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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : [Twitter-Erzählung] Nebeldunst



e7
12.08.2010, 23:22
Mein derzeitiger Versuch, über twitter eine längere Geschichte zu erzählen:

http://twitter.com/nebeldunst

Es geht um zwei verfeindete Familien, die sich erbittert bekämpfen und dabei auch auf übernatürliche Mittel wie Geisterbeschwörungen zurückgreifen.

Nach einer Anregung von Mordechaj poste ich die ersten Tweets mal hier rein, damit sich niemand von ganz unten nach oben durcharbeiten muss :)

Nebeldunst

Episode I

Ich bin es, der alles sieht, was geschieht, in Bildern, in Träumen, in Fetzen.
Und ich bin es, der schildert, ohne Anteilnahme, ohne Urteil.

Ich weiß: Nach hundert Jahren erbitterter Feindschaft hatte sich ein Burgfrieden
zwischen den Familien Baskerhound und Vermont eingefunden.

Doch ich sehe: Ein prachtvolles Herrenhaus der Familie Baskerhound, eingehüllt
in einen Schleier aus Nebel, und weit dahinter die Dämmerung.

Die frische Morgenluft überbringt mir den würzigen Duft der umliegenden Tannen.
Ein Hauch von Fäulnis schleicht durch die Umgebung.

Ich spüre herbstliche Kälte auf meiner Haut, ganz so, als wäre ich selbst dort,
aber auch eine starke Hitze unbekannter Herkunft.

Ich lasse mein geistiges Auge über die Szene schweifen, auf der Suche nach der
Quelle dieser Hitze, die gänzlich fehl am Platze scheint …

Die Spur führt zu einem nahegelegenen Dickicht. Ich gehe ihr nach, das ist möglich,
denn ich bin selbst an diesem Ort und bin es auch nicht.

Ich erblicke dort eine hundeähnliche Kreatur mit drei Köpfen, deren schwefliger Odem
die Quelle der unverhofften Hitze ist. Und dahinter …

… Danilo Vermont, den Herren dieser Bestie. Ich sehe ihn, schwarzhaarig und hager,
eines der loyalsten Mitglieder des Vermont-Clans.

Oh, was machst du, Unseliger, an diesem Orte, einem Hoheitsgebiet der Familie
Baskerhound? Denke an den herrschenden Burgfrieden, Narr!

Doch der Tor erhört mich nicht, ja, er wagt es sogar, seiner feuerspeienden Bestie
Anweisung zum Einnehmen einer Angriffshaltung zu geben.

„Auf, Zerberus!“, ruft Danilo kühl, und deutet mit einer knappen Geste in ausgerechnet
jene Richtung, in der sich die Villa der Baskerhounds befindet!

Ihr schlummernden Baskerhounds, könntet ihr meiner Existenz doch bloß gewahr
werden! Ich würde euch warnen vor der anstürmenden Bestie …

Allein, ich vermag sie nicht aufzuhalten. Bald hat sie schon das Anwesen der
Baskerhounds erreicht und setzt an zu einem gewaltigen Sprung.

Das Dach des Anwesens stellt sich als kein großes Hindernis für den Hund heraus.
Unter lautem Getöse bersten die Ziegel und das Tragwerk.

Schon sehe ich dort oben die ersten Flammen lodern. Erwachet, Baskerhounds, bevor
euch der feurige Atem dieser Bestie verschlingt!

Rauchend und knarzend wird das Haupt des Herrenhauses verzehrt, während sich
die Bestie immer weiter ins Innere frisst.

Nun lodert es in jedem Stockwerk, das ganze Anwesen strahlt und macht der
Morgensonne Konkurrenz, die sich langsam am Firmament zeigt.

Die Tür erbricht, der flammende Hund stürzt heraus. Sein Werk ist getan, und so
kehrt er zurück zu seinem Herren, Danilo Vermont.

Erleichtert kann ich verkünden, dass keine Seelen ihre Körper verlassen mussten.
Der Anschlag verläuft für keinen der Baskerhounds tödlich!

Doch ist dies die einzig frohe Kunde, denn an diesem Morgen findet der Burgfrieden
zwischen den beiden verfeindeten Clans wohl sein Ende.

Danilo Vermont hat sich bereits von dieser Szene entfernt, in der sich Schwefel, Rauch
und Nebel auf fatale Art und Weise vermischen.

Mir schwant, dass sich mein Blick auf diese ruinierte Morgenlandschaft auch bald
verlieren und auf das gelenkt wird, was nun geschieht …

Schwärze. Die Bilder scheinen verschwunden zu sein. Doch da, ich erkenne Schemen in der
Dunkelheit. Umrisse eines Schlafgemachs. Ich spüre Leid …

Eine große, hünenhafte Gestalt liegt auf dem Mahagonibett. Ihr Atem geht schwer,
das Gesicht erscheint eigenartig deformiert.

Das Antlitz ist mir gänzlich unbekannt, die Identität seines Besitzers will sich
mir nicht erschließen. Ist da noch eine Person im Gemach?

In der Tat, und diesmal weiß ich sie zu benennen: Es ist der uns wohlbekannte
Danilo Vermont. Er richtet das Wort an die namenlose Gestalt.

„Die Baskerhounds haben heute Morgen die ihnen laut unserem Kodex
angemessene Strafe erhalten, verehrter Patriarch.“ Patriarch sagt er!

Wäre es tatsächlich möglich, dass es sich bei dieser selbst für einen Hünen
aufgedunsenen Gestalt um den Anführer der Vermonts handelt?

Furchtbar blau angelaufen ist sein Gesicht, entstellt und kaum zu erkennen.
Doch dies ist wirklich Achille Vermont, Vater aller Vermonts!

Was in aller Welt ist Achille Vermont nur zugestoßen, das ihn in einen solch
erbärmlichen Zustand versetzt hat? Wer trägt die Schuld daran?

Doch da, bevor ich weiter darüber sinnen kann, schwindet meine Sicht, Umrisse
verschwimmen zu Schemen, und Farben verblassen ins Nichts …

Ich sehe: ein Anwesen der Baskerhounds, selbstverständlich nicht jenes, das
heute im Flammenmeer des Zerberus umgekommen ist.

Ich spüre eine bedrohliche Existenz und erwarte die Vision, die mir die inneren
Vorgänge des Hauses offenbart und meinen Verdacht bestätigt.

Kräfte rücken in den Fokus meiner Wahrnehmung, eine ganze Ansammlung
von Macht, und trotzdem ist noch eine anwesend, die alle anderen übertrifft.

Endlich gelangt mein Blick durch die prachtvolle Fassade des Anwesens und
macht mich zum Zeugen einer großen Versammlung der Baskerhounds.

Die Zusammenkunft wird von niemand geringerem geleitet als von Zachary
Baskerhound, dem Oberhaupt dieser fatalen Familie höchstpersönlich!

Äußerlich nicht mehr als ein schmächtiger Greis, birgt sein Inneres eine
grauenerregende Macht, die keinen Spötter lange am Leben lässt.

Durch schiere Willenskraft vermag er die physikalische Welt in ein höllisches
Inferno zu verwandeln, in dem nur seine Gedanken herrschen.

Zacharys Stimme erfüllt den Saal wie eine Naturgewalt, gegen die der gemeine
Sterbliche nicht das Geringste ausrichten kann …

Seine Rede vernehme ich wie folgt: „Elende, oh ihr elenden Kreaturen! Diese
Anrede gilt freilich nicht euch, meine noblen Baskerhounds!“

„Nein, sie gilt einer denkbar verrotteten Horde, die jedem Anwesenden hier in
diesem Saal aus schmerzlicher Erfahrung bekannt ist.“

„Wir sind zu der Einsicht gelangt, dass Hass, der seit Jahrhunderten lodert, eines
Tages erlöschen muss. Ja, wir hofften, dass er es kann!“

„Doch wie können wir dieses Feuer je ersticken, wenn immer noch jener Funke
existiert, der es bei jeder Gelegenheit wieder entfacht?“

„Wir wissen, dass der Funke von jemandem stammt, bei dem schwer zu erkennen
ist, ob nun sein Zerberus oder doch er selbst der Hund ist!“

„Doch lasst uns die Vergeltung weder vereint auf ihn richten, noch gegen seine
gesamte verfluchte Brut! Widersteht der Versuchung!“

„Um jeden Preis müssen wir unsere Ehre bewahren, die in unserem heiligen Kodex
ihren reinsten Ausdruck findet! Gedenkt seinem ersten Gebot!“

„Auge um Auge, Zahn um Zahn, ein Baskerhound gegen einen Vermont, so heißt
es dort! Lasst uns unsere Konflikte weiterhin einzeln austragen!“

„Der Burgfrieden zwischen unseren Clans ist aufgehoben. Möge ein jeder seine
Rache nehmen für das, was ihm persönlich widerfahren ist!“

Damit war nun jedes Mitglied des Baskerhound-Clans von dem Schwur entbunden,
von der Vergeltung der Taten seines Feindes abzusehen.

Das von uns bezeugte Handeln des Danilo Vermont lässt vermuten, dass auch im
Kreise der Vermonts eine ähnliche Abmachung getroffen wurde.

Doch die Einsicht in die ursprüngliche Motivation der Vermonts, ihrerseits den
Burgfrieden aufzukündigen, bleibt mir leider verwehrt …

Es sind in diesem Augenblick wieder Hunderte Bilder, die auf mich einströmen. Ich
vermag sie gar nicht alle auf einmal aufzunehmen!

Mit dem wieder entflammten Konflikt ist nun auch das blanke Chaos ausgebrochen,
die Vorbereitungen für den Kampf laufen auf vollen Touren!

Ein jeder Vermont, ein jeder Baskerhound greift zu den mörderischsten Waffen, den
dunkelsten Beschwörungsformeln, den unheilvollsten Artefakten.

Undurchdringliche Finsternis legt sich über dieses Land. Die Vorhänge dieser ehemals
friedvollen Bühne schließen sich …

Episode II

Ein Treffen mit einem alten Bekannten: Es ist Danilo Vermont, der im Salon seiner
Villa in einem Sessel sitzt. Das Kaminfeuer knistert.

Andernorts erkenne ich eine weitere einsame Gestalt, die sich zu später Stunde
in ihrem Salon aufhält. Der Regen peitscht unermüdlich gegen die Fenster.

Der Kamin hier schweigt. Über dem Sims, im Schein des Zwielichts, hängt das
Bildnis eines einst glücklichen Paares innerhalb der Baskerhound-Familie.

Das Gemälde zeigt einen robust wirkenden Mann mit wildem, rötlichem Haar,
und an seiner Seite eine zierliche Blondine mit warmen, grünen Augen.

Erst jetzt erkenne ich, dass die traurige Gestalt, die wehmütig dieses Portrait
betrachtet, in Wirklichkeit die Frau auf dem Bild ist!

Es scheint sich bei dieser Person um Yvette Baskerhound zu handeln, die ihren
Mann Jakob einst auf hoher See verloren hat.

Doch was ist bloß mit ihr geschehen? Ihr weizenblondes Haar gleicht inzwischen
mehr den fahlen Strähnen ihres Großvaters Claude Baskerhound.

Yvettes Augen sind trüb, die einst so schöne grüne Farbe ist einem eisigen
Grau gewichen. Ihre früher so rosige Haut ist nun totenblass.

Von der lebhaften, anmutigen Dame auf dem Gemälde ist – zu meinem
großen Entsetzen – lediglich eine seelenlose, verhärmte Hülle übrig …

„Ich werde heute Nacht losziehen, geliebter Gemahl, und dafür Sorge
tragen, dass du bald Gesellschaft bekommst“, haucht sie dem Bild zu.

„Entweder werde ich mich endlich wieder mit dir vereinen … oder, was
mir lieber wäre, die Seele von Danilo Vermont zu dir schicken!“

Wir verlassen nun diesen tristen Salon und beobachten Yvette, die vor
dem Eingang ihres Anwesens auf ihr Pferd steigt und losreitet.

Oh gefallene Yvette … Sie wird bald von dem Regen verschlungen, der
seine eisigen Nadeln unerbittlich auf die Erde niedergehen lässt.

Wir sind wieder bei Danilo Vermont. In einer Hand schwenkt er sanft ein
Glas Rotwein. Sein Blick ruht auf dem lodernden Kaminfeuer.

Er trinkt nun den letzten Schluck aus. Draußen stürmt der Wind gegen die
Fenster. Das Knistern der Flammen wird immer leiser …

Plötzlich stößt eine Sturmbö das Fenster auf, woraufhin die Glut im Kamin
erlischt. Vor Schreck zerdrückt Danilo sein Weinglas.

Ich sehe es wie in Zeitlupe: Ein kleiner, rot glitzernder Regen aus Blutstropfen
und Glasscherben geht von Danilos Hand auf den Boden nieder.

Danilo tritt an das Fenster, um es wieder zu schließen. Dabei erblickt er
draußen in der Ferne eine Gestalt, die auf sein Anwesen zureitet.

„Yvette …“, spricht Danilo, während er den Salon verlässt. „Ich glaube, es
wird wieder Zeit, die Bestie zu wecken …“

In der Diele streift er sich seinen Mantel über und ruft: „Zerberus, mach
dich bereit! Heute Nacht erwartet uns eine reizende junge Dame!“

Danilo Vermont wartet nun vor dem Eingang seines Herrenhauses. Das
Wetter ist weiterhin stürmisch und regnerisch. Jemand nähert sich …

„Yvette!“, ruft Danilo zu der Gestalt, die gerade von ihrem Pferd absteigt,
„welch Freude, dass Ihr mich an diesem tristen Abend beehrt!“

„Hütet Eure Zunge, Ihr elender Hunde-Dompteur!“, schimpft Yvette, die
ebenso wie Danilo in einen dicken Mantel gehüllt ist.

Ich sehe, wie sich die beiden Kontrahenten gegenüberstehen, und spüre
den blanken Hass, der zwischen ihnen herrscht. Mehr noch …

… ich bemerke erstaunt, wie sich aus diesem Gefühl Bilder manifestieren,
Bilder aus einer Zeit, in der die Konstellation der Sterne eine andere war.

Die Szene, die ich gerade betrachte, verschwimmt nun, und das im wahrsten
Sinne des Wortes: Sie taucht in Wassermassen unter.

Wir befinden uns auf dem Deck eines Schiffes auf offener See. Eine glückliche
Yvette Baskerhound steht mit ihrem Mann Jakob an der Reling.

An der festlichen Stimmung erkenne ich, dass die beiden frisch vermählt
sein müssen und sich wohl auf ihrer Hochzeitsreise befinden.

„Es wird langsam frisch hier draußen“, höre ich Jakob sagen, „lass uns
wieder zurück in unsere Kabine gehen.“ Yvette stimmt ihm zu.

Doch als die beiden sich unter Deck begeben wollen, entdecken sie
Rauch, der aus den Spalten der Zugangstür zu den Kabinen strömt.

„Da stimmt etwas nicht“, sagt Jakob und zückt seinen Degen. „Ich
sehe nach, was dort los ist. Warte hier bitte solange, Yvette!“

Langsam nähert sich Jakob der qualmenden Tür …

… doch ehe er sie erreicht, wird sie von jemandem oder etwas
aufgerissen.

Der gesamte Gang steht in Flammen, und mitten darin erblickt er einen
großen, furchterregenden Schatten. Entgeistert tritt Jakob zurück.

„Was in Gottes Namen?“, ruft Jakob. Daraufhin springt eine riesige Kreatur
aus dem Inferno: Es ist ein feuerspeiender Hund mit drei Köpfen.

Hinter Jakob ertönt eine Stimme: „Beruhigt Euch, werter Jakob Baskerhound,
das ist doch lediglich mein zu groß geratener Schoßhund!“

Er dreht sich um und ruft wutentbrannt: „Danilo Vermont! Was fällt euch
Verdammtem ein, dreist auf meiner Hochzeitsreise aufzutauchen?“

„Ich wollte lediglich auch einmal sehen, wie eine Hochzeitsreise ist“,
erwidert Danilo, „mit meiner Verlobten kam ich ja nie so weit.“

„Dank Euch und Eurer Fechtkunst war unsere letzte gemeinsame Feierlichkeit
ihre Beerdigung, und dafür werdet Ihr heute büßen, Baskerhound!“

„Ha, Ihr wollt also Eure Rache, Vermont?“, spottet Jakob. „Dann nehmt sie
Euch wenigstens mit Ehre und kämpft ohne die Hilfe dieser Bestie!“

Daraufhin breitet Danilo lachend die Arme aus. „Seht Ihr etwa irgendeine
Klinge an meinem Körper? Der Zerberus ist meine einzige Waffe!“

Jakob wird merklich blasser, denn der Kodex erlaubt freie Waffenwahl. „Ihr
werdet wohl oder übel gegen ihn kämpfen müssen“, erklärt Danilo.

„Besiegt Ihr die Bestie, Baskerhound, so besiegt Ihr auch mich. Ich falle
mit dem Zerberus und er mit mir, so einfach ist das!“

„Nun gut“, antwortet Jakob, „dann wollen wir sehen, was Eure Bestie gegen
meinen Degen auszurichten vermag. Zeigt mir, was Ihr könnt!“

Jakob stürmt auf den Zerberus zu und rammt ihm sogleich seinen Degen
in die Brust. Die Bestie gibt einen markerschütternden Schrei von sich.

„Pass auf dich auf, Liebster!“, ruft Yvette besorgt, die einen sicheren Abstand
zu der Kampfszene genommen hat.

Doch da, als Jakob gerade wieder den Degen aus dem Leib des Höllenhundes
zieht, speit dieser eine Feuersalve aus, die Jakob am Kopf trifft.

Jakob geht zu Boden, und ohne zu zögern stürzt sich der Zerberus auf ihn.
Der Gefallene vermag nun nichts mehr auszurichten.

Weder Yvettes Schreie noch Jakobs Fechtkunst können Danilos Triumph
aufhalten. Der Mord an seiner Verlobten wird an diesem Tag gerächt …

Diese Ereignisse sind nun ich weiß nicht wie lange her, jedoch bis heute
jedem der beteiligten Überlebenden in lebhafter Erinnerung.

„Ihr werdet für den Mord an meinem Gatten bitter büßen!“, spricht Yvette.
„Büßen? Ihr solltet mir eher dankbar sein!“, spottet Danilo.

„Wäre ich nicht gewesen, so würdet Ihr heute Abend eine Horde Bälger
hüten, während sich Euer Gatte betrinkt und mit Dirnen vergnügt!“

„Haltet den Mund, elender Sodomist!“, keift Yvette zurück. „Ihr habt nicht
das Recht, so über meinen Gatten zu sprechen!“

„Was wollt Ihr denn dagegen unternehmen, schöne Maid?“, entgegnet Danilo.
„Ich werde Eurem einsamen Dasein ein Ende bereiten, Vermont!“

Yvette führt ihren verbalen Angriff fort: „Freut Euch darauf, Gesellschaft im
Jenseits zu bekommen!“ Danilo reagiert nur mit Gelächter.

„Wie wollt Ihr das bewerkstelligen? Mein Zerberus bekommt noch längst nicht
das Gnadenbrot! Hat Euch Euer Gatte etwa das Fechten beigebracht?“

Zum ersten Mal an diesem Tag lacht Yvette. „Seht Ihr etwa irgendeine Waffe
an meinem Körper, Vermont?“, zitiert sie aus vergangenen Zeiten.

Danilo reißt nun der Geduldsfaden. „Ihr wollt es also wirklich wissen, Weib?
Nun denn, so lasst uns keine Zeit mehr vergeuden! Zerberus!“

Aus dem Nichts kommt plötzlich die gerufene Bestie gesprungen und landet
zwischen ihrem Herrn und Yvette. Schwefelgeruch erfüllt die Luft.

Yvette bleibt vollkommen unbeeindruckt von dem Erscheinen des Zerberus.
„Kommt nur!“, ruft sie furchtlos. „Lasst das Monster nur los!“

„Dann soll es so sein“, erwidert Danilo. „Zerberus! Schaff diese vorlaute
Hexe weg von mir!“ Der Höllenhund geht daraufhin in Kampfstellung.

Die Bestie speit eine gewaltige Feuersalve in Yvettes Richtung. Doch sie
macht keinerlei Anstalten, auszuweichen oder sich zu verteidigen.

Die Flammensäule erwischt Yvette mit voller Wucht und schleudert sie auf
den Boden. Sie bleibt regungslos auf dem Rücken liegen.

Plötzlich ist es totenstill. Nach einigen Momenten tritt Danilo ein paar Schritte
nach vorne. Sollte es das etwa schon gewesen sein?

Episode III

Ein gellendes Lachen durchfährt die Luft. Es stammt von Yvette. „Ihr müsst
etwas wissen, Vermont“, sagt sie in einem eigenartigen Tonfall.

„An jenem Tag damals, auf dem Schiff, da ist nicht nur mein Hass auf Euch
erwacht, Danilo Vermont! Nein, es war noch etwas anderes!“

Yvette richtet sich nun langsam auf. Das Feuer hat ihren Mantel vollends
zerfressen, darunter trägt sie einen nun angekohlten Harnisch.

Jetzt sieht man, wie abgemergelt Yvettes Körper in Wirklichkeit ist. Ihre
Brandverletzungen halten sich in Grenzen. Unnatürlichen Grenzen.

Selbst Danilo wirkt schockiert über den grauenhaften Anblick und muss sich
sichtlich beherrschen, um Ruhe zu bewahren. Yvette steht inzwischen wieder.

„Ihr wirkt so überrascht“, spricht sie, „doch Ihr wärt noch viel erstaunter
über die grausamen Geheimnisse, die das Meer birgt, Vermont!“

„Ihr redet wirr!“, versucht sich Danilo wieder langsam am Spott. „Oh nein,
Vermont, ich weiß genau, wovon ich rede! Hört genau zu!“

„Eine erbärmliche, schwächliche Kreatur war ich bis zu jenem Tag, und mir
blieb nichts anderes übrig, als die kalte böse Flut um Hilfe anzuflehen!“

„Das Meer ist voller Kummer. In seinen pechschwarzen Tiefen lauern der Hass
und die Verzweiflung aller Seelen, die es verschlungen hat …“

„Etwas oder jemand dort unten hat meine flehenden Rufe erhört, Vermont, lange
nachdem Ihr mit Eurem Boot von dem Schiff geflohen seid.“

„Habt Ihr denn nie davon gehört, dass ich neben Euch die einzige Person bin, die
diese Schiffsreise überlebt habt? Nein? Dann seht!“

„Ich werde Euch zeigen, was die anderen Passagiere in den Tod gerissen hat, und
was nun Euch in den Tod reißen wird, Danilo Vermont!“

„Teisiphone!“, ruft Yvette in einem herrischen Tonfall. Daraufhin wird es, obwohl
doch schon die Nacht hereingebrochen ist, noch dunkler.

Plötzlich geht wieder ein stürmischer Wind, der Yvettes dünne Strähnen um ihr
wahnhaft wirkendes Gesicht flattern lässt.

Die Luft wird plötzlich von einem intensiven salzigen Geruch erfüllt, und aus einer
unbestimmten Ferne ertönt schrilles Gelächter.

Danilo entdeckt am Himmel ein auf ihn zuschwebendes Objekt, dessen Bewegungen
kaum zu fixieren sind. „Was in Gottes Namen?“, ruft er nun.

Als es sich nähert, offenbart sich seine weibliche Silhouette. Es trägt lange, schwarze
Haare. Nur an den Seiten des Kopfes ist es kahl.

Dies dient offenbar dazu, die großen Fischaugen nicht zu verdecken, die sich an
den Schläfen befinden und in Danilos Richtung starren.

Wo sich normalerweise die Augen befinden würden hat die Kreatur nur kleinere
Löcher. Lediglich der Mund und die Nase wirken menschlich.

Ihr verstörend weiblich wirkender Körper wird nur von zerrissenen Lumpen
bedeckt. Danilo weicht unbewusst einige Schritte zurück.

„Vernichte diesen Mann, meine Furie!“, befiehlt Yvette kühl. Die als Teisiphone
benannte Kreatur gibt einen angriffslustigen Schrei von sich.

„Vorsicht, Zerberus, da kommt sie!“ Die fliegende Kreatur stürzt sich auf den
Höllenhund und offenbart die riesigen Klauen an ihren Händen.

In letzter Sekunde rollt der Zerberus zur Seite und entgeht der tödlichen
Attacke der Furie. Sofort setzt er zum Gegenangriff an.

Er spuckt einen Feuerball in die Richtung der Teisiphone und landet einen
Volltreffer. Doch die Kugel löst sich nur in Wasserdampf auf!

„Verdammter Mist!“, flucht Danilo. Die Furie wirkt, als wäre gar nichts
geschehen. Sie richtet ihre Fischaugen nun auf den Zerberus.

Die Körperöffnungen in der Vorderseite ihres Gesichts weiten sich, und
sofort danach schießt ein gebündelter Wasserstrahl daraus hervor.

Der Höllenhund, der nicht mit dieser Attacke gerechnet hat, wird getroffen
und durch ein Fenster von Danilos Villa geschleudert.

„Habt Ihr Eurem Hündchen denn keine weiteren Tricks beigebracht?“, höhnt
Yvette. „Hol die Furie!“, bemerkt Danilo daraufhin nur trocken.

Der Zerberus schnellt nun wieder aus der Villa hervor, stürzt sich auf die
Furie und gräbt seine Zähne und Krallen in ihr Fleisch.

Die Furie lässt sich davon jedoch nicht aus der Fassung bringen und sticht
ihrerseits die Klauen in die Seiten von Danilos Biest.

Der Höllenhund lässt daraufhin wieder von seiner Kontrahentin ab und fällt
schwer verwundet zu Boden. „Zerberus!“, ruft Danilo besorgt.

„Töte die Bestie!“, schreit Yvette außer sich. Teisiphone schießt sofort einen
weiteren Wasserstrahl auf den am Boden liegenden Zerberus.

Der Strahl schleudert den Höllenhund mit voller Wucht gegen seinen Herren,
und gemeinsam krachen sie in die Fassade von Danilos Villa.

Diesmal richtet sich der Zerberus sofort wieder auf und setzt zum nächsten
Angriff an. „Stirb, du dreckiger Köter!“, schreit Yvette.

„Du Narr würdest für deinen grausamen Herren wirklich in den Tod springen!“,
keift sie wie eine Irre. „Das kannst du gerne haben!“

Plötzlich ertönt ein helles Pfeifen: Das Kommando zum Rückzug. Der loyale
Zerberus gehorcht seinem Herren und flieht in die Villa.

So weit hatte es Danilo nicht kommen lassen wollen, aber er hatte keine
andere Wahl. „Eure Furie soll nur kommen!“, bringt er noch hervor.

Teisiphone rast nun auf Danilo zu. Doch kurz bevor sie ihn mit ihren Klauen
zerreißen kann, taucht ein Schatten zwischen ihr und Danilo auf.

Eine Art Hüne hält die Furie plötzlich an den Armen fest und schmettert ihr
einen mit Hörnern bewehrten Schädel mitten ins Gesicht.

Wir erblicken hier einen hochgewachsenen, stattlichen Gargoyle. Danilo hatte
also noch ein Ass im Ärmel! Die Furie ist immer noch gefangen.

Sie versucht sich durch einen Wasserstrahl zu befreien, doch den Gargoyle
beeindruckt das nicht. Er packt nun sogar noch fester zu.

Der Wasserspeier gräbt seine Krallen in den Körper der Furie und reißt sie
mit einem Ruck auseinander. Man hört einen unsäglichen Schrei.

Die Kreatur löst sich in Wasserdampf auf. Danilo stockt der Atem. War das
Gefecht etwa schon überstanden? Weit gefehlt!

Genau dort, wo sich bis eben noch die Furie befunden hatte, entsteht plötzlich
eine Wolke aus Feuer, aus der zwei Flammenstrahlen schießen.

Die Strahlen durchstechen beide Flügel des Wasserspeiers. Anstelle der Wolke
ist eine neue, von Flammen umgebene Furie erschienen!

Noch ehe der auf fatale Weise verwundete Gargoyle reagieren kann, wird
er auch schon von der feurigen Kreatur gepackt und nach oben gezerrt.

Die Furie fliegt, ihren Gegner fest im Griff, weiter hoch, bis sie über dem
Dach von Danilos Villa schwebt. Dann lässt sie ihn los.

Der Wasserspeier kracht mit voller Wucht durch das Dach und sämtliche
drunterliegenden Stockwerke des Anwesens.

Ihm folgen dutzende Feuersalven nach, die das Gebäude in kürzester Zeit in
ein flammendes Inferno verwandeln. Yvette lacht triumphierend.

Der Gargoyle und der Zerberus können sich gerade noch so aus der brennenden
Villa ihres Herren retten und stellen sich nun wankend vor ihn.

„Deine Bestien können dich nicht mehr beschützen, Danilo!“, spottet Yvette.
Dennoch gehen beide Kreaturen in Angriffsstellung. „Kommt nur!“

Der Wasserspeier und der Höllenhund setzen gerade zum Losstürmen an.
Doch da! Es ertönt ein Pfiff! Und noch einer! Sie stammen von Danilo.

Zwar entschlossen, ihren Herren bis in den Tod zu verteidigen, können beide
dieses Zeichen jedoch nicht ignorieren: Das Signal zum Rückzug!

„Zerberus, Erik, es ist genug!“, ruft Danilo keuchend. „Ihr bringt euch jetzt in
Sicherheit!“ Widerwillig treten die Beiden zur Seite.

„Oho, wenn das mal nicht nobel von Euch ist! Wegen Euch sind genug Lebewesen
umgekommen, da ist das ja wohl auch das Mindeste, Vermont!“

„Verschwindet!“, schreit Danilo zu seinen Bestien, ohne auf Yvettes Kommentar
einzugehen. Schließlich entfernen sie sich von der Kampfszene.

„Das wurde auch Zeit!“, sagt Yvette nun ungeduldig. „Megära! Verschaffe mir
die lang ersehnte Genugtuung!“, ruft sie der Furie zu.

Ohne zu zögern rast die flammende Kreatur nun auf Danilo zu. Sie schickt
einige Feuersalven vor, von denen keine einzige ihr Ziel verfehlt.

Danilo wird gegen die Fassade seiner Villa geschmettert. Kurz darauf erreicht
ihn die Megära und gräbt ihm ihre Krallen in den Leib.

Langsam sinkt Danilo an der Wand hinab und hinterlässt eine blutige Spur
daran. Die Furie fliegt zu ihrer Herrin zurück und wartet dort.

Nun kehren der Zerberus und der Gargoyle langsam wieder zurück und
treten an ihren blutüberströmten Herren heran. „Oh, ihr Loyalen!“

Danilo spricht mit Mühe: „Ich habe euch in einen Konflikt hineingezogen,
mit dem ihr nichts zu tun hattet. Und dennoch seid ihr bei mir.“

„Aber trauert nicht! Ihr werdet bald frei sein, und niemand wird euch jemals
wieder unterwerfen, so wie ich es einst tat. Vergebt mir!“

„Yvette!“, keucht Danilo seiner Feindin zu, die der Szene mit Befriedigung
beiwohnt. „Ich werde endlich wieder bei meiner Verlobten sein!“

„Aber du wirst hierbleiben, einsam und verlassen, dem Teuersten beraubt,
was du jemals besessen hast. Du hast nichts als deine Rache!“

Und mit diesen Worten haucht Danilo Vermont sein restliches Leben aus.
Erik, der Gargoyle, und Zerberus, der Höllenhund, heulen in Trauer.

Der Siegerin dieses Kampfes, Yvette, weicht der Ausdruck des Triumphes
aus dem Gesicht. Tief bedrückt flüstert sie nur noch: „Jakob …“

Episode IV

Ich sehe nun ein Bild aus der darauffolgenden Nacht: Ein zwielichtig
wirkender Mann läuft rasch durch ein dunkles Kellergewölbe.

Er erreicht ein wohnlich gestaltetes Zimmer, in dem zwei vermummte
Gestalten an einem Tisch sitzen. „Nikolei! Was habt Ihr zu berichten?“

Die Stimme der Gestalt klingt heiser und zerbrechlich. Nikolei erwidert:
„Der erneute Ausbruch der Fehde hat sein erstes Opfer gefordert!“

„Welches?“ „Yvette Baskerhound hat gesiegt. Danilo Vermont wurde getötet.“
Die Gestalt, die bisher geredet hatte, überließ dies nun der anderen.

„Vielen Dank, Nikolei, Ihr könnt wieder gehen!“ Nikolei nickt kurz und verlässt
dann das Gewölbe. Es wird zunächst still in dem Zimmer.

Die eine Gestalt legt ihre Hand nun auf die der anderen. Die Hände sind allesamt
bandagiert. „Danilo Vermont ist tot, Remierre!“

„Ist es nicht genau der Ausgang, den du dir für diesen Kampf gewünscht hast,
Remierre? … Remierre?“ Als Antwort kommt nur Schweigen.

Mein geistiges Auge wandert nun weiter und erreicht ein malerisches Haus,
das sich in einem abgelegenen Waldstück befindet.

In der angeschlossenen Werkstatt brennt um diese späte Stunde noch Licht.
Ich sehe einen glatzköpfigen und drahtigen Mann darin arbeiten.

Sein Gesicht ist geschminkt: Er ist ganz blass gepudert, seine Lippen mit
einem matten Lilaton übermalt, seine Wimpern sind getuscht.

Der Mann sitzt an einer Werkbank, wo er an einem hölzernen Arm sägt. Der
ganze Raum ist voller lebensgroßer Holzmarionetten mitsamt Ersatzteilen.

Bei diesem androgynen Sonderling kann es sich nur um einen handeln: Pierrot
Baskerhound! Nach getaner Arbeit verlässt er nun die Werkstatt.

Er begibt sich in sein Schlafzimmer und zieht sich um. Anschließend legt er
sich in sein Bett, in dem eine zweite Person Platz haben könnte.

Pierrot schaut zu einer ans Zimmer angrenzenden Tür. Sie öffnet sich, und
eine Frau, die zu schweben scheint, bewegt sich auf das Bett zu.

Sie trägt ein Nachthemd und hat eine makellose Porzellanhaut. Doch spüre
ich keinerlei Gedanken oder Gefühle ihrerseits! Was bedeutet das?

Mit Schrecken stelle ich fest: Das weibliche Wesen, das sich nun zu Pierrot
ins Bett legt, ist nichts weiter als eine leblose Puppe!

An einem anderen Ort: Schritte hallen durch einen dunklen Kellergang. Sie
stammen von einem großen Mann mit blonden, schulterlangen Haaren.

Weiterhin schmücken ihn ein brauner, wallender Umhang und ein stilvoll
gestutzter Bart. Der gutaussehende Bursche heißt Christopher Vermont.

Er öffnet nun eine von vielen Schlössern bewachte Tür und betritt den
kleinen, von rotem Samt ausgekleideten Raum dahinter.

In der Mitte steht ein kleiner Tisch, auf dem sich eine silberne, kunstvoll
verzierte Schatulle befindet. Christopher öffnet sie.

Er betrachtet den schwarzen, eigenartig organisch wirkenden Ring in der
Schatulle. Der Edelstein im Ring hat die gleiche dunkle Farbe wie der Rest.

„Mir bleibt keine Wahl“, spricht Christopher zu sich selbst und streift den
Ring über seinen rechten Zeigefinger. Der „Edelstein“ öffnet sich nun.

Er entpuppt sich als Auge mit einer roten Iris, das nun garstigerweise
umher blickt. Ich spüre die böse Macht, die von dem Ring ausgeht!

Als Christopher aus dem Keller steigt und durch den Salon schreiten
will, entdeckt er dort seinen kurzhaarigen Cousin, Jean Vermont.

„Christopher, wohin des Weges?“ Jean blickt verächtlich auf den Ring an
Christophers Finger. „Dazu mit solch einem scheußlichen Begleiter!“

„Lasst mich in Frieden, Jean! Ihr würdet bei einem gefährlichen Wahnsinnigen
wie Pierrot Baskerhound auch ein magisches Artefakt nutzen!“

„Dieses Teufelswerkzeug wird eines Tages noch unsere ganze Familie ins
Verderben stürzen! Habt Ihr zufällig von Yvette Baskerhound gehört?“

„Ja. Man hört, ihre Furien würden das ganze Dorf terrorisieren. Aber mir
ist das gleich. Ihr könnt ja gerne bei Euren Methoden bleiben.“

Christopher betrachtet entschlossen den Ring, der unheimlicherweise ebenso
entschlossen zurückblickt. „Ich bleibe bei meinen!“

Ein verschwommenes Bild. Das Flackern eines Kaminfeuers erhellt das Gesicht
von … Danilo Vermont!? Es muss sich um einen Traum handeln …

Er spricht: „Wir führen einen unerbittlichen Krieg. Allein unser Kodex kann
uns zum Sieg verhelfen und uns vor dem Untergang bewahren.“

„Es bleibt uns keine Wahl, als ihm bedingungslos zu folgen. Auch wenn es
uns Qualen bereitet. Auch wenn es uns große Opfer abverlangt.“

Danilo scheint mit einer Art eisernem Stab im Feuer zu stochern. „Glaube
mir, ich will das nicht. Aber es geht nicht anders … Ich muss!“

Er zieht den Stab aus den Flammen. Die Spitze glüht rot wie Blut. Danilo
geht nun damit auf den Träumenden zu. „Es tut mir leid, Remierre.“

Wieder im Reich der Wachenden … ich erblicke Pierrot Baskerhound, General
über ein Heer von bewaffneten Holzmarionetten.

Ein einzelner Mann stellt sich der Armee aus Puppen entgegen: Christopher
Vermont, nur bewaffnet mit dem garstigen Dämonenring.

„Ich werde Euch mitsamt Eurem Puppenstaat vernichten!“, bemerkt Christopher
trocken, woraufhin der stets schweigende Pierrot nur nickt.

Die ersten Holztruppen, bewaffnet mit an den Gliedmaßen angebrachten Klingen,
stürmen auf Pierrots geistiges Kommando hin auf Christopher ein.

Mit bloßen Händen entledigt sich Christopher seiner Angreifer. Der Ring verleiht
ihm unheimliche Kräfte … Die nächsten Kämpfer rücken an.

Es sind richtige Ritter aus Holz, bewaffnet mit Schwertern und Äxten. Auch
sie bezwingt Christopher, trägt aber heftige Wunden davon …

… doch je mehr Schläge er einsteckt und je mehr Blut er verliert, desto
rasender und stärker scheint Christopher zu werden.

Die Schar an attackierenden Marionetten scheint gar nicht zu versiegen.
Christophers Arm färbt sich langsam schwarz wie der Ring …

Als sich Christopher fast zu seinem menschlichen Widersacher durchgekämpft
hat, erreicht die sich ausbreitende Schwärze auch seinen Kopf.

„Pierrot …“, faucht Christopher wie ein Tier, bevor er den ohne seine Marionetten
hilflosen Pierrot mit seinen dunklen Pranken packt.

Und plötzlich sehe ich nur noch Finsternis! Was ist mit Christopher geschehen?
Ich spüre sein Bewusstsein in diesem Moment nicht mehr …

… nun spüre ich andernorts ein bevorstehendes Gefecht. Ich sehe den Regen,
der sich in Strömen über eine Kirche ergießt. Da, auf dem Dach!

Ich erblicke Jean Vermont und in einiger Distanz von ihm seinen Kontrahenten,
Viktor Baskerhound. Beide haben ihre Schwerter gezückt.

Viktor, dessen auffälligstes äußerliches Merkmal seine langen schwarzen, nun
durchnässten Haare sind, führt den ersten Schwerthieb aus.

Jean blockt den Angriff, doch wirft ihn dessen unerwartete Wucht etwas nach
hinten. „Ihr habt wohl trainiert!“, bemerkt Jean überrascht.

Bevor Viktor etwas entgegnen kann, rast Jeans Schwert bereits auf ihn zu.
Doch Viktor pariert mit Bravour und kontert sofort.

Der Gegenangriff erfolgt so rasch, dass Jean von der Klinge an der Schulter
erwischt wird und eine Schnittwunde davonträgt.

„Diese Geschwindigkeit …“, murmelt Jean, während er mühsam Viktors
Angriffe pariert. Ein besonders harter Schlag wirft Jean zu Boden.

Hinter Viktor erkennt er nun einen schwarz-violetten Schemen im Regen.
Die unheimliche Gestalt scheint ihn hämisch anzugrinsen.

„Verdammtes Hexenwerk!“, schreit Jean daraufhin und fährt hoch. Er stürmt
auf seinen Gegner zu und lässt Schwerthiebe auf ihn einprasseln.

Doch Viktors übernatürlich schnelle Bewegungen machen es Jean unmöglich,
einen Treffer zu landen. Plötzlich hört man ein lautes Klirren.

Viktor schlägt Jean das Schwert aus der Hand. Die Klinge fliegt funkensprühend
davon. „Scharlatan, elender!“, brüllt Jean wutentbrannt.

Der Beschimpfte reagiert nur mit einem Lächeln. Geführt von der Macht seines
Dämons versetzt er Jean den Gnadenstoß. Dieser sackt sofort zusammen.

Fassungslos starrt Jean nochmals den schattenhaften Geist hinter Viktor an.
„Habt Ihr denn gar keine Ehre, Baskerhound?“, fragt er.

„Dies vielleicht nicht“, antwortet Viktor, „die habt nur Ihr als ehrlicher Fechter.
Doch ich habe etwas, das mir wichtiger ist: Den Sieg!“

„Hätte ich bloß … auf Christopher … gehört!“, bringt Jean ächzend hervor.
„Verflucht sollt ihr sein, verdammte Baskerhounds!“

Dies sollten die letzten Worte von Jean Vermont sein, dem seine Würde und
Vernunft zum Verhängnis geworden sind. Der Regen hört nun auf …

Plötzlich spüre ich wieder das Bewusstsein von Christopher Vermont. Ich
kann durch seine Augen sehen, doch noch ist alles verschwommen.

Langsam wird das Bild klarer: Christopher scheint sich auf dem gleichen
Feld zu befinden, auf dem er gegen Pierrot Baskerhound gekämpft hat.

Ich nehme immer mehr Details wahr … der Boden ist übersät mit
Puppenteilen, Holzsplittern und … Hautfetzen und Blutflecken.

„Pierrot …“, flüstert Christopher benommen, und entdeckt einige Fetzen
von dessen Kostüm. „Was in Gottes Namen hat sich hier zugetragen?“

Er betrachtet nun seine Hände und Arme. Sie sind besudelt von frischem
Blut. „Was …?“ Christopher stürzt davon. Er entdeckt eine Brücke.

Er betritt sie und entdeckt in dem großen Fluss darunter sein Spiegelbild.
Christophers Gesicht ist komplett mit roten Blutflecken übersät!

Doch noch schockierender mutet an, dass sein gesamter Körper weiterhin
von der schwarzen Haut des unheilvollen Rings bedeckt ist!

Christophers Augen gleichen nun dem des Rings, und sein Mund hat sich
inzwischen in ein mit Reißzähnen bewehrtes Maul verwandelt.

Er ist mit dem Ring zu einem Monster verschmolzen! Selbst entsetzt über
diese fatale Verwandlung, stürzt er sich die Brücke hinab.

Armer verfehlter Christopher Vermont! Mögen dich die kalten Tiefen des
Flusses von deinem Schmerz erlösen!

Episode V

Ich spüre nun eine starke psychische Präsenz vor dem Familiensitz der
Vermonts. Es ist Zachary Baskerhound, der sich hierher gewagt hat!

„Achille!“, ruft der Patriarch der Baskerhounds. Zachary wartet eine Weile,
doch keine Reaktion erfolgt. „Stell dich, Vermont!“, setzt er nach.

Nun reicht es ihm, und er betritt eigenmächtig das Gebäude. Drinnen
herrscht Stille. Zachary spürt Achilles Aufenthaltsort rasch auf.

Er findet ihn schließlich in seinem Schlafgemach. Zachary ist entsetzt,
als er seinen Widersacher noch im Bett liegen sieht. „Achille …“

Plötzlich springt Achille auf den Boden, ergreift einen an der Wand
aufgehängten Streithammer und lässt ihn auf Zachary zurasen.

Zachary kann gerade noch ausweichen, der Hammer schlägt mit voller
Wucht in die Wand ein. „Achille, was ist passiert?“, ruft er atemlos.

„Schweig, du verräterischer Hund!“, schreit Achille und holt zum nächsten
Schlag aus. Zachary kann die Angriffe zum Glück vorhersehen.

Doch ein kleiner Fehler, und Zachary wäre Geschichte. Diesmal kann er
wieder ausweichen. „Bist du gekommen, um mich wieder zu vergiften?“

Achilles wutentbrannte Frage entsetzt Zachary. „Vergiften? Du weißt genau,
dass dies auch gegen den Kodex der Baskerhounds verstößt!“

„Dann scheint jemand aus deiner Sippe noch nie etwas von dem Kodex gehört
zu haben!“, wirft Achille Zachary mit erhobener Waffe vor.

Zachary springt davon, als der Hammer in den Boden kracht. Erst jetzt bemerkt
er Achilles deformierte Gestalt und zerfurchte Gesichtszüge.

„Achille … was auch immer mit dir passiert ist, meine Brüder haben damit nichts
zu tun!“, versichert Zachary Achille. „Elender Lügner!“

Mit Achille lässt sich nicht reden. Er schmettert den Hammer wieder gegen eine
Wand. Zachary flüchtet zum Fenster und reißt es hastig auf.

„Achille! Aufgrund des Verdachts auf Manipulation von außen erkläre ich unseren
Konflikt für aufgeschoben, bis die Umstände geklärt sind!“

Mit einer eleganten Bewegung schwingt sich Zachary aus dem Fenster und klettert
die Fassade herab. Der Hüne Achille kann ihm nicht folgen.

„Komm zurück, du dreckiger Feigling!“, ruft Achille ihm nach. „Zu gegebener Zeit,
Achille!“, erwidert Zachary und steigt auf sein Pferd.

Bevor Achille noch etwas sagen kann, reitet sein Erzfeind bereits davon. Damit
endet die erste Begegnung der Clanführer seit dem Ende des Burgfriedens.

Ich sehe: das Anwesen der Baskerhounds. An diesem Abend findet erneut eine
große Familienversammlung im Saal statt. Zachary sucht dort nach jemandem.

Zachary findet ihn. „Viktor! Sag mir, wo ist Yvette?“ Der Angesprochene zieht
eine finstere Miene. „Ich weiß es nicht, mein Patriarch.“

„Aber man hört in letzter Zeit sonderbare Dinge über sie. Ich bezweifle, dass
sie noch zu der Versammlung kommt“, fügt Viktor hinzu.

„Yvette, was fällt ihr ein!“ „Soll ich sie holen?“ „Nein, Viktor, du musst mich
hier vertreten. Ich werde das persönlich regeln.“

„Was soll ich den Anderen sagen?“, fragt Viktor. „Dass sie sämtliche Kampfhandlungen
gegen die Vermonts einstellen sollen“, entgegnet Zachary.

Bevor Viktor widersprechen kann, fährt Zachary fort. „Ich habe den Verdacht,
dass wir und die Vermonts von Fremden manipuliert werden.“

„Achille Vermont ist fest davon überzeugt, dass einer von uns ihn vergiftet hätte.
Natürlich könnte dies auch eine Lüge von ihm sein.“

„Aber ich muss vorher Gewissheit erlangen, was wirklich vor sich geht. Niemand
kann und darf sich unseren Konflikt für persönliche Zwecke zu Nutze machen!“

„Du musst das unseren Brüdern und Schwestern klar machen, Viktor!“ „Das werde
ich, mein Patriarch. Soll ich auf Euch und Yvette warten?“

„Nein, Yvette wird zudem nicht wiederkommen. Ich ziehe jetzt los. Halte hier
die Stellung für mich, Viktor!“ „Wie Ihr wünscht.“

Von meiner Neugier getrieben verfolge ich die Reise von Zachary Baskerhound
mit meinem geistigen Auge. Bald erreicht er sein Ziel.

Bereits während sich Zachary dem Anwesen von Yvette nähert, merkt er, dass
etwas nicht stimmt. „Dieser Gestank, was zur …?“

Er spürt sehr viele menschliche Körper an diesem Ort, doch keinerlei geistige
Aktivität. Als er das Haus betritt, wird ihm übel.

Zachary versucht, Yvette mental aufzuspüren, doch der stechende Geruch in
seiner Nase nimmt ihm die Konzentration. Vorsichtig geht er weiter.

Als er den Salon erreicht, wird Zachary fast bewusstlos. Überall in dem Raum
liegen männliche Leichen. Der Gestank ist unerträglich.

Zachary gelingt es, sich zusammenzureißen. Er sieht sich um und entdeckt
über dem Kaminsims ein Gemälde. Darauf erkennt er Yvette.

Neben ihr scheint ein männlicher Begleiter abgebildet zu sein, vermutlich
ihr Mann. Allerdings lässt er sich nicht mehr identifizieren.

Die Stelle in dem Portrait, wo sich vorher Jakob befunden haben mag, ist
vollkommen zerkratzt. „Schöne Zeiten, die niemals wiederkehren.“

Die zerbrechliche, aber bedrohliche Stimme hinter ihm lässt Zachary
zusammenzucken. „Egal, wie sehr man sich an sie klammern möchte.“

Zachary fährt herum und erblickt Yvette. Sie wirkt abgemagert und
verkümmert. Doch in ihren Augen lodert der Wahnsinn.

Er deutet auf die zahlreichen toten Männerkörper. „Yvette, erklärt mir
diese Misere!“, fordert Zachary herrisch. „Hüte deine Zunge, Greis!“

„Wir sind hier immer noch die Damen des Hauses, etwas mehr Höflichkeit
können wir also doch wohl erwarten!“, entgegnet Yvette.

„Sagt mir, was ist mit den Männern hier?!“ Yvette seufzt. „Sie konnten seinen
Platz nicht einnehmen. Sie waren nutzlos und mussten sterben.“

Wehmütig blickt sie zu dem Gemälde über dem Kamin. „Yvette, laut Kodex
ist es streng verboten, Unbeteiligte in den Konflikt zu ziehen!“

„Was interessiert uns dein Kodex?“ „Yvette! Versteht Ihr denn nicht, dass
wir Euch dafür aus dem Clan verstoßen müssen?!“

„Tu dir keinen Zwang an, Narr! Deine verfluchte Sippe kann uns gestohlen
bleiben. Du und deinesgleichen, ihr seid der Baum der Verdammnis!“

„Eure Wurzeln vergiften die Erde! Eure törichte Fehde hat uns Jakob genommen,
und keine tausend Tode von Danilo Vermont werden ihn je zurückbringen!“

„Yvette“, brüllt Zachary außer sich vor Zorn, „wie könnt Ihr es wagen, so mit
dem Oberhaupt Eurer Familie zu sprechen?“

„Es ist genug“, erwidert Yvette kalt, „mach dich bereit zu sterben, alter Mann!“
Ehe Zachary reagieren kann, trifft ihn ein Wasserstrahl.

Er wird in einen Haufen von Toten geschleudert. Obwohl ihm der Gestank die
Sinne vernebelt, ertastet er mental einen Schürhaken beim Kamin.

Zachary entdeckt sein Ziel, die Teisiphone. „Verdammte Dämonenbrut!“, flucht
er. Per Gedankenkraft bringt er den Schürhaken zum Schweben.

Blitzschnell lässt er den Haken auf die Furie zurasen, der ihr Herz schließlich
durchbohrt und sie an der Wand festnagelt.

Daraufhin taucht gleich Megära, die zweite Furie auf. Sie lässt sofort eine
Feuersbrunst auf Zachary los. Doch diesmal kann er reagieren.

Die Flammen werden an einem unsichtbaren Wall um Zachary herum angehalten
und können ihm nichts anhaben. Dafür fängt der Raum nun Feuer.

Der Rauch und der Gestank der brennenden Leichen setzen Zachary zu. „Ich
muss jetzt schnell handeln!“, ächzt er, und sammelt seine mentalen Kräfte.

Schließlich stößt er eine Schockwelle aus. Die beiden Furien werden durch
Zacharys schiere Willenskraft zerschmettert.

„Euer lachhaftes Puppentheater ist hiermit beendet, Yvette!“ „Das glaubst
auch nur du, widerwärtiger Greis!“

„Alexa!“, ruft Yvette nun. Augenblicklich taucht eine dritte Furie auf. Sie
ist viel menschenähnlicher als die vorigen.

Sie trägt ein edles weißes Kleid und wirkt mit ihren langen blonden Haaren
nahezu verführerisch. Zachary setzt zu einer weiteren Attacke an.

Plötzlich lässt Alexa ihren Gesang ertönen. Unterschwellig sendet sie damit
extrem irritierende Schallwellen aus.

Zacharys Gehörgänge dröhnen nun wie verrückt und verwehren ihm jede
Möglichkeit, sich zu konzentrieren. Er geht zu Boden.

Aus einem seiner Ohren läuft Blut. Die Schallwellen, der Qualm, der
Gestank … Zachary ist handlungsunfähig und damit hilflos.

Nur noch einen einzigen klaren Gedanken kann er fassen: ‘Das ist das
Ende’. Dann wird er bewusstlos. Warten wir auf sein Erwachen!

Währenddessen bemerke ich einen weiteren Akteur in diesem grausigen
Schauspiel: Es ist Marville Vermont, Sohn von Achille Vermont.

Benannt nach dem tollkühnen Schwertkämpfer, der sich einst seine Seele
spalten ließ, um seinen Rivalen Claude Baskerhound zu bezwingen.

Marville kommt gar nicht nach seinem hünenhaften Vater, ganz im Gegenteil:
Er wirkt schmächtig und schwächlich. Doch er hat seine ganz eigene Stärke.

In seiner Werkstatt arbeitet er gerade an einem mechanischen Riesen, als sein
Vater hereinkommt. „Vater, was macht Ihr hier unten?“

„Ich muss mit dir reden. Etwas stimmt nicht.“ „Sprecht Ihr von der Situation
mit den Baskerhounds, unseren Feinden?“ „Ja, genau.“

„Glaubt Ihr etwa an die Unschuld von Zachary Baskerhound, Vater?“ „Dieser
Mann trägt alle Schuld der Welt! Bis auf eine Sache …“

„Ihr meint Eure Vergiftung?“ „Ja. Zachary wirkte ernsthaft überrascht über
diesen Vorwurf. Und zu seiner Methodik passt es ebenfalls nicht.“

„Er ist unser Feind, vergesst das nicht!“ „Ich weiß das so gut wie du,
Marville! Aber wir dürfen uns keine Unachtsamkeit erlauben.“

„Wenn es nicht Zachary war: Wer hat Euch dann vergiftet?“ „Wir dürfen
nicht ausschließen, dass Außenstehende daran beteiligt waren.“

„Nicht möglich!“ „Es wäre denkbar, dass uns jemand wieder gegen die
Baskerhounds aufhetzen wollte. Wir könnten manipuliert werden!“

„Die andauernde Fehde zwischen uns und den Baskerhounds ist sicher
nicht wenigen ein Dorn im Auge. Wir sollten uns vorsehen, mein Sohn.“

„Was könnten wir unternehmen, Vater?“ „Begleite mich! Wir werden
unseren guten alten Feinden mal einen Besuch abstatten.“

Episode VI

Als Zachary Baskerhound erwacht, sind die Schallwellen der Furie Alexa nicht
mehr zu spüren. Langsam öffnet er die Augen. Was ist geschehen?

Alexa ist erstarrt. Aus ihrem Bauch ragen die Arme eines Dämonen.
Hinter ihr erkennt Zachary einen hochgewachsenen Gargoyle.

Als der Wasserspeier seine Arme wieder herauszieht, löst sich die Furie
schreiend auf. Was ist mit Yvette? Zachary sieht sie auf dem Boden.

Yvette wird von einem monströsen Hund niedergedrückt und gebissen.
Als sie sich nicht mehr wehrt, lässt die Bestie von ihr ab.

Mit letzter Kraft dreht sich Yvette zu dem Gemälde über dem Kamin. Sie
streckt dem Bild ihre blutüberströmte Hand entgegen. „Jakob …“

„Endlich.“ Damit spricht Yvette ihr letztes Wort. Zerberus, der Höllenhund,
und Erik, der Gargoyle, verschwinden, ohne Zachary zu beachten.

Die beiden mächtigen Kreaturen haben es geschafft, den Tod ihres Herren,
Danilo Vermont, zu rächen, und Zachary dabei das Leben zu retten!

Der Gerettete verlässt diesen grausigen Schauplatz so schnell er kann. Und das
ohne Yvette, wie er Viktor bereits angekündigt hatte.

Als Zachary erschöpft sein Anwesen erreicht, erwartet ihn eine böse Überraschung:
Vor den Toren warten Achille und Marville Vermont auf ihn!

„Wir müssen uns unterhalten, Zachary“, höre ich Achille Vermont sagen.

Ich erblicke plötzlich wieder das dunkle Kellergewölbe, welches für die von
mir geschilderten Ereignisse nicht ohne Belang zu sein scheint.

Und auch diesmal durchwandert sie Nikolei hastig, der inzwischen nichts
von seiner Zwielichtigkeit eingebüßt hat.

Wirsch stürmt er in das Gemach der beiden schicksalsträchtigen vermummten
Gestalten. „Nikolei!“, ruft Remierre vor Überraschung.

„Mein Herr! Etwas Ungeheuerliches scheint sich zu ereignen! In der ganzen
Stadt ist die Rede davon!“, teilt Nikolei aufgeregt mit.

„Um Himmels willen, Nikolei, worum handelt es sich denn?“, wirft die andere
vermummte Gestalt und Gefährtin Remierres ein.

„Morgen Abend wollen sich die Familien Vermont und Baskerhound wieder
versöhnen, und zwar für immer!“, bringt Nikolei atemlos hervor.

Diese unerwartete Botschaft löst in den anderen Beiden blankes Entsetzen
aus. „Wie?“ „Warum das?“ „Seit wann?“, rufen sie durcheinander.

„Die Gerüchte halten sich hartnäckig. Sie sollen sich nach Sonnenuntergang
auf dem großen Marktplatz treffen“, berichtet Nikolei.

„Das kann nicht sein! Sie können sich die ganzen Grausamkeiten, die sie
sich gegenseitig angetan haben, doch nicht einfach vergeben!“

Remierres Gefährtin wirkt sehr erschüttert über die Nachricht, während er sich
langsam wieder zu fassen scheint. „Es ist wirklich unglaublich.“

Sie schweigt. „Aber wir sollten jetzt nichts überstürzen, Juliette“, fährt Remierre
fort, „sondern in aller Ruhe neue Pläne schmieden.“

„Was für Pläne?“, fragt sie mechanisch. „Wir müssen wieder beginnen,
Hass und Zwietracht zwischen ihnen zu säen“, erwidert Remierre.

Plötzlich fährt Juliette mit der Faust auf den Tisch in der Mitte des Gemachs,
und von überall her hört man kurz ein Wispern und Fauchen.

Sie ist außer sich vor Wut und löst damit zum Schrecken von Nikolei und
Remierre teilweise ihre Kräfte aus.

„Ich habe das Warten und Intrigieren satt, Remierre! Ich will meine Rache,
morgen Abend, bevor sich das Pack wieder verbrüdert!“

„Aber es wäre Wahnsinn, jetzt direkt einzugreifen!“, warnt Remierre
eindringlich. „Schweig!“, schreit Juliette, „du hast ja leicht reden!“

Die Geräusche, die von draußen ins Kellergewölbe dringen, nehmen nun
eine unheimliche Lautstärke an. „Du hast deine Rache ja schon!“

„Juliette …“, sagt Remierre nun kleinlaut, vermutlich getrieben von einer
Mischung aus Rücksicht und Furcht. „Morgen, Remierre!“

„Du willst also unbedingt bald zuschlagen?“ „Ja, mein Geliebter. Sie müssen
sterben. Ich werde sie alle töten. Ich möchte sie verenden sehen!“

Und so vergeht ein Tag, macht den Weg frei für den Anbruch eines gebannt
erwarteten Abends. Wir befinden uns nun auf dem großen Marktplatz.

Die Sonne steht kurz vor dem Untergang. Einige Schaulustige sind bereits
dort versammelt. Recht mutig von ihnen, wie ich finde!

Als die letzten Sonnenstrahlen fliehen, hört man aus der Ferne lautes Getöse.
Und zwar aus zwei verschiedenen Richtungen.

Zwei Scharen von Reitern stürmen nun auf den Marktplatz zu, eine aus
dem Osten und eine aus dem Westen. Sie sind pünktlich!

Bei den beiden Gruppen handelt es sich um sämtliche Mitglieder der
Familien Baskerhound und Vermont. Sie steigen von den Pferden.

Totenstille herrscht auf dem Marktplatz. Auf der einen Seite tritt
Zachary Baskerhound nach vorne, begleitet nur von Viktor.

Auf der anderen Seite treten ihnen der massive Achille Vermont und
sein Sohn Marville entgegen. Die Menge hält den Atem an.

Doch unerwarteterweise beginnen keine Kampfhandlungen. Zachary und
Achille, die beiden Familienoberhäupter, reichen sich sogar die Hände!

Zachary erhebt als Erster die Stimme. „Noble Vermonts! Es freut mich,
dass ihr zu so später Stunde erschienen seid!“

„Die Freude ist ganz unsererseits, werter Zachary!“, erwidert Achille. „Wir
sind heute aus einem besonderen Grund hier!“, spricht er zur Menge.

„Jedem hier ist bekannt, dass der Hass zwischen unseren Familien seit
Jahrhunderten lodert!“, führt Zachary weiter aus. „Bis heute!“

„Doch wir sind zu der Einsicht gelangt, dass dieser Hass eines Tages
erlöschen muss. Ja, wir wissen, dass er es kann!“

„Und dieser Tag ist heute gekommen!“, proklamiert Achille enthusiastisch.
„Lasst uns die Vergeltung vergessen!“, schlägt Zachary vor.

„Was geschehen ist, ist geschehen. Lasst es uns dabei belassen. Denken
wir nicht an die Vergangenheit, denken wir an die Zukunft!“

„Kein Funke und kein Blutstropfen soll unsere Familien jemals wieder zur
Rachsucht verführen!“, schließt Zachary.

„Dann muss wohl jemand anderes für Blutvergießen sorgen!“, ruft jemand
aus der Menge. „Wer wagt es?“, fragt Zachary erbost.

Es treten zwei vermummte Gestalten aus der Menge hervor. „Wir wagen
es!“, spricht eine davon. „Wer seid ihr?“, fragt Achille entgeistert.

„Ihr kennt uns! Wir gehörten einst euren Reihen an!“, antwortet eine
der beiden Gestalten. Beide offenbaren nun ihre Gesichter.

Der Anblick schockiert die gesamte Menschenmenge. Beide Gestalten
sind durch Verbrennungen und Narben stark entstellt.

Und beide tragen auf der Stirn das gleiche eigenartige Symbol. Es sieht
aus, als wäre es ins Fleisch eingebrannt worden.

Auch wenn kaum noch Gesichtszüge erkennbar sind, so sehe ich nun bei
den meisten Vermonts und Baskerhounds Erinnerungen hervorsprudeln.

Die Bilder ermöglichen mir einen tiefen Einblick in die Hintergrundgeschichte
dieser beiden bemitleidenswerten Kreaturen.

Ich sehe einen jungen, gesunden Mann. Er befindet sich in der Gesellschaft
von Danilo Vermont. Er nennt ihn Remierre. Er nennt ihn Bruder!

So sah also eine der Gestalten aus, bevor sie so zugerichtet wurde! Und allem
Anschein nach gehört Remierre zur Familie Vermont.

Auch die andere Gestalt erblicke ich nun in ihrer früheren Verfassung. Bei
ihr handelte es sich um eine junge und schöne Frau!

Sie befindet sich in der Gesellschaft der Baskerhounds. Auch mit Zachary
sehe ich die junge Dame, die sie Juliette nennen.

Doch wie fanden diese beiden Mitglieder zweier verfeindeter Familien
zueinander? Oh, ich sehe es schon kommen! Ja, ich sehe die beiden!

Sie sind jung und schön. In einem entlegenen Waldstück treffen sie
sich. Ihr Unglückseligen! Was beschwört ihr nur herauf?

Sie widersetzen sich der Vernunft! Ihre Liebschaft wird bald aufgedeckt.
Eine Baskerhound und ein Vermont, ein Skandal!

Der Kodex kennt keine Gnade: Er ordnet Folter, Verätzung, Verstümmelung,
Brandmarkung und Verstoßung der sündhaften Liebhaber an.

Ich möchte mir die Einzelheiten ersparen und wende meinen Blick wieder
dem Hier und Jetzt zu. Alle Vermonts und Baskerhounds sind entsetzt.

Zachary erhebt, wie so oft, als Erster die Stimme: „Und was fällt euch
Namenlosen ein, euch der Verbannung zu widersetzen?“

„Was fällt euch ein, uns im Namen des Kodex erst zu Aussätzigen zu
machen und euch dann wider eure Grundsätze zu verbrüdern?“

„Das kann ich dir sagen, Remierre“, mischt sich nun Achille ein. „Wir
wollten herausfinden, ob uns jemand von außen manipuliert!“

„Und diejenigen, die uns womöglich gegeneinander aufhetzen, aus ihrem
Versteck locken!“, fügt Zachary hämisch grinsend hinzu.

Remierre und Juliette sind für einen kurzen Augenblick sichtlich konsterniert,
fangen sich dann aber wieder. Juliette schnaubt abfällig.

„Also ist diese Verbrüderung eine Farce. Intelligent wie immer, was, Zachary?
Aber es ist mir gleich. Wir regeln das hier und jetzt.“

„Was regeln wir hier und jetzt?“, fragt Zachary zornig. Remierre antwortet ihm:
„Ihr habt uns auf die größte Art und Weise geschändet.“

„Und ihr sollt dafür nicht ungestraft davonkommen!“, droht Juliette. „Eure närrische
Familienfehde wird heute enden!“

„Denn wenn alle verbliebenen Vermonts und Baskerhounds endlich tot sind“, erklärt
Remierre, „dann gibt es auch keinen Konflikt mehr!“

Episode VII

Juliette schließt die Augen und fällt bald in eine Art Trance. „Verflucht!“,
ruft Zachary, der diesen Zustand bei ihr nur allzu gut kennt.

Er wendet sich an die unbeteiligten Zuschauer, die noch nicht geflohen
sind. „Ihr solltet lieber von hier verschwinden!“, ruft Zachary.

Es dauert einen Moment, aber nun befolgen die Unbeteiligten tatsächlich
Zacharys Rat und verlassen den Marktplatz nach und nach.

Inzwischen hat sich eine unheimliche Geräuschkulisse aufgebaut, bestehend
aus Schluchzen, Gelächter und Gekeuche. Was blüht uns hier nur?

Juliette reißt ihre Augen wieder auf, die nun unheimlich weiß leuchten. Sie gibt
einen unmenschlich klingenden Schrei von sich.

Plötzlich tauchen überall Geister und Gespenster auf! Ich täusche mich nicht, es sind
leibhaftige Phantome, die hier beschworen worden sind!

Sie stürzen sich auf die hier versammelten Baskerhounds und Vermonts und vermögen
es, ihre menschlichen Gegner auseinander zu treiben.

Nur die wenigen Familienmitglieder mit höherem Rang bleiben angesichts der Geisterarmee
gelassen und fechten die übernatürlichen Angriffe ohne Mühe ab.

„Nicht schlecht, Juliette, das wird den Großteil von uns sicher beschäftigen“, lobt Zachary,
„doch was unternimmst du gegen uns?“

„Wie wäre es damit?“, fragt Juliette mit einer Stimme aus einer anderen Welt, und
beschwört ein Dutzend machtvolle Dämonen aus jener herauf.

Jeweils sechs davon stürzen sich auf Zachary und Viktor, die Stärksten der
Baskerhounds, und bereiten ihnen erhebliche Schwierigkeiten.

„Die beiden sind wohl erstmal beschäftigt“, bemerkt Achille, der die Szene
beobachtet hat. „Dann knöpfe ich mir dich mal vor, Remierre!“

„Versuch ruhig dein Glück, Muskelprotz!“, erwidert Remierre spöttisch
und erhebt die Hand. Plötzlich fängt die Erde an zu beben.

Aus dem Boden erwächst ein riesiger Titan aus Sand und Schlamm;
ein Golem so groß wie ein Haus! Achille macht sich angriffsbereit.

Unbeeindruckt von der Größe seines Widersachers stürmt Achille auf
ihn ein und schleudert ihm seinen Streithammer entgegen.

Die Waffe trifft den Golem mit voller Wucht am Kopf und zerschmettert
ihn komplett. Doch in Windeseile wächst der Kreatur ein Neuer nach!

„Marville, ich fürchte, das hier wird etwas komplizierter!“, ruft Achille seinem
Sohn zu. Dieser nickt nur und läuft davon.

Währenddessen müht sich Viktor Baskerhound noch mit den sechs Dämonen
ab, die auf ihn gehetzt wurden. Bei Zachary sieht es schon besser aus.

Die Hälfte seiner Widersacher hat er bereits erledigt. Damit hat Zachary sich
genug Ruhe erkämpft, um sich etwas länger konzentrieren zu können.

Mit der schieren Kraft seines Geistes schafft er es nun, die restlichen drei
Phantome mit einem Schlag zu vernichten.

„Ist das alles, was du zu bieten hast, Aufrührerin?“, fragt Zachary Juliette
mit hörbarer Geringschätzung in der Stimme.

„Oh nein“, entgegnet Juliette kalt. „Dafür, dass du mich damals so
zugerichtet hast, habe ich etwas ganz Besonderes für dich!“

Ein schmerzerfüllter Schrei ertönt. Er stammt von Achille, der
vollends unter einem Fuß des Golems begraben wurde.

Doch da betritt ein zweiter Gigant das Schlachtfeld: Es handelt sich
um ein lärmendes, mechanisches und dampfendes Ungetüm.

Schwerfällig stapft der Riese zum Golem. „Da bist du ja endlich wieder,
Marville!“, ruft Achille dem marschierenden Apparat zu.

Marville? Was hat dieses unheimliche Gerät mit ihm zu tun? Da, ich
erblicke ihn, tatsächlich! Er sitzt auf dem Kopf der Maschine.

Von dort aus bedient er den Titanen über eine Vielzahl an Hebeln. Er lässt
ihn nun gegen den Golem rammen.

Das reicht Achille aus, um sich endlich zu befreien. „Marville, ich kann keinen
Schwachpunkt an dem Monstrum finden!“, warnt er.

„Lass mich nur machen“, entgegnet Marville von ganz weit oben, und veranlasst
seine Maschine zu weiteren Attacken auf den Golem.

„Erinnerst du dich noch an die grässliche Geschichte von Claude Baskerhound,
Zachary?“, fragt Juliette ihren Widersacher.

Ich erinnere mich natürlich! Claude Baskerhound wollte seinen Widersacher
aus den Reihen der Vermonts um jeden Preis bezwingen!

Er verfluchte seinen Gegner daher und hetzte den ruhelosen Geist einer
grausamen Baronin auf ihn. Ein überaus hässlicher Zug von Claude!

„Wer von uns erinnert sich nicht an dieses schreckliche Märchen aus
grauer Vorzeit?“, fragt Zachary. „Was ist nun damit?“

“Dieses Märchen könnte für dich heute Abend zur bitteren Realität werden!”
“Und wie willst du das bewerkstelligen, Weib?”

„Das Phantom der Baronesse“, erwidert Juliette ruhig, „ich kann frei darüber
verfügen!“ Daraufhin wird Zacharys Gesicht kreidebleich.

„Du glaubst mir nicht? Dann sieh her!“, ruft Juliette und schließt die Augen.
Daraufhin fängt es plötzlich an zu regnen.

Der Regen hat eine seltsam milchige Anmutung. Zachary ist wie erstarrt. Er wird
nun von immer dichteren Nebelschwaden umgeben.

Ähnlich wie der Regen hat auch dieser Nebel ein widernatürliches Erscheinungsbild.
Er ist pechschwarz! Bald bedeckt er Zachary komplett.

Als sich der Nebel daraufhin wieder lichtet, ist von Zachary nichts mehr zu sehen!
Was ist da bloß geschehen?

“Patriarch, nein!”, schreit Viktor verzweifelt. In diesem Moment der Schwäche
wird er von den Phantomen überwältigt.

„Verdammt, die Baronesse hat Zachary in ihre eigene verfluchte Dimension
gezogen!“, bemerkt Achille. „Sie wird dort seine Seele verzehren!“

„Wir haben hier ganz andere Probleme, Vater!“, ruft Marville von seinem
Stahlgiganten aus, der gerade mit dem Golem ringt.

Schließlich gelingt es diesem, sich aus dem Griff von Marvilles Maschine
zu befreien. Der Sandriese holt sofort zum Gegenschlag aus.

Marvilles mechanisches Geschöpf wird mit voller Wucht getroffen und trotz
seines Gewichtes durch die Luft geschleudert.

Das dampfende Ungetüm kracht mitten in ein großes Anwesen. „Marville!“,
schreit Achille, und wird daraufhin auch vom Golem getroffen.

Der Schlag schleudert das Familienoberhaupt der Vermonts so hart auf den
Boden, dass Achille fast bewusstlos wird.

Nun wendet sich der Golem Viktor Baskerhound zu, der vor lauter Angst immer
noch keinen der Dämonen besiegt hat, die auf ihn gehetzt wurden.

Die von Remierre beschworene Kreatur holt nun wieder zum Schlag aus, um
auch Viktor Baskerhound den Rest zu geben.

Sollte nun auch der letzte mächtige Krieger aus den Reihen der Vermonts
und Baskerhounds fallen? Der Triumph von Remierre und Juliette naht!

Doch da schießt ein dunkler Schatten durch die Brust des Golems! Eine
dunkle Kreatur landet daraufhin auf dem Boden.

Ich erblicke einen schwarzen Dämon! Auf seiner Brust befindet sich
ein riesiges Auge mit roter Iris, das mir sehr bekannt vorkommt.

Auch wenn man an der Kreatur keine menschlichen Züge mehr erkennt,
so muss es sich bei ihr um Christopher Vermont handeln!

Allem Anschein nach lässt ihn der teuflische Ring nicht einmal Ruhe im Tode
finden! Doch was hält Christopher da im Arm?

Ein rotes Juwel, so groß wie ein menschlicher Kopf! Er hält es nun nach
oben und ruft: „Achille! Das hier ist das Herz des Golems!“

Achille, der inzwischen schon wieder aufgestanden ist, greift sofort zu
seinem Streithammer und schleudert ihn in Christophers Richtung.

Der Hammer trifft das Juwel so hart, dass es in unzählige Splitter zerspringt.
Der Golem gibt ein ohrenbetäubendes Grollen von sich.

Daraufhin zerfällt das Ungetüm wieder zu dem Staub, aus dem es erschaffen
worden ist. „Nein, das darf nicht wahr sein!“, schreit Remierre.

Christopher Vermont stürmt sofort auf Remierre zu und rammt ihm eine
seiner klauenbewehrten Hände in den Brustkorb. „Juliette!“, keucht er.

Dann sackt er zusammen. „Remierre!“, schreit Juliette entsetzt. In diesem
Moment der ausgesetzten Konzentration hört der milchige Regen auf.

Die Geister, die alle übrigen Baskerhounds und Vermonts in Schach gehalten
haben, verschwinden nun auch nach und nach.

Ein letztes Mal tauchen die schwarzen Nebel wieder auf, und geben Zachary
Baskerhound wieder frei. Juliettes Beschwörungen sind erloschen!

Zachary hat die Begegnung mit der Baronesse überlebt! Doch in welchem
Zustand! Er wirkt gebrochen, sein Blick ist leer.

Von der bedrohlichen Macht, über die der Greis einst verfügte, spüre ich
keinen Funken mehr!

“Patriarch! Was hat diese Bestie bloß mit Euch gemacht?!”, schreit Viktor
außer sich. “Dafür wird diese Hexe büßen!”

Er nutzt nun sofort die Unachtsamkeit von Juliette aus und stürmt
auf sie zu, mit dem Schwert im Anschlag.

Sie kann nicht mehr rechtzeitig reagieren. Viktors Klinge bohrt sich
durch ihre Brust. Juliette geht sofort zu Boden.

Viktor läuft wieder zurück zu Zachary, der kaum noch aufrecht stehen
kann. „Der Aufstand der Namenlosen ist beendet“, teilt Viktor ihm mit.

Doch Zachary zeigt keine Reaktion. Er muss seine gesamten mentalen
Kräfte aufgeopfert haben, um die Begegnung mit der Baronesse zu überleben.

„Niemand mischt sich in unseren Konflikt ein!“, bemerkt Achille. „Ihr
habt es ihnen aber auch zu einfach gemacht!“, behauptet Viktor.

„Was soll das denn heißen?“, fragt Christopher gereizt. „Achilles Torheit ist
daran schuld!“, erwidert Viktor wutentbrannt.

„Wie könnt Ihr es wagen!“, brüllt Achille. „Was fiel Euch ein, uns für Eure
Vergiftung verantwortlich zu machen?“, fragt Viktor.

„Woher sollte ich wissen, dass diese beiden Namenlosen dahinterstecken?
Und euch verlogenen Hunden ist doch alles zuzutrauen!“

„Dann werden wir Euch wohl zeigen müssen, was uns tatsächlich zuzutrauen
ist!“, erwidert Viktor zornig. „Wir werden uns wiedersehen!“

Mit diesen Worten verlässt Viktor Baskerhound den Schauplatz, und die
Angehörigen seines Clans folgen ihm.

Und auch ich werde diesen Schauplatz verlassen. Wäre der Aufstand der
Namenlosen bloß geglückt! Das hätte all dem Leid ein Ende gesetzt!

Doch die törichte Fehde zwischen Vermonts und Baskerhounds wird weitergehen,
bis die ganze Welt von den Flammen ihres Hasses verzehrt wird.

Ich bin es, der alles sieht, was geschieht, in Bildern, in Träumen, in Fetzen. Und
ich bin es, der schildert, ohne Anteilnahme, ohne Urteil.

Doch nun verschließe ich meine Augen. Und hülle mich in Schweigen. Voller
Schmerz. Voller Verachtung.

Mordechaj
29.08.2010, 01:03
Ich bin nun endlich mal dazu gekommen, mir das ganze in Ruhe zu Gemüte zu führen. Leider habe ich damit schon wieder ein ganzes Stück von dem verpasst, was du bis zum aktuellen Zeitpunkt hinzugefügt hast. Ich werde das bei der nächsten Gelegenheit noch nacharbeiten, beziehungsweise - wenn du Lust und Zeit finden solltest, poste hier ruhig auch in Abständen nach, was du zur Geschichte hinzufügst, ich bin mir ziemlich sicher, dass sie nicht nur mich interessiert. ;)


Interesse ist hier das Stichwort, denn dein Schreibstil und deine Schilderungsgabe wecken es schnell. Ich werde jetzt davon absehen, im Einzelnen auf Passagen einzugehen, das lohnt sich sowieso nur, wenn die Leute Schreib- oder Ausdrucksfehler machen, dein Text ist aber in diesen Belangen wünschenwert einwandfrei.

Trotzdem möchte ich anfügen, dass ich deine Art und Weise, den Ich-Erzähler einzusetzen, über alle Maßen überzeugend und passend finde. Normalerweise eignet er sich für das Genre nur als handelnd involvierter Protagonist mit entsprechenden Charakteristika, deine Darstellungsweise entlockt dem Ich allerdings eine sehr schöne, immersive Facette, die sich mit dem Präsens meisterlich zu vereinen weiß.

Nun mag ich deine Art, die äußeren Umstände zu schildern und eine gewisse Grundstimmung hervorzurufen, denn du beherrschst beide Kniffe bis zur Perfektion, wie mir scheint. Vor allem die Einleitung ist sehr einnehmend und regt - wie das ideeller Weise sein sollte - zum Weiterlesen an. Wo für mein bescheidenes Empfinden noch Verbesserungsbedarf herrscht, das ist die Konstruktion von Dialogen. Oder vielleicht eher ihre Darstellung, denn teilhaber wirkt das gesprochene Wort hier sehr konstruiert und auf undienliche Weise gestelzt. Im Grunde würde das zum englischen Großbürgertum - oder zu an deren Verhältnissen inspirierten Familien - passen, aber hier klingt das weniger distanziert, wie es mit dieser Prämisse sein sollte, als dass es unglaubwürdig erscheint. Ich kann leider nicht genau den Finger draufsetzen, was genau der Störfaktor ist, sieh mir diese unzureichende Ausführung bitte nach. Vielleicht findest du ja selber noch Dinge, die sich als Schwachstelle entpuppen. Zu meinem Unmut kann ich dir nicht mehr Hinweis geben, als dass die Dialoge in ihrer Glaubwürdigkeit verbesserungswürdig sind.

Nichts desto trotz ist das wirklich eine sehr beeindruckende und solide Arbeit, auf die du bisher stolz sein kannst und welche ich mit Freude weiterverfolgen mag - was im Übrigen etwas hält, denn normalerweise ist das nicht mein bevorzugtes Genre. Was sich auf Twitter bisher hinzugefügt hat, hatte ich leider im Moment nur zu überfliegen die Ruhe, merke aber beim Querlesen, dass sich der Plot verdichtet, was nebenbei bemerkt ein allgemeines Talent zur Inszenierung beweist.

Ich hoffe, ich konnte dir ein klein wenig weiterhelfen - vorwiegend war ich ja nur zu Lob in der Lage - und wünsche dir weiterhin viel Spaß mit deiner Story, für die du mindestens einen neuen Leser gewonnen hast. ;)

e7
30.08.2010, 18:42
Danke, dass du dir die Zeit genommen hast, dir die Sachen durchzulesen, und ich entschuldige mich auch dafür, dass du dich durch den Twitter-Account wühlen musstest. Ich könnte etwas mehr hinmachen mit dem Nachposten hier. Jedenfalls habe ich schonmal die nächste Episode hinzugefügt.

Das Feedback fiel um einiges positiver aus, als ich erwartet hatte :) Der Ich-Erzähler und die Präsensform wurden beide übrigens aus der Not geboren, denn bei 140 Zeichen Begrenzung ist nicht viel Platz für Vergangenheitsformen.

Danke auch für die kritischen Anmerkungen bezüglich der Dialoge. Leider kann ich als Urheber des Textes erst recht nicht festmachen, woran die Dialoge haken. Spontan würde ich vermuten, dass ich zu wenig Zeit und Raum habe, um sie ordentlich zu schleifen. Oder es liegt daran, dass ich versuche, die Figuren hochtrabend sprechen zu lassen, sie sich im Endeffekt aber doch nur dumm anmachen. Ich werde in Zukunft jedenfalls mal mein Augenmerk darauf legen.

e7
14.05.2011, 23:28
Ich habe die Geschichte inzwischen fertigstellen und komplett überarbeiten können und sie im ersten Posting nacheditiert. Alternativ dazu gibt es auch eine PDF-Fassung (http://www.lowbudgetstories.de/files/nebeldunst.pdf).