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Ranmaru
08.04.2010, 10:47
Hallo!

Ich würde gerne eine kleine Meinungsumfrage / ein kleines Brainstorming zum Thema Sexszenen in Romanen starten. Hier geht's nicht darum, ob ihr Sexszenen generell gut oder schlecht findet (das ist, denke ich, jedem selbst überlassen), sondern eher darum, wie ihr sie, wenn ihr sie denn vorfindet, gerne lesen wollt.

Die deutsche Sprache hat, meiner bescheidenen Meinung als Autor nach, nicht gerade ein breites Kontingent an Vokabeln, die sich dafür eignen. Wir haben die relativ anatomisch klingende Ecke, mit Penis und Vagina, Verkehr, etc., und dann die relativ vulgär klingende Ecke mit Schwanz, Fotze, etc. Dazwischen liegt nichts, abgesehen von den Kinderwörtern, die aber wohl jeden erotischen Reiz abtöten, wenn sie in einem Fließtext vorkommen.
So etwas wie neutral-umgangssprachliches Vokabular wie die englischen dick und pussy fehlen total—und ich weigere mich, das Wort Muschi zu benutzen, dann muß ich beim Schreiben schon lachen. Und solche komischen Metaphern wie “Männlichkeit” oder “Liebesgrotte” gehen mal gar nicht.

Worauf ich hinaus will: wenn ihr eine Sexszene lest, oder sogar schreibt, wie tut ihr das? Welchen Vokabulars bedient ihr euch, und was wollt ihr lesen, damit es nicht entweder total steril oder übertrieben vulgär klingt?

Ich freue mich auf eine rege Diskussion!

Daen vom Clan
08.04.2010, 11:02
Welche englischen Wörter kennst du denn, die sich deiner Meinung nach eignen?
Ich würde bei dick und by pussy total beginnen zu lachen oder dem Schriftstück das Niveau einer Pornoseite attestieren.
Wenn ich mich mit meinen englischen oder amerikanischen Kollegen über solche Themen unterhalte, dann sind sie immer sehr amüsiert, wie "treudoof" wir der englischen Sprache hinterherrennen und (angeblich) nicht merken, dass uns die Sprache "nur" cool oder elegant vorkommt, weil sie in allererster Linie eben ungewohnt ist.
Mehrheitlich klingen englische Texte von Deutschen in amerikanischen Ohren aber so ungelenk und mit einfachsten Wörtern durchsetzt, wie wir unsere Texte im Deutschen bewerten würden.

Kurzum: Durch das einfach fehlende Vokabular und Gefühl für die Sprache ist die Qualität der meisten Texte in deutsch oder englisch gleich - ABER uns Deutschen kommen die englischen Texte eleganter (oder bei u20 (oder Waku) "cooler" vor)

So zumindest die Ansicht der gleichaltrigen und ebenfalls sehr internet- und forenbewanderten Kollegen.


Themenbezogen finde ich, dass man zumeist eh weiß, was gemeint ist und dass viele Autoren gerade bei Sexszenen viel kreativer zu sein versuchen, als bei jeder vorangegangenen Szene, grade weil solche Szenen oftmals sehr unterschiedlich aufgefasst werden.
Bei den Werken, die ich gelesen habe und die ich als angenehm zu lesen empfand, konnte ich mit Wörtern wie Scham, Männlichkeit, Weiblichkeit gut fahren, während ich beispielsweise bei Wörtenr wie Nippel gedanklich sofort einbreche.

Ich denke also, dass die Wortwahl das schwerste Kriterium ist und deswegen würde ich dir empfehlen, mehr die Aktionen so zu beschreiben, dass klar ist, welches Körperteil gerade berührt wird, dann kannst du nämlich die Schlagworte vermeiden, die dir so unangenehm vorkommen und bei Denen man nie weiß, wie die Leserschaft reagieren wird.

Ianus
08.04.2010, 11:34
Seit wann ist es notwendig, für eine Sexszene die anatomischen Funktionen zu beschreiben? Kommt mir so vor, als sei John-K Peta mit seinen Schnittdarstellungen und der Vergrößerung und Verdeutlichung aller involvierten Teile der neue Standard von Erotik.

Ranmaru
08.04.2010, 11:56
Danke für die Meinungen.

Was das Englische angeht: Du hast recht, Daen, die meisten von Deutschen verfaßten englischen Texte klingen extrem holprig. Ich denke, ich bin inzwischen gut genug in Englisch, um das zu erkennen, aber dennoch würde ich mir noch nicht zutrauen, einen englischen Roman zu schreiben. Ich hab's schon getan, für mich selber, aber einem Verlag würde ich das nie vorsetzen.
Ich finde einfach, daß das englische Vokabular da mehr Auswahl bietet, unabhängig davon, ob es eleganter oder cooler klingt. Das liegt aber einfach an der Natur der Sprache. Deutsch hat im Gegenzug einfach mehr, ich nenn's mal literarisch wertvolle Wörter. Man kann zwischen hochgestochen und plump, elegant und einfach, etc. unterscheiden. Ist im Englischen schwieriger (siehe auch englische Fachliteratur, die sich oftmals viel einfacher liest als deutsche).

Aber zurück zum Thema. Mit Metaphern zu arbeiten ist für mich ein absolutes no-go. In einem Forum für professionelle Autoren, das ich lese, gab's auch mal eine entsprechende Diskussion, wo es als Stilblüte sondergleichen gehandelt wurde, Worte wie “Männlichkeit” zu benutzen. Das geht in Romanen, die sich bewußt als erotische Literatur ausweisen, und vielleicht in billigen Liebesroman, noch klar, aber sonst nicht. Ich persönlich würde mich damit auch nicht wohlfühlen, da mein Text ja zuerst einmal mir gefallen muß.

Ich kann ja auch mal meine eigene Meinung dazu sagen: ich persönlich lese am liebsten die neutralen Wörter wie Penis oder Vagina, weiß jedoch, daß das vielen Leuten zu steril klingt. Wie Du auch sagst, Vulgarismen und Pejorative sind irgendwie eher lächerlich als alles andere. Ich schreibe auch so, aber irgendwie gefällt's mir nicht. Ich drifte zu oft in genaue Beschreibungen des Prozesses ab, was ich gar nicht will. Auf der anderen Seite will ich aber auch nicht nur mit Umschreibungen arbeiten.
Ich schreibe, oder das versuche ich zumindest, so, daß es für mich selbst anregend ist. Und das ist eine Gratwanderung zwischen Ich weiß, was da genau passiert und Ich habe noch genug Raum für Phantasie.

Echt schwer.

Liferipper
08.04.2010, 12:40
Wenn es um Porn geht: Schreib englisch. Deutsch ist in dieser Beziehung einfach schrecklich!
Wenn es um Sex in einem umfangreicheren Werk geht: Musst du unbedingt so detailliert werden, dass sich diese Frage überhaupt stellt?

Und warum zum Geier stellt sich bei mir im Forum ständig die Sommerzeit wieder aus?

Daen vom Clan
08.04.2010, 12:41
Hey Ranmaru, ich wollte damit nicht sagen, "holprig", ich meinte damit eher:
Viele Deutsche halten ihre eigene Sprache für zu einfach gestrickt und weichen deswegen auf englisch auf, wo sie dann Texte schreiben, die ebenso "einfach gestrickt" sind, was viele Deutsche für sich aber nicht wahrnehmen.
Ich wollte auch auf keinen Fall auf dich anspielen oder gar deine Kenntnisse herabsetzen, verzeih bitte, wenn es so rübergekommen ist, ich wollte mehr auf die von dir beschriebene fehlende Breite an Vokabeln ansprechen, die man nach Meinung meiner Kollegen durch den Wechsel einer Sprache nicht umgeht, wenn man kein Native Speaker ist oder eben wirklich durch extreme Kenntnisse ein starkes Gefühl erworben hat.

Was deinen letzten Absatz betrifft: Meine Erfahrungen sind da wie die rein schriftliche Beschreibungen eines Fussballspiels - du kannst es normalerweise von der Wortwahl nie allen Recht machen, also versuche so zu schreiben, wie du gerne schreibst, denn letzten Endes sucht man sich Literatur auch nach seinem Autoren aus und nicht nur nach dem Thema. D.h. wenn ich Krimis lesen will, dann nehme ich mir den Autoren, der das für mich interessante Thema so umschreibt, wie ich es gerne lese.

Und Erotik kannst du eigentlich fast nur so schreiben, dass es auch dich anregt oder zum Träumen anregt, ich finde, man liest es den Autoren oft aus der Feder, ob wie mit Herzblut eine Szene geschrieben haben oder einfach nur eine Beschreibung herunterrattern, weil die Szene grade auftauchen muss.

Kurzum: Benutze ruhig in deinem Fall dann Wörter wie Penis oder Vagina (wobei ich hier das Problem sehe, dass die Vagina ein sehr gestreckter Begriff ist, mit einer Vagina kann man soviel "anstellen", dass die Beschreibung sehr ungenau wäre, du müsstest dann eher mit Klitoris, Schamlippen und Vulva arbeiten, denke ich mir, weil ein Zungenschlag auf ersterer ganz andere Sachen bewirkt als auf Letzterer ;) )

Gendrek
08.04.2010, 14:26
Deutsche Sprache und Sexszenen, ich sehe hier das gleiche Problem, Englisch klingt in der Beziehung irgendwo besser weil es nicht um die Muttersprache handelt.

Gut, ich hab mal ein wenig überlegt und meiner Meinung nach ist Bernhard Hennen sowas ganz gut gelungen, Fantasyautor, schrieb die Elfen und einige DSA Sachen die Elfenreihe habe ich von ihm auch gelesen, deswegen kam ich auf ihn.
Ich weiss nicht wie ich es beschreiben soll, es wirkt so auf mich als würde er versuchen anatomisch klingende Begriffe so gut es geht zu umgehen (gut, manchmal gehts nicht, so kommt auch schonmal Brust, Brustansatz und Glied zu Tage, allerdings nicht schlimm wie ich finde, zumal Glied sich besser anhört als Penis).

So wie du es bereits schreibst ist es mMn am besten, Umschreibungen oder aber ungenaue Angaben, sowas wie das z.B. "...seine Finger suchten sich nun langsam einen Weg nach unten, sie kreisten vorbei an ihrem Bauchnnabel, strichen sanft über ihre Hüften und schließlich glitten sie zwischen ihre Schenkel...", wie gesagt meine Meinung, so klingt es in meinen Ohren gut, keine detaillierten Angaben wo sich die Finger denn nun befinden, dem Leser Wörter nicht preiszugeben die genau sagen "Hey, der spielt jetzt mit ihren Schamlippen!" regt zum mitdenken an, gerade im Bereich Erotik finde ich soetwas ganz wichtig, eine Szenerie so zu beschreiben, dass sich der Leser selbst noch ein paar Dinge hinzudichten kann.

Karl
08.04.2010, 17:05
Ich stimme Gendrek da zu. Besonders bei solchen Geschichten eigenen sich unklare Umrisse und metamophorisches skizziere besser als klare und Auschweifende Beschreibungen und ganz schlimm klaren Nennungen. Ich musste bei vielen Geschichten von "69" einfach nur lachen, weil der Akt so seltam beschrieben war. Es wirkte unwirklich und nur ausgedacht, damit es Leute kaufen.

Ansonsten finde ich Englisch auch als passendere Sprache. Im Deutschen klingt es entweder nach einem schmutziges Sachbuch oder einem Jugendlichen mit zu viel Freizeit.

La Cipolla
08.04.2010, 17:40
Schönes Thema, im Ernst. ;)

Ich kann mich an vielleicht zwei, drei Bücher erinnern, in denen eine detailliert ausgeführte Sexszene nicht völlig gezwungen, unnötig und lächerlich rüberkam, im Englischen genau so wie im Deutschen. Das liegt unter anderem daran, dass ich früher viel Fantasy gelesen habe (wo sich die Autoren wohl nicht unbedingt durch ein gesundes Sexleben auszeichnen); aber auch in anderer Literatur ist das meiner Erfahrung nach ein kritischer Punkt, der ziemlich oft verhauen wird.
In dem Sinne die gleiche essentielle Frage wie immer beim Schreiben: Wieso? Ich denke, es gibt durchaus Gründe, 5 Seiten mit intimen Körperbewegungen und Bettgesprächen zu füllen, aber man sollte sich diese Gründe völlig bewusst machen. Wenn man das nicht kann, sollte man sich auf Anspielungen, indirekte Bemerkungen und passende Zusammenfassungen verlassen. Oft ist eine einzelne, ausdrucksstarke Bemerkung ausdrucksstärker als einige Seiten Beschreibung, und das gilt für Situationen, die das menschliche Schamgefühl ansprechen (Sex, Klogang, peinliche Konstellationen, Kitsch, usw), ganz besonders. Eine andere, weniger krasse Strategie in eine ähnliche Richtung wäre, das Ganze vage zu lassen, sich auf die Wirkung zu konzentrieren und die genannten kritischen Begriffe außen vor zu lassen: "Er drang in sie ein und sie krallte sich stöhnend an seinem schwitznassen Rücken fest" ist imho meilen besser als "Er rammte seinen pulsierenden schwarzen Schwanz in ihre enge, den Niagarafällen nicht unähnlich plätschernde Fotze". :rolleyes:

Letztendlich hängts auch vom Schreibstil ab. Wenn man sowieso jeden Furz ausführt, den der Hauptcharakter macht, ist eine detaillierte Sexszene eine gute Idee. Wenn man sich auf storyrelevante Aspekte konzentriert, reicht meistens eine Zusammenfassung (falls des für die Charakterbeziehung wichtig ist) oder die einzelne Szene im entsprechenden Sexualakt, die gerade relevant ist.
Wie erwähnt, meistens scheitert es daran, dass Leute a) eine Sexszene schreiben wollen oder b) meinen, dass eine längere Beschreibung auch einer emotional wertvolleren Charakterisierung gleichkommt. Was beides zweifelhaft ist, wenn man nicht gerade ernsthafte Erotik schreibt. Und die ist meistens auch bloß schlecht. :p

Ranmaru
08.04.2010, 17:59
Erstmal @ Daen
Ich habe Deinen Post nicht als Angriff oder so verstanden. Ich finde ja sowieso, daß Du recht hast. ;)

Weiter im Text.

Über das “Wieso” bin ich sowieso schon weg. Daran scheiden sich die Geister. Einige Leute finden eben, daß es nicht nötig ist, Sex überhaupt zu beschreiben, und wenn, dann sollte man es beiläufig in einem Nebensatz tun (“Wir schliefen miteinander.”).
Ich finde hingegen, daß Sexszenen, auch ausschweifend, durchaus zur Charakterentwicklung beitragen. Geschichten, die stark auf einen Charakter fixiert sind (oder auch auf mehrere) gewinnen meiner Meinung nach dadurch. Oder anders ausgedrückt: Liebesgeschichten gibt's fast überall, und Sex gehört irgendwo dazu.

Meine Geschichten sind meistens extrem auf einen Charakter bezogen. Ich schreibe auch so gut wie immer aus der ersten Person, meistens direkt aus Sicht des Hauptcharakters, manchmal aus Sicht eines Dritten. Und meine Geschichten sind Slice of Life, wenn man das so nennen kann … da muß einfach irgendwo auch Sex rein. Da ist auch drin, wie er ißt und trinkt, teilweise seitenlang. Wenn's für den Charakter unabdingbar ist, würde ich auch beschreiben, wie er auf dem Klo sitzt. Zumindest eine mehrseitige Szene, wo er sich übergibt, habe ich schon. :D

Mit geht's auch letztendlich gar nicht darum, erotisch sein zu wollen. Meine Bücher sind keine erotischen Romane. Sie sind vielleicht Liebesgeschichten, aber auch keine klassischen (wer so was haben will, soll “Gone With The Wind” lesen). Klar würde es mich als Autor freuen, wenn meine Leser irgendwie ein kleines Kribbeln bei den Szenen fühlen, einfach weil das eine super Bestätigung ist, daß ich Emotionen rüberbringen kann, aber eigentlich würde es mir schon reichen, wenn man bei denen Szenen keinen Facepalm macht und sich denkt: “Was ist denn das für ein Depp?” ^^

Aber es stimmt wohl, es kommt einfach ganz stark auch auf den persönlichen Geschmack an. Was ich gut finde (und ergo auch schreibe) müssen andere nicht gut finden. Immerhin ist das literarische Quartett an exakt dieser Diskussion zerbrochen. :D

Ich halt's übrigens mit Reich-Ranicki, ich finde “South of the Border, West of the Sun” ein unheimlich gutes Buch, und die Sexszenen sind grandios und erotisch. Und das, obwohl sie relativ neutral, fast schon steril geschrieben sind. Die olle Löffler hat doch keine Ahnung. ^^

La Cipolla
08.04.2010, 18:20
Mir ging es beim "wieso" jetzt übrigens nicht so um die generelle Frage, ob Sexszenen gut sind, sondern allen voran auch um die Frage, wo, wann und in welchem Ausmaß sie an eine spezielle Stelle in einer speziellen Geschichte passen. Nur, dass das nicht falsch kommt.
Edit: kk :p


Und meine Geschichten sind Slice of Life, wenn man das so nennen kann … da muß einfach irgendwo auch Sex rein. Da ist auch drin, wie er ißt und trinkt, teilweise seitenlang. Wenn's für den Charakter unabdingbar ist, würde ich auch beschreiben, wie er auf dem Klo sitzt. Zumindest eine mehrseitige Szene, wo er sich übergibt, habe ich schon.
Macht Sinn. ;)
Wobei mir bei solchen Büchern die Verfilmungen immer lieber sind, aus puren Zeitgründen (wo wir wieder bei reiner Ansichtssache wären).

Ranmaru
08.04.2010, 18:25
Nee, ist nicht falsch angekommen. Ich wollte nur darlegen, warum ich für mich diese Szenen einbaue. ;)

DFYX
08.04.2010, 20:36
Hmmm... schwieriges Thema. Es da auch nur der Hälfte aller Leser recht zu machen, ist schwierig. Ich erinnere mich an den Ausspruch einer meiner Deutschlehrerinnen, die meinte, Zusammenfassungen wie "Sie trieben es die ganze Nacht, bis sie vor Erschöpfung zusammen brachen." wären viel besser als ausführliche Beschreibungen, weil sich der Leser dann so viel dazu denken kann, wie er will. Meiner Meinung nach ist das so ziemlich das Intelligenteste, was ich in zwei Jahren Unterricht aus ihrem Mund gehört hab. Ganz so extrem muss es natürlich nicht sein, aber ich denke, im Wesentlichen hat sie recht. Beschreib die groben Zusammenhänge - etwa, welche Stellungen und wer seine Hände wann wo hat - aber überlass die Details dem Leser. So ziemlich jeder Erwachsene kann sich in etwa vorstellen, was passiert und wenn man sich die Details selbst dazu denkt, hat man unweigerlich ein Bild von der Szene im Kopf. Überdetailierte Beschreibungen wirken meiner Meinung nach dagegen eher abstoßend. Ein schönes Beispiel, wie man es nicht machen sollte, findet sich in Stan Nicholls - Die Orks. Man muss ihm zwar zugute halten, dass es einfach nur konsistent mit seinem sonstigen Schreibstil war und dass die abstoßende Wirkung in dem Fall angemessen war, weil es um eine Vergewaltigung geht, aber trotzdem war das einer der Gründe, warum ich das Buch nach der Hälfte weggelegt hab.

Falls dir die oberflächliche Beschreibung nicht zusagt, käme mir da noch eine andere Idee. Beschreib das Vorspiel relativ detailiert, das sollte noch ohne irgendwelche Peinlichkeiten machbar sein und da dürften die "Fachbegriffe" auch noch akzeptabel sein. Danach blendest du nach und nach weg vom Körperlichen und beschreibst zwischen ein paar Andeutungen, was grade passiert, was die Charaktere über die Szene - währenddessen und hinterher - denken. Vielleicht Erinnerungen an frühere Partner, vielleicht Zweifel, Nervosität, vielleicht Pläne für die Zukunft. Sowas trägt, sofern es passt, deutlich mehr zur Charakterentwicklung bei, als eine Beschreibung, was genau er in welcher Reihenfolge mit seinen Fingern zwischen ihren Beinen macht, um Gendreks Beispiel aufzugreifen. Wenn du dem Leser auch noch was Ausgefallenes liefern willst, beschreib ausnahmsweise die Gedanken beider Charaktere, auch wenn du dich im restlichen Buch nur auf einen konzentrierst.

Jerome Denis Andre
11.04.2010, 15:51
Hmmm ... Diffiziles Thema ...

Als negativ Beispiel würde ich vorallem Ken Folletts Bücher nennen, der leider in solchen Szenen leider mit seinem sonst so guten Erzählstil brich, wodurch das dann alles platt und aufgesetzt wirkt ...
(kann aber auch an der Übersetzung liegen ...)

Sehr gut, finde ich, wurde das Thema im historischen Jugendroman "Unter Gauklern" umgesetzt ... Da wurden explizit nur das Aus- und wieder Ankleiden beschrieben. Dazwischen der Akt an sich nicht, dafür aber die Gefühle, Emotionen und Gedanken, welche die handelnden Personen währenddessen haben ...

Mordechaj
11.04.2010, 19:58
Das Problem mit dem "Wie" ist eigentlich selten der Geschmack. Entweder ich lese ein Buch oder nicht. Dazu gehört viel mehr als das Inwendige des szenischen Aufbau's, sondern viel mehr die Gesamtheit eines Werkes.

Und daran solltest du dich halten. Du hast einen bestimmten, variierbaren Stil beim Schreiben (hoffe ich \o/ - ich habe eine Weile gedacht, man könnte nicht "keinen Stil" haben, aber das gibt es tatsächlich), den behalte auch bei sowas bei. Du kannst Brüche mit deinem Stil eingehen, das sollte aber einen Sinn haben, und zwar mehr Sinn als "Oh Gott, das war so mindblowing awesome, das erlebt der Ich-Erzähler in einer ganz anderen Dimension." . Sex ist bisher eine der Dinge, die im Literarischen weder die Empfindungs- noch die Erlebniswelt verändert - wer damit brechen will, soll das tun, wird aber sicher peinlich.

Punktum: Schreib doch einfach mal nieder, was dir in den Sinnen haust und poste es hier, dann kann man immer noch weitersehen. Es ist schwer, pauschal zu sagen "mach das soundso", weil es eben kein Soundso gibt.


Anregungen:

Sterilität ist eine Empfindung, die viele Menschen währenddessen haben. Das kann man untermalen und ausbeuten, gerade ein Ich-Erzähler wird immer in seine eigene Empfindungswelt abgleiten, also schreib doch genau in dem Stil, den dein Protagonist auch anschlagen würde, wenn er darüber redete. Es gibt eine Technik für den Erste-Person-Erzähler, deren Namen ich bisher nicht rausgefunden habe, bei der man sich im Brainstorming ein nacherzählendes Gespräch des Charakters vorstellt und das dann in flüssigere Gedankenform umsetzt. Ob das hier sehr wirksam ist, sei mal dahingestellt, es würde aber auf alle Fälle Sinn machen.
In puncto Sterilität geht es eben nicht darum, was die Leute lesen wollen (außer du bist auf Pornographisches/Voyeuristisches aus, was dein Post nicht vermuten lässt), sondern eher darum, wie es deinem Ich-Erzähler dabei geht.

Unterstreiche die Gedankenschnelle deines Protagonisten mit der Erzählgeschwindigkeit. Sexualität wird in der Literatur oftmals besonders andächtig und gespreizt (ui, Doppeldeutigkeit voran) dargetellt, das bedeutet: Hauptsätze. Viele Punkte, wenig Kommata. Gern auch mal Sätze ohne Prädikat. Empfindungen. Vorstellungen.
Deine Szenerie lebt von der Erzählgeschwindigkeit. Weil es hier nebenbei um Empfindsamkeit (nein, nicht die aus dem 18ten Jahrhundert) geht, willst du die Szene sicher strecken, um so viel wie möglich davon reinzupacken.

Ganz wichtig: Dinge anschneiden, nicht ansprechen. Was willst du mit "Männlichkeit", in welchem Zusammenhang gedenktest du, das zu verwenden? Warum "Penis" und "Vagina"? Du kannst die Dinge gern alle beim Namen nennen, wenn das zu deinem Protagonisten passt, dabei kommt es aber wieder auf die Funktion der Szene an; wenn sie herausstellen will, wie wenig poetisches Verständnis dein Charakter hat, sag "Ich steckte meinen Penis in ihre Vagina." ... in so ziemlich jedem anderen Fall würde ich zu etwas Simplen wie "Ich drang in sie ein." tendieren.

Ganz wichtig: Keine Floskeln und Platitüden. Die klingen entweder bescheuert, belustigend oder abstoßend, in jedem Fall zerstört das wohl mal so eben jedes Stück Tension, welches du dir hart erarbeitet hast.
Keine ausschweifenden mechanischen Beschreibungen. Der sehende und der fühlende Aspekt sind hier die wichtigsten, Handlung kann außen vor bleiben - außer, es entspricht deiner Intention, Handlungsabläufe zu schildern. Damit einher geht: So wenig progressive Verben wie möglich. Alles, was einen Vorgang impliziert, ist zu viel.
Was ich auch vermeiden würde, sind allzu hartnäckig explizite Beschreibungen von Körperteilen. Mach das nur, wenn es etwas besonderes "zu sehen" gibt. Alles andere versucht automatisch anzugeilen (und ja, dagegen kannst du als Autor nur selten irgendwas machen) und das dürfte gegen deine Intention verstoßen.

Das wichtigste von allem: Den Orgasmus nie aus der Innensicht beschreiben, sondern viel mehr nur erwähnen, wenn es denn wirklich nötig ist. Orgiastische Gefühle gehören zu der Gruppe Empfinden, welche sich nicht appropriiert und befriedigend (ui... x_x" - zu viel) beschreiben lassen. Alles, was damit impliziert ist, läuft auf etwas Money-Shot-Ähnliches hinaus; und glaub mir, das willst du nicht.

Ranmaru
11.04.2010, 20:32
Wow, vielen Dank. Dein Beitrag hat mir echt noch so in einiger Hinsicht geholfen.

Irgendwie hatte ich bei Sexszenen immer das Gefühl, noch deutlich mehr, ich nenn's mal massentauglich schreiben zu müssen, als sonst. Normalerweise bin ich auch eher der, der schreibt, wie er es für gut hält, und sich dann denkt, das wird anderen schon auch irgendwie gefallen, wenn sie meinen Geschmack teilen. Mir ist aber, warum auch immer, nie so wirklich gelungen, diese Einstellung auf Sexszenen zu übertragen. Das mag daran liegen, daß ich bisher einfach selbst wenig gute gelesen habe.

Warum ich Dinge beim Namen nennen will hat übrigens einen ganz einfachen Grund: die Charaktere sind einfach relativ direkt, und diese Direktheit möchte ich in der Szene auch ausdrücken. Ich bin mir nur selbst noch nicht ganz sicher, welche Begrifflichkeiten meine Protagonisten benutzen würden. Ich hab's nach mehrmaligem Überarbeiten inzwischen aber beim “Penis” belassen, weil mir das noch am kompatibelsten erscheint. Irgendwann war ich sowieso an dem Punkt, wo ich nur noch geschrieben habe, was mein Protagonist mir diktiert hat, und ich ihm die Worte gar nicht mehr so stark in den Mund legen mußte, wie am Anfang.

Ein anderer Charakter, der vorkommt, spricht hingegen recht derbe. Da darf dann auch mal der ein oder andere Kraftausdruck fallen—und wenn er spricht, geniere ich mich auch nicht mehr, das zu schreiben.

Huh, herrlich, endlich an dem Punkt angekommen zu sein, wo die Charaktere sich verselbständigen. Hat ja auch lange genug gedauert. :D

Daen vom Clan
11.04.2010, 23:20
Klingt doch super, dann nur noch eine Frage...wo und wann können wir deinen Erguss (;) ) lesen? :)

Ranmaru
12.04.2010, 09:22
Na hoffentlich noch dieses Jahr in einem Buchladen in eurer Nähe. :D

Daen vom Clan
13.04.2010, 20:22
Wie?
Ich kriege kein handsigniertes Freiexemplar? :(

Ben
13.04.2010, 21:09
Hmmm ... Diffiziles Thema ...

Als negativ Beispiel würde ich vorallem Ken Folletts Bücher nennen, der leider in solchen Szenen leider mit seinem sonst so guten Erzählstil brich, wodurch das dann alles platt und aufgesetzt wirkt ...
(kann aber auch an der Übersetzung liegen ...)

Sehr gut, finde ich, wurde das Thema im historischen Jugendroman "Unter Gauklern" umgesetzt ... Da wurden explizit nur das Aus- und wieder Ankleiden beschrieben. Dazwischen der Akt an sich nicht, dafür aber die Gefühle, Emotionen und Gedanken, welche die handelnden Personen währenddessen haben ...

Komisch ich finde, dass Ken Follets Bücher diese Szenen sehr gut beschreiben und "die Stimmung", wenn man das so sagen kann gut rüber kommt. Ich denke eher das Problem ist das man allgemein anders erzählt, wenn es zu solchen Szenen kommt, da das was sehr Intimes ist und der Autor da entweder erfindet oder eigene Erfahrungen verdaut. Naja wobei ich 5-7 Seiten gerade bei Büchern wie Säulen der Erde übertrieben finde, da kommts einem schon teilweise wie ein literarischer Porno vor. Achja Noah Gordon, benutzt da auch teilweise schöne Metaphern, siehe Medicus/Der Erbe des Medicus

Hast du denn vor, Liebesszenen in deinem Werk einzubauen, dass du das fragst?

Mit freundlichen Grüßen

Ben

Ben

Ranmaru
13.04.2010, 21:47
Hast du denn vor, Liebesszenen in deinem Werk einzubauen, dass du das fragst?
Ich habe es nicht nur vor, ich habe es schon getan. Mir ist nur beim mehrfachen Überarbeiten immer wieder aufgefallen, daß ich nicht zufrieden damit bin. Ich weiß immer noch nicht, ob ich es bin, aber inzwischen kommen die Szenen mir nicht mehr ganz so gekünstelt vor wie noch am Anfang.

Daen vom Clan
16.04.2010, 07:28
Sonst, schicke sie doch einfach rüber oder veröffentliche sie hier.
Auch wenn sie stark aus dem Kontext gerissen sein wird, evtl. kann man dann dazu mehr sagen wie sie wirkt?

Ranmaru
16.04.2010, 12:30
Vielleicht poste ich's bei Gelegenheit mal im Gold Member, oder woanders intern. Öffentlich posten von Dingen, die man gerne über Verlage veröffentlicht sehen will, ist so 'ne Sache; einige sind da ziemlich penibel und nehmen nichts, was man irgendwo im Internet auftreiben kann, daher bin ich da vorsichtig.

Als designierte Leseprobe geht's natürlich, aber bevor ich das mache, will ich über das Drafting hinaus sein. Soll ja keine schlechte Werbung für das Buch werden. :D

Daen vom Clan
17.04.2010, 21:02
PN und du bekommst eine ehrliche Meinung ;)
Und ich verrate dich nicht an deinen Verlag :D

Mordechaj
17.04.2010, 21:11
Tze, da hast du ja schon mindestens einen eifrigen Leser gewonnen. ^.^


Und ich verrate dich nicht an deinen Verlag :D
Ich übrigens auch nicht! ;) Aber nur, wenn du unsere Forderungen erfüllst und uns dein Skript aushändigst!