Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Bal - oder: Warum bekommen gute Filme keinen Thread?
MrBamboo
26.09.2010, 20:58
http://npshare.de/files/8579266f/Bal_Poster.jpg
Den Inhalt von Bal könnte man getrost in einem Satz zusammenfassen, aber selbst das spare ich mir lieber. Was den Film so großartig macht ist seine Erzählperspektive, die sich sehr nah an der des sechsjährigen Protagonisten bewegt, aber dennoch nie ganz ident mit ihr ist. Und das ist einfach wahnsinnig schön. So blöd und kitschig es klingt: auf mich hat sich die Neugierde und die Aufregung am Beobachten und Erfahren übertragen, meinte das Gezeigte neu zu sehen, zu hören, fast schon zu schmecken oder zu fühlen. Da ist natürlich noch mehr, aber das fällt mir noch schwerer zu verbalisieren - gerade wenn es an die Gefühle der Figuren und ihren Beziehungen zueinander geht.
Der Film nimmt sich Zeit und genau das ist auch ausschlaggebend für die Athmosphäre die dadurch entsteht. Was zur Folge hat, dass sämtliche Trailer Grütze sind. :p Teilweise mit unpassender Musik untermalt (im Film gibt es keine), teilweise pseudo-tiefgründig (einer Tiefe die der Film VIELLEICHT hat, aber keinesfalls so platt beschwört). Mag sein, dass es im Wesen des Films liegt ihn nicht gescheit trailern zu können. Und ist man nicht empfänglich für die Ruhe des Films hat man vermutlich wenig Spaß damit.
Kinostart war der 9.9. - sehen konnte man ihn aber bereits auf der Berlinale (eines meiner Festival-Highlights, neben Mammut btw. aber der war mir keinen Thread wert :p) auf welcher er mit dem Hauptpreis beehrt wurde. Werner Herzog war in diesem Jahr übrigens Vorstand der Jury... damit trägt der Film das Werner-Seal-of-Approval!!
Alle Gründe die gegen ein Ansehen sprechen könnten, werden dadurch nichtig.
Mio-Raem
27.09.2010, 08:16
Danke, dass du mich auf den Film aufmerksam gemacht hast, aber genau diese ruhigen Filme sind es, bei denen mein Kleinhirn mir nach drei Minuten zubrüllt "ZEITVERSCHWENDUNG!!!"
Nun, ich werd ihn mir trotzdem mal ansehen, falls ich mal die Finger dran krieg.
T.U.F.K.A.S.
27.09.2010, 08:25
Naja, Werner Herzog würd ich jetzt nicht unbedingt vertrauen. Er hat zwar super Filme gemacht ("Fitzcaraldo" und "Mein liebster Feind"), aber denk dran: Er hat auch das ziemlich beknackte, aber derbs unterhaltsame Quasi-Remake von "Bad Lieutenant" mit Nic Cage gemacht und uns gezeigt, dass selbst imaginäre Leguane einen POV-Shot verdient haben :A
Zum Film: Ich kann durchaus ruhige Filme gucken, so ist es nicht. Aber die Hauptsache ist für mich dann auch, dass dort irgendwas passiert. Dieser Film hier sieht nicht unbedingt so aus, als ob irgendwas passieren würde. Dementsprechend werd ich ihn wohl oder übel skippen müssen.
Und wenn ich Filme aus der Sicht eines Kindes sehen möchte, dann bleib ich bei meinem Lieblingsporno "Die Blechtrommel", thank you very much.
Mio-Raem
27.09.2010, 08:53
Und wenn ich Filme aus der Sicht eines Kindes sehen möchte, dann bleib ich bei meinem Lieblingsporno "Die Blechtrommel", thank you very much.
Mir egal, was die Leute sagen, ich verabscheue dieses scheußlich schlechte Stück Scheiße von vergeudetem Zelluloid :D
*Duck*
T.U.F.K.A.S.
27.09.2010, 08:54
Mir egal, was die Leute sagen, ich verabscheue dieses scheußlich schlechte Stück Scheiße von vergeudetem Zelluloid :D
*Duck*
Ganz ehrlich: Ich auch :D Ich hasse diesen Film, ich habe bereits das Buch verabscheut und ich finde jeden cool, der daselbe sagt :A Aber trotzdem seh ich mir dauernd diesen verkappten Porno an, wenn er im Fernsehen kommt.
Mordechaj
27.09.2010, 08:59
Die Blechtrommel ist grober Mindfuck. ^.^
Also laut dem Schöpfer des Films ist er das Bioprodukt unter den Filmen, einer, den man mal zwischendrin ausprobiert. Hauptaugenmerk liegt wohl auf der Vermittlung davon, wie die semantische Welt die unmittelbar sinnliche nach und nach vertreibt und der Mensch nur noch in seiner Abstraktion lebt.
Ich halte es für sehr nobel, soetwas darzustellen und ich halte auch sehr sehr viel von Independant-Filmen, die sich mit der Menschwerdung beschäftigen. Gleichzeitig allerdings kann ich das Anliegen des Filmes nicht ganz ernst nehmen. Es ist ein bisschen seltsam im Medium mit den meisten Zeichendimensionen eine nicht abstrahierte Welt darzustellen. Und selbst, wenn das verwirklicht wird, dann ist der Film für mich nicht mehr interessant, denn nur um etwas zu sehen, schaue ich mir keinen Film an. Vor allem keinen, der voraussetzt, dass meine Abstraktionsfähigkeit mir schadete.
Ich sehe dabei aber ein, dass die Zielsetzung des Filmes für einige sehr wertvoll sein kann und möchte mir deshalb auch kein generelles Urteil erlauben. Für mich ist der Film nichts, jedem, der auf der Suche nach einem neuen Blickwinkel fernab dessen, was einem von Medien sonst eingetrichtert wird, sucht, dem möchte ich den Film gern empfehlen. Zumal er so ziemlich jedes Erzählschema bricht, was einerseits ziemlich langweilig, andererseits auch ziemlich spannend ist.
MrBamboo
06.10.2010, 16:48
Und wenn ich Filme aus der Sicht eines Kindes sehen möchte, dann bleib ich bei meinem Lieblingsporno "Die Blechtrommel", thank you very much.
Uargh, Die Blechtrommel kann ich auch nur bedingt leiden, aber ich muss dir widersprechen, wenn du ihn gewissermaßen als Alternative zu Bal benennst. Abgesehen vom Inhalt ist auch die Perspektive eine ganz andere, die nur wenig mit den Qualitäten der Perspektive aus Bal zu tun hat:
Sofern ich mich richtig erinnere wird die Geschichte nicht nur aus der Sicht Oskars, sondern von Oskar erzählt. Skurrilerweise kommentiert er sogar seine eigene Geburt und dadurch verzerrt die Perspektive. Oskar wirkt weder wie ein Kind, noch wie ein Erwachsener - aber durch und durch manipulativ, berechnend und selbstsüchtig (selbst wenn die Rechnung am Schluss nicht aufgeht?!). Und diese Figur ist mir so fremd, ich will fast sagen, dass sie mich anwidert, dass ich kein Interesse an ihrer Geschichte habe. Hut ab vor dem Schauspieler/der Regie, ich denke genau das wollten sie erreichen (oder?), aber nein, ein zweites Mal schaue ich mir das nicht an. :|
@Mordechaj:
Hm, ich bin mir nicht ganz sicher ob ich dich richtig verstehe, zu allererst würde ich gerne was du unter einer "nicht abstrahierten Welt" verstehst bzw. inwiefern diese eine Interpretation seiner Umwelt einschließt oder sich davon unterscheidet?! Ich hatte eher das Gefühl, der Film bietet genau so viele Zeichen, wie sie der Zuschauer erkennen möchte. Und dabei betritt er, wie du gesagt hast, keine bereits ausgetretenen Pfade, kreuzt vielleicht hier und da einen bekannten Weg - verfolgt aber ein eigenes Ziel. Es wird nicht vorrausgesetzt, dass Abstraktion schlecht für dich ist, man solle sich nur nicht ausschließlich darauf verlassen.
Für mich ist der Film nichts, jedem, der auf der Suche nach einem neuen Blickwinkel fernab dessen, was einem von Medien sonst eingetrichtert wird, sucht, dem möchte ich den Film gern empfehlen.Das heißt doch im Umkehrschluss hoffentlich nicht, dass du dich bereitwillig stopfen lässt? :D
Mordechaj
06.10.2010, 23:19
Der Film distanziert sich ja gerade von der Angewohnheit, alles zu abstrahieren. Kaplanoglu will die Erlebniswelt von Yousuf unvermittelt zeigen, was beispielsweise auch damit einhergeht, dass er in einem Alter ansetzt, wo sich das Sprachverständnis gerade erst entwickelt. Unvermittelt und ohne Sprachgefühl heißt: Unabstrahiert, direkt empfinden, sehen, hören, fühlen &c.pp. Zeichen sind immer Teil der Sprache, Zeichen sind immer Vermittler, sind immer Abstrahenten, sind also nie direkt oder undefiniert.
Und da ist eben der Knackpunkt: Das Filmmedium ist voll von Zeichen und gerade bei diesem Film wird viel Bedeutungsebene vermittelt - das geht ja allein schon mit dem Titel los, Bal, der Honig, der den Charakter Yousufs umschreiben will. Kaplanoglu sagt sehr richtig, dass der Mensch, sobald er anfängt, Dinge in Zeichen auszudrücken, beginnt, in Zeichensystem zu existieren, er die unmittelbare Wahrnehmung, die visuelle, die haptische, die auditive, durch Zeichenwelten ersetzt. Für ihn gilt es, die verdrängte Wahrnehmung wieder konsumierbar zu machen.
Rein von der Idee her ist das sehr interessant und innovativ, aber in der Umsetzung gestaltet sich das ... ambivalent-schwierig. Vor allem im Medium Film. Denn neue Zeichensysteme zu kreieren, um die Empfindung außerhalb der Zeichensysteme zu aktivieren, halte ich für kontrollierte Feuer als Maßnahme gegen Waldbrand. Währenddessen verliert sich der Film für meine Begriffe und aufgrund dieses Anspruches des Unmittelbaren, des Unabstrahierten, viel zu sehr in seiner Bildwelt, was einerseits sehr ansehnlich ist, andererseits auch ziemlich langweilt.
Das alles nochmal unter der Einschränkung, dass ich da nur für meine subjektive Sichtweise sprechen kann. Der Film ist in seiner Idee und seiner Machart und Erzählweise ohne Frage sehr innovativ und das allein ist schon eine Auszeichnung. Er trifft aber für meine Begriffe nicht seine eigentliche Intention und er entspricht auch nicht dem, was ich mir von einem Film erwarte. Es gibt aber sicher eine ganze Reihe Leute, die, wie du, dem Werk einiges entnehmen können und nicht zuletzt dafür bin ich froh, dass er existiert.
Das heißt doch im Umkehrschluss hoffentlich nicht, dass du dich bereitwillig stopfen lässt?
Das ist vielleicht schon der nächste Punkt, ich sehe in Medien und Zeichensystemen keine grundsätzliche Gefährdung für die Wahrnehmung. Es gibt Medien, die den Konsumenten der Sensibilität berauben. Sprechen wir aber von Medien in Zeichensystemen, explizit also das, was wir als Kunst und Kommunikation bezeichnen, sehe ich diese Desensibilisierung nicht. Ich würde sogar so weit gehen zu sagen, dass ich zu keiner bewusst unmittelbaren Wahrnehmung in der Lage bin, ich halte das aber nicht für einen Verlust, sondern für einen Gewinn, weil die Abstraktion des Wahrnehmens erlaubt, auch das Versteckte respektive das Irreelle wahrzunehmen.
Für andere sieht Abstraktion aber anders aus, da ist sie nämlich nicht zerfassend, also symbolistisch, sondern zusammenfassend, also pauschalistisch, und ich vermute, dass der Film darauf abzielt, dem Pauschalen entgegen zu wirken, eher als dass er sich gegen das symbolistische Wahrnehmen richtet.
Ist jedenfalls alles ziemlich zwiespältig und kommt sehr stark auf die Ansprüche und den Charakter des Zuschauers an. Und das meine ich durchaus positiv, ein Werk, dass sich keine feste Zielgruppe nimmt, hat schon aus sich heraus Potenzial.
MrBamboo
08.10.2010, 13:55
Schön zusammengefasst, jetzt müsste ich dich verstanden haben. :)
Die einzige Frage die noch bleibt und vermutlich der eigentliche Reibungspunkt war/ist:
Was erwartest du von einem Film?
Mordechaj
08.10.2010, 14:06
Das kann ich dir pauschal leider nicht beantworten. ^^"
Ich muss auch zugeben, meine Erwartungshaltung ist mir selbst immer erst klar, nachdem ich einen Film gesehen habe. :o
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