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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Literatur In mir



deserted-monkey
17.02.2010, 16:20
Wieder mal was ;) Könnte fast ein Fragment von etwas Grösserem sein ... Rückmeldungen sind wie immer gern gelesen ;)

Link zum PDF: PDF (http://npshare.de/files/fd894a50/In%20mir.pdf)







In mir

"Wie konnte so etwas geschehen?", fragte Ophylemuus, das Scheusal.
Hustend erhob sich der Angesprochene, wobei er den stechenden Blick nicht von der Leiche vor ihm abwendete. Die Zigarette in seinem schiefen Mundwinkel glühte einsam der heranschleichenden Nacht entgegen.
"Ich weiß es nicht genau, Inspektor.", flüsterte er und in den Ecken der Halle begannen sich die Schatten zu ballen. Dunkelheit kroch durch die großen Panoramafenster, das Wasser des Pools kräuselte sich, als wollte es vor ihrer Ankunft flüchten. Das Blut des Leichnams war weit über die weißen Kacheln verspritzt.
"Nennen Sie mich nicht so, Doktor!", donnerte das Scheusal. "Ich bin das nicht mehr."
"Entschuldigen Sie", murmelte dieser. "In letzter Zeit vergesse ich so viele Dinge. Es fühlt sich beinahe an, als würde eine Veränderung in mir vorgehen. Als würde mein inneres ... Selbst zerbrechen."
Das Scheusal ging nicht weiter darauf ein. Es schien sich nur für den entstellten Toten zu interessieren, der, alle Viere von sich gestreckt, zwischen ihnen am Boden blutete. Die schwüle Luft war erfüllt vom frischen Gestank des Todes, vermischte sich mit dem Chlor, der Mann lag noch nicht sehr lange hier. Sein Brustkorb war ein wüstes Durcheinander aus Knochen, Fleisch und Innereien. Allerdings war die klaffende Wunde so konstruiert, dass etwas aus ihr herausgebrochen sein musste, nicht umgekehrt. Im Körper dieses Opfers fehlte eindeutig der Hauptbestandteil.
"Wo ist seine Sonde? Können Sie sie spüren?", fragte der Doktor beinahe ehrfürchtig und trat seine Zigarette aus. Langsam schüttelte das Scheusal seinen Kopf und kratze mit den Pranken seinen massiven Leib. "Nichts, kein Echo.", sagte es dann mit seiner ekelerregenden Stimme. "Rein gar nichts. Verdammte Scheiße nochmal!"
Offenbar war ihm das Fluchen als einzige menschliche Eigenschaft geblieben. Alles andere hatte sich mit der Paarung verändert. Zum Glück wusste der Doktor nicht genau über die Einzelheiten bescheid, ansonsten hätte er sich trotz seines starken Magens bestimmt übergeben. Er war immer noch ein Mensch, nach allem. So verletzlich, irregeleitet von seinen falschen Gefühlen. So dumm.
Die Wasseroberfläche war nun ruhig, die Sterne begannen sich in ihr zu spiegeln. Welch eine schöne Nacht. Der Doktor bewunderte ihre Pracht, er hatte sich schon immer zu ihr hingezogen gefühlt. Doch heute blieb ihm keine Zeit zu wundern.
"Wir müssen sie finden. Sehen, was mit ihr passiert ist.", sagte Ophylemuus und schritt noch einmal prüfend um den Leichnam herum. Von ihm führte keine Blutspur hinweg, also musste der Jemand, der die Sonde entfernt hatte, sehr vorsichtig gewesen sein. Entweder hatte der Unbekannte sie in einer Art Behälter verschleppt, oder er hatte sich die Mühe gemacht, sie fein säuberlich zu reinigen. Vermutlich spielte die Antwort auf diese Frage aber sowieso keine Rolle mehr, denn die Sonde war mit großer Wahrscheinlichkeit außer Betrieb gesetzt worden, wenn das Scheusal sie nicht orten konnte. Trotzdem würden sie sich auf die Suche machen.
Langsam schritt der Doktor um das Becken herum, der aufgehende Mond erhellte sein blasses Gesicht. Beinahe wäre im die Brille von der krummen Nase gerutscht, im letzten Moment schob er sie wieder in Position. Die Narbe auf seiner Wange hatte erneut angefangen zu brennen.
Am anderen Ende des Pools entdeckte er einen feinen Blutspritzer auf den Kacheln, fast nicht sichtbar in der Düsternis der Halle. Wer auch immer die Sonde gestohlen hatte, war nicht umsichtig genug gewesen. Er war mit ihr hier entlanggekommen, da bestand kein Zweifel.
"Meister", flüsterte er, bedacht darauf, dass ihm das mit dem Inspektor nicht mehr über die brüchigen Lippen rutschte. "Ich habe eine Spur gefunden."
Obwohl der Raum so groß war, dass Ophylemuus ihn niemals hätte hören können, drehte dieser seinen bulligen Kopf in seine Richtung und begann nun ebenfalls, schweren Schrittes, um die Wasserfläche herumzukommen. Schließlich stand er neben ihm und blickte zu Boden.
"Da sieh her", grollte er. "Suchen wir weiter."
Von dort an gestaltete sich die Suche nicht mehr sonderlich schwer, denn immer wieder zeugten die kleinen Blutstropfen davon, dass die verlorene Sonde hier entlanggekommen war. Die Spur führte direkt zu den Umkleidekabinen. Vor diesen Räumlichkeiten befand sich ein größerer Blutfleck, aus dessen Zentrum zwei Spuren weiterverliefen. Eine in die Kabinen der Männer, die andere zu den Kabinen der Frauen, auch wenn letztere schon längst nutzlos geworden waren, prangte dennoch das ehemals typische Signet an der Tür.
"Rufen Sie mich, wenn Sie etwas finden, Doktor", fauchte Ophylemuus und betrat ohne eine Antwort abzuwarten die Männergarderoben. Der Doktor nickte beinahe unmerklich und zögerte. Irgendetwas stimmte hier nicht. Wieso teilte sich die Spur hier? War die Sonde zerbrochen worden? Nein, das war unmöglich. Wie konnte ein solch stahlhartes Konstrukt ohne weiteres zerteilt werden? Das war absurd. Es musste eine andere, logische Erklärung dafür geben. Vielleicht würde er sie hinter dieser Tür finden. Langsam öffnete er sie und blickte einen Moment in den dunklen Raum hinein, damit sich seine Augen an die Finsternis gewöhnen konnten. Fahles Mondlicht warf einen Schein über seine Schultern, außer den gekachelten Duschen und den dahinterliegenden Umkleidekabinen konnte er nichts erkennen. Langsam betrat er den Raum, die Duschhälse schienen sich ihm dabei wimmernd entgegenzustrecken. Plötzlich raste sein Puls, etwas war hier gar nicht in Ordnung. Sein Verstand hatte gelehrt, Gefahren zu riechen, täuschte ihn nur selten, und jetzt hatte er das Gefühl, jemand würde sich mit ihm in diesem Raum befinden. Wen verbarg die Dunkelheit vor ihm? Wer lauerte dort in ihr?
Sollte er es wagen, das Licht anzumachen? Doch seine Entscheidung wurde ihm abgenommen. Plötzlich bewegte sich die Finsternis vor ihm und eine Gestalt trat aus dessen Schatten. Erst konnte der Doktor sie nicht genau erkennen, doch dann trat sie in das flutende Mondlicht und er erschrak zutiefst. Keuchend taumelte er gegen die Tür. Wie konnte das möglich sein? Wie konnte sie sich so lange versteckt gehalten haben? Und vor Allem, wo? Wo hatte sie all die Jahre überlebt?
Er konnte sich kaum noch auf den Beinen halten und lehnte seinen schweren Körper gegen das Holz. Auf einmal fühlte er sich desorientiert, verwirrt, verwundert. Vor ihm stand eine Frau. Alles in ihm sträubte sich gegen diese Vorstellung, aber gegen die Wahrheit konnte er seine Augen nicht verschließen. Sie stand da, in Fleisch und Blut, lebendig. Als sie auf ihn zutrat, begann er vor Aufregung etwas Sinnloses zu stammeln, doch dann packte sie ihn an der Jacke und zog ihn in die Schatten hinein.
"Wir haben nicht viel Zeit", wisperte sie hastig. "Zum Glück stehst du noch nicht völlig unter ihrem Bann."
"Wer sind Sie?", fragte der Doktor völlig verstört und zusammenhangslos. Seine Hände zitterten so stark, dass er Angst hatte, Ophylemuus würde das Rasseln seiner Knochen hören können.
"Wer ich bin tut nichts zur Sache. Viel wichtiger ist, warum ich hier bin."
Der Doktor nickte nur, ihm fehlten die Worte. Sein Mund war staubtrocken, Schweiß rann ihm über das bleiche Gesicht. "Ich habe mich versteckt", fuhr die Frau flüsternd weiter. "In einer der Sonden. Es gibt noch weitere meiner Art. Wahrscheinlich ein Dutzend oder mehr. Sie alle stecken in den Sonden, aber sie haben Angst herauszukommen. Riesige Angst."
Was wenn Ophylemuus sie hörte? Was, wenn er ...
"Ich konnte mich befreien, aber es war schwere Arbeit. Siehst du, die Sonde liegt da hinten. Ich konnte sie aufbrechen. Mit der Kraft meines Willens. Ich denke, dass ich unbedingt herauswollte, um die Welt wieder zu verändern. So wie sie ursprünglich einmal war."
Sie unterstrich diese Worte mit einem flüchtigen Schulterzucken, als würden sie ihr überhaupt nichts bedeuten. Der Doktor wusste, dass man seinen Geist vom Körper trennen konnte, das war ein alter Hut, aber ihn in einer Sonde zu verstecken und danach in fester Gestalt wieder vor einem zu erscheinen? Diese Idee überstieg sein Fachwissen. Wie war sie in das Ding hineingelangt?
"Heute Nacht wird sich etwas ändern", fuhr sie fort. "Wir werden die alte Welt wiederherstellen. Ich weiß, du kannst dich vermutlich nur noch vage oder gar nicht mehr an sie erinnern, aber sie ist so viel besser als das Alles hier. Keine Ungeheuer, keine Sonden in den Körpern der Menschen, die ihre Seelen auslöschen. Beide Geschlechter. Richtiges Leben. Unkontrolliert. Frei."
Der Doktor glaubte Tränen auf ihren Wangen glitzern zu sehen. Wenn sie es nicht schon lange getan hatte, dann begann die Menschlichkeit sich wieder in ihm zu regen.
"Wie kann ich Ihnen helfen?", flüsterte er traurig.
Niemand konnte gegen Ophylemuus und die hunderten anderen Scheusale ankommen. Niemand konnte verhindern, dass sie weiter ihre Sonden pflanzten. Niemand konnte rückgängig machen, dass sie sämtliche weiblichen Geschöpfe des Planeten abgeschlachtet hatten.
"Wir müssen die Inspektoren auslöschen, so wie sie es mit uns getan haben. Es besteht keine große Hoffnung, dass wir es schaffen. Aber wir müssen es zumindest versuchen. Ich weiß, dass du an den Experimenten mitgearbeitet hast, dass du eine gewisse Schuld trägst, aber ich sehe auch, dass es noch nicht zu spät für dich ist."
Der Doktor rechnete jeden Moment damit, dass Ophylemuus erscheinen und ihn und die Frau in Stücke reißen würde. Für ihn ergab das alles noch keinen Sinn. Er wusste nur, dass eine Art Revolution ihren Gang zu nehmen schien.
"Es sind nicht alle Sonden mit der Schwärze dieser Ungeheuer gefüllt", hauchte die Frau. "In einigen steckt noch Leben. Geh, geh und halte Ausschau nach ihnen. Wenn du Jemanden siehst, der im Gegensatz zu den andern noch aufrecht geht, der vielleicht im Schatten steht und trotz all dieses Unheils noch lächeln kann, wirst du wissen, dass seine Seele noch da ist. Es gibt sie. Versuche diese Personen ausfindig zu machen, tue dich mit ihnen zusammen und gründe einen Widerstand. Suche nach ihnen."
Er wollte mehr wissen, wollte dieser Frau zuhören, aber das konnte er hier nicht länger.
Wie sollte er ihr nur zur Flucht verhelfen? Es grenzte an ein Wunder, das Ophylemuus noch nichts gehört hatte und herübergekommen war. Jetzt blieben nur noch Sekunden, dass wusste er. In seiner Panik packte er die Frau am Arm und wollte schon mit ihr im Schlepptau durch die Tür preschen und einfach davonrennen, so weit sie ihre Füße tragen würden, doch genau in diesem Moment passierte es. Ophylemuus brach wie ein wildes Tier durch die Trennwand der Garderoben, Mauerstücke regneten durch den Raum, bohrten sich wie Geschosse in die gegenüberliegende Wand. Im Mondlicht schien der Staub zu glitzern. Dann stand er vor ihnen, in seiner ganzen Hässlichkeit.
"Was tun Sie da, Doktor?!", brüllte er und entriss die arme Frau dessen festem Griff. Mit einem kräftigen Ruck riss er ihren dünnen Körper in zwei Stücke, fetzte mit den langen Krallen durch ihn hindurch und warf die spritzenden Stücke achtlos zur Seite. Der Doktor war in sich zusammengebrochen und kroch rückwärts auf den Pool zu. Ophylemuus folgte ihm, die blutigen Krallen gierig wetzend, als könnte er es kaum erwarten, sich auf ihn zu stürzen. Seine weißen Augen flatterten.
"Sie glauben ihr doch nicht etwa?!", schrie er. "Sie glauben doch nicht, was diese •••••••• Ihnen erzählt hat!? Oder, Doktor?!?"
"Ich ... - ich war schockiert", flüsterte der Doktor. "Ich konnte Sie in meiner Angst nicht früher verständigen. Es tut mir Leid. Und ich weiß nicht, was ich glauben soll. Ich weiß nicht einmal mehr, was sie mir gesagt hat."
"Glauben Sie oder nicht, Doktor?!!", kreischte Ophylemuus in wahrer Tobsucht, doch der Doktor erkannte, dass es sich bei dieser Gefühlseruption nur um einen Ausbruch der Angst halten konnte.
Und aus dieser Reaktion schloss er, dass wieder ein Fünkchen Hoffnung brannte.

Liferipper
18.02.2010, 10:09
Könnte fast ein Fragment von etwas Grösserem sein ...

Für eine eigenständige Geschichte lieferst du jedenfalls zu wenig Informationen. (Wie sieht das Scheusal aus? Wie sieht diese Sonde aus und wie groß ist sie? Ist die Fraunackt (:D).) Für einen Teil einer längeren Geschichte habe ich hingegen das Gefühl, dass du die Handlung zu schnell vorantreibst.

deserted-monkey
19.02.2010, 09:59
Für eine eigenständige Geschichte lieferst du jedenfalls zu wenig Informationen. (Wie sieht das Scheusal aus? Wie sieht diese Sonde aus und wie groß ist sie? Ist die Fraunackt (:D).) Für einen Teil einer längeren Geschichte habe ich hingegen das Gefühl, dass du die Handlung zu schnell vorantreibst.
Stimmt. Dann ist es wohl ein Zwitterwesen aus beidem geworden (auch wenn das nicht beabsichtigt war) ;) Aber die Informationen die du ansprichst, waren für mich eher nebensächlich, da muss man sich halt selber was vorstellen können. ;) Aber danke für die Rückmeldung.