estapolis
20.12.2009, 15:01
Hallo :)
ich hatte in der vergangenen Woche einige Ideen gesammelt für einen neuen Roman, oder besser gesagt, einer neuen Geschichte. Als ich mich dann für eine Idee entschieden habe, habe ich einfach mal drauflos geschrieben, und das Resultat könnte ein guter Anfang sein - oder? Das istb es nämlich,. ich weiß nicht, ob es sich überhaupt lohnt, ob diese Idee nicht schon zu verbraucht ist.
Deswegen frage ich euch :) Vielleicht mag ja mal einer lesen:
Mein Ende und dein Anfang.
1 – Konstantin und Viggo
Ich erinnere mich noch genau an diesen Winter in unserem Harz. Zugegeben, bei uns gab es schon immer einen Winter, wie die meisten Menschen sich einen perfekten vorstellen: Unsere bescheidenen Hügel waren bedeckt von Schneemassen, die vielen blätterlosen Bäume nahmen durch den vielen Schnee mehr Kontur an. Auf den Trampelpfaden stampften sich Skirillen in den Boden, unsere Hütten sahen aus, als seien sie in die weiße Pracht hineingebaut. Perfekt für Touristen, die den Winter in vollen Zügen genießen und dafür nicht unbedingt nach Bayern wollten. Ein schöner Winter-Wunderwald eben. Doch lief er immer in geregelten Bahnen, man konnte hinausgehen und sich daran erfreuen, hatte man sich dick genug eingepackt.
Dieser Winter nun – es war im Jahre 1983, zu einer Zeit, als man noch keine Schneekanonen brauchte – war dann doch wieder ein ganz anderer. Die Kälte war unaushaltbar, brannte sich in die Haut. Der Schnee war nicht weich und gebräuchlich, sondern eine Ansammlung von Eisklumpen. Nicht einmal die Kinder wagten es, mit Schneebällen zu werfen, waren diese doch mehr wie Steine. Ja, der Winter war damals ziemlich hässlich.
Für mich der perfekte Grund, mir ordentlich die Kante zu geben.
Es ereignete sich nun, dass ich mit ein paar so genannten Freunden in „Franzis Hütte“ ging um so viel Glühwein in mich reinzuschütten, bis ich entweder ein lebender Schmelztiegel war oder so betrunken, dass ich von der Kälte draußen nichts mehr mitbekam. Das Dumme dabei war nur, dass ich Glühwein nicht sonderlich gut abkonnte, denn bereits ab dem vierten fing ich an, wildfremde Menschen zu umarmen und weniger attraktive Frauen anzubaggern. Ja, wenn ich betrunken bin, werde ich zur tragischen Figur eines entflohenen Klapsmühlenbewohners, oder besser: zu einem einsamen Irren, der nur aus sich herauskommt, wenn er genug intus hat, und wenn, dann richtig.
Nun, schließlich fasste ich irgendeiner Frau gedankenlos an die Brüste (zugegeben, die luden dazu ein), woraufhin ich mich im nächsten Moment draußen vor der Tür wiederfand. Ich, halb wackelnd auf meinen Beinen, einerseits wegen dem Glühwein, andererseits weil es scheißkalt war, und mir gegenüber ein Zweimeter-Hüne mit breiten Schultern, Glatzkopf – und nur einem T-Shirt an. Ich dachte noch spöttisch, der müsse so viel Testosteron ausschütten, dass er wie ein kochender Teekessel sein müsse, fehlte nur noch das Pfeifen – der Gedanke war noch gar nicht zu Ende gedacht, da lag ich schon mit der Fresse im Eisschnee und ein stumpfer Schmerz in meiner Nase verriet mir, dass er mir eine geschmiert hatte.
„Komm noch mal in diese Hütte,“ bellte der Barbar, „und dann brech ich dir mehr als nur deine Nase, Arschloch!“
Meine Nase war nicht mal gebrochen, dachte ich, da war er schon mit einem großen Knall in der Hütte verschwunden. Kurz nachdem ich mich aufgerichtet hatte, kam einer meiner so genannten Freunde aus dem Saufclub, er war in voller Montur.
„Verdammt, Konstantin wie scheißpeinlich kann man sein?“, sagte er genervt, dann verschwand er, ohne mich anzusehen. Ich glaube, er hieß Ronald. Leg ich aber nicht meine Hand ins Feuer für.
„Tschüss, Versager!“, piepste eine zickige Stimme, deren Ursprung ich nicht kannte und mir auch ziemlich egal war. Danach kam noch ein Mädchen, das mich aber nur mitleidend anblickte und den beiden folgte. Dann war ich allein und mir fiel wieder ein, dass ich auf die drei angewiesen war. Besser gesagt, auf ihr Auto. Ja, so toll waren diese Freunde damals. Aber das war nicht das einzige Problem.
Erstens hatte ich all mein Geld verprasst, also kam ein Taxi nicht in Frage. Zweitens konnte ich nicht wieder in die Hütte, außer ich hätte mit meinem Leben abgeschlossen. Hatte ich aber nicht, also machte ich mich auf, den mühsamen und stechend kalten Weg durch den Wald zu gehen.
Es war schon fast in der Morgendämmerung und nachdem ich ungefähr die Hälfte der Strecke durchgestanden hatte und die Sonne anfing, sich über den Horizont zu quetschen, hatte das alles etwas sehr magisches.
Der weiße Wald tauchte in ein feuriges Rot, die Bäume schienen zu brennen. Der Schnee um mich herum bekam flammige Farben. Ich war wieder recht nüchtern und froh darüber, diese Schönheit mit anzusehen. Zwar lebte ich mein ganzes Leben im Harz, jedoch kam ich nie auf die Idee bei Sonnenaufgang in den Wald zu gehen. Im Grunde hat sich der Abend doch gelohnt, dachte ich zufrieden, als die Ruhe des Waldes von einem lauten Knall gestört wurde.
Ich erschrak und mit mir zigtausende Vögel, die aus dem Wald in den Himmel flüchteten. Der Ursprung war ganz nah.
Ich bahnte mir den Weg neugierig und sensationshungrig durch das Gestrüpp und glaubte, in der Ferne eine schwarze Silhouette zu erkennen. Ich muss hinzufügen, dass manche Menschen in so einer Situation eher geflohen wären, oder so getan hätten, als sei nichts gewesen. Doch mir durstete es schon lange nach so einer Situation, etwas, das das zu perfekte Winterleben im Harz etwas aufmischen würde.
Dann stand ich vor dem Tatort.
An einem Baum war ein älterer Mann gelehnt. Er trug einen schwarzen, sehr teuren Mantel und seine Hände waren auf dem Boden ausgestreckt. An dem Nebel, den er mit seinem schweren Atem verursachte erkannte ich, dass er bei Bewusstsein war. Dann fiel mir ein großer Flecken Blut an seinem Mantel auf, welcher auf dem Hintergrund schwer zu erkennen war, doch lief einiges an Blut in den Schnee. Ich beugte mich schlagartig hinunter.
„Ähm, sind Sie verletzt?“ Was für eine blöde Frage, dachte ich mich ärgernd.
„Was für eine blöde Frage!“, erschallte dann eine brummige Stimme aus dem verletzten Körper, so brummig, dass ich kaum glauben wollte, dass der Mann schwer verletzt war.
„Was ist passiert? Wer war das?“
In dem Moment zog der Mann eine Waffe hervor und drückte sie mir so schnell gegen die Stirn, dass ich machtlos war. Ich geriet in Schockstarre, ohne dass die Kälte einen Anteil hatte.
„Was passiert ist? Was hat das einen kleinen Scheißer wie dich zu interessieren? Aber wenn du schon mal hier bist...“, sagte der Mann mit einer gewissen Ironie, „kannst du mir auch 'nen kleinen Gefallen tun. Greif mit deiner Hand in meine rechte Tasche!“
„Was?“, sagte ich, bevor der Mann sofort die Waffe entsicherte.
„Mach schon und halt den Mund! Ich hab nicht ewig Zeit!“
Ich tat, wie er befahl.
„Gut, nimm eine Zigarre aus der Schachtel und stecke sie mir in den Mund.“, brummte der Mann.
Auch das tat ich.
„Jetzt greif in die andere Tasche nach dem Feuerzeug und stecke sie mir an.“
Ich hatte darauf ein schweres Benzinfeuerzeug in der Hand. Es war mit einem asiatischen Drachen verziert. „Hör auf zu glotzen!“, drohte der Mann, „Zünd mir meine verdammte Zigarre an!“
Jetzt rauchte er, dabei schloss er genussvoll die Augen. Ich blickte immer noch in den Schaft einer silbernen Pistole. „Ja, das ist Leben!“, sagte der Mann in einem leiseren Ton, bevor er die Waffe zurückzog und neben sich in den Schnee warf.
Ich fiel japsend zurück auf den Hintern.
„Wie heißt du, Bursche?“
„Kon... Konstantin Graf.“ Er blies mir Rauch ins Gesicht.
„Und willst du Konstantin Graf sein?“
„Ich... verstehe nicht.“
„Wie du siehst,“ sagte mir der Mann ins Gesicht und er fasste sich an die Wunde, „ist das mein Ende. Die Kugel steckt noch drin, ich verliere konstant Blut, bis ich tot bin. Du hast wohl keinen Erste-Hilfe-Kasten dabei und bis zur nächsten Ortschaft sind es noch zehn Kilometer. Das pack' ich nicht.“
„Was...“
„Schnauze halten und zuhören, Konstantin. Ich sehe in dem Blick deiner Augen, dass du eine Nullnummer bist. Ein Niemand.“ Dann hustete der Mann schwer. Blut lief ihm das Kinn runter.
„Ich kannte mal einen Prediger, der hat gesagt, damit man in den Himmel kommt, muss man irgendwann einmal eine gute Tat vollbracht haben, bevor man stirbt. Ich glaube zwar nicht an den ganzen Quatsch, aber das Risiko will ich nicht eingehen.“
„Was... meinen Sie?“
„Gleich wirst du eine Leiche vor dir sitzen haben und einige Dinge sind gegeben: Erstens sind wir die einzigen hier. Ich werde wohl erst in ein paar Stunden gefunden werden. Zweitens bin ich ein unbekannter Killer mit einer Beretta, viel Munition und Geld in meinem Mantel und einer gefälschten Identität.“
„Ich verstehe nicht, was Sie wollen.“
„Darauf kommt es nicht an, Bursche, sondern darauf, was du willst! Du hast gewissermaßen den Jackpot geknackt, Konstantin, gratuliere-“, dann hustete er wieder Blut hervor. Ich konnte mit meinem nicht vorhandenen medizinischen Verstand sagen, dass er kurz vorm Sterben war. Trotzdem rauchte der Mann weiter.
„Die Zigarren kann ich dir auch empfehlen... teuer, aber sie sind es wert...“ Er spuckte den Stummel in den Schnee und war am Ende seiner Kräfte.
„Hör zu, Konstantin!“, brach er mit letzter Kraft hervor.
„Ich... höre.“
„Dies ist mein Ende... jetzt kommt es auf dich an, ob es dein Anfang werden soll!“
„Mein Anfang?“
Der Mann zwang sich noch ein letztes Grinsen auf.
„Ich bereue mein Leben nicht. Es war eine wilde Fahrt!“, stieß der brummige Mann noch einmal mit einer überraschenden Lautstärke hervor, sodass es im Wald hallte, bevor er zurück gegen den Baum fiel. Seine Augen schlossen sich langsam, seine Hände reckten sich in eine neutrale Stellung, das Blut hörte allmählich auf zu fließen. Sein Gesicht verlor seine markanten Konturen, sein schneeweißes Haar wurde zu einer Einheit mit dem weißen Wald. Der Mann war tot.
Die Sonne war nun entgültig aufgegangen und alles wurde wieder monoton weiß. Nur eines störte die karge Szenerie: Ein toter, älterer Mann und ein großer Blutfleck im Schnee. Eine kleine Unregelmäßigkeit. Es hatte etwas sehr würdevolles.
Was ich dann tat, Karin, kann ich nicht mehr mit treffenden Argumenten hinterlegen. Ich nahm die Baretta, steckte sie mir halbherzig in den Gürtel. Ich entnahm dem Mantel des Mannes eine große Menge Bargeld, einiges an Munition, seine Börse samt Fake-ID. Das alles beschmutzte mich schon mit Blut.
Ich sammelte mich einen Moment, bevor ich mich auf den Weg zurück zur Hütte machte, nicht mehr als Konstantin Graf, sondern als Viggo Richter. Damals legte ich meinen alten Namen ab und tat, wie mir der unbekannte Killer befohlen hatte. Seine Existenz ging in meine über. Es war sein Ende an diesem kalten Wintermorgen, und mein Anfang.
Mein Anfang als einer der berüchtigsten Mörder in der Geschichte der Bundesrepublik.
ich hatte in der vergangenen Woche einige Ideen gesammelt für einen neuen Roman, oder besser gesagt, einer neuen Geschichte. Als ich mich dann für eine Idee entschieden habe, habe ich einfach mal drauflos geschrieben, und das Resultat könnte ein guter Anfang sein - oder? Das istb es nämlich,. ich weiß nicht, ob es sich überhaupt lohnt, ob diese Idee nicht schon zu verbraucht ist.
Deswegen frage ich euch :) Vielleicht mag ja mal einer lesen:
Mein Ende und dein Anfang.
1 – Konstantin und Viggo
Ich erinnere mich noch genau an diesen Winter in unserem Harz. Zugegeben, bei uns gab es schon immer einen Winter, wie die meisten Menschen sich einen perfekten vorstellen: Unsere bescheidenen Hügel waren bedeckt von Schneemassen, die vielen blätterlosen Bäume nahmen durch den vielen Schnee mehr Kontur an. Auf den Trampelpfaden stampften sich Skirillen in den Boden, unsere Hütten sahen aus, als seien sie in die weiße Pracht hineingebaut. Perfekt für Touristen, die den Winter in vollen Zügen genießen und dafür nicht unbedingt nach Bayern wollten. Ein schöner Winter-Wunderwald eben. Doch lief er immer in geregelten Bahnen, man konnte hinausgehen und sich daran erfreuen, hatte man sich dick genug eingepackt.
Dieser Winter nun – es war im Jahre 1983, zu einer Zeit, als man noch keine Schneekanonen brauchte – war dann doch wieder ein ganz anderer. Die Kälte war unaushaltbar, brannte sich in die Haut. Der Schnee war nicht weich und gebräuchlich, sondern eine Ansammlung von Eisklumpen. Nicht einmal die Kinder wagten es, mit Schneebällen zu werfen, waren diese doch mehr wie Steine. Ja, der Winter war damals ziemlich hässlich.
Für mich der perfekte Grund, mir ordentlich die Kante zu geben.
Es ereignete sich nun, dass ich mit ein paar so genannten Freunden in „Franzis Hütte“ ging um so viel Glühwein in mich reinzuschütten, bis ich entweder ein lebender Schmelztiegel war oder so betrunken, dass ich von der Kälte draußen nichts mehr mitbekam. Das Dumme dabei war nur, dass ich Glühwein nicht sonderlich gut abkonnte, denn bereits ab dem vierten fing ich an, wildfremde Menschen zu umarmen und weniger attraktive Frauen anzubaggern. Ja, wenn ich betrunken bin, werde ich zur tragischen Figur eines entflohenen Klapsmühlenbewohners, oder besser: zu einem einsamen Irren, der nur aus sich herauskommt, wenn er genug intus hat, und wenn, dann richtig.
Nun, schließlich fasste ich irgendeiner Frau gedankenlos an die Brüste (zugegeben, die luden dazu ein), woraufhin ich mich im nächsten Moment draußen vor der Tür wiederfand. Ich, halb wackelnd auf meinen Beinen, einerseits wegen dem Glühwein, andererseits weil es scheißkalt war, und mir gegenüber ein Zweimeter-Hüne mit breiten Schultern, Glatzkopf – und nur einem T-Shirt an. Ich dachte noch spöttisch, der müsse so viel Testosteron ausschütten, dass er wie ein kochender Teekessel sein müsse, fehlte nur noch das Pfeifen – der Gedanke war noch gar nicht zu Ende gedacht, da lag ich schon mit der Fresse im Eisschnee und ein stumpfer Schmerz in meiner Nase verriet mir, dass er mir eine geschmiert hatte.
„Komm noch mal in diese Hütte,“ bellte der Barbar, „und dann brech ich dir mehr als nur deine Nase, Arschloch!“
Meine Nase war nicht mal gebrochen, dachte ich, da war er schon mit einem großen Knall in der Hütte verschwunden. Kurz nachdem ich mich aufgerichtet hatte, kam einer meiner so genannten Freunde aus dem Saufclub, er war in voller Montur.
„Verdammt, Konstantin wie scheißpeinlich kann man sein?“, sagte er genervt, dann verschwand er, ohne mich anzusehen. Ich glaube, er hieß Ronald. Leg ich aber nicht meine Hand ins Feuer für.
„Tschüss, Versager!“, piepste eine zickige Stimme, deren Ursprung ich nicht kannte und mir auch ziemlich egal war. Danach kam noch ein Mädchen, das mich aber nur mitleidend anblickte und den beiden folgte. Dann war ich allein und mir fiel wieder ein, dass ich auf die drei angewiesen war. Besser gesagt, auf ihr Auto. Ja, so toll waren diese Freunde damals. Aber das war nicht das einzige Problem.
Erstens hatte ich all mein Geld verprasst, also kam ein Taxi nicht in Frage. Zweitens konnte ich nicht wieder in die Hütte, außer ich hätte mit meinem Leben abgeschlossen. Hatte ich aber nicht, also machte ich mich auf, den mühsamen und stechend kalten Weg durch den Wald zu gehen.
Es war schon fast in der Morgendämmerung und nachdem ich ungefähr die Hälfte der Strecke durchgestanden hatte und die Sonne anfing, sich über den Horizont zu quetschen, hatte das alles etwas sehr magisches.
Der weiße Wald tauchte in ein feuriges Rot, die Bäume schienen zu brennen. Der Schnee um mich herum bekam flammige Farben. Ich war wieder recht nüchtern und froh darüber, diese Schönheit mit anzusehen. Zwar lebte ich mein ganzes Leben im Harz, jedoch kam ich nie auf die Idee bei Sonnenaufgang in den Wald zu gehen. Im Grunde hat sich der Abend doch gelohnt, dachte ich zufrieden, als die Ruhe des Waldes von einem lauten Knall gestört wurde.
Ich erschrak und mit mir zigtausende Vögel, die aus dem Wald in den Himmel flüchteten. Der Ursprung war ganz nah.
Ich bahnte mir den Weg neugierig und sensationshungrig durch das Gestrüpp und glaubte, in der Ferne eine schwarze Silhouette zu erkennen. Ich muss hinzufügen, dass manche Menschen in so einer Situation eher geflohen wären, oder so getan hätten, als sei nichts gewesen. Doch mir durstete es schon lange nach so einer Situation, etwas, das das zu perfekte Winterleben im Harz etwas aufmischen würde.
Dann stand ich vor dem Tatort.
An einem Baum war ein älterer Mann gelehnt. Er trug einen schwarzen, sehr teuren Mantel und seine Hände waren auf dem Boden ausgestreckt. An dem Nebel, den er mit seinem schweren Atem verursachte erkannte ich, dass er bei Bewusstsein war. Dann fiel mir ein großer Flecken Blut an seinem Mantel auf, welcher auf dem Hintergrund schwer zu erkennen war, doch lief einiges an Blut in den Schnee. Ich beugte mich schlagartig hinunter.
„Ähm, sind Sie verletzt?“ Was für eine blöde Frage, dachte ich mich ärgernd.
„Was für eine blöde Frage!“, erschallte dann eine brummige Stimme aus dem verletzten Körper, so brummig, dass ich kaum glauben wollte, dass der Mann schwer verletzt war.
„Was ist passiert? Wer war das?“
In dem Moment zog der Mann eine Waffe hervor und drückte sie mir so schnell gegen die Stirn, dass ich machtlos war. Ich geriet in Schockstarre, ohne dass die Kälte einen Anteil hatte.
„Was passiert ist? Was hat das einen kleinen Scheißer wie dich zu interessieren? Aber wenn du schon mal hier bist...“, sagte der Mann mit einer gewissen Ironie, „kannst du mir auch 'nen kleinen Gefallen tun. Greif mit deiner Hand in meine rechte Tasche!“
„Was?“, sagte ich, bevor der Mann sofort die Waffe entsicherte.
„Mach schon und halt den Mund! Ich hab nicht ewig Zeit!“
Ich tat, wie er befahl.
„Gut, nimm eine Zigarre aus der Schachtel und stecke sie mir in den Mund.“, brummte der Mann.
Auch das tat ich.
„Jetzt greif in die andere Tasche nach dem Feuerzeug und stecke sie mir an.“
Ich hatte darauf ein schweres Benzinfeuerzeug in der Hand. Es war mit einem asiatischen Drachen verziert. „Hör auf zu glotzen!“, drohte der Mann, „Zünd mir meine verdammte Zigarre an!“
Jetzt rauchte er, dabei schloss er genussvoll die Augen. Ich blickte immer noch in den Schaft einer silbernen Pistole. „Ja, das ist Leben!“, sagte der Mann in einem leiseren Ton, bevor er die Waffe zurückzog und neben sich in den Schnee warf.
Ich fiel japsend zurück auf den Hintern.
„Wie heißt du, Bursche?“
„Kon... Konstantin Graf.“ Er blies mir Rauch ins Gesicht.
„Und willst du Konstantin Graf sein?“
„Ich... verstehe nicht.“
„Wie du siehst,“ sagte mir der Mann ins Gesicht und er fasste sich an die Wunde, „ist das mein Ende. Die Kugel steckt noch drin, ich verliere konstant Blut, bis ich tot bin. Du hast wohl keinen Erste-Hilfe-Kasten dabei und bis zur nächsten Ortschaft sind es noch zehn Kilometer. Das pack' ich nicht.“
„Was...“
„Schnauze halten und zuhören, Konstantin. Ich sehe in dem Blick deiner Augen, dass du eine Nullnummer bist. Ein Niemand.“ Dann hustete der Mann schwer. Blut lief ihm das Kinn runter.
„Ich kannte mal einen Prediger, der hat gesagt, damit man in den Himmel kommt, muss man irgendwann einmal eine gute Tat vollbracht haben, bevor man stirbt. Ich glaube zwar nicht an den ganzen Quatsch, aber das Risiko will ich nicht eingehen.“
„Was... meinen Sie?“
„Gleich wirst du eine Leiche vor dir sitzen haben und einige Dinge sind gegeben: Erstens sind wir die einzigen hier. Ich werde wohl erst in ein paar Stunden gefunden werden. Zweitens bin ich ein unbekannter Killer mit einer Beretta, viel Munition und Geld in meinem Mantel und einer gefälschten Identität.“
„Ich verstehe nicht, was Sie wollen.“
„Darauf kommt es nicht an, Bursche, sondern darauf, was du willst! Du hast gewissermaßen den Jackpot geknackt, Konstantin, gratuliere-“, dann hustete er wieder Blut hervor. Ich konnte mit meinem nicht vorhandenen medizinischen Verstand sagen, dass er kurz vorm Sterben war. Trotzdem rauchte der Mann weiter.
„Die Zigarren kann ich dir auch empfehlen... teuer, aber sie sind es wert...“ Er spuckte den Stummel in den Schnee und war am Ende seiner Kräfte.
„Hör zu, Konstantin!“, brach er mit letzter Kraft hervor.
„Ich... höre.“
„Dies ist mein Ende... jetzt kommt es auf dich an, ob es dein Anfang werden soll!“
„Mein Anfang?“
Der Mann zwang sich noch ein letztes Grinsen auf.
„Ich bereue mein Leben nicht. Es war eine wilde Fahrt!“, stieß der brummige Mann noch einmal mit einer überraschenden Lautstärke hervor, sodass es im Wald hallte, bevor er zurück gegen den Baum fiel. Seine Augen schlossen sich langsam, seine Hände reckten sich in eine neutrale Stellung, das Blut hörte allmählich auf zu fließen. Sein Gesicht verlor seine markanten Konturen, sein schneeweißes Haar wurde zu einer Einheit mit dem weißen Wald. Der Mann war tot.
Die Sonne war nun entgültig aufgegangen und alles wurde wieder monoton weiß. Nur eines störte die karge Szenerie: Ein toter, älterer Mann und ein großer Blutfleck im Schnee. Eine kleine Unregelmäßigkeit. Es hatte etwas sehr würdevolles.
Was ich dann tat, Karin, kann ich nicht mehr mit treffenden Argumenten hinterlegen. Ich nahm die Baretta, steckte sie mir halbherzig in den Gürtel. Ich entnahm dem Mantel des Mannes eine große Menge Bargeld, einiges an Munition, seine Börse samt Fake-ID. Das alles beschmutzte mich schon mit Blut.
Ich sammelte mich einen Moment, bevor ich mich auf den Weg zurück zur Hütte machte, nicht mehr als Konstantin Graf, sondern als Viggo Richter. Damals legte ich meinen alten Namen ab und tat, wie mir der unbekannte Killer befohlen hatte. Seine Existenz ging in meine über. Es war sein Ende an diesem kalten Wintermorgen, und mein Anfang.
Mein Anfang als einer der berüchtigsten Mörder in der Geschichte der Bundesrepublik.