Freya Sarijas
09.02.2009, 17:10
Der Moment wenn ich in meine Seele schaue
Briefe ins Jenseits
„Ich habe bisher zwanzig Jahre auf dieser Erde verbracht. Wann immer der neue Tag anbrach, habe ich mir Mühe gegeben, etwas aus meinem Leben zu machen und wenn ich scheiterte, habe ich mich einfach treiben lassen. Ich habe versucht, passiv zu leben, habe versucht, bewusst auf meine Umwelt und mein Sein Einfluss zu nehmen. Aber mein Leben ist immer gleich verlaufen. Ich stehe immer noch da, wo ich am Anfang stand.“
Er starrte schweigend auf das Blatt und ließ dann die Feder einfach fallen. Seinen Kopf legte er daneben auf dem Tisch ab. Die Tinte tropfte auf das Blatt und er beobachtete, wie die Farbe sich langsam darauf ausbreitete und einen großen, schwarzen Fleck hinterließ. Ist doch egal, dachte er, als der zweite Tropfen das Blatt weiter verunstaltete. Er schloss die Augen.
Er blieb sitzen. Die dunklen Strähnen fielen ihm weiter ins Gesicht und verdeckten seine Augen. Je mehr Zeit verging, desto leichter fühlte er sich. Es wurde immer dunkler. Draußen ratterte ein Tor, der Hund bellte und er hörte, wie jemand das Haus betrat. Er wusste wer es war, aber es interessierte ihn nicht. Auch das nicht. Das alles nicht. Seine Augen wurden noch schwerer und er ließ sich weiter fort treiben.
Eine schwere Hand setzte ihn wieder gerade auf den Stuhl und stellte die Feder in den kleinen Halter. Das Blatt wurde aufgehoben und gegen das Licht gehalten. Eine Weile stand die Zeit so still. Tinte, die sich unter seinem Gesicht verteilt hatte und die gesamte linke Hälfte benetzte, tropfte lautlos auf sein Oberteil. Er rührte sich immer noch nicht. Er wurde sich erst jetzt wieder seiner Umwelt gewahr, aber sie interessierte ihn noch immer nicht.
Ein Schatten bewegte sich und ein leises Scharren ertönte, als ein Schuh über den Boden glitt und das Blatt landete wieder auf dem Tisch. Dann wurde er wortlos gepackt und auf die Beine gestellt, bevor man ihn aus dem Zimmer schob.
Die schwarzen Tropfen verteilten sich auf seiner Brust, liefen langsam daran herunter und besudelten seine Kleidung. Jetzt musste er lächeln. Es war ein Hoffnungsschimmer in der Nacht. Sollte er aussehen wie ein Geteerter, dann würde er endlich nicht mehr gezwungen sein, sein Innerstes zu verstecken. So schwarz wie seine Seele, das wollte er sein. Das allein verschaffte ihm Linderung. Das allein Genugtuung und Glück.
Ein Schnauben und die Hand schubste ihn unsanft in ein Waschzimmer. Die Kleider wurden ihm vom Leib gerissen und die namenlose Gestalt setzte ihn in das eisige Wasser. Sein Körper erschauderte, seine Seele erfror. Er jubelte.
Er hörte wie hastig Luft eingezogen wurde und registrierte erst spät, dass er es selber war. Die Hand verteilte das Wasser auf seinem Körper, wusch die Schwärze aus seinem Gesicht. Es schmerzte ein wenig und es tat gut. Es war tröstlich, willkommen. Wann hatte er so gelebt wie jetzt, wo er so verdorben war? Nein, er war nie so lebendig gewesen wie nun.
Wieder ließ er die Zeit vorbei streichen. Irgendwo am Rande registrierte er, dass die Berührungen noch grober wurden, aber das interessierte ihn nicht. Er driftete weiter fort, irgendwo ins Nichts.
Mit einem lauten Platschen fiel eisiges Wasser über seinem Kopf hernieder und er keuchte instinktiv erschrocken auf. Seine Hände krallten sich intuitiv am Rande des Zubers fest und er merkte jetzt erst, dass sie ganz steif gefroren waren. Sein ganzer Körper schlotterte.
Sein verstörter Blick traf die Gestalt, die ihn achtlos ins Diesseits zurück gerissen hatte und ihn erneut auf seine Beine stellte, um ihn aus dem Waschzuber zu heben und achtlos ein Handtuch über ihn zu schmeißen. Dann ließ man ihn allein.
Die Tür öffnete sich und eine andere Person trat ein. Er rührte sich nicht. Er blieb einfach stehen, reglos und stumm. Sein Atem ging heftig, sein Körper schlotterte noch immer. Er fühlte sich elend, hilflos. Die schweren Schritte der Gestalt verließen den Raum, als eine verärgerte Stimme ertönte:
„Er war niemals einer!“
Er lag im Bett. Reglos und schweigsam. Jetzt war er wieder allein. Sein Körper hatte aufgehört zu schlottern und er fühlte angenehme Wärme um sich. Weiche Laken um ihn her und das Federkissen unter seinem Kopf. Er war trunken, erneut. Aber es war angenehm. Er war schläfrig und seine Stimme lachte höhnisch in seinem Kopf.
Als er die Augen wieder öffnete, blendete ihn das helle Licht. Angewidert verzog er sein Gesicht und drehte sich um, die Laken über den Kopf gezogen. Er versank wieder und als sein Bewusstsein erneut zurückkehrte, war es noch heller geworden. Er stand verärgert auf und setzte sich wieder an den Tisch. Die Tinte vom Vorabend war verschwunden. Er nahm ein Blatt und legte es vor sich. Dann nahm er die Feder aus der Halterung und schrieb:
„Die Sonne, ein Zwilling, sie bekämpfen sich sehr. Der Mond in der Nacht gibt selbiges her. Wenn Flüsse vertrocknen und Täler ersterben, dann wird der Verlierer seine Macht demütig vererben.“
Die Tür ging auf. Die Feder erstarrte. Er war leblos, so tot wie der Raum für einen Moment, ehe die schweren Schritte heran kamen und ihm das Blatt unter der Feder weg zogen – gerade noch bevor ein Tropfen erneut das Geschriebene verbergen konnte. Dann erstarb der Raum erneut, bis die Schatten sich wieder bewegten, ein leises Scharren ertönte und man ihm die Feder aus der Hand nahm, um sie in den Halter zu tun. Das Blatt fiel sachte daneben auf den Tisch zurück.
Wieder wurde er an den Schultern gepackt und aus dem Zimmer gebracht. Diesmal jedoch blieb der Waschraum fern. Stattdessen wurde ihm etwas Weiches und Warmes um die Schultern gelegt. Zwei neue Hände zupften an ihm herum, zogen das Warme umher und fester um ihn, bis es sich nicht mehr bewegte. Dann wurde er von den groben Händen wieder weiter gestoßen. Gleißendes Licht kam ihm entgegen und er schrie auf.
Er versuchte zu flüchten, doch die Hände hielten ihn. Er versuchte zu beißen, doch die Hände reagierten nicht. Er schmeckte Blut und gierige Genugtuung machte sich in ihm breit. Er biss fester zu, wollte diese Hände verletzen, die ihn in das Licht hinaus stießen. Die ihn aus der Finsternis und dem Nichts hinaus rissen.
Zwei weitere Hände öffneten seine Kiefer und die Hand entwich. Dann wurde er von allen vieren weiter in das Licht gezogen. Er schrie, schrie und sträubte sich. Vergebens.
Die Qualen hielten an. Irgendwann ließ er sich einfach hängen. Seine Augen hielt er fest verschlossen. Verbrennen würden sie, würde das Licht sie treffen. Doch die Hände waren gnadenlos und zogen ihn immer weiter und weiter. Etwas anderes riss an ihm umher und es dauerte lange, bis er sich dem Wind erinnerte. Wind. Das musste Wind sein.
Irgendwann ließ man ihn los und er kam unsanft auf dem Boden auf. Luft entwich aus seinen Lungen und er kauerte sich zusammen, versuchte, sich vor dem Licht zu verstecken. Aber immer, wenn er auf Rettung hoffte, kamen die Hände wieder und zogen seinen Körper auseinander. Er schrie erneut, aber niemand hörte ihn. Niemand reagierte auf sein Leiden.
Nach Stunden hob man ihn wieder hoch. Er keuchte und sein Körper war matt. Dieser bittere Kampf hatte ihn all seiner Kräfte beraubt und er zitterte schwach. Sein Körper winselte wie ein Geächteter. Aber es tat gut. Es graute ihn und stellte ihm seine Nackenhaare auf, aber Leiden war ihm willkommen.
Als er endlich wieder in der Finsternis war, kam sie ihm ungewohnt kalt vor. Man riss ihm den schützenden Pelz wieder vom Leibe und setzte ihn in die Dunkelheit zurück. Er zitterte und schlotterte und machte sich ganz klein. Irgendwo in einer Ecke unweit der Tür blieb er sitzen und rührte sich nicht. Sein Körper wippte sachte vor und zurück, bis er sich wieder beruhigt hatte. Seine Augen waren stur auf den Tisch gerichtet. Er sah die Feder, die in ihrem Halter steckte, den Stapel Papiere in ihrem Fach…
Hastig stand er auf, rannte dort hin und riss die Feder an sich. Seine Handschrift war entsetzlich entstellt, als er, zappelnd und immer wieder absonderliche Laute von sich gebend, einige Lettern auf die Blätter schrieb. Die Lettern erstreckten sich quer über alle Blätter, die er unsanft aus dem Fach gerissen und auf dem Tisch verteilt hatte. Keines blieb aus, alle blieben beschmiert zurück. Beschmiert mit Formen schwarzer Farbe, die selbst eine Geschichte erzählten, um die Lettern herum, deren Worte den konkreten Gegensatz zu dem schwarzen Gemetzel bildeten.
„Liebliche Chöre, ganz leise erklingen, über Wolken und Länder, sie Freude erbringen. Ihr Glanze im lieblichen Lichte erstrahlet und keiner der Ihrigen nicht sind begnadet.“
Seine Hand, schwarz von Tinte, hielt inne. Ein kurzes Zucken durchfuhr sie, dann schrieb er weiter. Rasend schnell, die Blätter fast zerreißend.
„Donner und Blitze die Welt nieder stürzen, kein Wort je die Tode könnte bezirzen. Hernieder der Himmel falle aufs Volke, gleich einer schwarzen vernichtenden Wolke, zu ersticken was lebet, nur zerfetzen, das gebet der Himmel dem menschlichen Wesen, damit auch die tiefste Schwärze in ihr Bewusstsein gelesen.“
Die Worte wurden immer wirrer, die Sätze immer surrealer und er schrieb wahnsinnig immer schneller und schneller, bis er schließlich keuchend und mit einem lauten, dumpfen Knall zu Boden ging und liegen blieb. Die Feder sank hernieder, fast ohne einen Laut von sich zu geben. Nur sein lautes Keuchen war in dem Raum zu hören. Der Schweiß stand ihm glänzend auf der Stirn.
Nach einer Weile mischten sich Schritte unter seinen heftigen Atem und die Türe schwang wieder auf. Es waren die schweren Schritte und die Gestalt ignorierte ihn, besah sich lediglich die Worte und Ziffern auf dem Tisch. Der Blick verfinsterte sich und die Gestalt packte ihn, um ihn unsanft aufs Bett zu schmeißen. Dort blieb er. Sein Atem verhallte und die Dunkelheit holte ihn endlich wieder ein. Sanft und eiskalt und unsagbar tröstlich, bis er wieder verschwand.
____________________________
Nachwort:
Der Text mutet schon ein wenig seltsam an, das sehe ich ein. Das ist aber durchaus so beabsichtigt. Die Sätze sind ja formal nicht falsch. Sie sollen aber formal auch gar nicht "schön" klingen. Es ist der Versuch die Situation des Hauptcharakters auch formal irgendwie rüber zu bringen.
Ich bin gespannt, ob mir das gelungen ist.
Selbstredend freue ich mich über konstruktive Kritik immer. :)
Freya
Briefe ins Jenseits
„Ich habe bisher zwanzig Jahre auf dieser Erde verbracht. Wann immer der neue Tag anbrach, habe ich mir Mühe gegeben, etwas aus meinem Leben zu machen und wenn ich scheiterte, habe ich mich einfach treiben lassen. Ich habe versucht, passiv zu leben, habe versucht, bewusst auf meine Umwelt und mein Sein Einfluss zu nehmen. Aber mein Leben ist immer gleich verlaufen. Ich stehe immer noch da, wo ich am Anfang stand.“
Er starrte schweigend auf das Blatt und ließ dann die Feder einfach fallen. Seinen Kopf legte er daneben auf dem Tisch ab. Die Tinte tropfte auf das Blatt und er beobachtete, wie die Farbe sich langsam darauf ausbreitete und einen großen, schwarzen Fleck hinterließ. Ist doch egal, dachte er, als der zweite Tropfen das Blatt weiter verunstaltete. Er schloss die Augen.
Er blieb sitzen. Die dunklen Strähnen fielen ihm weiter ins Gesicht und verdeckten seine Augen. Je mehr Zeit verging, desto leichter fühlte er sich. Es wurde immer dunkler. Draußen ratterte ein Tor, der Hund bellte und er hörte, wie jemand das Haus betrat. Er wusste wer es war, aber es interessierte ihn nicht. Auch das nicht. Das alles nicht. Seine Augen wurden noch schwerer und er ließ sich weiter fort treiben.
Eine schwere Hand setzte ihn wieder gerade auf den Stuhl und stellte die Feder in den kleinen Halter. Das Blatt wurde aufgehoben und gegen das Licht gehalten. Eine Weile stand die Zeit so still. Tinte, die sich unter seinem Gesicht verteilt hatte und die gesamte linke Hälfte benetzte, tropfte lautlos auf sein Oberteil. Er rührte sich immer noch nicht. Er wurde sich erst jetzt wieder seiner Umwelt gewahr, aber sie interessierte ihn noch immer nicht.
Ein Schatten bewegte sich und ein leises Scharren ertönte, als ein Schuh über den Boden glitt und das Blatt landete wieder auf dem Tisch. Dann wurde er wortlos gepackt und auf die Beine gestellt, bevor man ihn aus dem Zimmer schob.
Die schwarzen Tropfen verteilten sich auf seiner Brust, liefen langsam daran herunter und besudelten seine Kleidung. Jetzt musste er lächeln. Es war ein Hoffnungsschimmer in der Nacht. Sollte er aussehen wie ein Geteerter, dann würde er endlich nicht mehr gezwungen sein, sein Innerstes zu verstecken. So schwarz wie seine Seele, das wollte er sein. Das allein verschaffte ihm Linderung. Das allein Genugtuung und Glück.
Ein Schnauben und die Hand schubste ihn unsanft in ein Waschzimmer. Die Kleider wurden ihm vom Leib gerissen und die namenlose Gestalt setzte ihn in das eisige Wasser. Sein Körper erschauderte, seine Seele erfror. Er jubelte.
Er hörte wie hastig Luft eingezogen wurde und registrierte erst spät, dass er es selber war. Die Hand verteilte das Wasser auf seinem Körper, wusch die Schwärze aus seinem Gesicht. Es schmerzte ein wenig und es tat gut. Es war tröstlich, willkommen. Wann hatte er so gelebt wie jetzt, wo er so verdorben war? Nein, er war nie so lebendig gewesen wie nun.
Wieder ließ er die Zeit vorbei streichen. Irgendwo am Rande registrierte er, dass die Berührungen noch grober wurden, aber das interessierte ihn nicht. Er driftete weiter fort, irgendwo ins Nichts.
Mit einem lauten Platschen fiel eisiges Wasser über seinem Kopf hernieder und er keuchte instinktiv erschrocken auf. Seine Hände krallten sich intuitiv am Rande des Zubers fest und er merkte jetzt erst, dass sie ganz steif gefroren waren. Sein ganzer Körper schlotterte.
Sein verstörter Blick traf die Gestalt, die ihn achtlos ins Diesseits zurück gerissen hatte und ihn erneut auf seine Beine stellte, um ihn aus dem Waschzuber zu heben und achtlos ein Handtuch über ihn zu schmeißen. Dann ließ man ihn allein.
Die Tür öffnete sich und eine andere Person trat ein. Er rührte sich nicht. Er blieb einfach stehen, reglos und stumm. Sein Atem ging heftig, sein Körper schlotterte noch immer. Er fühlte sich elend, hilflos. Die schweren Schritte der Gestalt verließen den Raum, als eine verärgerte Stimme ertönte:
„Er war niemals einer!“
Er lag im Bett. Reglos und schweigsam. Jetzt war er wieder allein. Sein Körper hatte aufgehört zu schlottern und er fühlte angenehme Wärme um sich. Weiche Laken um ihn her und das Federkissen unter seinem Kopf. Er war trunken, erneut. Aber es war angenehm. Er war schläfrig und seine Stimme lachte höhnisch in seinem Kopf.
Als er die Augen wieder öffnete, blendete ihn das helle Licht. Angewidert verzog er sein Gesicht und drehte sich um, die Laken über den Kopf gezogen. Er versank wieder und als sein Bewusstsein erneut zurückkehrte, war es noch heller geworden. Er stand verärgert auf und setzte sich wieder an den Tisch. Die Tinte vom Vorabend war verschwunden. Er nahm ein Blatt und legte es vor sich. Dann nahm er die Feder aus der Halterung und schrieb:
„Die Sonne, ein Zwilling, sie bekämpfen sich sehr. Der Mond in der Nacht gibt selbiges her. Wenn Flüsse vertrocknen und Täler ersterben, dann wird der Verlierer seine Macht demütig vererben.“
Die Tür ging auf. Die Feder erstarrte. Er war leblos, so tot wie der Raum für einen Moment, ehe die schweren Schritte heran kamen und ihm das Blatt unter der Feder weg zogen – gerade noch bevor ein Tropfen erneut das Geschriebene verbergen konnte. Dann erstarb der Raum erneut, bis die Schatten sich wieder bewegten, ein leises Scharren ertönte und man ihm die Feder aus der Hand nahm, um sie in den Halter zu tun. Das Blatt fiel sachte daneben auf den Tisch zurück.
Wieder wurde er an den Schultern gepackt und aus dem Zimmer gebracht. Diesmal jedoch blieb der Waschraum fern. Stattdessen wurde ihm etwas Weiches und Warmes um die Schultern gelegt. Zwei neue Hände zupften an ihm herum, zogen das Warme umher und fester um ihn, bis es sich nicht mehr bewegte. Dann wurde er von den groben Händen wieder weiter gestoßen. Gleißendes Licht kam ihm entgegen und er schrie auf.
Er versuchte zu flüchten, doch die Hände hielten ihn. Er versuchte zu beißen, doch die Hände reagierten nicht. Er schmeckte Blut und gierige Genugtuung machte sich in ihm breit. Er biss fester zu, wollte diese Hände verletzen, die ihn in das Licht hinaus stießen. Die ihn aus der Finsternis und dem Nichts hinaus rissen.
Zwei weitere Hände öffneten seine Kiefer und die Hand entwich. Dann wurde er von allen vieren weiter in das Licht gezogen. Er schrie, schrie und sträubte sich. Vergebens.
Die Qualen hielten an. Irgendwann ließ er sich einfach hängen. Seine Augen hielt er fest verschlossen. Verbrennen würden sie, würde das Licht sie treffen. Doch die Hände waren gnadenlos und zogen ihn immer weiter und weiter. Etwas anderes riss an ihm umher und es dauerte lange, bis er sich dem Wind erinnerte. Wind. Das musste Wind sein.
Irgendwann ließ man ihn los und er kam unsanft auf dem Boden auf. Luft entwich aus seinen Lungen und er kauerte sich zusammen, versuchte, sich vor dem Licht zu verstecken. Aber immer, wenn er auf Rettung hoffte, kamen die Hände wieder und zogen seinen Körper auseinander. Er schrie erneut, aber niemand hörte ihn. Niemand reagierte auf sein Leiden.
Nach Stunden hob man ihn wieder hoch. Er keuchte und sein Körper war matt. Dieser bittere Kampf hatte ihn all seiner Kräfte beraubt und er zitterte schwach. Sein Körper winselte wie ein Geächteter. Aber es tat gut. Es graute ihn und stellte ihm seine Nackenhaare auf, aber Leiden war ihm willkommen.
Als er endlich wieder in der Finsternis war, kam sie ihm ungewohnt kalt vor. Man riss ihm den schützenden Pelz wieder vom Leibe und setzte ihn in die Dunkelheit zurück. Er zitterte und schlotterte und machte sich ganz klein. Irgendwo in einer Ecke unweit der Tür blieb er sitzen und rührte sich nicht. Sein Körper wippte sachte vor und zurück, bis er sich wieder beruhigt hatte. Seine Augen waren stur auf den Tisch gerichtet. Er sah die Feder, die in ihrem Halter steckte, den Stapel Papiere in ihrem Fach…
Hastig stand er auf, rannte dort hin und riss die Feder an sich. Seine Handschrift war entsetzlich entstellt, als er, zappelnd und immer wieder absonderliche Laute von sich gebend, einige Lettern auf die Blätter schrieb. Die Lettern erstreckten sich quer über alle Blätter, die er unsanft aus dem Fach gerissen und auf dem Tisch verteilt hatte. Keines blieb aus, alle blieben beschmiert zurück. Beschmiert mit Formen schwarzer Farbe, die selbst eine Geschichte erzählten, um die Lettern herum, deren Worte den konkreten Gegensatz zu dem schwarzen Gemetzel bildeten.
„Liebliche Chöre, ganz leise erklingen, über Wolken und Länder, sie Freude erbringen. Ihr Glanze im lieblichen Lichte erstrahlet und keiner der Ihrigen nicht sind begnadet.“
Seine Hand, schwarz von Tinte, hielt inne. Ein kurzes Zucken durchfuhr sie, dann schrieb er weiter. Rasend schnell, die Blätter fast zerreißend.
„Donner und Blitze die Welt nieder stürzen, kein Wort je die Tode könnte bezirzen. Hernieder der Himmel falle aufs Volke, gleich einer schwarzen vernichtenden Wolke, zu ersticken was lebet, nur zerfetzen, das gebet der Himmel dem menschlichen Wesen, damit auch die tiefste Schwärze in ihr Bewusstsein gelesen.“
Die Worte wurden immer wirrer, die Sätze immer surrealer und er schrieb wahnsinnig immer schneller und schneller, bis er schließlich keuchend und mit einem lauten, dumpfen Knall zu Boden ging und liegen blieb. Die Feder sank hernieder, fast ohne einen Laut von sich zu geben. Nur sein lautes Keuchen war in dem Raum zu hören. Der Schweiß stand ihm glänzend auf der Stirn.
Nach einer Weile mischten sich Schritte unter seinen heftigen Atem und die Türe schwang wieder auf. Es waren die schweren Schritte und die Gestalt ignorierte ihn, besah sich lediglich die Worte und Ziffern auf dem Tisch. Der Blick verfinsterte sich und die Gestalt packte ihn, um ihn unsanft aufs Bett zu schmeißen. Dort blieb er. Sein Atem verhallte und die Dunkelheit holte ihn endlich wieder ein. Sanft und eiskalt und unsagbar tröstlich, bis er wieder verschwand.
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Nachwort:
Der Text mutet schon ein wenig seltsam an, das sehe ich ein. Das ist aber durchaus so beabsichtigt. Die Sätze sind ja formal nicht falsch. Sie sollen aber formal auch gar nicht "schön" klingen. Es ist der Versuch die Situation des Hauptcharakters auch formal irgendwie rüber zu bringen.
Ich bin gespannt, ob mir das gelungen ist.
Selbstredend freue ich mich über konstruktive Kritik immer. :)
Freya