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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Literatur Zwischengedanke // schwarzweiß



estapolis
01.12.2009, 18:56
Hier sind zwei Gedichte von mir, das eine in einer klassischen Form, das andere etwas freier und chaotischer. Beide handeln von einer Person und entstanden kurz hintereinander.



Zwischengedanke

Das große Leben, ein Fragment.
Dazwischen wir, nur Sternenschnee.
Sag mir, ist es dir nun fremd,
dass ich von all dem nichts versteh?

Schau doch, der ewig drehend' Kreis!
Bereit zu schließen, ich mittendrin.
Ist das der Sehnsucht wahre Preis,
dass ich im Geiste gefangen bin?

Mach' zu Ruinen die Barrikaden,
die zwischen uns man aufgestellt!
Mögen wir heute in Weisheit baden!
Morgen lieben wir die ganze Welt!

Und dann, ganz leise, flüsterst du
Staubkorn, sag, wo willst du hin?
Und dann endlich find' ich Ruh',
in deinen Armen, ohne Sinn.




schwarzweiß

im spiel des verstandes
spielst du mit gezinkten karten
ich seh dich an, du mich
wir wissen es beide
immerfort
es ist abstrakt, was uns verbindet

so reich an namen
und doch unbekannt bist du mir
in der asche deiner träume
schwimme ich
immerfort
Es ist grotesk, was uns unterscheidet

im kontrast verloren
suchend nach momenten
liegen die scherben verteilt
ich setze sie zusammen
und zerbreche selbst daran
leise, leise
nur dein lächeln ist, was bleibt

La Cipolla
02.12.2009, 13:50
Im ersten Gedicht, Strophe 2 und 3, sind mir die letzten beiden Verse etwas unharmonisch, in der ersten Strophe könnte man das durch "Geist" statt "Geiste" umgehen. Kann mein Gefühl sein, aber wie ich es lese, der letzte Vers ist immer zu lang und unterbricht den Fluss.
Sonst finde ich es großartig! Das Gefühl kommt einfach rüber.

Das zweite ebenso. Allerdings wirkt das Ende im Vergleich zum Rest des wortgewaltigen Gedichtes etwas schwach auf der Brust. Aber im Großen und Ganzen zwei extrem tolle Gedichte.

Aenarion
02.12.2009, 16:46
Wow :A. Sehr gute Gedichte, obwohl ich sagen muss, dass das zweite mir persönlich weniger gefällt. Ich bin eher für gereimte Gedichte :D. Dennoch, ich finde bei beiden kommen die Gefühle sehr schön herüber.

Nur kurz zur Kritik:
Es müsste heißen "Ist das der Sehnsucht wahrer Preis,", ist aber wohl nur ein Tippfehler ;).


[...] in der ersten Strophe könnte man das durch "Geist" statt "Geiste" umgehen.
Dito. "Geiste" stört den Rhythmus sehr.
Die letzte Zeile in der 3. Strophe fällt auch aus dem Rhythmus, die müsste man irgendwie umschreiben.
In der Zeile davor würde ich "heut'" statt "heute" schreiben, auch da schwankt der Rhythmus.

Zeile 2, Strophe 2 ist auch leicht irritierend, eine Silbe ist da zu viel... Ich würde etwas wie "Schon fast zu, ich mittendrin" oder so schreiben.... ist aber weniger poetisch ;)

Und noch in der letzten Strophe stört mich, das 2 Mal "Und dann..." steht. ich weiß nicht - ist es Absicht? An sich ist es ja ein Stilmittel, dennoch ist es hier meines Erachtens nach unschön. Du könntest zum Beispiel die 3. Zeile umformen, und so etwas wie "Dann find' ich endlich, endlich Ruh'"......

Naja, das sind alles persönliche Vorschläge - jedenfalls mag ich das Gedicht sehr. Vor allem die erste Strophe...

Das große Leben, ein Fragment.
Dazwischen wir, nur Sternenschnee.
Love it!


Zum zweiten Gedicht... wie gesagt, nicht ganz mein Geschmack, aber ansonsten sehr gut. Ich würde allerdings schauen, ob man die letzten Zeilen der ersten beiden Strophen nicht weglassen könnte? Sie sind fast überflüssig... ich fände es schön, wenn beide auf "immerfort" enden würden - es passt zur Stimmung im Gedicht.

Nun, genug davon ;). Noch mal: Wirklich tolle Gedichte. Gibt's mehr davon? :)

estapolis
02.12.2009, 17:23
Herzlichen Dank für die Kritik :) Meines Erachtens auch völlig angemessen.
@Aenarion: In den ersten beide Strophen den jeweils letzten Vers zu streichen, darauf bin ich noch gar nicht gekommen. Gute Idee!
Zum "Und dann...". Ja, es ist teilweise Absicht, aber ich denke auch, dass der Parallelismus hier etwas Fehl am Platze ist. Deine Vorschläge sind echt super, ich versuche sie mal anzuwenden :)
Ja, es gibt noch ein paar mehr, aber ich will euch ja nicht "zutexten".
@La Cipolla: Gut, wenn man "Geiste" zu "Geist" umschreibt, bleibt das Ganze im Rhythmus. Findest du den Vers dann noch unharmonisch?
Zum zweiten Gedicht: Die letzte Strophe dient als Antiklimax, soll heißen, dass sich der kräftig chaotische Geist beim lyrischen Du beruhigt. Außerdem fand ich die Metapher "Scherben zusammensetzen, selbst dabei zerbrechen" sehr schön, ich wollte sie weniger abstrakt zeichnen. In dem Punkt muss ich dir dann doch ein klein wenig widersprechen;)

La Cipolla
02.12.2009, 17:45
zum Ersten: Jo, Aenarion hat auch nochmal gesagt, was ich effektiv gemeint habe.

zum Zweiten: Dann ist das auch in Ordnung. ;) Funktioniert auch irgendwie, wobei man die Antiklimax eventuell irgendwie mehr betonen könnte. Muss ja nicht der vokabeltechnische Holzhammer sein (aber vielleicht kommt bei jemandem wie mir das Gefühl auch erst tatsächlich mit angesprochenem Werkzeug an :D).

Eine Idee: Vielleicht die Pointe a la "dein Lächeln ist..." inhaltlich einen Vers weiter nach oben packen? Denn das ist ja nochmal irgendwie geladen, während das "Zerbrechen" dann wirklich trivial (vom Begriff her) ist.

im kontrast verloren
suchend nach momenten
liegen die scherben verteilt
setze sie zusammen
bis deine Züge lächeln
leise, leise
und zerbreche selbst daran

Keine Ahnung, ob das so dahingeworfen jetzt besser ist, war nur ne Idee.

estapolis
02.12.2009, 21:40
Hm, ne recht schöne Variante. Nur das 'Lächeln' habe ich in den letzten Vers gesetzt, weil es das einzige nicht abstrakte des gedichtes ist: am ende findet das lyrische ich wieder zur realität. So jedoch endet das gedicht pessimistisch.
Also durchaus eine inhaltliche Variante, die dem Original aber in nichts nachsteht. Schön :)

estapolis
08.12.2009, 16:34
Hey, ich habe mal Zwischengedanke überarbeitet.
Dabei habe ich einige eurer Vorschläge umgesetzt, allerdings die dritte Strophe komplett umgeschrieben, da mir die alte einfach nicht gefiel.
Was meint ihr?




Zwischengedanke

Das große Leben, ein Fragment.
Dazwischen wir, nur Sternenschnee.
Sag mir, ist es dir nun fremd,
dass ich von all dem nichts versteh?

Schau doch, der ewig drehend' Kreis!
Bereit zu schließen, ich mittendrin.
Ist das der Sehnsucht wahrer Preis,
dass ich im Geist gefangen bin?

Manchmal seh' ich, da ist mehr
inmitten der Ödnis uns'rer Welt.
Der Wunsch nach Neuem schmerzt so sehr,
dass dieser mit uns'rer Sehnsucht fällt.

Und dann, ganz leise, flüsterst du
Staubkorn, sag, wo willst du hin?
Am Ende endlich find' ich Ruh',
in deinen Armen, ohne Sinn.


---


Strophe 3, Vers 3 tanzt etwas aus der Reihe, aber ich finde, dass er zum Rhythmus passt.

Ich zeige euch noch ein weiteres Gedicht von mir, das ist zwar schon etwas älter, aber ich mag es eigentlich immer noch, obwohl ich vom Dichten damals noch ziemlich wenig Ahnung hatte...



Individuen

Ich kann sehen, ich kann fühlen,
tausende Schatten verschwinden.
Sie weinen, schreien, klagen,
es hörte sich schrecklich, aber so wahr,
klang es seltsam wunderbar.

Ich kann riechen, ich kann schmecken.
Die Süße des Seins.
Sie lachen, leben, freuen sich,
doch in der Schönheit verbrannte ich
als schmecke es einfach schrecklich.

So pendeln sie von hier nach da,
suchend nach der Wahrheit.
Gefangen, gehalten, verdammt für ewig,
denn Grenzen gibt es so lange
wie Individuen sind lebendig.

Mordechaj
08.12.2009, 19:33
Zwischengedanke

Das große Leben, ein Fragment.
Dazwischen wir, nur Sternenschnee.
Sag mir, ist es dir nun fremd,
dass ich von all dem nichts versteh?

Schau doch, der sich ewig dreh'nde Kreis!
Bereit zu schließen; und ich mittendrin.
Ist das der Sehnsucht wahrer Preis,
dass ich im Geist gefangen bin?

Manchmal seh' ich: Da ist mehr
inmitten jener Ödnis uns'rer Welt.
Der Wunsch nach Neuem schmerzt so sehr,
dass er mit uns'rer Sehnsucht fällt.

Und dann, ganz leise, flüsterst du:
Staubkorn, sag, wo willst du hin?
Am Ende endlich find' ich Ruh',
in deinen Armen, ohne Sinn.


Zwischengedanke gefällt mir sehr gut, das hat wirklich eine sehr hübsche Bild- und Sinnebene. Da beneide ich dich fast ein bisschen, vor allem das erzählende Du überzeugt. Die anderen beiden verschleißen irgendwie ein bisschen in Belanglosigkeit, am Ende weiß man kaum noch, was du eigentlich sagen wolltest, weil ein Abschluss, etwas, das den Kreis schließt, wie es hier zu finden ist, irgendwie fehlt. Bei Individuen fehlt es gänzlich an Klangbarkeit, irgendwie schmeißt du hier sehr viel übereinander, ohne das ein einziges Mittel der Form Vollständig wäre oder sich die verschiedenen Muster stimmig verbänden.