PDA

Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Eine Mond voll Steine



Hänsel
20.10.2009, 23:18
Der Mond voll Steine

Steine habe ich gesammelt. Anfangs nahm ich nur die größten der Nacht. Die waren schwer und stumpf. Die konnte ich nicht werfen. Jetzt nehme ich kleinere, zwei kann ich in jeder Hand halten. Ich habe Männerhände. Und noch einmal zwei Steine, kantig und scharf, kann ich mir in jede Hosentasche stecken. Die Steine scheuern durch den Stoff an meinen Oberschenkeln. Die Taschen beulen aus. Man hält mich für einen Dieb.
Zwischen meinen leisen Schritten höre ich das Kichern der kleineren Steine. Es lohnt sich nicht sie zu sammeln. Und ich höre das Mahlen der Steine in den Hosentaschen. Das Mahlen macht mich schwer. Wenn ich eine Hand auf eine Tasche lege, spüre ich die Kanten der Steine auf dem Oberschenkel. Wenn ich eine Hand auf die Tasche lege, spüre ich, wie es an den Kanten der Steine warm wird.
Für die dunklen Hunde sammle ich Steine. Für ihr Gebüschbellen und Dunkelrascheln und für ihr Knurren auf vier Sprunggelenken. Der Weg schnuppert an ihren Grenzen. Auf dem Weg sind die Lefzen. Die Steine klirren auf dem Weg, hinterlassen in der Stille nur einen dumpfen Plopp, wenn man Fell trifft.
Zäune gibt es auch dort nicht, wo der Hof liegt. Weiter hinten stehen die einstöckigen Häuser der Bergbauingenieure. Ihre Frauen haben dicke Ketten um den Hals. Sie sind aus Gold. Die Bergbauingenieure haben dünne Ketten um Hals. Sie sind aus Gold. Sie haben Eckzähne, Gold. Die Bergbauingenieure haben große Geländewagen und Hunde. Drei Große, ein Kleiner. Der Größte ist der dümmste. Man ruft ihn Ameriká. Das ist wahr. Der Kleinste schlägt als erstes an. Die Großen beißen, wenn der Größte beißt. Als ich ankam, wurde ich den Hunden vorgeführt. Der Kleinste erkennt mich seitdem wieder.
Ameriká ist friedlich am Tag. Er schnuppert, schaut und gähnt. Er schleckt an Wurstbrothänden. Der Stummelschwanz wackelt. Wenn der Mond groß ist und Ameriká ein dunkler Hund, knurrt er, riecht er mich. Und er zeigt die weißen Zähne im Schwarz, wenn ich komme. Das ist der Mond. Das sind die Sterne, groß. Das ist der Biss. Das Sammeln von Steinen hat hier keinen Sinn, sie würden nicht weichen. Ich bin in ihren Grenzen. Die Steine werfe ich in den Graben am Weg, auch die aus den Taschen.
Wenn man trinkt, verschleppt sich die Angst. Man muss tiefer Brüllen, Ameriká. Ameriká. Der Rum hilft dabei. Die Hände der Frauen, die mit einem schlafen sollen zerdrückt man. Aber manchmal, da kommt man davon, da ist man ein Mann gewesen. Die Hände der Frauen sind danach zerzaust. Fast hat man dem Vogel die Flügel gebrochen.

221009