein Füherschein als Identitätsnachw...?"
"Neeee, neeee, neeee. Was ich brauche, ist Ihr Personalausweis!"
"Oh mein Gott!", rief ich entnervt, "Hören Sie: Miriam Steglhüber, geborene Heinrich, ist meine Stiefmutter. Sie ist am 4. Juli 1960 geboren, ist Soldatin der Reserve, genau genommen Birgadegenerälin und war hier wegen eines Tumors...", ich dachte kurz nach, ob das grammatikalisch richtig war, "...wegen einem Tumor... wegen... Egal: Wegen etwas an ihrer Niere, was entfernt werden konnte. Ich kann sie nicht leiden, aber ich bin trotzdem so verschissen nett gewesen, hier aufzuschlagen und ihr diesen...", ich knallte den Blumenstrauß auf den Tresen, "... verfickten Blumenstrauß zu schenken. Und zwar, weil mein Vater sie liebt, mein Bruder sie liebt, ich sie nicht liebe, aber ihren Zynismus sehr schätze. Und Sie...", ich deutete mit dem Zeigefinger auf Infotresen-Mutti, "... lassen mich bitte sofort durch!"
Infotresen-Mutti war ganz baff ob meiner Ehrlichkeit. Genauso waren es wohl die wartenden neukranken Patienten, die hier seit 7 Uhr saßen und immer noch nicht behandelt worden waren - dabei schlug die Uhr bereits 10. Sie schüttelte sich ein bisschen, sah mich mit starrem Blick an und fragte: "Kann ich dann - bitte - Ihren Personalausweis sehen?"
Ich rang mich endlich dazu durch, ihr zu sagen, dass ich ihn nicht dabei hätte.
"Naja. Doof, das.", sagte sie mit sarakstischem Unterton und sah mich mit zusammengekniffenen Augen an. "Unter diesen Bedingungen kann ich Sie leider nicht durchl..."
Es bedurfte zweier muskolöser Arzthelfer, um mich von Infotresen-Mutti zu lösen. Im Adrenalinrausch war ich über die Theke gehechtet, hatte sie gepackt, zu Boden gerissen und wollte sie gerade mit dem Blumenstrauß verprügeln, bevor ich unter großen Gebrüll und Gefluche meinerseits aus dem Krankenhaus gezerrt wurde. Auf dem Weg nach draußen hatten mich die Arzthelfer mit einer dermaßenen Wucht aus der Türe geschleudert, dass ich mit dem Gesäß voran auf dem Krankenhausparkplatz aufschlug. Diese Bruchlandung resultierte in einem Schmerz am Hintern und im Rücken, den ich nicht anders beschreiben kann, als mit der vagen Vorstellung, einen Schlagbohrer mit Dildoaufsatz trocken in die Rosette gerammt zu bekommen. Nicht, dass ich mich damit auskennen würde. Aber so müsste es sich anfühlen.
Die beiden Honks zerrten mich, schreiend und fluchend vor Schmerzen, wieder zurück ins Krankenhaus, vorbei am Info-Tresen (wo ich der immer noch verstörten Tresen-Mutti im Vorbeigezogenwerden den Mittelfinger zeigte), durch verschiedene Gänge und dann in einen Raum, in welchem ich bäuchlings auf ein rollbares Krankenbett gehievt wurde. Dann ging es "motorisiert" weiter zu eineer Krankenstation, an deren Eingangstür ein Schild hing, auf welchem "FU-6 - Neurologie und Psychatrie" stand.
Nach stundenlangem Ausziehen, Röntgen, Untersuchen, noch einmal Röntgen und wieder Untersuchen kam ein Arzt auf mich, immer noch auf dem Krankenbett liegend, zu und berichtete mir, dass ich eine Fraktur am unteren linken Beckenknochen hätte. Dies würde bedeuten, dass ich für mindestens zwei Wochen stationär behandelt werden müsste. Aufgrund der Umstände, unter denen ich mir diese Fraktur zugezogen hatte, würden mir die Kosten für die Behandlung erstattet werden. Ich rief per Handy meinen Arbeitsgeber, die Zeitarbeitsfirma 24work, an und überbrachte meinem Bearbeiter Sascha die schlechte Nachricht. Ich wurde zunächst freigestellt, bis ich mich wieder melden würde. Und hier, in der FU-6, lernte ich sie kennen.
Sie hatte kein Rückenleiden, wenn ihr die Wahrheit wissen wollt. Sie war im anderen Teil der Abteilung 6 untergebracht - der Psychatrie. Dort, wo die heimgekehrten Afghanistan-Urlauber ihre Probleme mit Schusswaffen bekämpfen sollten. Ich mochte den Gedanken nicht, direkt neben einem Haufen Verrückter am Arsch behandelt zu werden. Ich meine: Ich war wegen meines Hinterns hier, nicht wegen psychischer Probleme. Mir ging es gut, ich war bis jetzt sehr zufrieden mit meinem Leben. Klar, nach einer Ausbildung zum Speditionskaufmann konnte ich mir besseres vorstellen, als für eine Zeitarbeitsfirma zu arbeiten und jeden Tag Container auszuräumen und Paletten zusammenzubauen. Aber ich war zufrieden, optimistisch, hatte keine Probleme mit Frauen und mochte meine Familie, die mich ab und an besuchte. Alles war okay. Umso merkwürdiger war das Bild vor meinem geistigen Auge, auf welchem ich nachts auf meinem Zimmer Fernsehen guckte, während im Raum nebenan wieder ein Soldat schreienderweise aus einem Alptraum erwachte und mit einer Extradosis Beruhigungsmittel wieder zum Einschlafen gebracht wurde.
Es war mein dritter Tag im Bundeswehrkrankenhaus. Ich besuchte meine Stiefmutter, die ihre OP gut überstanden hatte. Sie wirkte - obwohl sie längst wusste, dass ich ebenfalls hier behandelt wurde - sehr überrascht, als sie mich im Patientenoutfit sah, den Rollwagen mit dem Flüssigkeitsbehälter, der an einen Katheter angeschlossen war, vor mich herschiebend, da ich nicht pinkeln gehen konnte mit meiner Po-Fraktur. Sie sagte nur: "Willkommen im Club.", bevor ich mich lächelnd an ihr Krankenbett begab. Sitzen war nicht drin, ich musste die ganze Zeit stehen oder auf dem Bauch liegen. Und große Lust, mich vor ihr auf den PVC-Boden zu legen, hatte ich nicht wirklich. Als stand ich halt.
"Und? Wie geht's?", fragte ich in Ermangelung besserer Fragen.
"Och, alles gut. Als Ex-Krebspatient genießt man einen vergleichsweise guten Service.", witzelte sie mit ernstem Gesichtsdruck. "Was macht der Arsch?"
"Dem Arsch geht's gut. Er wird von den besten Arschspezialisten der Bundeswehr behandelt."
"Komisch, dabei sehe ich hier gar keine Luftwaffen-Typen.", entgegnete sie, ohne eine Miene zu verziehen, und brachte mich damit zum Lachen. Sie ist Heeressoldatin, dem entsprechend sind außer dem Heer alle anderen Soldaten "Pussies" in ihren Augen.
"Gut erkannt.", antwortete ich. Dann war eine kurze Stille im Raum, da wir beide nicht wussten, was wir sagen sollten. Im Fernsehen lief eine Trash-Talkshow, welche meine Stiefmutter hasste zu gucken. Aber sie tat es trotzdem. Wohl auch, um mir argumentativ aus dem Weg zu gehen.
Sie brach das Schweigen: "Ich weiß." Sie drehte den Kopf zu mir und sah mich an. "Naja, bevor du hier Wurzeln schlägst: Lass dich mal lieber weiter verarschen. Ich meine: verarzten."
Sie zwinkerte und gab mir damit durch die Blume zu verstehen, dass ich abhauen sollte. Auch wenn es sich so anhörte, als kämen wir eigentlich ganz gut miteinander aus, hatten wir unsere Differenzen. Meine leibliche Mutter war bei einem Autounfall gestorben, als ich sechs Jahre alt war. Nach meinem zwölften Geburtstag heiratete mein Vater Miriam. Und ich konnte, wollte und werde sie nicht als meine Mutter akzeptieren. Am Anfang tat sie sich schwer damit, eine Verbindung zu mir herzustellen. Seit sie weiß, dass sie meine Mutter nicht ersetzen muss, verstehen wir uns eher als Freunde denn als Elternteil und Sohn.
Ich verschwand also, im Beisein einer (äußerlich zumindest) bezaubernden Krankenschwester namens Eileen, aus Miriams Zimmer. Eileen war circa 18 Jahre alt, quirlig wie ein Eichhörnchen auf Speed und maximal 1,50 Meter klein. Sie war schlank, schien auch sportlich recht aktiv zu sein und hielt mir vor, während und nach meinen sporadischen Raucherpausen minutenlange Predigten darüber, wie schlimm meine Nikotinsucht sei und das dies das "wirklich allerallerletzte Mal" gewesen wäre, dass sie mit mir eine rauchen gegangen wäre. Sie tat es dennoch immer wieder. Immerhin war es ihr Job, dafür zu sorgen, dass ich mich wohlfühlte. Sie geleitete mich jedenfalls zurück zu meiner Station. Und ernsthaft: Ohne ihre Hilfe hätte ich mich zweifellos verlaufen. Dieses Krankenhaus war verwinkelt, unübersichtlich und vor allen Dingen verwinkelt. Überall hingen Übersichtspläne, die nur weiter meine Meinung bestärkten, dass dieses Krankenhaus viel zu verwinkelt und unübersichtlich war. Wir kamen nach einem viertelstündigen Marsch durch Gänge und Fahrstühle wieder in der FU-6 an. Und Eileen hatte es diesmal extraeilig (Haha, Wortwitz: Eileen. Eilig. Haha.), mich loszuwerden, da sie ein Date hatte.
"Oh mann, ey, ich hoffe der Typ ist nicht so Absturz wie der Absturz-Typ letztes Mal, ernsthaft!", quaselte sie mich mit ihrem Ghettoslang voll, "Der Typ letztens, Alter: Der ging gar nicht. Der war voll der Spießer und immer, wenn ich mal was Witziges gesagt habe, hat er sich so weggedreht als ob... Ich weiß nicht, voll komisch und so."
"Ich drück' dir die Daumen.", sagte ich grinsend, als mir dieses Mädchen auffiel, was - wie jeden Tag bis heute - im Gang gerade zu vor uns auf der Fensterbank saß und nach draußen blickte. Rothaarig, schlank, ungefähr 1,60 Meter groß, trauriger Gesichtsausdruck und blaue Augen. Strahlend blau. Wie bei einem Husky.
Unsere Blicke trafen sich. Sie winkte mir zu, ich schaute nur mit einem selten dämlichen Gesichtsausdruck in ihre Richtung und konnte den Augenkontakt ein paar Sekunden lang halten, bevor mich Eileen in mein Zimmer schob und dort ablieferte. Hier wartete schon eine Ärztin auf mich, um mir meine tägliche Schmerzmitteldosis zu verabreichen. Eileen umarmte mich kurz und verabschiedete sich mit den Worten "Bis morgen!".
Eher widerwillig stieg ich recht unkoordiniert auf mein Krankenbett, ließ mich stumpf fallen und blieb liegen, damit mir meine Arschärztin eine Nadel ins Rückenmark rammen konnte. Nach dieser Tortur - die in einer 3-stündigen Starre meines kompletten Körpers resultierte - lag ich da, ließ mich begutachten und beantwortete Fragen zu meinen Weh-Wehchen. Endlich konnte ich eine Frage stellen, die mir auf der Seele brannte.
"Sagen Sie...", fing ich an. Die Arschärztin drehte sich zu mir und sah mich mit einem erwartungsvollen Blick an, "Wissen Sie zufällig, wer das rothaarige Mädchen ist, das immer im Gang zwischen der Neuro und der Klapps... ich meine: Psychatrie am Fenster hockt?"
Sie sah mich an, als wüsste sie nicht worüber ich da redete.
Ich ergänzte meine Beschreibung: "Schlank, circa 1,60. Augen wie ein Husky?"
"Husky?", wiederholte sie fragend. Ich nickte stumm. War das etwa ihr Name? "Nun ja, ich weiß nichts spezielles über sie. Ich weiß nur, dass sie von Schwestern und Ärzten 'Husky' genannt wird. Und dass sie nicht zum ersten Mal hier in der FU-6 ist." Sie lächelte, verschränkte die Arme und sah mich mit einem bohrenden Blick an. "Wieso fragen Sie? Sind Sie etwa...?"
Ich wusste, genau, worauf sie hinauswollte. "Um Gottes Willen, nein! Nein!" Sie lächelte immer noch und stand da wie eine immer währende Skulptur der Fremdscham. "Nein!", ergänzte ich ausdrücklich und wollte mich zur Seite drehen, um sie nicht mehr ansehen zu müssen. Aber die Sadistin hatte mich bereits mit dem Leichenstarren-Serum vom Hals abwärts für die nächsten paar Stunden gelähmt. Ich gab es auf. "Okay, sie ist irgendwie niedlich. Aber ist Ihnen wirklich sonst nichts bekannt über sie?"
Die Arschärztin schüttelte den Kopf. "Nein, aber wir sehen uns ja morgen wieder. Und bis dahin kann ich mich ja mal ein bisschen in der Kollegschaft über Husky schlaumachen, wenn Sie möchten."
Ich stimmte zu. "Aber erzählen Sie bloß nicht, dass Sie in meinem Auftrag handeln!"
Als sie aus dem Zimmer verschwunden und die Tür wieder zu war, lag ich da wie gelähmt. Ich und mein kaputter, blank gezogener Hintern machten uns Gedanken. Wir konnten nicht fernsehen, weil ich mit dem Kopf zur Wand lag. Also versuchte ich, ein wenig zu schlafen. Ich hatte keinen Traum, keine Wahnvorstellung, nichts dergleichen. Es war einfach nur schwarz um mich herum.
Aber mitten in der Nacht wurde ich durch ein Geräusch geweckt. Langsam öffnete ich die Augen. Ein stechender, aber nicht schlimmer Schmerz war in meinem Hintern zu spüren. Also drehte ich mich mit Hilfe meiner Arme einmal um 90 Grad, um in die Richtung der Tür sehen zu können, als ich eine Sillhouette inmitten der nur hier und da durch fades Licht von außerhalb gebrochenen Dunkelheit in meinem Krankenzimmer sah. Ich schaltete die Nachtti•••••••• auf dem Beistelltisch neben meinem Bett ein. Sie stand da. Husky, oder wie auch immer sie hieß. Vor lauter Schreck stürzte ich, ein lautes "Ach du heilige Scheiße!" ausstoßend, aus meinem Krankenbett und landete mit voller Wucht auf meinem Hintern. Jetzt war der stechende Schmerz schlimm. Das rothaarige Mädel kam in diesem Augenblick auf mich zugerannt und hielt mir recht zärtlich, aber für ihre Körperstatur recht kräftig den Mund zu, damit ich nicht so laut schreien konnte, wie ich es am liebsten getan hätte.
"Hi!", sagte sie schüchtern und neigte ihren Kopf ein wenig zur Seite, meinen Mund immer noch zuhaltend. Sie setzte ein breites Grinsen auf und stieß einen leisen kieksenden Ton der Freude aus, bevor sie, immer noch recht schüchtern ab und an zur Seite statt in meine Augen blickend, weiter redete: "Ich wollte dir nur 'Hallo' sagen, aber...", ich merkte jetzt schon, dass sie gerne ohne Punkt und Komma redete, "... jetzt hab' ich 'Hi' gesagt. Kennst du das? Du willst das eine sagen, sagst aber das andere und eigentlich wolltest du was ganz anderes sagen, während du das andere gesagt hast, obwohl du eigentlich vorhattest das eine zu sagen?"
Ich nickte, obwohl ich keinen Schimmer hatte, wovon sie redete. Sprechen konnte ich wegen der akkuten Maulsperre immer noch nicht.
"Cool! Ich dachte, ich wäre alleine mit dieser Auffa... fuck, sorry ich hab' mich noch gar nicht vorgestellt, ich bin Pia, einige nennen mich Husky. Kannst mich Husky nennen! Oder Pia!" Sie pausierte kurz, immer noch grinsend. "Oder Husky!" Sie pausierte wieder, ihr Grinsen verflog kurz ob ihrer Überraschung, dass sie mich immer noch mit ihrer Hand knebelte. "Oh heiliger zugeschissener Dickdarm, ich wollte nicht, dass du die Atmung vergisst, weil - weißt du - meine Hand... Naja...", sie pausierte wieder und deutete mit ihrer freien (rechten) Hand auf ihre Knebel- (linke) hand, "... Meine Hand immer noch auf deinem Mund...", sie brachte den Satz nicht zu Ende, "Wie heißt du eigentlich?"
Sie löste den organischen Knebel von mir. Als ich gerade meinen Namen sagen wollte, hielt sie mir wieder den Mund zu und sagte: "Obwohl nein! Behalt' mal lieber deinen Namen für dich. Ich find' Spitznamen eh viel cooler!"
Ich nickte resignierend.
"Also...", ab hier zog sie die Vokale weiter auseinander, immer noch flüsternd, "Iiiiiich neeeeenneeee diiiiiiich eiiiiinfaaaaaach..." Sie unterbrach ihren Redefluss kurz, um, an die Decke schauend, nachzudenken. Ich verdrehte derweil die Augen. Irgendwie hatte ich sie mir ein bisschen anders vorgestellt. Mein Hintern schmerzte währenddessen immer noch und schrie förmlich nach Schmerztabletten.
Ich hätte die Schwester rufen können, allerdings war der Klingelknopf vom Boden aus nicht erreichbar. Also saß ich, den Rücken an die Wand gelehnt, neben meinem Bett. Über mir befand sich ein Fenster, welches nach außen hin mit Gittern ausgestattet war, was wohl Suizid- und Ausbruchversuche verhindern sollte. Links neben mir war der Notfalltisch mit Defibrilator und anderem Schnickschnack, der mich im Falle eines Notfalls am Leben erhalten sollte. Rechts neben mir hing der Fernseher in einer dreh- und schwenkbaren Aufhängung, rechts daneben wiederum war mein Kleiderschrank. Und vor mir saß ein elfengleiches, rothaariges Wesen mit den schönsten blauen Augen, die ich ja in meinem Leben gesehen hatte - und mit einem gewaltigen Sprung in der Schüssel. Und es dachte sich gerade einen Spitznamen für mich aus. Ich wollte mich nicht wehren. Irgendwie dachte ich, dass das alles seine Richtigkeit hätte.
Sie gab es auf. "Egal! Scheißegal! Weißt du was, ich nenne dich einfach Dude, ist das cool für dich?"
Ich nickte und unternahm den Versuch, zu sprechen. Allerdings kamen dank ihrer Hand nur gemurmelte, unverständliche Bruchstücke aus meinem Mund heraus.
"Sorry, ich versteh' dich nicht. Du redest so komisch. Bist du von hier? Scheinste nicht zu sein." Sie pausierte, meinen Mund nun noch ein wenig fester zudrückend. "Denn du redest so komisch."
Ich unternahm einen weiteren, diesmal lauteren Versuch zu sprechen, wobei ein wenig Spucke in ihrer Hand landete.
"Igitt...!", sagte sie mit angewidertem Gesichtsausdruck und nahm endlich ihre Hand von meinem Mund, um sie zu betrachten und an meinem Patientenhemd abzuwischen.
Ich atmete hektisch ein und aus, bevor ich mich endlich zu einem gesprochenen Satz durchringen konnte: "Dude geht klar."
Sie schaute zu mir auf und grinste über ihr komplettes Gesicht. Ihre Augen funkelten vor Freude. Und ich rede hier von echter, wahrer, euphorischer Freude. Sie wuschelte ein wenig mit den Händen durch meine Haare und sagte dabei: "Du bist cool. So richtig cool. Richtig cool." Die letzten beiden Worte brummte sie in einer tiefen Bass-Stimme. Ansonsten war ihre Stimme sehr hell und freundlich.
Sie hörte auf zu wuscheln, hockte sich auf den Boden und ergriff meine Hände. "Du hast mich schon öfter auf dem Gang angesehen, kann das sein?", fragte sie, mich eindringlich ansehend. Diese Augen...
"Ja. Stimmt genau.", antwortete ich mit dem Anflug eines Lächelns auf dem Gesicht.
Sie kicherte wie ein Schulmädchen und schaute zu Boden. Ihr Gesicht färbte sich leicht rötlich. "Cool." Nach kurzer Pause sah sie mich wieder an und ergänzte: "Ich dich auch."
Wir schwiegen uns kurz gegenseitig an, bis sie verhalten fragte: "Bist du morgen wieder hier?"
"Ich bin nach dem Sturz auf meinen Hintern mindestens noch weitere drei Wochen länger hier als vorgesehen."
"Hast du was am Hintern?", fragte sie.
"Eine Fraktur."
"Autsch."
"Richtig. Genau das."
"Also am Arsch?"
"Japp."
"Autsch."
"Richtig."
"Und du bist auf deinem Arsch gelandet als du dich so erschreckt hast, ne?"
"Japp."
"Autsch."
"Richtig."
Sie blieb kurz stumm. Dann stand sie auf, half mir hoch und hievte mich zurück auf mein Bett. Natürlich mit dem Hintern voraus. Ich war drauf und dran, einen lauten Schmerzensschrei auszustoßen, da hielt sie mir schon wieder die Hand auf dem Mund und drückte meinen Kopf ins Kissen.
"Entschuldigung, tut mir leid, sorry, sorry, sorry, entschuldigung,...!", flüsterte sie mir ins Ohr, während sie mich notdürftig auf den Bauch drehte. Sie ging einmal um mein Bett herum und hob mit ihren Händen meinen Kopf ein wenig an, damit sie mir in die Augen sehen konnte.
"Bist du morgen wieder hier?", fragte sie in freudiger Erwartung auf meine positive Antwort.
Ich nickte und antwortete: "Drei Wochen, ich sagte es bereits."
Sie grinste wieder wie ein Honigkuchenpferd. "Alles klar! Dann bis morgen, Dude!" Sie gab mir einen Kuss auf die Wange, schaltete mein Nachttischlämpchen aus und stand noch kurz in der Dunkelheit vor mir.
Ihre Augen funkelten selbst in der Düsternis, die mich umgab. "Gute Nacht, Husky.", flüsterte ich ihr zu, bevor sie wieder verschwand. Eine Minute später kamen zwei Schwestern in mein Zimmer gerannt und fragten mich, ob mir was passiert sei. Nach einer weiteren Untersuchung meiner Po-Wunde entschlossen sie sich dazu, mich statt für zwei für drei Wochen auf der Station zu behalten. Ich gab nach außen hin vor, darüber geschockt zu sein. Innerlich lächelte ich allerdings. Mir hätte nichts besseres passieren können, als nachts um halb 4 von einer unbekannten rothaarigen Schönheit aus dem Schlaf gerissen zu werden.
Dachte ich zumindest zu diesem Zeitpunkt.
Mordechaj
25.10.2010, 16:47
Also. Dein Protagonist schmeißt die Dame am Empfang zu Boden und meint, keine Probleme zu haben? Er hat eindeutig nen Realitätsriss und zwanghafte Komplexe mit seinem Blumenstrauß. Und auch keine sonderlich angenehme Sprache; über jemandes Rosette will ich in fiktiven Erzählungen nich so gerne hören.
Die Dialoge sind von vorne bis hinten unnatürlich und hier und da auch ein bisschen unlogisch, vor allem deine Wortwahl ist manchmal extrem merkwürdig. Um Schreibfehler und dergleichen hätte man sich auch kümmern können.
Ansonsten hast du ne recht wirre und deshalb auch ziemlich spannende Art, Sachen ins Absurde zu zerren, darauf kannst du meiner Meinung nach sehr gut aufbauen. Was Stil und den Dialogbau angeht, solltest du aber noch einiges tun.
T.U.F.K.A.S.
25.10.2010, 17:25
Also. Dein Protagonist schmeißt die Dame am Empfang zu Boden und meint, keine Probleme zu haben? Er hat eindeutig nen Realitätsriss und zwanghafte Komplexe mit seinem Blumenstrauß. Und auch keine sonderlich angenehme Sprache; über jemandes Rosette will ich in fiktiven Erzählungen nich so gerne hören.
Die Dialoge sind von vorne bis hinten unnatürlich und hier und da auch ein bisschen unlogisch, vor allem deine Wortwahl ist manchmal extrem merkwürdig. Um Schreibfehler und dergleichen hätte man sich auch kümmern können.
Ansonsten hast du ne recht wirre und deshalb auch ziemlich spannende Art, Sachen ins Absurde zu zerren, darauf kannst du meiner Meinung nach sehr gut aufbauen. Was Stil und den Dialogbau angeht, solltest du aber noch einiges tun.
Nja, ich weiß. Es ist sehr krass gestutzt, die Rohfassung war circa doppelt so lang. Ich hab hier und da was gekürzt zwecks Übersicht.
Und ja, das mit den Dialogen ist mir ehrlich gesagt auch schon aufgefallen und ein zwei Rechtschreibfehler genauso. Ich arbeite da definitiv noch dran, keine Frage ;) Danke auf jeden Fall, dass du dich durch mein Wirrwarr durchgekämpft hast :D
Mal wieder eine klassische steel, leider gefällt mir die nicht so gut wie die letzte, aber sie ist nicht übel.
Du schaffst es mit Deiner realitätsnahen, umgangssprachlichen Schreibe, die runtergeht wie Butter, einfach immer, den Leser an der Stange zu halten. Auch, und das ist in dieser Geschichte leider erstaunlich oft so, wenn man sich eigentlich denkt, daß gerade der Zenit überschritten wurde und man eigentlich nicht weiterlesen möchte. Die Geschichte ist inhaltlich eher uninteressant, fand ich, und die ganze Analfixierung ging mir ein wenig auf den Wecker, aber man kann einfach nicht aufhören zu lesen, weil die Sätze so kurz und prägnant sind, daß sie einfach auf einen niederprasseln. Wäre da auch nur ein langer Satz drin gewesen, den ich hätte zweimal lesen müssen, hätte ich an der Stelle vermutlich abgebrochen, aber so hast Du Deiner Geschichte den—Wortspiel beabsichtigt—Arsch gerettet.
Um zumindest latent noch den Inhalt anzureißen: der Protagonist hast total ein Rad ab. Das kommt ziemlich deutlich rüber und als Leser weiß ich nicht, ob ich mich wirklich mit dem identifizieren will, weil er eben so ein Rad ab hat. Ansonsten ist das, wie Du ja selbst schon treffend beschrieben hast, ziemlich ordinärer Boy-meets-Girl Contemporary Slice of Life Kram, nur eben auf 'ner—eh, wie sage ich das jetzt?—intellektuell weniger anspruchsvollen Ebene? ^^
Wie gesagt, Schreibstil gefällt mir. Wenn Du jetzt inhaltlich auch noch mal einen drauf setzt, dann hast Du bei der nächsten Geschichte wieder was gutes am Start.
Aenarion
25.10.2010, 21:53
Hm. Ich weiß nicht so recht.^^ Ich bin immer noch nicht begeistert von der Textgattung, kann mich aber punkto Inhalt nicht wirklich meinen Vorpostern anschließen...
Zugegeben, berauschend ist es nicht, aber darum gehts doch in diesen "real life"-Texten, oder? Und dafür hast du, finde ich, relativ originelle Einfälle. Ja, diese Arsch-fixierung ist fast etwas zu dick aufgetragen, aber gut, es passt in den Rahmen dieser etwas ... unseriösen Geschichte. Still, could do with less.
Abgesehen davon mag ich deinen Stil immer noch. Ich würde zwar nicht unbedingt ein 300-Seiten-Buch lesen, das so geschrieben wäre, aber für eine Kurzgeschichte passt das, es ist irgendwie erfrischend, und ich muss sagen, ein paar mal musste ich wirklich lachen.^^
Nja, wie gesagt, vielleicht noch etwas überarbeiten, ansonsten würde mich eine Fortsetzung interessieren.
[Edit: Die neuen Smilies passen ja mal gar nicht...]
drunken monkey
26.10.2010, 00:18
Ah, mal wieder was von dir, cool! :D Die Geschichte liest sich wieder toll, auch wenn sie imo nicht ganz so gut geschrieben ist, wie die letzte. An den Dialogen hakt es einerseits, da drückt sich der Protagonist imo öfters auch zu, keine Ahnung, fast schon geschwollen aus, dafür dass er in Gedanken ja eher umgangssprachlich unterwegs ist. Vielleicht hilft's da, wenn du dir vorstellst, wie er das in der Situation sagt – imo fällt einem da z.B. bei "Aber erzählen Sie bloß nicht, dass Sie in meinem Auftrag handeln!" gleich auf, dass er das so nicht sagen würde.
Und ja, andererseits die übertriebene Arschfixiertheit. XD Außerdem erscheint mir das Ganze mit der Verletzung doch zu unrealistisch bzw. unkonsequent. Alleine schon, dass sich ein anscheinend recht junger Mann beim Hinfallen einen Bruch holt, wirkt etwas weit hergeholt, und geschildert ist es auch irgendwie zu … distanziert als dass man das wirklich aufnehmen würde. Und dann wechseln seine Schmerzen irgendwie ständig ihre Stärke, mal tut ihm schon das Umdrehen weh und er braucht überall Hilfe, dann fällt er aus dem Bett direkt auf den Hintern und unterhält sich danach noch ganz normal (einziges Zugeständnis: "Jetzt war der stechende Schmerz schlimm."). Und obwohl ich mich zugegebenermaßen null damit auskenne, und du das wohl nicht erfunden haben wirst, erscheint's mir komisch, dass man mit einem Bruch am Hintern nicht aufs Klo gehen kann. o_O
Aber wie gesagt, trotzdem gut zu lesen, nur eben noch mit einigem Verbesserungspotenzial.
Mordechaj
26.10.2010, 01:46
Und obwohl ich mich zugegebenermaßen null damit auskenne, und du das wohl nicht erfunden haben wirst, erscheint's mir komisch, dass man mit einem Bruch am Hintern nicht aufs Klo gehen kann. o_O
Beckenfrakturen führen häufig zur Blasenruptur, die dann eine Katheterdrainage erfordern.
Normal auf's Klo gehen wäre vermulich so oder so nicht drin: Bloßes unbelastes Sitzen dürfte schon eine Herausforderung sein, die starke Belastung des Beckens beim instabilen Sitz auf der Klobrille dürfte - je nach Art der Fraktur - höllische Schmerzen verursachen. Ist in etwa so, als würdest du dich mit ner gebrochenen Hand auf dem Rand einer Schüssel abstützen. Tut halt nur an noch ungenehmeren Stellen weh. Im Stehen Pinkeln ist wohl auch nicht, ich stell es mir witzig vor, mit einer Beckenverletzung unbelastet ohne Schmerzen zu stehen. Und dann noch entspannen und so.
Jedenfalls: Stichwort Blasenruptur.
der erhöhte abdominelle Druck zum rauspressen der Exkremente dürfte dem bereits geschädigten Becken auch nicht gut tun...
steel, ich bitte... nein, ich flehe dich an, diese story bitte gefälligst fertig zu schreiben!!!
ich finde diese geschichte wesentlich schöner als deine letzte. klar ist diese arschfixierung stellenweiße echt zu viel, aber mich hats nicht vom lesen abgehalten und alles in allem fands ichs dann doch mehr lustig als störend. meinetwegen sind auch die dialoge stellenweiße nicht das allerbeste.
aber die story an sich ist meiner meinung nach der wahnsinn. ich mag diesen zynischen typ des lyrischen ichs und ich verspüre auch eine gewisse sympathie gegenüber dieser ganz merkwürdigen husky. (du siehst, ich setze mich bereits mit den charakteren aus einnander xP)
bitte, schreib weiter, lass uns nicht im stich :D
T.U.F.K.A.S.
27.10.2010, 08:30
Erstmal vielen Dank für das doch recht zahlreiche Feedback :D
Um eines klarzustellen: Die Idee zu diesem Stück ist mir gekommen, als ich nachdachte, ob und wie man eine Liebesgeschichte zwischen zwei Geisteskranken realisieren kann. Als ich dann letztens nach Jahren mal wieder Mogwai - Hunted by a Freak hörte, ist mir die Geschichte eingefallen, bei der ich - wie immer - wieder ein bisschen was autobiografisches mit einfließen lasse. Aber diesmal wirklich extrem wenig, ich hab lediglich ein paar Charaktere nach Menschen geformt, die mich in meinem Leben begleitet haben.
Mein Geschreibsel ist tatsächlich beizeiten sehr verwirrend. Das ist aber hier tatsächlich so gewollt, weil ich finde, dass es hübsch ins Ambiente passt. Außerdem liebe ich es, alltägliches ins Absurde zu verziehen.
Es wird nicht bei der ""normalen" Liebesgeschichte" bleiben, soviel kann ich definitiv versprechen. Der Prolog sagt ja schon ein bisschen was über den Ausgang der Sache aus, aber glaubt mir wenn ich sage, dass ich noch ein paar Asse im Ärmel habe, rein dramaturgisch betrachtet.
Zur medizinischen Genauigkeit kann ich folgendes sagen: Ich weiß von einem Bundeswehr-Kameraden, der eine Beckenfraktur hatte, wie die Behandlung dafür ist. Ich hab einiges davon abgespeckt zugunsten der Geschichte. Rein prinzipiell ist das aber die Art und Weise, wie der Dreck behandelt wird. Die Sache mit dem Katheter ist auch nciht allzu weit hergeholt, da - wie bereits gesagt - alleine stehen bereits eine unangenehme Sache darstellt für den Patienten, dem entsprechend ist auch der Stuhlgang nur möglich "dank" eines Einlaufs. Alles andere würde schrecklich wehtun, nehme ich mal an ;)
So, heute Abend kommt dann das komplett überarbeitete erste Kapitel inklusive erster Auszüge aus Kapitel 2. The plot will thicken, oh yes!
T.U.F.K.A.S.
27.10.2010, 18:05
So hier ist erst einmal das komplette, überarbeitete erste Kapitel. Viel Spaß damit. Zweites Kapitel folgt bald.
"Wie sieht es aus?", fragt sie mich mit belegter Stimme. Ich schaue mich um und sehe nichts als Chaos. Apokalyptisches Chaos. Leichen, brennende Autowracks, Menschen ziehen andere Menschen aus ihren Fahrzeugen und leisten erste Hilfe, Müll wurde auf die Straße geschleudert, ein Wohnhaus brennt ab, aus dem immer noch Leute fliehen. Blut klebt an Wänden und auf dem Asphalt. Patronenhülsen, zerbrochene Baseballschläger, es riecht nach Schwarzpulver. Schreie, Sirenen, Hupen erfüllen die Smog-geschwängerte Luft und mir kommt es vor, als wäre ich der einzige Überlebende eines Krieges.
Moment: Ich BIN der einzige Überlebende eines Krieges.
"Alles in Ordnung.", lüge ich und streiche ihr durch die rotblonden Haare. "Alles okay."
Sie liegt in meinen Armen und krallt sich mit beiden Händen an meinen Schultern fest. Die Schuss-, Hieb- und Stichwunden in und an ihrem Bauch, ihrer linken Brust und ihrem Unterleib sind tödlich. Sie blutet stark. Zu stark. Ihr weißes T-Shirt ist mittlerweile partiell rot eingefärbt. Ich weiß, dass sie es nicht schaffen wird bis der Notfallwagen auftaucht. Wahrscheinlich ist das der Grund, warum ich nicht weine, obwohl ich es vielleicht tun sollte. Wir haben keine Angst.
Sie hat blaue Augen wie ein Husky und sieht mich mit einem dermaßen eindringlichen Blick an, dass es mir einen kalten Schauer über den Rücken jagt.
"Du lügst.", flüstert sie, "Ich mag deine Notlügen." Sie lächelt mild und lässt langsam, aber sicher von meinen Schultern ab. "Komisch. Mir ist nicht mal kalt." Ihre Hände gleiten von meinen Schultern und ruhen reglos auf meinen Oberarmen.
"Das ist gut.", antworte ich.
Ich bekomme keinen Ton mehr raus. Egal, wie sehr ich gegen die Tränen ankämpfe, sie kullern über mein Gesicht. Ich fange an, leise zu schluchzen. Sie regt sich nicht mehr. Und das Letzte, was sie sagen konnte war, dass sie meine Lügen mag. Ich falle über ihr zusammen, halte sie fest, will sie nicht gehen lassen. Doch jetzt ist es zu spät. Sie schließt die Augen, hört auf zu kämpfen. Aber nicht bevor sie leise und mit einem Lächeln auf dem Gesicht "Das hab' ich gut gemacht." sagt. Ich kann mehr oder weniger spüren, wie die Seele aus ihr herausfährt, als sie jede Art von Spannung in ihren Gliedmaßen verliert und ihr Körper nichts weiter ist als eine leere, wunderschön anzusehende, traurig stimmende Hülle.
Ich höre auf zu weinen, wische mir die Tränen aus dem Gesicht, richte mich wieder auf und streichel zärtlich ihre Wangen, während wir auf den Krankenwagen warten. "Ja. Gut gemacht.", sage ich ihr und blicke geradeaus ins Leere.
TRACK I – HEY PAUL, LET'S HAVE A BALL
"Sie sind also ihr Verwandter?", fragte mich die dicke Krankenschwester hinter dem Info-Tresen des Bundeswehr-Krankenhauses mit einem markanten Hamburger Dialekt.
"Nein... also ja!", antwortete ich und wurde langsam ungeduldig. Seit einer knappen Viertelstunde stand ich hier und wollte nichts weiter tun, als meine Stiefmutter zu besuchen und ihr einen Blumenstrauß in die Hand zu drücken.
"Nun, dann bräuchte ich einmal Ihren Ausweis.", sagte die dicke Mutti und streckte ihre Hand nach mir aus. So, als ob sie bereits nach einem unsichtbaren Ausweis greifen würde, der in der Luft hing.
"Hören Sie, ich will ihr lediglich diesen Blu...", fing ich an zu erzählen (vor allem, weil ich meinen Ausweis nicht dabei hatte), wurde aber abgeledert von Miss Tresen.
"Neeee, so läuft das hier nicht, mein junger Freund.", sagt's und wollte immer noch den Perso sehen.
"Ich bin lediglich hier, um meiner Stiefm...", setzte ich erneut an, wurde allerdings wieder unterbrochen von der Bundeswehr-Bürokratie.
"Nee, nee, nee, Sie können nicht hier einfach so reinstolzieren, ohne mir wenigstens einen Nachweis Ihrer Identi..."
"Geht denn mein Füherschein als Identitätsnachw...?"
"Neeee, neeee, neeee. Was ich brauche, ist Ihr Personalausweis!"
"Oh mein Gott!", rief ich entnervt, "Hören Sie: Miriam Steglhüber, geborene Heinrich, ist meine Stiefmutter. Sie ist am 4. Juli 1960 geboren, ist Soldatin der Reserve, genau genommen Birgadegenerälin und war hier wegen eines Tumors...", ich dachte kurz nach, ob das grammatikalisch richtig war, "...wegen einem Tumor... wegen... Egal: Wegen etwas an ihrer Lunge, was entfernt werden konnte. Ich kann sie nicht leiden, aber ich bin trotzdem so verschissen nett gewesen, hier aufzuschlagen und ihr diesen...", ich knallte den Blumenstrauß auf den Tresen, "... verfickten Blumenstrauß zu schenken. Und zwar, weil mein Vater sie liebt, mein Bruder sie liebt, ich sie nicht liebe, aber ihren Zynismus sehr schätze. Und Sie...", ich deutete mit dem Zeigefinger auf Infotresen-Mutti, "... lassen mich bitte sofort durch!"
Infotresen-Mutti war ganz baff ob meiner Ehrlichkeit. Genauso waren es wohl die sechs bis sieben wartenden neukranken Patienten, die hier seit 7 Uhr saßen und immer noch nicht behandelt worden waren - dabei schlug die Uhr bereits 10. Sie schüttelte sich ein bisschen, sah mich mit starrem Blick an und fragte: "Kann ich dann - bitte - Ihren Personalausweis sehen?"
Ich rang mich endlich dazu durch, ihr zu sagen, dass ich ihn nicht dabei hätte.
"Naja. Doof, das.", sagte sie mit sarkastischem Unterton und sah mich mit zusammengekniffenen Augen an. "Unter diesen Bedingungen kann ich Sie leider nicht durchl..."
Es bedurfte zweier muskolöser Arzthelfer, um mich von der sichtlich erschrockenen Infotresen-Mutti zu lösen. Im Adrenalinrausch war ich über die Theke gehechtet, hatte sie "Du blöde Sau!" schreienderweise gepackt, zu Boden gerissen und wollte sie gerade mit dem Blumenstrauß zu Tode füttern, bevor ich unter großen Gebrüll und Gefluche meinerseits aus dem Krankenhaus gezerrt wurde. Auf dem Weg nach draußen schleuderten mich die Arzthelfer mit einer dermaßenen Wucht aus der Türe, dass ich mit dem Gesäß voran auf dem Krankenhausparkplatz aufschlug. Diese Bruchlandung resultierte in einem Schmerz am Steißbein und im Rücken, den ich nicht anders beschreiben kann, als mit der vagen Vorstellung eines Vorschlaghammers, der volle Möhre gegen meine unteren Wirbel donnerte. Nicht, dass ich mich damit auskennen würde. Aber so müsste es sich anfühlen.
Die beiden Honks zerrten mich, schreiend und fluchend vor Schmerzen, wieder zurück ins Krankenhaus, vorbei am Info-Tresen (wo ich der immer noch verstörten Tresen-Mutti im Vorbeigezogenwerden den Mittelfinger zeigte), trugen mich dann durch verschiedene Gänge und wenig später in einen Raum, in welchem ich bäuchlings auf ein rollbares Krankenbett gehievt wurde. Dann ging es "motorisiert" weiter zu eineer Krankenstation, an deren Eingangstür ein Schild hing, auf welchem "FU-6 - Neurologie und Psychatrie" stand.
Nach stundenlangem Ausziehen, Röntgen, Untersuchen, noch einmal Röntgen und wieder Untersuchen kam ein Arzt auf mich, immer noch auf dem Krankenbett liegend, zu und berichtete mir, dass ich eine Fraktur am unteren linken Beckenknochen hätte. Dies würde bedeuten, dass ich für mindestens zwei Wochen stationär behandelt werden müsste. Aufgrund der Umstände, unter denen ich mir diese Fraktur zugezogen hatte, würden mir die Kosten für die Behandlung erstattet werden. Ich rief per Handy meinen Arbeitsgeber, die Zeitarbeitsfirma 24work, an und überbrachte meinem Bearbeiter Sascha die schlechte Nachricht. Ich wurde zunächst freigestellt, bis ich mich wieder melden würde. Dann gab ich das Handy mitsamt einiger Wertsachen wie meiner Brieftasche und meiner Haustürschlüssel bei einer überfreundlichen Krankenschwester ab. Und hier, in der FU-6, lernte ich sie kennen.
Sie hatte kein Rückenleiden, wenn ihr die Wahrheit wissen wollt. Sie war im anderen Teil der Abteilung 6 untergebracht - der Psychatrie. Dort, wo die heimgekehrten Afghanistan-Urlauber ihre Probleme mit Schusswaffen bekämpfen sollten. Ich mochte den Gedanken nicht, direkt neben einem Haufen Verrückter behandelt zu werden. Im Ernst: Ich war wegen meines Hinterns hier, nicht wegen psychischer Probleme. Mir ging es gut, ich war bis jetzt sehr zufrieden mit meinem Leben. Klar, nach einer Ausbildung zum Speditionskaufmann konnte ich mir besseres vorstellen, als für eine Zeitarbeitsfirma zu arbeiten und jeden Tag Container auszuräumen und Paletten zusammenzubauen. Aber ich war zufrieden, optimistisch, hatte keine Probleme mit Frauen und mochte meine Familie, die mich ab und an besuchen kam, sowohl in meiner Wohnung als auch während meines Aufenthaltes im Bundeswehrkrankenhauses. Ich hatte auch kein Problem mit meinen ab und an auftretenden Agressionsanfällen, meinem tiefgehenden Zynismus und meiner Meinung, dass wir Menschen so lange Schweine sind, bis wir was Gutes tun. Ich hatte bis jetzt nichts getan, was man wirklich als "gut" bezeichnen könnte. Dem entsprechend war ich ein Schwein, und das war vollkommen in Ordnung für mich. Alles war okay. Umso merkwürdiger war das Bild vor meinem geistigen Auge, auf welchem ich nachts auf meinem Zimmer Fernsehen guckte, während im Raum nebenan wieder ein Soldat schreienderweise aus einem Alptraum erwachte und mit einer Extradosis Beruhigungsmittel wieder zum Einschlafen gebracht wurde. Soviel zur ersten "geruhsamen Nacht".
Der zweite Tag bestand lediglich aus stundenlangen Untersuchungen und dem Festlegen meines Zeitplans: Um 9 Uhr wurde ich geweckt für meine erste Dosis Schmerzmittel, die ich parallel zum einigermaßen genießbaren Frühstück einnehmen sollte. Hier lernte ich auch meine persönliche Arschärztin kennen: Frau Doktor... Doktor... verdammt, der Name fällt mir nicht mehr ein. Wie auch immer: Sie war eine recht zugeknöpfte Frau (in jeder Hinsicht), blond, ein bisschen übergewichtig, mit Sommersprossen im rundlichen Gesicht und einem recht sachlichen Gemüt. Da sie anscheinend trotz hoher Todesquote – wie es bei Ärzten wohl üblich ist – schon einigen Menschen helfen konnte, stufte ich sie spontan als okayen Menschen ein.
Ihre stündliche Routine bis 18 oder 19 Uhr bestand daraus, dass sie mit lautem Türknallen in mein Einzelzimmer (das eigentlich ein Doppelzimmer war, aber dank meines hopps gegangenen, ursprünglich vorgesehenen Zimmergenossen von mir alleine bewohnt wurde) stiefelte und ein lautes "Na, wie geht es uns so?" von sich gab, während sie meine Vitalwerte überprüfte. Bei den ersten paar Malen sagte ich nur "Gut." oder "Okay.", aber mit der Zeit wurde ich kreativer und fragte, auf meinen Hintern schauend, "Wie geht es uns?". Dann tat ich kurz so, als würde ich ihm zuhören, wandte mich dann herum zur Ärztin und sagte beispielsweise: "Er hätte gerne einen Fencheltee und ein leicht flüssiges, in Meggele-Kräuterbutter gebratenes Rührei. Für mich bitte einen neuen Katheter, ich muss pissen wie ein Rennpferd."
Ich glaub', sie mochte mich.
Ging der Tag eigentlich relativ schnell rum dank Schmerzmittelchen, Trash-Talkshöwchen und Fenchelteechen, war die Nacht meine persönliche akustische Hölle. Ein paar Zimmer (in irgendeiner Verrückten-Höhle) neben mir radaute es stark. Man konnte eine Frau schreien und eine andere weinen hören. Die eine schmiss Scheiß durch die Gegend wie – soweit ich es hören konnte – diverse Möbelstücke und wohl auch den Defibrilator, die andere bekam das alles anscheinend ab. Auf dem Flur konnte man wenig später hektische Schrittgeräusche hören, welche sich in Richtung des Krisenherdes begaben. Nach fünfminütigem Gerangel und darauf folgender Stille schloss sich hörbar die Tür zum Irrenzimmer. Die Bekloppi-Beruhiger-Delegation begab sich zurück zu ihren Stationen, nur um drei oder vier Stunden später wieder auszurücken wegen einer weiteren Schlägerei im Mixed Martial Arts-Krankenzimmer.
Mein dritter Tag begann – nach "leckerem" Frühstück – mit einer Stippvisite bei meiner Stiefmutter, die ihre OP gut überstanden hatte. Sie wirkte - obwohl sie längst wusste, dass ich ebenfalls in diesem Hospital behandelt wurde - sehr überrascht, als sie mich im Patientenoutfit sah, den Rollwagen mit dem Flüssigkeitsbehälter, der an einen Katheter angeschlossen war, vor mich herschiebend, da ich nicht auf Toilette gehen konnte mit meiner Po-Fraktur.
Sie sagte nur: "Willkommen im Club.", bevor ich mich lächelnd an ihr Krankenbett begab. Sitzen war nicht drin, ich musste die ganze Zeit stehen oder auf dem Bauch liegen. Und große Lust, mich vor ihr auf den PVC-Boden zu legen, hatte ich nicht wirklich. Also stand ich halt. Unangenehmerweise.
"Und? Wie geht's?", fragte ich in Ermangelung besserer Fragen.
"Och, alles gut. Als Ex-Krebspatient genießt man einen vergleichsweise guten Service.", witzelte sie mit ernstem Gesichtsdruck. "Was macht der Arsch?"
"Dem Arsch geht's gut. Er wird von den besten Arschspezialisten der Bundeswehr behandelt."
"Komisch, dabei sehe ich hier weit und breit gar keine Luftwaffen-Typen.", entgegnete sie, ohne eine Miene zu verziehen, und brachte mich damit zum Lachen. Sie ist Heeressoldatin, dem entsprechend sind außer dem Heer alle anderen Soldaten "Pussies" in ihren Augen.
"Gut erkannt.", antwortete ich. Dann war eine kurze Stille im Raum, da wir beide nicht wussten, was wir sagen sollten. Im Fernsehen lief eine Trash-Talkshow, welche meine Stiefmutter hasste zu gucken. Aber sie tat es trotzdem. Wohl auch, um mir argumentativ aus dem Weg zu gehen.
Sie brach das Schweigen: "Ich weiß." Sie drehte den Kopf zu mir und sah mich an. "Naja, bevor du hier Wurzeln schlägst: Lass dich mal lieber weiter verarschen. Ich meine: verarzten."
Sie zwinkerte und gab mir - trotz Lächeln - damit durch die Blume zu verstehen, dass ich abhauen sollte. Auch wenn es sich so anhörte, als kämen wir eigentlich ganz gut miteinander aus, hatten wir unsere Differenzen. Meine leibliche Mutter war bei einem Autounfall gestorben, als ich sechs Jahre alt war. Nach meinem zwölften Geburtstag heiratete mein Vater Miriam. Und ich konnte, wollte und werde sie nicht als meine Mutter akzeptieren. Am Anfang tat sie sich schwer damit, eine Verbindung zu mir herzustellen. Seit sie weiß, dass sie meine Mutter nicht ersetzen muss, verstehen wir uns eher als Freunde denn als Elternteil und Sohn.
Ich verschwand also, im Beisein einer (äußerlich zumindest) bezaubernden Krankenschwester namens Eileen, aus Miriams Zimmer. Eileen war circa 18 Jahre alt, quirlig wie ein Eichhörnchen auf Speed und maximal 1,50 Meter klein. Sie war schlank, schien auch sportlich recht aktiv zu sein und hielt mir vor, während und nach meinen sporadischen Raucherpausen minutenlange Predigten darüber, wie schlimm meine Nikotinsucht sei und das dies das "wirklich allerallerletzte Mal" gewesen wäre, dass sie mit mir eine rauchen gegangen wäre. Sie tat es dennoch immer wieder. Immerhin war es ihr Job, dafür zu sorgen, dass ich mich wohlfühlte. Sie geleitete mich jedenfalls zurück zu meiner Station. Und ernsthaft: Ohne ihre Hilfe hätte ich mich zweifellos verlaufen. Dieses Krankenhaus war verwinkelt, unübersichtlich und vor allen Dingen verwinkelt. Überall hingen (Un)Übersichtspläne, die nur weiter meine Meinung bestärkten, dass dieses Krankenhaus viel zu verwinkelt und unübersichtlich war. Wir kamen nach einem viertelstündigen Marsch durch Gänge und Fahrstühle wieder in der FU-6 an. Und Eileen hatte es diesmal extraeilig (Haha, Wortwitz: Eileen. Eilig. Haha.), mich loszuwerden, da sie ein Date hatte.
"Oh mann, ey, ich hoffe der Typ ist nicht so Absturz wie der Absturz-Typ letztes Mal, ernsthaft!", quaselte sie mich mit ihrem Ghettoslang voll, "Der Typ letztens, Alter: Der ging gar nicht. Der war voll der Spießer und immer, wenn ich mal was Witziges gesagt habe, hat er sich so weggedreht als ob... Ich weiß nicht, voll komisch und so."
"Ich drück' dir die Daumen.", sagte ich grinsend, als mir dieses Mädchen auffiel, was - wie jeden Tag bis heute - im Gang gerade zu vor uns auf der Fensterbank saß und nach draußen blickte. Rothaarig, schlank, ungefähr 1,60 Meter groß, trauriger Gesichtsausdruck und blaue Augen. Strahlend blau. Wie bei einem Husky.
Unsere Blicke trafen sich. Sie winkte mir zu, ich schaute nur mit einem selten dämlichen Gesichtsausdruck in ihre Richtung und konnte den Augenkontakt ein paar Sekunden lang halten, bevor mich Eileen in mein Zimmer schob und dort ablieferte. Hier wartete schon meine Ärztin auf mich, um mir meine tägliche Schmerzmitteldosis zu verabreichen. Eileen umarmte mich kurz und verabschiedete sich mit den Worten "Bis morgen!".
Eher widerwillig stieg ich recht unkoordiniert auf mein Krankenbett, ließ mich stumpf fallen und blieb liegen, damit mir meine Arschärztin eine Nadel ins Rückenmark rammen konnte. Nach dieser Tortur - die in einer 3-stündigen Starre meines kompletten Körpers resultierte - lag ich da, ließ mich begutachten und beantwortete Fragen zu meinen Weh-Wehchen, zu denen unter anderem chronische Verstopfung, Kopf- und Gliderschmerzen, spürbarer Muskelabbau am ganzen Körper und der Umstand war, dass ich nciht auf Klo gehen konnte. Endlich, nachdem sie sich mein Geheule notiert hatte, konnte ich die Frage stellen, die mir auf der Seele brannte.
"Sagen Sie...", fing ich an. Die Arschärztin drehte sich zu mir und sah mich mit einem erwartungsvollen Blick an, "Wissen Sie zufällig, wer das rothaarige Mädchen ist, das immer im Gang zwischen der Neuro und der Klapps... ich meine: Psychatrie am Fenster hockt?"
Sie sah mich an, als wüsste sie nicht worüber ich da redete.
Ich ergänzte meine Beschreibung: "Schlank, circa 1,60. Augen wie ein Husky?"
"Husky?", wiederholte sie fragend. Ich nickte stumm. War das etwa ihr Name? "Nun ja, ich weiß nichts spezielles über sie. Ich weiß nur, dass sie von Schwestern und Ärzten 'Husky' genannt wird. Und dass sie nicht zum ersten Mal hier in der FU-6 ist." Sie lächelte, verschränkte die Arme und sah mich mit einem bohrenden Blick an. "Wieso fragen Sie? Sind Sie etwa...?"
Ich wusste, genau, worauf sie hinauswollte. "Um Gottes Willen, nein! Nein!"
Sie lächelte immer noch und stand da wie eine immer währende Skulptur der Fremdscham.
"Nein!", ergänzte ich ausdrücklich und wollte mich zur Seite drehen, um sie nicht mehr ansehen zu müssen. Aber die Sadistin hatte mich bereits mit dem Leichenstarren-Serum vom Hals abwärts für die nächsten paar Stunden gelähmt.
Ich gab es auf."Okay, sie ist irgendwie niedlich. Aber ist Ihnen wirklich sonst nichts bekannt über sie?"
Die Arschärztin schüttelte den Kopf. "Nein, aber wir sehen uns ja morgen wieder. Und bis dahin kann ich mich ja mal ein bisschen in der Kollegschaft über Husky schlaumachen, wenn Sie möchten."
Ich stimmte zu. "Find' ich gut. Aber ich habe niemals gefragt, ne?!"
Als sie aus dem Zimmer verschwunden und die Tür wieder zu war, lag ich da wie gelähmt. Ich und mein kaputter, blank gezogener Hintern machten uns Gedanken. Wir konnten nicht fernsehen, weil ich mit dem Kopf zur Wand lag. Also versuchte ich, ein wenig zu schlafen. Ich hatte keinen Traum, keine Wahnvorstellung, nichts dergleichen. Es war einfach nur schwarz um mich herum.
Aber mitten in der Nacht wurde ich durch ein Geräusch geweckt, und es waren nicht die Karate-Meisterschaften der dritten Liga ein paar Zimmer weiter. Langsam öffnete ich die Augen. Ein stechender, aber nicht schlimmer Schmerz war in meinem Hintern zu spüren, was hieß, dass mein Serum seine Wirkung nicht mehr entfalten konnte. Also drehte ich mich mit Hilfe meiner Arme einmal um 90 Grad, um in die Richtung der Tür sehen zu können, als ich eine Sillhouette inmitten der nur hier und da durch fades Licht von außerhalb gebrochenen Dunkelheit in meinem Krankenzimmer sah. Ich schaltete die Nachtti•••••••• auf dem Beistelltisch neben meinem Bett ein. Sie stand da. Husky, oder wie auch immer sie hieß.
Vor lauter Schreck stürzte ich, ein lautes "Ach du heilige Scheiße!" ausstoßend, aus meinem Krankenbett und landete mit voller Wucht auf meinem Steißbein. Jetzt war der stechende Schmerz schlimm. Er zog sich durch meine Wirbelsäule, kam an meinem Nacken an, kehrte um und wanderte direkt wieder zurück in Richtung meiner Poperze. Das rothaarige Mädel kam in diesem Augenblick, in dem ich mit weit aufgerissener Futterluke meinem Ärger Luft machen wollte, auf mich zugerannt, kniete vor mir und hielt recht zärtlich, aber für ihre Körperstatur ziemlich kräftig meinen Mund zu, damit ich nicht so laut schreien konnte, wie ich es am liebsten getan hätte.
"Hi!", sagte sie schüchtern und neigte ihren Kopf ein wenig zur Seite, meinen Mund immer noch zuhaltend. Ich biss mir selbst auf die Lippen, um den Schmerz irgendwie von meinem Arsch woanders hinzuleiten. Es funktionierte nicht, ich war wieder wie gelähmt. Sie hingegen setzte ein breites Grinsen auf und stieß einen leisen kieksenden Ton der Freude aus, bevor sie, immer noch recht schüchtern ab und an zur Seite statt in meine Augen blickend, weiter redete: "Ich wollte dir nur 'Hallo' sagen, aber...", ich merkte jetzt schon, dass sie gerne ohne Punkt und Komma quaselte, "... jetzt hab' ich 'Hi' gesagt. Kennst du das? Du willst das eine sagen, sagst aber das andere und eigentlich wolltest du was ganz anderes sagen, während du das andere gesagt hast, obwohl du eigentlich vorhattest das eine zu sagen?"
Ich nickte, obwohl ich keinen Schimmer hatte, wovon sie redete. Sprechen konnte ich wegen der akkuten Maulsperre immer noch nicht.
"Cool! Ich dachte, ich wäre alleine mit dieser Auffa... Fuck, sorry ich hab' mich noch gar nicht vorgestellt, ich bin Pia, einige nennen mich Husky. Kannst mich Husky nennen! Oder Pia!" Sie pausierte kurz, immer noch grinsend. "Oder Husky!" Sie pausierte wieder, ihr Grinsen verflog kurz ob ihrer Überraschung, dass sie mich immer noch mit ihrer Hand knebelte. "Oh heiliger Dickdarm der Maria!", sie lockerte den Haltegriff ein wenig, "Ich wollte nicht, dass du die Atmung vergisst, weil - weißt du - meine Hand... Naja...", sie pausierte wieder und deutete mit ihrer freien (rechten) Hand auf ihre Knebel- (linke) hand, "... Meine Pfote immer noch auf deinem Mund...", sie brachte den Satz nicht zu Ende, "Wie heißt du eigentlich?"
Sie löste den organischen Knebel von mir. Als ich gerade meinen Namen sagen wollte, hielt sie mir wieder den Mund zu und sagte: "Obwohl nein! Behalt' mal lieber deinen Namen für dich. Ich find' Spitznamen eh viel cooler!"
Ich nickte resignierend. Das Aua, die Situation. Alles war völlig surreal. Also gab ich es einfach auf, Sinn in den ganzen Mist zu bringen.
"Also...", ab hier zog sie die Vokale extrem weit auseinander, immer noch flüsternd, "Iiiiiich neeeeenneeee diiiiiiich eiiiiinfaaaaaach..."
Sie unterbrach ihren Redefluss kurz, um, an die Decke schauend, nachzudenken. Ich verdrehte derweil die Augen. Irgendwie hatte ich sie mir ein bisschen anders vorgestellt. Mein Hintern schmerzte währenddessen immer noch und schrie förmlich nach Schmerztabletten.
Ich hätte die Schwester rufen können, allerdings war der Klingelknopf vom Boden aus nicht erreichbar. Also saß ich, den Rücken an die Wand gelehnt, neben meinem Bett. Über mir befand sich ein Fenster, welches nach außen hin mit Gittern ausgestattet war, was wohl Suizid- und Ausbruchversuche verhindern sollte. Links neben mir war der Notfalltisch mit Defibrilator und anderem Schnickschnack, der mich im Falle eines Notfalls am Leben erhalten sollte. Rechts neben mir hing der Fernseher in einer dreh- und schwenkbaren Aufhängung, rechts daneben wiederum war mein Kleiderschrank. Und vor mir saß ein elfengleiches, rothaariges Wesen mit den schönsten blauen Augen, die ich je in meinem Leben gesehen hatte - und mit einem gewaltigen Sprung in der Schüssel. Und es dachte sich gerade einen Spitznamen für mich aus. Ich wollte mich nicht wehren. Irgendwie dachte ich, dass das alles seine Richtigkeit hätte.
Sie gab es auf und verkürzte die Vokale wieder. "Egal! Scheißegal! Weißt du was, ich nenne dich einfach Dude, ist das cool für dich?"
Ich nickte und unternahm den Versuch, zu sprechen. Allerdings kamen dank ihrer Hand nur gemurmelte, unverständliche Bruchstücke aus meinem Mund heraus.
"Sorry, ich versteh' dich nicht. Du redest so komisch. Bist du von hier? Scheinste nicht zu sein." Sie pausierte, meinen Mund nun noch ein wenig fester zudrückend und mich nervös mit ihren Augen musternd. "Denn du redest so komisch."
Ich unternahm einen weiteren, diesmal lauteren Versuch zu sprechen, wobei ein wenig Spucke zwischen ihren Fingern landete.
"Igitt...!", sagte sie mit angewidertem Gesichtsausdruck und nahm endlich ihre Hand von meinem Mund, um sie zu betrachten und an meinem Patientenhemd abzuwischen. "Du hast mich angesabbert." Sie strahlte über das komplette kantige, dennoch jugendliche Gesicht. "Ist das in deinem Land sowas wie ein Liebesbeweis?"
Ich atmete hektisch ein und aus, bevor ich mich endlich zu einem gesprochenen Satz durchringen konnte: "Dude geht klar." Mir war klar, dass ich ihr rhetorisch damit eine bis zwei Fragen hinterherhinkte.
Sie schaute zu mir auf und grinste nun noch breiter. Ihre Augen funkelten vor Freude. Und ich rede hier von echter, wahrer, euphorischer Freude. Sie wuschelte ein wenig mit den Händen durch meine Haare und sagte dabei: "Du bist cool. So richtig cool. Richtig cool." Die letzten beiden Worte brummte sie in einer tiefen Bass-Stimme. Ansonsten war ihre Stimme sehr hell und freundlich.
Sie hörte auf zu wuscheln, hockte sich vor mich auf ihren Hosenboden und ergriff meine Hände. "Du hast mich schon öfter auf dem Gang angesehen, kann das sein?", fragte sie, mich eindringlich ansehend. Diese Augen...
"Ja. Stimmt genau.", antwortete ich mit dem Anflug eines Lächelns auf dem Gesicht.
Sie kicherte wie ein Schulmädchen und schaute zu Boden. Ihr Gesicht färbte sich leicht rötlich. "Cool." Nach kurzer Pause sah sie mich wieder an und ergänzte: "Ich dich auch."
Wir schwiegen uns ein paar Sekunden lang gegenseitig an, bis sie verhalten fragte: "Bist du morgen wieder hier?"
"Ich bin nach diesem Sturz auf meinen Hintern mindestens noch eine weitere Woche länger hier als vorgesehen."
"Hast du was am Hintern?", fragte sie.
"Eine Fraktur."
"Autsch." Sie verzog das Gesicht bei dem Gedanken an mein Leid.
"Richtig. Genau das."
"Und du bist auf deinem Arsch gelandet als du dich so erschrocken hast, ne?"
"Japp."
"Autsch." Sie verzog das Gesicht noch mehr.
"Richtig."
Husky blieb kurz stumm und flüsterte mir ein ernstgemeintes "Sorry." entgegen. Dann stand sie langsam auf und zog an meinen Händen, die sie immer noch festhielt. "Warte, ich helf' dir eben zurück in die Koje."
Dieses knapp 18-jährige Mädel hievte mich fast ohne Hilfe meinerseits - und ich wiege knappe 75 Kilo - zurück auf mein Bett. Natürlich mit dem Hintern voraus. Wieder sagte die Wirbelsäule "HALLO?" und ich war drauf und dran, einen lauten Schmerzensschrei auszustoßen. Da hielt sie mir schon wieder die Hand auf dem Mund und drückte meinen Kopf ins Kissen.
"Entschuldigung, tut mir leid, sorry, sorry, sorry, Entschuldigung,...!", flüsterte sie mir ins Ohr, während sie mich notdürftig auf den Bauch drehte.
"Okay, warte!", sagte das Zauberwesen, schlich einmal um mein Bett herum und hob meinen Kopf ein wenig an, damit sie - etwas in die Hocke gehend - mir in die Augen sehen konnte.
"Bist du morgen wieder hier?", fragte Husky in freudiger Erwartung auf meine positive Antwort.
Ich nickte und antwortete: "Drei Wochen, ich sagte es bereits."
Sie grinste wieder wie ein Honigkuchenpferd. "Alles klar! Dann bis morgen, Dude!" sprach's, gab mir einen Kuss auf die Wange, schaltete mein Nachttischlämpchen aus und stand noch kurz in der Dunkelheit vor mir.
Ihre Augen funkelten selbst in der Düsternis, die mich umgab. "Gute Nacht, Husky.", flüsterte ich ihr zu, bevor sie rückwärts gehend aus dem Zimmer verschwand. Eine Minute später kamen zwei Schwestern in meine Bude gerannt und fragten mich, ob mir was passiert sei. Ich log und sagte, ich wäre im Schlaf aus dem Bett gefallen. Nach einer weiteren Untersuchung meiner Po-Wunde entschlossen sich die Ärzte dazu, mich statt für zwei für drei Wochen auf der Station zu behalten. Ich gab nach außen hin vor, darüber geschockt zu sein. Innerlich lächelte ich allerdings. Mir hätte nichts besseres passieren können, als nachts um halb 4 von einer unbekannten rothaarigen Schönheit aus dem Schlaf gerissen zu werden.
Am nächsten Morgen fand das übliche Prozedere statt. Meine pummelige Arschärztin riss mich mit einem freundlichen "Moin!" aus dem viel zu kurzen Schlaf.
"Und? wie geht es uns so?", fragte sie, wie sie es immer tun würde, die vergilbten Vorhänge vor meinem Fenster aufziehend.
"Die Fürze tun immer noch weh.", beantwortete ich ihre nicht ernstgemeinte Frage.
Sie musterte mich kurz und entgegnete: "Langsam frage ich mich, ob Sie nicht bei unseren Kollegen einen Gang weiter besser aufgehoben wären."
Ich schmunzelte und gab ein leises "Touché." von mir.
Die Ärztin warf einen prüfenden Blick auf die Vitelfunktionsgeräte und vergewisserte sich, dass ich noch lebte. Von einer Sekunde auf die nächste kam Eileen reingeschneit und knallte mein Frühstück - lauwarmes Ekel-Rührei samt lauwarmen Orangensaft in einem Plastikbecher, alles auf einem lauwarmen Plastiktablett serviert - auf den Beistelltisch.
"Was ist los, Eileen?", fragte ich, erntete aber nur einen bösen Blick, bevor sie umkehrte und aus dem Raum verschwand. Das Date war wohl voll Absturz.
"Sie hat miese Laune.", stellte ich lautstark fest. Meine Arschärztin nickte zustimmend.
"Ach ja.", setzte sie an, während sie am Fußende des Bettes meine Medikamente dosierte, "Ihre rothaarige Freundin..."
"Ja?", ich drehte mich auf die Seite, um sie ansehen zu können.
"Nun...", sie ging ein paar Schritte durch das Krankenzimmer, den kleinen Becher mit der Schmerzmitteldosis schwenkend, als wäre er ein Rotweinglas, "Ich rate Ihnen davon ab, weiteren Kontakt mit ihr aufzunehmen."
"Wieso?" Ich war jetzt erst recht interessiert an meiner rothaarigen Freundin.
Die Ärztin atmete laut aus und sah kurz zur Tür. Wohl, um sich zu vergewissern, dass uns keiner hören konnte. Ich kam mir vor wie in einem schlechten James Bond-Film. Einem mit Daniel Craig in der Hauptrolle.
"Husky, oder Pia Bathés, wie sie bürgerlich heißt, ist nicht umsonst Stammgast hier, sagen wir es so."
"War sie in Afghanistan oder...?"
Sie schüttelte den Kopf. "Nein. Aber... was ich Ihnen sagen kann, ist: Jeden Mittwoch, 11 Uhr, erster Stock, Zimmer 14.8. Dort dürften Sie genügend Antworten erhalten."
Ich hatte völlig das Raum-/Zeitverständnis verloren, seit ich im Krankenhaus war und fragte: "Welcher Tag ist heute?"
Meine Ärztin schluckte. "Mittwoch. 9:14 Uhr."
Ein Nicken meinerseits musste als Danksagung reichen.
Wir schwiegen uns kurz gegenseitig an, dann verließ sie mein Zimmer. Ich schluckte brav meine Medikamente und legte mich wieder auf Bauch. Um 11 Uhr würde ich im ersten Stock sein und sehen, was sie mit "Antworten erhalten" meinte. Ich drückte den Klingelknopf über meinem Bett, woraufhin Eileen eine Minute später in meiner Bude aufschlug.
"Was ist los?", fragte sie, immer noch sichtlich angepisst wegen ihres Dates.
"Könntest du mir bitte einen Gefallen tun und mich um 10:50 Uhr hier rausbringen, um...?", setzte ich im höchst höflichen Ton an.
"Ey, willst du schon wieder quarzen?!", fragte sie mit angeekeltem Gesichtsausdruck.
"Nein. Diesmal nicht. Nein, ich möchte, dass du mich zu etwas begleitest, bevor ich um 11:30 meine fette Spritze bekomme..."
Ich weihte sie in meinen Plan ein und sie stimmte zögerlich zu, mich dorthin zu geleiten. Langsam fand ich Gefallen an dem Gedanken, ständig jemanden um mich herum zu haben, der mich irgendwohin bringen würde. Im Rentenalter würde ich mir auch eine sexy Haushaltskraft anschaffen, die mir bei jedem Scheiß behilflich sein würde.
"Monsieur? Darf isch Ihnen noch einen Blowjob zu Ihrem Cocktail anbieten?", würde sie im Nasty-Maid-Outfit und mit einem schrecklich gestellten französischen Dialekt fragen. Und ich würde sagen: "Oui, oui! Lass jucken, mon chéri!"
Zufrieden lächelnd, meine Zukunftsvision vor Augen, drehte ich mich zur Seite und entschloss mich zu einem Nickerchen, bevor es zu Raum 14.8 gehen sollte.
"Aufwachen!", schrei-flüsterte mich jemand urplötzlich aus meiner Tiefschlaf-Phase. Auf dem Bauch liegend, sah ich nach oben, in der Erwartung, Eileen zu sehen und mit ihr...
Eine Hand packte mich am Hals. Der dazugehörige Arm versperrte mir die Sicht, sodass ich nicht nach oben schauen konnte. Eine tiefe, bedrohliche Stimme hallte durch das Zimmer.
"Was auch immer du vorhast.", riet mir die Stimme, "Du kommst ihr nicht zu nahe."
Ich stöhnte kurz auf, in Gedanken bereits im Sarg. "Von wem redest du?"
"Von meiner Freundin. Du lässt die Finger von ihr, hast du mich verstanden, du Stück Scheiße?" Die Stimme kam näher. "Du bist ein hässlicher Mistkerl. Ich würde dich gerne abstechen und mit deinem Blut spielen. Aber das hier ist ein Krankenhaus und das wird nur in zwei Fällen zum Blutbad: Erstens in Hard Boiled. Zweitens..." Nun war der Mund der Gestalt direkt an meinem Ohr. "... Wenn du nochmal mit meiner Freundin flirtest."
Der Griff lockerte sich nach dieser Drohung. Meine Augen blieben noch minutenlang vor Angst geschlossen, obwohl ich definitiv feststellen konnte, dass der Typ - die Stimme ließ diese Vermutung auf jeden Fall zu - weg war. Langsam gab ich den Blick auf meine Umgebung frei. Nichts. Niemand. Nur ich, mein Zimmer und mein Hintern. Die Tür stand offen wie immer, meine Vitalgeräte fiepsten lustig in einem gleichmäßigen Rythmus. Alles in Ordnung.
Eileen kam Schlag 11 in mein Zimmer gespurtet und entschuldigte sich für die Verspätung. Ich beruhigte sie mit den Worten, dass sich die Sache erledigt hätte. "Entschuldigung, aber ich fühle mich nicht danach im Moment. Mir ist schlecht.", halbwahrheitete ich ihr vor. Ja mir ging es schlecht. Ja, es hatte wieder einmal mit den unerträglichen Schmerzen zu tun. Nein, ich fühlte mich jetzt erst recht im Moment danach, mehr mit Husky zu unternehmen. Egal, wie harsch ihr Psycho-Freund mich angehen würde. Sie mochte mich. Schätzte ich zumindest.
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er ist der netteste bestaussehendste okay nicht bestaussehendste vielleicht aber er ist einer der nettesten typen die mir In Den letzten tagen untergekommen sind
naja in den Letzten Jahren wohl eher also beides denk' ich
es War einfach einfach ein wunderschönes erlebnis
Ich mag ihn
er ist nett
richtig nett
er hat Kein blödes zeug gelabert oder blöde fragen gestellt
er war einfach nett zu mir
ich mag ihn
ich würde ihn noch viel mehr mögen wenn er mich auch mögen würde
ich hoffe er mag mich ich kann ganz schön penetrant sein beizeiten
aber zu Guter letzt zählt doch der erste auftritt
also echt Mensch was war ich gut
hab' auf jeden fall 'ne gute figur gemacht
hoff' Ich
er hat nicht so gewirkt also nicht so ausgesehen als ob er irgendwie genervt wäre von mir oder so
also denk' ich einfach mal dass er mich mag
ich würd's ihm nicht verübeln wenn er mich nicht mögen würde
kein stück ich Bin halt etwas aufgedreht
und speziell
vielleicht auch ein bisschen durchgeknallt
Nicht dass das unnormal wäre
der gedanke Alleine
pfff
nicht normal
ich
ich nicht normal
wer ist schon normal
was ist schon normal
normal ist
ist
ist
ist
ja
genau das ist normal
das
er ist auch nicht normal
ich sehe es ihm an
er ist traurig ohne es zu wissen
oder zuzugeben
ist aber normal denk ich
ja genau das ist es
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T.U.F.K.A.S.
09.01.2011, 17:31
TRACK II – MY GIRL, MY GIRL, DON'T LIE TO ME
Wer, oder eher gesagt: Was trennt einen Kopf so klar und widerstandslos mit einer dermaßenen Vollendung von einem Hals, dass der Blutspritzer aus der klaffenden Wunde in einer fast perfekt diagonalen Linie über den Boden verteilt wurde?
Man müsste ein Profi sein, um solch eine exzellente Arbeit zu vollbringen. Ein Meister seines Handwerks – wenn Töten überhaupt ein eingetragenes Handwerk wäre – müsste derjenige sein, welcher mit der Grazie einer russischen Ballettänzerin durch einen Raum wirbelt mit einer Machete oder einem ähnlichen Werkzeug bewaffnet, auf dem Weg zusätzlich mit einer Kleinkaliberpistole um sich schießt und insgesamt zwölf Menschen tötet.
Ein Meister seines Handwerks. Genauso wie ein van Gogh mit dem Pinsel ist dieser Attentäter – hier steckt das Wort „Täter“ sozusagen im Wort des zu Beschreibenen – mit der Waffe, oder besser: den Waffen, eins geworden. Die Sache war – wie soll ich es ausdrücken – persönlich. Nichts hier lässt Indizien darauf zu, dass in Notwehr gehandelt wurde. Die Person – wobei „Person“ ein Terminus ist, welcher dem Täter nicht im Ansatz gerecht wird, meiner Meinung nach – war sozusagen die attackierende Masse gegenüber der jetzigen Opfer.
Was sagen Sie? Es hätten mehrere Täter sein können?
Nun, werter Kollege, wenn sie einen genauen Blick werfen auf den Fußboden, dann werden Sie – Sie sind schließlich ebenfalls Kripobeamter wie meinereiner – schnell bemerken, dass die Opfer in ihrer derzeitigen Position – also so, wie wir sie hier vorgefunden haben – in einer linearen Konstellation darniederliegen, was darauf zurückschließen lässt, dass der Angreifer sie aus dem Hinterhalt überraschte und sich nach und nach einen nach dem anderen schnappte, brutal massakrierte und auf diejenigen, welche schlau genug waren, sich im Hintergrund zu verkriechen, das Feuer eröffnete. Die angsterfüllten Todesgrimassen der Ermordeten lassen ebenfalls darauf schließen, dass sie in einem Moment der Überraschung getötet worden sind.
Zudem muss ich ergänzen, dass die Art und Weise, auf welche die Beteiligten ermordet wurden, eine derartige, urmenschliche Brutalität aufweist, dass ich nichts weiter sagen kann als: Hier ist aus persönlichen, aus tiefem Hass resultierten Gefühlen gehandelt worden. Was hier passierte, hatte einen Grund. Wir – meine Damen und Herren – müssen herausfinden, was der Prolog zu dieser Tragödie ist. So sieht es aus. Und nicht anders.
Frau Drescher? (Die dämliche Kuh schaut mich schon seit dem Anfang meines Vortrags an, als hätte ich sie nicht mehr alle.)
Könnten Sie mir eventuell den Kollegen Max von Holdt ans Telefon holen? (Und zwar schnell du blöde Fotze?)
Ja, es ist wichtig. Ansonsten hätte ich bestimmt nicht gefragt, oder? (Schnepfe. Ich bin seit zwölf Jahren im Dienst. Ich war psychologischer Berater des Polizeipräsidenten, verdammt nochmal! Natürlich ist es wichtig du dumme Nuss!)
Sehen Sie, so beantwortet sich Ihre Frage ob der Wichtigkeit meiner Anforderung doch von ganz alleine, oder?
Danke sehr. (Und jetzt verpiss dich zurück zu den Leichen, welche genausoviel Gehirnfunktionen aufweisen dürften wie du. Unfähige Vollpfosten, wohin das Auge reicht.)
Max? Ja, ich bin's. (Er ist der einzige Mann den ich kenne, der mit dem abgewichstesten Abschaum dieser Stadt fertig wird. Er wird wissen, wie man am besten an diesen Fall herangehen kann.)
Sag' mal, du hattest doch den Fall vor zwei Jahren mit dem toten Untergrund-Pornoregisseur?
Ja genau: Ingolf Bang. (Alleine das auszusprechen löst in mir Ekelgefühle aus.)
Pass auf: Ich glaube, es beginnt von vorne.
(Hoffentlich nicht.)
„Hoffentlich nicht, was?“, fragte ich sie. Wir standen am Fenster im Flur und rauchten eine Zigarette. Es war halb drei Uhr nachts. Ich konnte mal wieder nicht schlafen. Sie auch nicht. Also standen wir jeden Abend hier und erzählten uns einige Schwanks aus unserer Jugend. Oder halt auch nicht. An manchen Abenden fanden wir uns hier einfach nur so ein und schwiegen uns an. Das reichte mir meistens schon als zwischenmenschlicher Kontakt.
„Hoffentlich nicht schon wieder er.“, sagte Husky mit belegter Stimme und schaute betroffen zu Boden. Sie sprach wohl von ihrem komischen Psycho-Freund, der mich vor zwei Tagen heimsucht und mir mit Mord gedroht hatte, sollte ich mich weiter mit ihr treffen. Ich hatte ihr erzählt, dass irgendwer letzte Nacht durch mein Zimmer gerannt war. Es war definitiv nicht Husky gewesen und auch nicht ein Teil meiner Einbildung. Es war jemand oder etwas anderes. Sehr komisch, das Ganze.
„Er ist nicht...“, sie suchte nach den passenden Worten, während sie traurigen Blickes an ihrer Zigarette zog, „... immer so gewesen.“
„Du kennst ihn schon länger?“, fragte ich und seufzte aufgrund der dieses Mal besonders penetranten Schmerzen.
„Länger? Mein ganzes Leben lang.“
„In welchem Zimmer ist er untergebracht? Ansonsten könnten wir ja mit ihm...“
„Er ist nicht hier.“, unterbrach sie mich.
Ich nickte.
„Er bricht alle paar Wochen hier ein und sieht nach, ob es mir gut geht. Keine Ahnung, wie er immer an den Wachmännern vorbeikommt.“, sie drehte sich zu mir und sah mich an, „Aber er tut's.“
Ich ließ das kurz sacken, bevor ich den Gesprächsfaden wieder aufnahm. „Tut er dir weh?“
Sie antwortete zunächst nicht, aber ich sah an ihrem nervösen Blick, dass sie überlegte, was sie sagen sollte. Sie rang sich dazu durch, ein wenig kryptisch „Nein, im Gegenteil.“ zu sagen.
„Er beschützt dich?“
„Ja.“
„Vor wem?“
„Vor Menschen.“
Mit diesen Worten löschte sie die Zigarette in einem halbvollen Kaffeebecher, der auf der spärlich beleuchteten Fensterbank stand. Es zischte lautstark und sie sah sich kurz an, wie die Glut langsam erlosch.
„Ich will nie wieder über ihn reden. Nie wieder.“
Dann trottete sie zurück in ihr Zimmer, ohne mir wie sonst eine gute Nacht zu wünschen oder ähnliches. Sie verschwand einfach gesenkten Hauptes aus meinem Blickfeld. Ich sah ihr hinterher und schaute ihr etwas nonchalant auf den Hintern, obwohl ich genau das nicht machen wollte. Scheiß Urinstinkte.
In dieser Nacht schlief ich kaum. Ich hatte Angst vor... Vor irgendetwas. Fragt mich nicht, vor was. Vielleicht davor, dass ihr komischer Freund kommen und mich mit einem Küchentablett enthaupten würde.
ich habe angst
Vielleicht hatte ich Angst davor zu glauben, dass ihre Geschichte über ihn totaler Schwachsinn ist. Dass mehr daran war. Wie kam sie überhaupt hierher? Sie war zwar etwas verwirrt, aber nicht geisteskrank.
er ist so nett zu mir
zu nett
viel zu nett
was denkt er sich was ich bin
leicht zu haben
oder ist er nur nett weil er nett sein möchte
aus mitleid
Mein Kopf explodierte fast bei all den Gedanken daran, was passieren könnte, wenn ich einmal unachtsam wäre. Was falsches sagen würde. Was falsches tun würde.
Ich hörte ein leises Wimmern ein paar Zimmer weiter. Husky? Die Olle aus dem Kung Fu-Zimmer, in dem schon länger keine Action mehr gewesen war? Irgendwer anders aus der Hirni-Abteilung?
Mit diesem Gedanken schlief ich ein, um am nächsten Morgen mal wieder mit ein freundlichen „Moin!“ aus dem Halbschlaf gerissen zu werden.
Schmerzmittel, Frühstück, Schmerzmittel, Kippenpause mit Eileen, Schmerzmittel, Mittagessen, einschlafen, aufwachen, Schmerzmittel, Abendessen, Kippenpause ohne Eileen, warten bis es dunkel wird, auf Husky warten, ab ans Fenster, sich gegenseitig anschweigen und rauchen, zurück ins Zimmer, einschlafen, aufwachen, Schmerzmittel, Frühstück, Schmerzmittel, Kippenpause mit Eileen, Schmerzmittel...
So ging das die nächsten Tage. Husky redete kein Wort mit mir, seit ich das Thema mit ihrem Freund angeschnitten hatte. Trotzdem trafen wir uns und gingen zum Fenster. Warum? Weil wir die einzigen beiden hier waren, die etwas miteinander zu tun haben wollten, schätze ich. Weil ich keine blöden Fragen stellte und sie niemals etwas sagte, was überflüssig war. Es sei denn, sie war von ihrer Medikation runter, dann sabbelte sie ohne Punkt und Komma drauf los als wäre sie auf Speed.
Es war die Nacht von Dienstag auf Mittwoch, als sie mich aus meinem zur Abwechslung mal recht geruhsamen Schlaf weckte. Es war kurz vor halb zwei Uhr nachts.
„Hi!“, grinste sie mich an, „Ist okay, wenn ich dich wecke, ne? Ich wollte dich nicht wecken, ne? Also schon, aber irgendwie dachte ich darüber nach, wie ich dich am besten wecken könnte und dachte dann, dass ich dich am besten anspreche und wachrüttel' oder dir einfach den Katether abziehe und du dich dann vollpinkelst und wach wirst und mich dann anschreist, aber dann wenigstens wach bist, aber ich dachte dann 'Das ist 'ne doofe Idee!' und hab ich einfach wachgerüttelt und 'Hi!' gesagt. Ist das okay für dich?“
Mein sich immer noch im Halbschlaf befindliches Gehirn wusste nicht, wo es anfangen sollte, diesen Wortsalat zu verarbeiten. Also nickte ich einfach und begrüßte sie mit einem trägen „Na, was geht?“.
„Nicht viel, also nur ich über den Flur, sonst geht grade nix.“, ratterte sie ihren Text runter und fixierte mich mit ihren Augen, die wieder so hellblau leuchteten, wie sie es schon lange nicht mehr getan hatten.
„Ich hab' an dich gedacht.“, fügte sie flüsternd hinzu.
„Ach ja? Gute Gedanken?“, fragte ich und gähnte dabei ein wenig.
„Ja.“
„Zu welchem Ergebnis bist du gekommen?“
„Ich will Sex mit dir.“
Vor Schreck hüpfte ich vom Krankenbett herunter und stand nun in Defensivposition am Fenster.
„Wie?“, fragte ich zögerlich und sah sie an, wie sie grinsend ihr Patientenhemd aufknöpfte.
„Ich dachte an Sex, also dachte ich danach an dich, und dann haben meine Gedanken dazu geführt, dass ich dachte: 'Sex mit dem Dude!'“, sie nickte bei den letzten vier Worten und gab mir den Blick auf ihr nacktes Antlitz frei, als das Nachthemd an ihrem Körper herunterrutschte und auf dem Boden ankam.
„Ich halte das ehrlich gesagt nicht für 'ne gute Idee, Husky...“, sagte ich langsam. Das hatte nichts damit zu tun, dass sie am liebsten nicht hart rangenommen hätte. Gute Freunde schlafen halt ab und zu auch miteinander. Nein, das Problem war das verfickte Röhrchen in meinem Penis, ohne das ich nicht ordentlich Wasser lassen konnte, weil mir ansonsten der komplette Unterleib wehgetan hätte. Sie grinste breiter und kam immer näher. Also wiederholte ich im diplomatischen Ton, was ich einige Sekunden zuvor gesagt, was sie allerdings wohl überhört hatte:
„Husky, ich halte das für keine gute Idee.“
Ich hatte keine Möglichkeit, meinen „Ich kann nicht mit dir schlafen mit einem Strohhalm im Piepmatz“-Gedanken laut auszusprechen. Ihr Blick verfinsterte sich zusehens. Blitzschnell schnappte sie sich ihre Klamotte und zog sie notdürftig hoch, um ihren Oberkörper zu verdecken. Das Leuchten in ihren Augen war noch da, aber es strahlte nicht die endlose Freude und Lebhaftigkeit aus, wie es sonst bei ihr der Fall gewesen war.
„Ich weiß, was du sagen willst.“, flüsterte sie im aggressiven Tonfall.
„Was? Äh...“, kam es aus meinem Mund gepurzelt.
„Die Narben. Ich weiß. Die verschissenen Narben.“
„Welche verdammten Narben?“, fragte ich, während sie das Patientenhemd wieder fallen ließ und ihre Hände vor's Gesicht hielt.
„Die verfickten Narben du Arschloch!“, schrie sie mich an. Urplötzlich, aus irgendeinem Reflex ihrerseits heraus, rannte sie, die Fäuste geballt, auf mich zu.
Ich konnte gerade noch so ihre Handgelenke packen, aber es half nichts. Es ruhte eine derartige Stärke in ihren Armen, dass die linke Faust unaufhaltsam auf mich zuraste und mich am Kinn traf. Ich stürzte zu Boden und konnte mich glücklicherweise noch kurzzeitig am Fenstersims festhalten. So kam ich wenigstens auf dem Bauch auf und nicht, wie das letzte Mal als ich wegen Husky fiel, auf dem Steißbein.
Ich lag am Boden und konnte nicht aufstehen. Meine Gesicht tat weh und am liebsten wäre ich auf der Stelle ohnmächtig geworden. Ich blickte nach oben. Sie weinte wie ein Schlosshund und wiederholte die Worte „Es tut mir lied!“ in einem eher beunruhigenden Flüsterton. Sie setzte sich vor mich hin, immer noch nackt, wie Gott sie schuf. Sie drehte ihren Oberkörper ein wenig nach links und zeigte mir, was sie mit den „Narben“ meinte.
Es müssten wenigstens dreißig Kratzer, Hämatome, Einstichwunden und ähnliche Verletzungen gewesen sein, durch welche ihr Rücken derartig verunstaltet worden war. Diese Spur des Schmerzes zog sich über den kompletten Rückenbereich, vom Ansatz der Schultern bis kurz über dem Hintern. Auf ganzer Breite die Folgen extremer Gewalt. Ich versuchte, unter entsetzten und erschöpften Seufzern aufzustehen. Sie saß immer noch da und schaute zu Boden.
„Loveleash.“, sagte sie nur.
„Loveleash, wer?“, fragte ich, nachdem ich mich am Fenstersims hochgezogen hatte und wieder einigermaßen stehen konnte. Übelkeit, mehr konnte ich als Gefühlslage momentan nicht bieten.
„Loveleash, ich. Sie nannten mich so.“
„Wer?“
„Alle.“
Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Das freundlichste Wesen auf der Welt hatte sich vor meinen Augen erst in ein sexhungriges Etwas und danach in eine Kampfmaschine verwandelt, um danach wieder zu dem Status quo zu gelangen, in dem sie sich die letzten paar Tage befunden hatte.
„Komm', zieh' dir was an.“
„Es war nicht wegen der Narben?“, fragte sie mit bebender Stimme.
„Nein. Ich konnte sie nicht sehen.“
„Was hast du dann gesehen, was dir nicht gefiel?“
Wohin sollte dieses Gespräch führen? Ich wusste es nicht und entschloss mich dazu, von dem ganzen Narben-Thema erst einmal abzulenken.
„In meiner Harnröhre steckt ein Katheter, schon vergessen?“
„'Es liegt an mir, nicht an dir.'“, äffte sie eine Männerstimme nach.
„Genau.“
„Typisch Typen.“
„Ich weiß. Alles Asis.“
„Nein.“, sagte sie und stand auf. Ich konnte nicht anders, als ihr dabei die ganze Zeit auf den Hintern zu glotzen. Als sie sich umdrehte, fielen meine Blicke kurz auf alles andere, was sich unter ihrem Gesicht befand. Die B-Cup-Brüste. Die ziemlich schlanke Tailie, die Aufschluss darüber gab wie wenig sie hier aß. Die halbwegs rasierte Scham. Ich fokussierte mich für ein paar Augenblick auf die Einzelheiten ihres Körpers, um danach mit den Augen wieder zu ihrem Gesicht zu wandern.
„Du nicht.“, flüsterte sie und kam immer näher. Immer näher. Ein Kuss. Ein verdammt langer Kuss. Meine Hände an ihrem Po.
He'd walk her every day into a shady place.
Alles um mich herum verschwimmt zu einem schlechten Videoeffekt. Emotionaler Tunnelblick auf das rothaarige Wesen vor mir und den Kuss meines Lebens. Merkwürdig: Vorhin dachte ich, sie würde nur mit mir schlafen wollen. Eben gerade dachte ich, sie würde mich totprügeln wollen. Jetzt denke ich, dass sie einfach nicht alleine sein möchte mit ihren Narben.
He's like the dark, but I'd want him.
Und ich möchte nicht mit den meinigen alleine sein.
Deshalb treffen wir uns auch und werden in Ruhe gelassen von der Außenwelt, wie es scheint.
Denn keiner will alleine sein mit seinen Narben.
Egal, welcher Art.
„Egal, welcher Art die Perversion meines verfickten Publikums ist...!“, pöbelte es aus dem Hinterzimmer des „THOR“, einer Heavy Metal-Diskothek auf dem Hamburger Kiez.
„... Ich bediene sie! Und Bruder und Schwester: Mann, das ist trendy“, schrie er seine Akteure an. Kinder eines seiner ehemaligen „Arbeitskollegen“. Beide halbnackt, nur in Unterwäsche gekleidet, sechzehn Jahre alt, von relativ sportlicher Statur, sie brünett, er schwarzhaarig. Geschwisterliebe ist der letzte Schrei.
„Aber ich will sowas nicht.“, schluchzte der Bruder zum Bedauern des Regisseurs.
„Wollen.“, antwortete die Gestalt hinter der Kamera pampig und schnippste seine Zigarette auf das Futonbett, auf dem sich die beiden befanden. Die Glut hinterließ auf den dunkelroten Seidenbezügen ein kleines Brandloch.
„Wollen.“, wiederholte er, nun noch lauter, „Wenn ich wollte, hättest du der Ostblock-Pflaume hier schon längst einen reingedreht!“. Seine zittrigen, mit Äderchen übersäten Hände griffen in die Lederjackentasche und zogen eine Packung Zigaretten der Marke „Rotapfel“ heraus.
„Wenn ich wollte...“, er steckte sich eine Kippe in den Mund zündete sie mit seinem vergoldeten Zippo-Feuerzeug an, „... hätte ich meine verfickte Mutter gefickt.“ Er fokussierte die Teenager mit seinen Augen, welche er hinter einer Pilotenbrille versteckte. „Aber zu der Zeit hatten Inzestpornos noch nicht so einen reißenden Absatz wie jetzt.“
„Das ist krank...“, flüsterte der Junge, worauf der Regisseur nur eine Antwort wusste:
„Dass dein verdammter Vater, der Dreckskanacke, mir noch Geld schuldet: DAS, Freundchen, ist krank!“
Er stand von seinem Chefsessel auf. Die anderen vier Männer, die außer ihm und den Kids noch im Raum waren, schauten sich gebannt das Schauspiel an, das vor ihnen und um sie herum stattfand.
Seidenanzüge, Krawatten, Lackschuhe, Inzestpornos.
„Euer Vater... Dieser Scheiß Bulgaren-Bauernrussen-Fotzkopf!“, schrie er und trat in Rage das Kamerastativ samt Kamera um.
„Du! Du ••••••••!“, er deutete mit der rechten Hand auf die Schwester, „Du lässt dir von deinem Vater doch Schauspielunterricht finanzieren!“ Er explodierte förmlich in seinen Gesten. Es war, als wäre Klaus Kinskis Seele in ihn gefahren – die kranke Version von ihr, zumindest.
„Vielleicht entspannt euch etwas Musik?“, fragte er im überhöflichen Tonfall, wodurch seine Fistelstimme noch unangenehmer klang als zuvor. Die Geschwister umarmten sich gegenseitig und nickten nur stumm. Gegenwehr wäre eine schlechte Idee gewesen. Denn wenn der Bruder es nicht tun würde – dann wären hier im Raum fünf andere, die seine Arbeit übernehmen würden. Und sie hätten sogar Spaß daran.
Er lag eine Schallplatte auf. Sie gab knackende Geräusche von sich, als sie im etwas verstaubten, barock anmutenden Plattenspieler rotierte, woraufhin ein 70er-Discosong durch den nur leicht beleuchteten Raum hallte. Ein kleiner Scheinwerfer auf einem Stativ stand links neben dem Bett und warf ein grelles orangefarbenes Licht auf die Szenerie, während eine Sängerin namens Lydia den Song „We Are One“ trällerte. Der Regisseur tänzelte leichtfüßig vom Plattenspieler zurück, hob die Kamera vom Boden auf und sagte: „Seid ihr jetzt langsam soweit?“
„We Are One“ kam nicht von irgendeiner Schallplatte. Sie kam vom Soundtrack des 1979er Monumentalfilm „Caligula“ - einem Film über Geschwisterliebe zwischen dem Kaiser Caligula und seiner Schwester Drusilla. Man konnte fast meinen, der Regisseur hätte die Platte mit Absicht aufgelegt.
Immer noch saßen die beiden Geschwister auf dem Bett. Sie weinten, hielten sich gegenseitig fest, der Bruder flehte darum, es nicht tun zu müssen, währenddessen sang Lydia vom Zusammensein und Eins-mit-dem-anderen-Sein.
Der Regisseur schrie die beiden an. Die vier Bodyguards schalteten sich ein und zogen den Bruder vom Bett, damit er mit seinem Blut nicht die Bettwäsche verschmutzen konnte. Sie prügelten und traten auf ihn ein, während seine Schwester nur zusehen konnte. Eine Rotapfel-Kippe und gefühlte hundertfünfzig Faustschläge und Tritte später, welche auf den Jungen eingeprasselt waren, entschloss sich der Regisseur dazu, seinen Assistenten Beretta FS .92 samt Schalldämpfer zu Rate zu ziehen und ihn seinen Hauptdarsteller feuern zu lassen.
Ein kurzes, zischendes Geräusch. Und da lag er nun, in einer Pfütze aus Blut, neben seinem Gesicht ein halbes Dutzend ausgeschlagener Zähne, in seinem Gesicht ein Loch von circa zehn Zentimetern Durchmesser, auf der Plastikplane, die man über den edlen Plüschteppichboden ausgebreitet hatte, stauten sich die Körperflüssigkeiten des ehemaligen Hauptakteurs, welcher konsequent die Arbeit verweigert hatte. Der Regisseur strich sich mit den Händen über seine frisch rasierte Glatze und drehte sich zum Mädchen um, das emotionlos und in Fötusstellung auf dem Bett lag.
„Dann halt Plan B.“, seufzte er, mit einer Spur von Trauer in der Stimme und schaltete die Kamera ein.
Er drehte sich zu der Person, die an einem Stuhl gefesselt und mit einem Halstuch geknebelt auf dem Stuhl saß und dabei zusehen durfte, was der Regisseur mit seiner Tochter vorhatte. Die Augen gerötet von Tränen, Schluchzen und Wimmern – es passte auf eine morbide Art und Weise zum Discosong, der immer noch im Hintergrund tönte. Die Musik übertönte die Schreie des Mädchens auf dem Bett, als sich ihr Peiniger zu ihr setzte und ihr mit seinen in Lederhandschuhen steckenden Händen über das Gesicht streichelte.
„Ein Kuss?“, fragte er, zog an seiner frisch angezündeten Zigrette und blies ihr den Rauch ins Gesicht. Danach formte er seine Lippen zu einem Kussmund und machte zweimal ein kurzes, schmatzendes Geräusch.
„Fahr zur Hölle.“, war die geflüsterte Antwort, woraufhin sie als Gegenantwort einen Faustschlag in die rechte Gesichtshälfte bekam.
„Redet man so mit einem Freund der Familie?“, fragte er in ruhiger, bedrohlicher Tonlage und rieb sich die schmerzende rechte Hand mit der linken. Er ergänzte etwas lauter „Hey... Nicht in die Satinbettwäsche bluten!“ und hob sie an den Haaren zu sich hoch. Da hockte sie nun vor ihm, Hass in den Augen, Angst in den Gliedmaßen.
„Ich glaube, wir werden gleich herausfinden, wo deine Grenzen liegen.“, seufzte er und öffnete den obersten Knopf seiner schwarzen Jeanshose.
In diesem Moment konnte er zunächst nicht hören, dass sich der Zwei-Meter-Mann vor der Tür mitten in einem Todeskampf befand mit einer schwarz gekleideten Gestalt. Zwei Glasscherben in der Halsschlagader sorgten für rapiden Blutverlust, während er mit seiner Pistole auf das Etwas feuerte, das nur für einen Augenblick in sein Sichtfeld gekommen war und ihn aus heiterem Himmel attackiert hatte. Dieser Anbau ans THOR war mit schalldämpfender Polsterung versehen – Man hätte hier eine Atombombe hochjagen können und im Club hätte es niemand mitbekommen. Somit ahnte keiner der Clubgänger, was hier geschah. Der Koloss sackte schließlich nach einem dreißigsekündigem Kampf mit seinem Blutverlust in sich zusammen und regte sich nicht mehr.
Schlüssel.
Schlüsselloch.
Tür fliegt auf.
Der erste Bodyguard wurde mit drei Schüssen in den Bauch niedergestreckt. Im Nach-hinten-fallen ließ er seine bereits gezogene Pistole fallen. Unter lautem Gefluche zog der Regisseur – nur noch in Boxershorts mit Herzchenmuster gekleidet – eine Maschinenpistole von unter der Matraze des Betts hervor und eröffnete blind das Feuer auf das Etwas. Dieses wiederum hechtete daraufhin nach links, den Schüssen der verbliebenden Bodyguards ausweichend, immer wieder blind in den Raum schießend. Einen der Anzugträger erwischte es am Hals, wodurch er röchelnd auf dem Teppich vor dem Bett lag und verzweifelt nach Luft rang. Einen weiteren traf es zunächst am Arm, dann im linken Knie. Vor Schmerz brüllend fiel er zu Boden und robbte in Richtung der Tür am anderen Ende des Raums. Das Maschinenpistolenfeuer erlosch nach wenigen Sekunden, immer noch spielte der Discosong.
Panisch schrie der Regisseur „Gib' mir 'n Magazin!“ zu seinem verbliebenen unversehrten Aufpasser, der hinter dem umgeworfenen, mit Einschusslöchern gespickten Tisch kauerte, neben sich den nun noch panischer schreienden Vater. Die Gestalt hatte sich hinter einem Ledersofa in der vom Eintritt aus linken, von den beiden aus gegenüber liegenden Ecke des Raums verschanzt und lud ihre Waffe durch.
Die Maschinenpistolen-Clips lagen vor dem umgeworfenen Tisch, vor welchem nun auch der an den Knien verletzte Bodyguard lag und um sein Leben schrie, während er die Leiche des Jungen als provisorisches Schutzschild vor sich hielt.
„Marco! Munition!“, brüllte ihn der halbnackte Regisseur an. Das Mädchen saß vor Schock erstarrt immer noch auf dem Bett und betrachtete die Szenerie. Die Platte hörte auf zu spielen. Stille, man hörte nur noch die wummernden Bässe der Heavy Metal-Musik von draußen, während der Plattenspieler krazende Geräusche durch die Stereoanlage schickte. Dieses Kratzen – es hörte sich für die Beteiligten im Raum an wie eine höllische Gestalt, die sinnbildlich mit ihren Hufen scharrte. Lauernd auf die... auf die... bösen Menschen? Auf die Missetäter? Die Sünder?
„Gott hasst euch.“, hauchte das Mädchen leise vor sich hin. In diesem Moment kam die Gestalt hinter ihrer Deckung hervor und ging im normalen Schritttempo auf die verbliebenden Personen zu. Sie war komplett in schwarz gekleidet: Longsleeve-Pullover, Trainingshose, Kampfstiefel, Polyester-Handschuhe, alles per Gaffer-Tape miteinander verbunden. Mit einer Gasmaske auf dem Gesicht, wodurch man ihr Gesicht nicht erkennen konnte.
Sie gab drei präzise Schüsse ab. Einer traf den sich hinter dem Kadaver versteckenden Mann zwischen die Augen. Der Typ, der vorher hinterm Tisch saß und nun aufgestanden war, um seinerseits einen Schuss abzugeben, kassierte einen blutigen Einschuss in die rechte Brust. Und als der Regisseur aufsprang und nach rechts hechtete, um mit einer wiede von unter der Matraze hervorgezogenen Faustfeuerwaffe das schwarze Etwas zu beschießen...
„Ah verdammt!“, schrie er, rollte auf dem Boden hin und her und verdeckte mit beiden Händen seine blutigen Weichteile.
„Du Arschloch! Du Was-auch-immer-du-bist, du hast mir in die Eier...!“, fing er an zu krakelen. Doch bevor er zu Ende sprechen konnte, schoss ihm sein Schlächter mehrmals in den Kopf, bis die Waffe nur noch „Klick“ machte.
Langsam drehte es sich zum Vater, der zitternd auf dem Stuhl saß und nicht realisieren konnte, was um ihn herum geschah. Das Mädchen starrte es an, immer noch stoisch auf dem Bett sitzend. Langsam schritt die Gestalt auf den Vater zu.
„Ilija Romolow?“, fragte eine tiefe, monotone Männerstimme.
Der Vater nickte.
„Mafia?“
Wieder nickte er, diesmal zögerlich und mit Selbstverachtungim Blick.
„Okay.“, sprach es unter der Maske, bückte sich, hob eine der Pistolen vom Boden auf und schoss ihm aus nächster Nähe in den Kopf, wodurch er mitsamt des Stuhls nach hinten kippte und mit einem donnernden Geräusch auf dem Boden ankam.
Jetzt drehte sie sich zum Mädchen, das sich nicht regte und keine Spur von Angst zeigte.
„Haben sie dich...?“, fing er an, doch wurde durch ein Kopfnicken von ihr unterbrochen.
„Gut.“ Langsam ging es zur Hintertür, die jedoch fest verschlossen war. Hektisch suchte es nach einem Schlüssel bei den Opfern, bis es sich entschloss, mit Waffengewalt die Tür aufzubrechen.
Maschinenpistole.
Magazin.
Durchladen.
Der Türknauf gab nach, die Tür öffnete sich langsam.
Noch einmal drehte es sich zum Mädchen, wank ihr kurz zu und verschwand aus dem Zimmer so, wie es gekommen war.
Wie ein Geist.
drunken monkey
09.01.2011, 20:46
Puh. Also gut zu lesen ist's mal wieder, und die Dialoge wirken auch schon deutlich besser als im ersten Kapitel.
Größere Schwächen sind imo nur bei den Einschüben am Anfang und am Schluss. Erstmal gehören die, auch wenn du jeweils irgendwie den letzten Satz fortführst, besser vom Rest getrennt. Zumindest zwei zusätzliche Leerzeilen dazwischen sollten sein – ich selbst würde wohl diese Passagen sogar kursiv machen oder so, um sie nochmal abzugrenzen. Ist ja anscheinend entweder Rückblende oder Vorschau.
Zum anderen ist mir vor allem das zweite einfach zu extrem. Klar, es soll einem nicht lustig vorkommen, aber irgendwie finde ich das Ganze hochgradig unrealistisch und fast schon erzwungen bösartig. Dass ein Vater ernsthaft seine Kinder für einen Porno verleiht, anstatt beispielsweise zur Polizei zu gehen (Kinderpornographie ist ja nicht sooo das Kavaliersdelikt und auch wenn ich noch nie in Hamburg war, dürfte das ja doch keine derart gesetzesfreie Zone sein o_O"), ist z.B. schwer vorstellbar. Oder soll der Typ den Vater davor schon umgebracht haben? (In dem Fall wäre die Gegenwart bei "… dass mir euer Vater noch Geld schuldet" aber falsch.) Warum der Typ überhaupt echte Geschwister braucht, ist auch die Frage – woher würden die Zuschauer den Unterschied schon merken? Und in jedem Fall ist auch sehr seltsam, dass er den Jungen dann einfach aus heiterem Himmel erschießt. Er hätte den ja sicher auch noch dazu bringen können, es zu machen, und wenn er sich davor schon die Mühe gemacht hat, würde ihm ein derartiger Film wohl auch deutlich mehr bringen als der "Plan B". Ganz zu schweigen davon, dass der Vater kaum glauben wird, dass sein Sohn bloß die Treppe runtergefallen ist und sich das Genick gebrochen hat (noch dazu ohne Leiche), und dann doch evtl. langsam den Gang zur Polizei in Erwägung ziehen könnte.
Also wie's jetzt ist, ist das imo arg unrealistisch und wirkt wie gesagt gezwungen.
T.U.F.K.A.S.
09.01.2011, 20:55
Puh. Also gut zu lesen ist's mal wieder, und die Dialoge wirken auch schon deutlich besser als im ersten Kapitel.
Größere Schwächen sind imo nur bei den Einschüben am Anfang und am Schluss. Erstmal gehören die, auch wenn du jeweils irgendwie den letzten Satz fortführst, besser vom Rest getrennt. Zumindest zwei zusätzliche Leerzeilen dazwischen sollten sein – ich selbst würde wohl diese Passagen sogar kursiv machen oder so, um sie nochmal abzugrenzen. Ist ja anscheinend entweder Rückblende oder Vorschau.
Zum anderen ist mir vor allem das zweite einfach zu extrem. Klar, es soll einem nicht lustig vorkommen, aber irgendwie finde ich das Ganze hochgradig unrealistisch und fast schon erzwungen bösartig. Dass ein Vater ernsthaft seine Kinder für einen Porno verleiht, anstatt beispielsweise zur Polizei zu gehen (Kinderpornographie ist ja nicht sooo das Kavaliersdelikt und auch wenn ich noch nie in Hamburg war, dürfte das ja doch keine derart gesetzesfreie Zone sein o_O"), ist z.B. schwer vorstellbar. Oder soll der Typ den Vater davor schon umgebracht haben? (In dem Fall wäre die Gegenwart bei "… dass mir euer Vater noch Geld schuldet" aber falsch.) Warum der Typ überhaupt echte Geschwister braucht, ist auch die Frage – woher würden die Zuschauer den Unterschied schon merken? Und in jedem Fall ist auch sehr seltsam, dass er den Jungen dann einfach aus heiterem Himmel erschießt. Er hätte den ja sicher auch noch dazu bringen können, es zu machen, und wenn er sich davor schon die Mühe gemacht hat, würde ihm ein derartiger Film wohl auch deutlich mehr bringen als der "Plan B". Ganz zu schweigen davon, dass der Vater kaum glauben wird, dass sein Sohn bloß die Treppe runtergefallen ist und sich das Genick gebrochen hat (noch dazu ohne Leiche), und dann doch evtl. langsam den Gang zur Polizei in Erwägung ziehen könnte.
Also wie's jetzt ist, ist das imo arg unrealistisch und wirkt wie gesagt gezwungen.
Ja, ich bin ehrlich gesagt auch nicht hundertprozentig zufrieden damit. Ich wollte irgendwie einen radikalen Stimmungswechsel machen. Ich tu das erst einmal in einen Spoiler (aufgrund des Inhalts und auch wegen der vorausgegangenen Gründe), danach editier ich den Rest, den ich posten wollte :D Moment bitte :D
edit:
So, nun geht es weiter mit der Rechtfertigung :D
Ich bringe zum einen einen neuen Charakter ins Spiel (Der Willem-Dafoe-Gedächnis-Komissar) durch den Einschub am Anfang. Zeitlich einordnen möchte ich das noch nicht, das kommt später noch. Die Übergänge sind ein wenig komisch, aber tatsächlich so gewollt und ich weiß noch nicht, ob ich das ändern möchte oder nicht. Irgendwie gefällt es mir so, wie es ist :D
Wie ich bereits vorher sagte: Das ganze soll einen surrealen Charakter haben. Wir befinden uns definitiv nicht mehr in einer realistischen Welt (du hast ja keine Ahnung was ich demnächst noch in den Mixer schmeißen will, storytechnisch :D), in der alles nach Gesetz geht und alles seine Ordnung hat. Die Welt von "Husky" ist ziemlich vertwistet und in einigen Strecken extrem unrealistisch. Vielleicht etwas zu sehr surreal. Vielleicht auch einfach nur Gewaltpornografie :D Ich weiß es nicht, ich schreibe es nach Gefühl und nach geistiger Gesundheit. "Husky" beginnt wie ein Kevin Smith-Film auf Droge, schwenkt jetzt über in Giallo-Gebiet á la "Susperia" und Torture-Horror wie "A Serbian Film", und später habe ich noch Visionen von John Woo-Shootouts, Verfolgungsjagden, explizitem Sex und emotionalen Burnouts auf jeglicher charakterlichen Ebene, um am Ende alles irgendwie auf einer harmonischen Ebene enden zu lassen und zwischendrin natürlich Schönes einzufügen wie die sich langsam aufbauende Geschichte zwischen Husky und Jack (a.k.a. Namenloser Protagonist). Es macht jetzt noch nicht besonders viel Sinn - aber das wird es noch, glaub mir ;)
T.U.F.K.A.S.
11.01.2011, 23:23
So, ich hab Kapitel 2 jetzt komplett in den Post gepackt. Somit dürfte jetzt einiges etwas klarer sein ;)
drunken monkey
12.01.2011, 00:02
OK, das gibt dem Psycho-Ende ja nochmal einen komplett anderen, aber fast genauso seltsamen Twist. XD Allerdings wirkt der Teil jetzt ziemlich unausgereift, mit mehr Fehlern als normal, da solltest du nachbessern. Z.B. kann man im letzten Absatz nicht einfach "es" schreiben, ohne davor ein sächliches Nomen für die Person verwendet zu haben. Im vorigen Absatz stand als Letztes "Schlächter", das wäre dann "er" – ich würde aber das erste "es" durch "die Gestalt" ersetzen und dann mit "sie" fortfahren (oder durch eine andere Bezeichnung und anschließend halt entsprechend fortfahren). Und was die Ellipse bei "Haben sie dich...?" bedeuten soll, ist mir auch nicht wirklich klar. Außerdem ist der Vater erst geknebelt, dann schreit er plötzlich "nun noch panischer" – implizierend, dass er schon davor schrie, was ja nicht wirklich geht. Die Schilderung des Kampfes ist auch eher mau – und "In diesem Moment konnte er zunächst nicht hören" auch sehr ungut, wenn nicht falsch.
So ist's allerdings schon gut – es erklärt einiges, und dass der "Superheld" sowohl zu spät kommt, als auch den gefesselten Vater erschießt, passt in die düstere, morbide Stimmung. Aber stilistisch gehört imo der ganze Abschnitt aufpoliert, einerseits eben aufgrund obiger Fehler, aber andererseits auch, um ihn in sich stimmiger zu machen. So sollte man imo den Vater früher einfließen lassen und das mit dem "Helden" nicht so plötzlich überspringen lassen. Vielleicht seinen Kampf mit dem Wächter vor der Tür erst komplett losgelöst einwerfen, also ohne zu erklären, wer wer ist und wo er stattfindet. Dann noch einen Absatz mit dem Geschehen drin, dann die aufberstende Türe. (Nur so als Idee.)
STEEL, ICH LIEBE DICH, verfickt nochmal...
Jetzt geht das Ganze in eine ziemlich interessante Richtung :3
T.U.F.K.A.S.
10.10.2011, 20:56
Okay, breaking news: "Husky" wird komplett umgeschrieben. Nachdem ich "The Killing Moon" (ne Kurzgeschichte, die mit Huskys Vergangenheit zusammenhängt, weil ich den Charakter liebe und ausbauen möchte) geschrieben und nochmal "Husky" gelesen hatte, fiel mir etwas auf: So wie die Geschichte jetzt verlaufen ist und verlaufen wird, gefällt mir das nicht. Ich mag's nicht, dass das Ganze sich in einen furchtbaren Gewaltporno verwandelt. Klar, ich wollte hiermit Gewalt und romantische Melancholie Hand in Hand einhergehen lassen, aber so wie es aussieht, würde die Gewalt eindeutig die Überhand ergreifen und alles kaputtmachen.
Deshalb wird das Ganze nochmal von Grund auf neu geschrieben. Huskys Hintergrund wird nicht geändert, ihre komischen fünf Minuten wird sie weiterhin haben und sie bleibt die etwas naive, vulgäre und allgemein reichlich durchgeknallte rothaarige Fee, die sie die ganze Zeit war. Allerdings wird ihr Character arc nochmal komplett neu aufgebaut. Zudem wird der Protagonist a) sinniger und b) zwar weiterhin durchgeknallt, aber zumindest mit einem bisschen Wiedererkennungswert sein und nciht ein schablonenhafter Misanthrop, mit dem ich als Autor nix anfangen kann. Die Gewalt wird weiterhin ein zentraler Punkt sein, allerdings beziehe ich andere Aspekte aus komplett anderen Konzepten meinerseits mit ein, die dem Ganzen noch den letzten Schliff geben sollen.
Keine Sorge, die Geschichte ist nicht tot, sie bedarf aber einer allgemeinen Generalüberholung, um wirklich gut zu sein. Und einen roten Faden. Und Erzählstruktur :D Und alles andere, was ich mit diesem Experiment ausprobiert habe, was mir aber nicht (mehr) gefällt.
Husky wird momentan "nebenbei" überholt, während ich an "Heimatfront" weitertexte. Also nur so als Info für die paar, die die Geschichte hier gut finden.
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