DFYX
15.08.2010, 02:21
http://www.wecallit42.de/temp/opusanima_twocolorlogo.png
Seit Monaten steht im Rollenspielladen meines Vertrauens ein elegantes weißes Buch im Regal, dessen Klappentext leider nicht viel über den Inhalt aussagt:
Geboren aus der Asche des Kataklysmus. http://www.wecallit42.de/temp/willdeineseele.png
Gestoßen in eine Welt der Entbehrung.
Gestraft mit dem Makel der Zeitlosen.
Aufstieg oder Erfüllung
Wählen Sie Ihren Weg.
"Opus Anima - Ein Rollenspiel um grotesken Horror" steht auf der Vorderseite. Das klang irgendwie verlockend, aber ich war erstmal nicht bereit, 40 Euro für ein Regelwerk auszugeben, unter dem ich mir nichts vorstellen konnte. Vor etwa einem Monat habe ich dann durch Zufall mitbekommen, dass es das komplette Buch auf der offiziellen Website als kostenlose PDF gibt (dazu später mehr) und nachdem ich mich ein wenig eingelesen hatte, hab ich mir dann doch die Printversion gekauft. Allerdings nicht in meinem angestammten Rollenspielladen, sondern im nächsten, den ich erreichen konnte, weil ichs so eilig hatte. In der Zwischenzeit hab ichs komplett gelesen und bin absolut beeindruckt. Deshalb stelle ich das hier im Forum vor, in der Hoffnung, dass sich noch andere Interessierte finden, die auf der WinterNATO eine Runde mitspielen.
Das Setting
Kurz zusammengefasst wäre es wohl SciFi-Steampunk-Fantasy-Horror oder sowas in der Art, aber selbst das wird in meinen Augen dem äußerst gelungenen Genremix nicht gerecht. Opus Anima spielt in einer Zeit, in der die Menschheit technologisch weit fortgeschritten ist, bereits Kontakt zu mehreren fremden Rassen hergestellt und einige fremde Planeten kolonisiert hat. Einer dieser Planeten ist Kurip-Aleph, der Schauplatz von Opus Anima. Doch vor etwa 200 Jahren geschah etwas, womit niemand gerechnet hatte: ein unbekannter Feind griff an, zerschmetterte den Planeten in einzelne Schollen, die nun in einer großen Staubwolke - dem Äther - von der Außenwelt abgeschnitten um ein gemeinsames Zentrum treiben.
Die darauf folgenden Jahre waren ein reiner Kampf ums Überleben, der die Bewohner Kurip Alephs - Menschen, wie auch Aliens* - technologisch um Jahrhunderte zurück warf. Elektrizität und Schießpulver gerieten in Vergessenheit, dafür baute man im Lauf der Zeit Dampfmaschinen, die selbst nach irdischen Maßstäben beeindruckendes leisten. Dementsprechend fühlt sich ein Großteil der Welt sehr viktorianisch bis steampunkig an. Begünstigt durch reiche Vorkommen an Fibrit, einer Art Metall, das sich selbst, wenn es zerbricht, wieder in der Form, in die es geschmiedet wurde, zusammenfügt, wurden Waffen, Fahrzeuge, dampfgetriebene Prothesen und sogar ganze mechanische Lebewesen, die Mechandros geschaffen. Letztere sind trotz ihres Blechernen Äußeren im Geiste so menschenähnlich, dass sie in letzter Zeit auf offener Straße für ihre Anerkennung als gleichberechtigte Rasse demonstrieren.
Im Grundregelwerk werden das Kaiserreich Falianskoog (ein Verbund aus mehreren, mit Stahlträgern verbundenen Schollen), Schelfberg (ein Teil von Falianskoog) und die Universitätsstadt Baiyat-Sophia (am Nordrand von Schelfberg) näher beschrieben. Die Gesellschaft in Schelfberg ist von sportlichem wie wissenschaftlichem Ehrgeiz getrieben. Nur wer einen Universitätsabschluss besitzt oder gerade dabei ist, einen zu erwerben, darf sich überhaupt "Bürger" nennen und wer im Scheiblingsduell, einer beliebten Sportart, erfolgreich ist, ist ein Held des Volkes. Verstöße gegen die Etikette werden härter bestraft, als beispielsweise Diebstahl und Rechtssprechung funktioniert in der Regel, indem sich die beiden Parteien duellieren. Entweder persönlich oder durch gekaufte Duellanten vertreten.
Insgesamt baut schon das Grundregelwerk eine unheimlich dichte Atmosphäre auf, die ich in so einem kurzen Post gar nicht wiedergeben kann.
Das andere Setting
Hinter den Kulissen von Kurip-Aleph existiert noch eine zweite, vollkommen andere Gesellschaft, die Seelenlosen. Sie ist der eigentliche Kern des Spiels und der Grund, warum der Untertitel "Ein Rollenspiel um grotesken Horror" lautet. Da auch das Buch empfiehlt, dass das entsprechende Kapitel von Spielern, die sich überraschen lassen wollen, übersprungen wird, packe ich den Absatz vorsorglich in einen Spoilerkasten.
Die Seelenlosen sind Menschen, die eigentlich tot sein sollten. Die Lavathor, Seelenräuber, haben ihnen ihre Seelen entrissen, um damit Athor, einen abtrünnigen Zeitlosen (Gott) zu stärken. Die meisten Opfer überleben das selbstverständlich nicht. Doch jeder Maata, wie sich die Seelenlosen selbst nennen, wurde von einem der restlichen Zeitlosen gerettet. Bei den Zeitlosen handelt es sich um den Ausgeweideten, den Blinden, den Gescheiterten, den Toten, den Unwissenden, den Verlorenen und den Versehrten. Sie kämpfen seit Jahrhunderten gegen Athor, der sie beinahe vernichtet hätte. Er nahm jedem von ihnen das, was ihm am wichtigsten war - etwa das Augenlicht oder das Gedächtnis - und kehrte so ihre göttlichen Aspekte ins Negative um. Ein ähnliches Schicksal müssen die Maata erleiden. Sie teilen die Zeichen des Zeitlosen, der sie gerettet hat, lernen aber auch, damit umzugehen und sogar Vorteile daraus zu ziehen. So haben Maata des Verlorenen zwar keinerlei eigene Persönlichkeit, können dafür aber Charakterzüge und Aussehen anderer Personen perfekt imitieren. Maata des Blinden sind am Tag selbst blind, dafür können sie in völliger Dunkelheit sehen und sind Meister darin, sich zu tarnen, was so weit führen kann, dass sie sich unsichtbar von Schatten zu Schatten bewegen können.
Der Lebensinhalt der Maata besteht im Wesentlichen aus zwei Dingen. Vorwiegend müssen sie ihren Zeitlosen im Kampf gegen Athor und seine Diener unterstützen. Der zweite wichtige Punkt ist die Suche nach den Splittern ihrer Seele, die sich im Besitz der Lavathor befinden oder über die ganze Welt verteilt sein können. Je weiter diese Suche fortschreitet, umso stärker wird der Maata und falls es ihm gelingt, alle Seelensplitter zu finden, bevor sie verblassen, kann er sogar wieder zu einem normalen Menschen werden. So vergessen Maata des Unwissenden zu Beginn ihrer Suche jeden Tag aufs Neue, was am Vortag passiert ist, während sie gegen Ende lediglich Schwierigkeiten haben werden, sich einzelne Fakten zu merken.
Eine weitere Herausforderung besteht darin, den Alltag zu meistern, ohne entdeckt zu werden. Plötzliche Erblindung, ständiges Aufplatzen von Wunden, Verwesung, Amnesie und ein Gesicht, das sich ständig verändert, taugen nicht unbedingt dazu, sein Leben weiterhin so zu führen, wie bisher. Verschlimmert wird die Lage dadurch, dass sich die Realität in der Nähe von mächtigen Maata verzerrt. Gesunde Menschen erblinden, Hauswände beginnen zu bluten, Gedärme wachsen auf Bäumen und der Text verschwindet aus Büchern, nachdem er gelesen wurde. Deshalb verlassen die meisten Seelenlosen ihre Familien und Freunde und leben in Gruppen zusammen. Da die normale Bevölkerung nichts vom Kampf der Zeitlosen wissen, werden unvorsichtige Maata schnell für krank oder verrückt gehalten und in Irrenhäuser eingewiesen oder der kaiserlichen Spezialeinheit für übernatürliche Vorkommnisse übergeben, wo sie unmenschlichen Experimenten unterzogen werden.
Auch hier ist die Atmosphäre sehr dicht und großteils überzeugend ausgearbeitet. Das geht stellenweise so weit, dass einem plötzlich völlig alltägliche Dinge merkwürdig vorkommen. Als ich vorhin angefangen hab, den Post hier zu schreiben, habe ich das Buch neben mich auf den Boden gelegt. Nachdem ich kurz weg- und wieder hingeschaut hab, war auf dem strahlend weißen Cover ein verschmierter Bluttropfen. Wahrscheinlich hab ich mich nur an irgendwas geschnitten, ohne es zu merken, aber das Timing war im ersten Moment doch etwas unheimlich.
Die Regeln
Das Würfelsystem ähnelt in etwa dem von Exalted, Shadowrun oder WoD, ist also ein recht klassisches Poolsystem. Allerdings mit W2 (simuliert durch Münzen, gerade und ungerade Zahlen auf beliebigen Würfeln oder schwarze und rote Spielkarten) statt wie sonst üblich W6 oder W10. Die Größe des Würfelpools ergibt sich schlicht aus Attributswert + Fertigkeitswert. Um großen Würfelpools vorzubeugen, werden nur die ersten 10 Würfel wirklich geworfen, jeder weitere Punkt gibt automatisch einen halben Erfolg. Das hat auch den angenehmen Nebeneffekt, dass Meister ihres Fachs immer mindestens ein oder zwei Erfolge haben.
Kämpfe laufen ähnlich einfach ab. Jeder Spieler wirft verdeckt auf seinen Nahkampfwert (errechnet sich aus mehreren Attributen), verteilt die Erfolge auf Attacke, Parade und Initiative und addiert evtl. noch Ausrüstungsboni. Spielleiter, die ihren Spielern nicht trauen, teilen einfach jede Runde Spielkarten aus. Nach dem Verteilen wird erst der Initiativewert bekannt gegeben und die Spieler sagen der Reihe nach an, was sie tun. Steht fest, wer wen angreift, werden nur noch Attacke- und Paradeerfolge verglichen. Insgesamt wird also mehr Wert auf Taktik als auf Rechnerei gelegt. Gespräche werden wie auch in einigen anderen Regelwerken ebenfalls über das Kampfsystem geregelt, wobei die Ausrüstungsboni über unterschiedlich offensive/defensive Gesprächshaltungen, die sich jede Runde ändern können, ersetzt werden.
Eine schöne optionale Regel ist, dass jeder Spieler einmal pro Abend die Beschreibungen des Spielleiters durch Erinnerungen seines Charakters ergänzen kann. Etwa, indem er definiert, dass sein Charakter eine Person oder einen Ort noch von früher kennt. So haben die Spieler eine Möglichkeit, das Abenteuer mitzugestalten, ohne die Pläne des Spielleiters zu sehr zu beeinflussen. Schließlich können Erinnerungen unvollständig oder schlicht nicht mehr aktuell sein. Nur weil ein Gebäude vor 5 Jahren ein sicherer Ort war, heißt das noch lange nicht, dass sich dort nicht in der Zwischenzeit Diebe eingenistet haben.
Aufbau und Layout
Das Grundregelwerk ist in meinen Augen äußerst edel und zum Thema passend gestaltet. Die Texte sind abwechselnd schwarz auf weiß und weiß auf schwarz, an einigen Stellen auch schwarz auf hellgrau, ausgeschmückt mit sehr stimmungsvollen Zeichnungen (http://felixmertikat.deviantart.com/gallery/). In Kapiteln über übernatürliche Vorgänge passt sich das Design entsprechend an. Schwarze Hintergründe werden häufiger und das Schriftbild verändert sich. Scheinbar wahllos wechseln Schriftart und -größe, Wörter tauchen doppelt oder gespiegelt auf und an einer Stelle stehen völlig zusammenhangslose Gedankenfetzen des Schreibers. Das alles ist so eingesetzt, dass es die Stimmung unterstreicht, ohne den Lesefluss zu stören.
Die Aufteilung ist etwas anders, als in den meisten Regelwerken, die ich kenne. Auf ein kurzes Vorwort folgen je etwa 120 Seiten über "Die gesunde Welt" und "Die verzerrte Welt", also Beschreibungen zum Setting. Erst ganz am Ende steht "Die Welt dahinter", ein Kapitel mit Tipps für Spieler und Spielleiter, Anregungen für Abenteuer und schließlich den eigentlichen Regeln und Tabellen. Man hat schon mit dem Grundregelwerk mehr als genug Hintergrundwissen, um ganze Kampagnen zu gestalten. Dadurch hat man eigentlich durchgehend das Gefühl, dass das Setting den Autoren wesentlich wichtiger ist, als ein hochkomplexes Regelwerk und ich möchte behaupten, dass selbst Leute, die nichts mit Rollenspielen am Hut haben, Spaß daran haben, sich die ersten zwei Kapitel durchzulesen.
Veröffentlichungen
Leider ist bis auf das Grundregelwerk bis jetzt nur das Spin-Off "Opus Anima Investigations" erschienen. In diesem übernehmen die Spieler, soweit ich das verstanden habe, Ermittler auf der Suche nach Seelenlosen. Der ursprünglich für Anfang 2009 angekündigte Quellenband über die Scholle Schemenheim lässt dagegen auf sich warten. Sofern ich das im Forum (http://www.forenplanet.de/forumdisplay.php?s=&forumid=154) richtig verstanden habe, haben sich die Autoren von Prometheus Games getrennt und suchen derzeit einen anderen Verlag. Es könnte also sein, dass sich in absehbarer Zeit noch etwas tut.
Dafür gibt es das komplette, 400 Seiten starke Grundregelwerk, ein Einsteigerabenteuer und eine Ingame-Zeitung auf der offiziellen Website (http://opusanima.de/) als kostenlose PDFs zum Download. Das Regelwerk unterscheidet sich von der Printversion lediglich darin, dass einige inhaltliche Fehler korrigiert und ein wenig am Balancing gearbeitet wurde. Die entsprechenden Änderungen gibt es auch nochmal einzeln auf vier Seiten (http://opusanima.de/Herunterladen/Errata-OA-Grundbuch.pdf) zusammengefasst.
Wer noch mehr Material will, dem empfehle ich wie immer das Mephisto Magazin. Im aktuellen Heft ist beispielsweise ein Artikel über "Psychologie in Schelfberg"
* Im Folgenden werde ich genau wie das Regelwerk nur noch von Menschen schreiben, auch wenn alle Rassen gemeint sind.
Seit Monaten steht im Rollenspielladen meines Vertrauens ein elegantes weißes Buch im Regal, dessen Klappentext leider nicht viel über den Inhalt aussagt:
Geboren aus der Asche des Kataklysmus. http://www.wecallit42.de/temp/willdeineseele.png
Gestoßen in eine Welt der Entbehrung.
Gestraft mit dem Makel der Zeitlosen.
Aufstieg oder Erfüllung
Wählen Sie Ihren Weg.
"Opus Anima - Ein Rollenspiel um grotesken Horror" steht auf der Vorderseite. Das klang irgendwie verlockend, aber ich war erstmal nicht bereit, 40 Euro für ein Regelwerk auszugeben, unter dem ich mir nichts vorstellen konnte. Vor etwa einem Monat habe ich dann durch Zufall mitbekommen, dass es das komplette Buch auf der offiziellen Website als kostenlose PDF gibt (dazu später mehr) und nachdem ich mich ein wenig eingelesen hatte, hab ich mir dann doch die Printversion gekauft. Allerdings nicht in meinem angestammten Rollenspielladen, sondern im nächsten, den ich erreichen konnte, weil ichs so eilig hatte. In der Zwischenzeit hab ichs komplett gelesen und bin absolut beeindruckt. Deshalb stelle ich das hier im Forum vor, in der Hoffnung, dass sich noch andere Interessierte finden, die auf der WinterNATO eine Runde mitspielen.
Das Setting
Kurz zusammengefasst wäre es wohl SciFi-Steampunk-Fantasy-Horror oder sowas in der Art, aber selbst das wird in meinen Augen dem äußerst gelungenen Genremix nicht gerecht. Opus Anima spielt in einer Zeit, in der die Menschheit technologisch weit fortgeschritten ist, bereits Kontakt zu mehreren fremden Rassen hergestellt und einige fremde Planeten kolonisiert hat. Einer dieser Planeten ist Kurip-Aleph, der Schauplatz von Opus Anima. Doch vor etwa 200 Jahren geschah etwas, womit niemand gerechnet hatte: ein unbekannter Feind griff an, zerschmetterte den Planeten in einzelne Schollen, die nun in einer großen Staubwolke - dem Äther - von der Außenwelt abgeschnitten um ein gemeinsames Zentrum treiben.
Die darauf folgenden Jahre waren ein reiner Kampf ums Überleben, der die Bewohner Kurip Alephs - Menschen, wie auch Aliens* - technologisch um Jahrhunderte zurück warf. Elektrizität und Schießpulver gerieten in Vergessenheit, dafür baute man im Lauf der Zeit Dampfmaschinen, die selbst nach irdischen Maßstäben beeindruckendes leisten. Dementsprechend fühlt sich ein Großteil der Welt sehr viktorianisch bis steampunkig an. Begünstigt durch reiche Vorkommen an Fibrit, einer Art Metall, das sich selbst, wenn es zerbricht, wieder in der Form, in die es geschmiedet wurde, zusammenfügt, wurden Waffen, Fahrzeuge, dampfgetriebene Prothesen und sogar ganze mechanische Lebewesen, die Mechandros geschaffen. Letztere sind trotz ihres Blechernen Äußeren im Geiste so menschenähnlich, dass sie in letzter Zeit auf offener Straße für ihre Anerkennung als gleichberechtigte Rasse demonstrieren.
Im Grundregelwerk werden das Kaiserreich Falianskoog (ein Verbund aus mehreren, mit Stahlträgern verbundenen Schollen), Schelfberg (ein Teil von Falianskoog) und die Universitätsstadt Baiyat-Sophia (am Nordrand von Schelfberg) näher beschrieben. Die Gesellschaft in Schelfberg ist von sportlichem wie wissenschaftlichem Ehrgeiz getrieben. Nur wer einen Universitätsabschluss besitzt oder gerade dabei ist, einen zu erwerben, darf sich überhaupt "Bürger" nennen und wer im Scheiblingsduell, einer beliebten Sportart, erfolgreich ist, ist ein Held des Volkes. Verstöße gegen die Etikette werden härter bestraft, als beispielsweise Diebstahl und Rechtssprechung funktioniert in der Regel, indem sich die beiden Parteien duellieren. Entweder persönlich oder durch gekaufte Duellanten vertreten.
Insgesamt baut schon das Grundregelwerk eine unheimlich dichte Atmosphäre auf, die ich in so einem kurzen Post gar nicht wiedergeben kann.
Das andere Setting
Hinter den Kulissen von Kurip-Aleph existiert noch eine zweite, vollkommen andere Gesellschaft, die Seelenlosen. Sie ist der eigentliche Kern des Spiels und der Grund, warum der Untertitel "Ein Rollenspiel um grotesken Horror" lautet. Da auch das Buch empfiehlt, dass das entsprechende Kapitel von Spielern, die sich überraschen lassen wollen, übersprungen wird, packe ich den Absatz vorsorglich in einen Spoilerkasten.
Die Seelenlosen sind Menschen, die eigentlich tot sein sollten. Die Lavathor, Seelenräuber, haben ihnen ihre Seelen entrissen, um damit Athor, einen abtrünnigen Zeitlosen (Gott) zu stärken. Die meisten Opfer überleben das selbstverständlich nicht. Doch jeder Maata, wie sich die Seelenlosen selbst nennen, wurde von einem der restlichen Zeitlosen gerettet. Bei den Zeitlosen handelt es sich um den Ausgeweideten, den Blinden, den Gescheiterten, den Toten, den Unwissenden, den Verlorenen und den Versehrten. Sie kämpfen seit Jahrhunderten gegen Athor, der sie beinahe vernichtet hätte. Er nahm jedem von ihnen das, was ihm am wichtigsten war - etwa das Augenlicht oder das Gedächtnis - und kehrte so ihre göttlichen Aspekte ins Negative um. Ein ähnliches Schicksal müssen die Maata erleiden. Sie teilen die Zeichen des Zeitlosen, der sie gerettet hat, lernen aber auch, damit umzugehen und sogar Vorteile daraus zu ziehen. So haben Maata des Verlorenen zwar keinerlei eigene Persönlichkeit, können dafür aber Charakterzüge und Aussehen anderer Personen perfekt imitieren. Maata des Blinden sind am Tag selbst blind, dafür können sie in völliger Dunkelheit sehen und sind Meister darin, sich zu tarnen, was so weit führen kann, dass sie sich unsichtbar von Schatten zu Schatten bewegen können.
Der Lebensinhalt der Maata besteht im Wesentlichen aus zwei Dingen. Vorwiegend müssen sie ihren Zeitlosen im Kampf gegen Athor und seine Diener unterstützen. Der zweite wichtige Punkt ist die Suche nach den Splittern ihrer Seele, die sich im Besitz der Lavathor befinden oder über die ganze Welt verteilt sein können. Je weiter diese Suche fortschreitet, umso stärker wird der Maata und falls es ihm gelingt, alle Seelensplitter zu finden, bevor sie verblassen, kann er sogar wieder zu einem normalen Menschen werden. So vergessen Maata des Unwissenden zu Beginn ihrer Suche jeden Tag aufs Neue, was am Vortag passiert ist, während sie gegen Ende lediglich Schwierigkeiten haben werden, sich einzelne Fakten zu merken.
Eine weitere Herausforderung besteht darin, den Alltag zu meistern, ohne entdeckt zu werden. Plötzliche Erblindung, ständiges Aufplatzen von Wunden, Verwesung, Amnesie und ein Gesicht, das sich ständig verändert, taugen nicht unbedingt dazu, sein Leben weiterhin so zu führen, wie bisher. Verschlimmert wird die Lage dadurch, dass sich die Realität in der Nähe von mächtigen Maata verzerrt. Gesunde Menschen erblinden, Hauswände beginnen zu bluten, Gedärme wachsen auf Bäumen und der Text verschwindet aus Büchern, nachdem er gelesen wurde. Deshalb verlassen die meisten Seelenlosen ihre Familien und Freunde und leben in Gruppen zusammen. Da die normale Bevölkerung nichts vom Kampf der Zeitlosen wissen, werden unvorsichtige Maata schnell für krank oder verrückt gehalten und in Irrenhäuser eingewiesen oder der kaiserlichen Spezialeinheit für übernatürliche Vorkommnisse übergeben, wo sie unmenschlichen Experimenten unterzogen werden.
Auch hier ist die Atmosphäre sehr dicht und großteils überzeugend ausgearbeitet. Das geht stellenweise so weit, dass einem plötzlich völlig alltägliche Dinge merkwürdig vorkommen. Als ich vorhin angefangen hab, den Post hier zu schreiben, habe ich das Buch neben mich auf den Boden gelegt. Nachdem ich kurz weg- und wieder hingeschaut hab, war auf dem strahlend weißen Cover ein verschmierter Bluttropfen. Wahrscheinlich hab ich mich nur an irgendwas geschnitten, ohne es zu merken, aber das Timing war im ersten Moment doch etwas unheimlich.
Die Regeln
Das Würfelsystem ähnelt in etwa dem von Exalted, Shadowrun oder WoD, ist also ein recht klassisches Poolsystem. Allerdings mit W2 (simuliert durch Münzen, gerade und ungerade Zahlen auf beliebigen Würfeln oder schwarze und rote Spielkarten) statt wie sonst üblich W6 oder W10. Die Größe des Würfelpools ergibt sich schlicht aus Attributswert + Fertigkeitswert. Um großen Würfelpools vorzubeugen, werden nur die ersten 10 Würfel wirklich geworfen, jeder weitere Punkt gibt automatisch einen halben Erfolg. Das hat auch den angenehmen Nebeneffekt, dass Meister ihres Fachs immer mindestens ein oder zwei Erfolge haben.
Kämpfe laufen ähnlich einfach ab. Jeder Spieler wirft verdeckt auf seinen Nahkampfwert (errechnet sich aus mehreren Attributen), verteilt die Erfolge auf Attacke, Parade und Initiative und addiert evtl. noch Ausrüstungsboni. Spielleiter, die ihren Spielern nicht trauen, teilen einfach jede Runde Spielkarten aus. Nach dem Verteilen wird erst der Initiativewert bekannt gegeben und die Spieler sagen der Reihe nach an, was sie tun. Steht fest, wer wen angreift, werden nur noch Attacke- und Paradeerfolge verglichen. Insgesamt wird also mehr Wert auf Taktik als auf Rechnerei gelegt. Gespräche werden wie auch in einigen anderen Regelwerken ebenfalls über das Kampfsystem geregelt, wobei die Ausrüstungsboni über unterschiedlich offensive/defensive Gesprächshaltungen, die sich jede Runde ändern können, ersetzt werden.
Eine schöne optionale Regel ist, dass jeder Spieler einmal pro Abend die Beschreibungen des Spielleiters durch Erinnerungen seines Charakters ergänzen kann. Etwa, indem er definiert, dass sein Charakter eine Person oder einen Ort noch von früher kennt. So haben die Spieler eine Möglichkeit, das Abenteuer mitzugestalten, ohne die Pläne des Spielleiters zu sehr zu beeinflussen. Schließlich können Erinnerungen unvollständig oder schlicht nicht mehr aktuell sein. Nur weil ein Gebäude vor 5 Jahren ein sicherer Ort war, heißt das noch lange nicht, dass sich dort nicht in der Zwischenzeit Diebe eingenistet haben.
Aufbau und Layout
Das Grundregelwerk ist in meinen Augen äußerst edel und zum Thema passend gestaltet. Die Texte sind abwechselnd schwarz auf weiß und weiß auf schwarz, an einigen Stellen auch schwarz auf hellgrau, ausgeschmückt mit sehr stimmungsvollen Zeichnungen (http://felixmertikat.deviantart.com/gallery/). In Kapiteln über übernatürliche Vorgänge passt sich das Design entsprechend an. Schwarze Hintergründe werden häufiger und das Schriftbild verändert sich. Scheinbar wahllos wechseln Schriftart und -größe, Wörter tauchen doppelt oder gespiegelt auf und an einer Stelle stehen völlig zusammenhangslose Gedankenfetzen des Schreibers. Das alles ist so eingesetzt, dass es die Stimmung unterstreicht, ohne den Lesefluss zu stören.
Die Aufteilung ist etwas anders, als in den meisten Regelwerken, die ich kenne. Auf ein kurzes Vorwort folgen je etwa 120 Seiten über "Die gesunde Welt" und "Die verzerrte Welt", also Beschreibungen zum Setting. Erst ganz am Ende steht "Die Welt dahinter", ein Kapitel mit Tipps für Spieler und Spielleiter, Anregungen für Abenteuer und schließlich den eigentlichen Regeln und Tabellen. Man hat schon mit dem Grundregelwerk mehr als genug Hintergrundwissen, um ganze Kampagnen zu gestalten. Dadurch hat man eigentlich durchgehend das Gefühl, dass das Setting den Autoren wesentlich wichtiger ist, als ein hochkomplexes Regelwerk und ich möchte behaupten, dass selbst Leute, die nichts mit Rollenspielen am Hut haben, Spaß daran haben, sich die ersten zwei Kapitel durchzulesen.
Veröffentlichungen
Leider ist bis auf das Grundregelwerk bis jetzt nur das Spin-Off "Opus Anima Investigations" erschienen. In diesem übernehmen die Spieler, soweit ich das verstanden habe, Ermittler auf der Suche nach Seelenlosen. Der ursprünglich für Anfang 2009 angekündigte Quellenband über die Scholle Schemenheim lässt dagegen auf sich warten. Sofern ich das im Forum (http://www.forenplanet.de/forumdisplay.php?s=&forumid=154) richtig verstanden habe, haben sich die Autoren von Prometheus Games getrennt und suchen derzeit einen anderen Verlag. Es könnte also sein, dass sich in absehbarer Zeit noch etwas tut.
Dafür gibt es das komplette, 400 Seiten starke Grundregelwerk, ein Einsteigerabenteuer und eine Ingame-Zeitung auf der offiziellen Website (http://opusanima.de/) als kostenlose PDFs zum Download. Das Regelwerk unterscheidet sich von der Printversion lediglich darin, dass einige inhaltliche Fehler korrigiert und ein wenig am Balancing gearbeitet wurde. Die entsprechenden Änderungen gibt es auch nochmal einzeln auf vier Seiten (http://opusanima.de/Herunterladen/Errata-OA-Grundbuch.pdf) zusammengefasst.
Wer noch mehr Material will, dem empfehle ich wie immer das Mephisto Magazin. Im aktuellen Heft ist beispielsweise ein Artikel über "Psychologie in Schelfberg"
* Im Folgenden werde ich genau wie das Regelwerk nur noch von Menschen schreiben, auch wenn alle Rassen gemeint sind.