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deserted-monkey
07.11.2008, 18:44
Der finstere Wald flüsterte leise.
Mit großem Interesse beobachtete er den geschickt über Wurzeln und moosbewachsenen Stein springenden Jungen, der zurück zu seinem Vater eilte. Begeistert raschelte es in der Finsternis, der Wald wusste, was nun passieren würde.
Auf der festgestampften Strasse, die wie eine dicke Ader durch sein Herz hindurchführte, stand eine wartende Kutsche. Behände lief der Junge zu ihr hin. Ihr kugelrunder Bauch öffnete sich und sein Vater blickte ihm sehr ernst und mit Verzweiflung entgegen:
“Welch Irrsinn hat dich verleitet, alleine in diese Wälder zu gehen, mein Sohn?”
Der Junge sprach: “Ich musste mich erleichtern, Vater. Irgendetwas ließ mich den Wald betreten. Ich kann dir nicht sagen, was, aber es ist unheimlich da drinnen.”
“Und gefährlich ist es, mein Jung.”, sagte der Kutscher vom Bock und spuckte auf die Strasse. Dann verschwand der Junge im Inneren des mit vier Pferden bespannten Gefährts und die Rösser setzten sich unter der Peitsche des Kutschers in Bewegung. Für den Wald blieb nur eine Staubwolke zurück. Aber der Junge, der seine Dunkelheit betreten hatte, veränderte sich. Noch bevor die Kutsche in Martigny eintraf, war aus seiner Nase ein kräftiger, gesunder Zweig gewachsen. Am Ziel angekommen, war es die erste Tat seines todverschreckten Vaters, beim örtlichen Händler eine handliche, scharfe Axt zu erwerben.

In der Raststätte zu Martigny herrschte reges Treiben. In dieser Nacht hatten sich viele Fremde in dem kleinen Städtchen am Rande des Waldes eingefunden. Unter ihnen war auch ein älterer, bekümmert ausschauender Herr, der alleine an einem der Tische saß und betrübt zu Boden blickte. Manchmal konnte man im Licht der Öllampen eine einsame Träne in seinen Augen blitzen sehen. Alle schienen fröhlich und guter Dinge zu sein, tranken und lachten, nur dieser Mann konnte sich an nichts erfreuen. Als man ihn schlussendlich darauf ansprach, so erwiderte er mit grauenhaft hoffnungsloser, gebrochener Stimme: “Mein Junge. Mein geliebter Junge, er ist in den Wald gegangen …”
Und urplötzlich wurde es totenstill. Da wussten die Menschen, welch Schicksal ihm widerfahren war. Das Blut klebte noch an seinen einst so starken Händen.
Niemand wagte es, etwas zu sagen, die Stille kroch wie ein lauerndes Raubtier von Tisch zu Tisch. Doch dann fasste sich der Barmann ein Herz und flüsterte in den Raum hinein:
“Er ist selbst zum Wald geworden, habe ich Recht?”
Da weinte der Mann hemmungslos und niedergeschlagen, sein Kopf nickte dazu auf und ab.
“Ich habe ihn mit der Axt erschlagen! Meinen armen Sohn!”
Darauf lachten die Menschen in der Raststätte zu Martigny, sie kicherten und grölten und das verabscheuenswürdige Gelächter zerstach das Herz des Mannes wie ein Lanzenstich.
“Du hast deinen eignen Sohn getötet? Nur weil er zum Baume gewachsen ist? Du musst halluziniert haben! Nicht er war es, sondern du, der zum Walde geworden ist!”
Schreiend flüchtete der Mann in die Nacht hinaus, sprang auf den Rücken eines seiner Pferde und galoppierte aus der Stadt, als würde er vom Teufel persönlich geritten.
Niemand hatte ihn je wieder gesehen.

So feierten die Menschen in Martigny weiter und empfingen noch viele Fremdlinge, unter denen von Zeit zu Zeit wieder ein Jener war, an dem man sich diabolisch erfreuen konnte. Doch über die Jahre wurde die Stadt mehr und mehr gemieden, bis schließlich Stille an diesem Ort einkehrte.
Nur der finstere Wald, er flüsterte leise.

Liferipper
09.11.2008, 08:46
Ich weiß nicht, wie es anderen geht, aber der Satz


Ich musste urinieren, Vater.

ist für mich ein ziemlicher Atmosphärekiller.

Außerdem benutzt man "Herzen" mit dem Dativ, nicht mit dem Akkusativ, wo es einfach "Herz" heißt.

Jerome Denis Andre
09.11.2008, 09:59
Ich weiß nicht, wie es anderen geht, aber der Satz

Ich musste urinieren, Vater.
ist für mich ein ziemlicher Atmosphärekiller.


Dito.


Ansonsten aber Gut, finde ich.
Besonders gegen Ende.

deserted-monkey
09.11.2008, 17:36
N'Abend,

Ich weiß nicht, wie es anderen geht, aber der Satz
ist für mich ein ziemlicher Atmosphärekiller.
Stimmt. Ich wusste nicht, wie ich das anders schreiben sollte. Zuerst dachte ich an erleichtern müssen, doch das gefiehl mir auch nicht wirklich. Wahrscheinlich hätte ich es am Besten ganz rausgelassen und einen anderen Grund für das Betreten des Waldes gesucht ... http://www.multimediaxis.de/images/smilies/old/szuck.gif

Außerdem benutzt man "Herzen" mit dem Dativ, nicht mit dem Akkusativ, wo es einfach "Herz" heißt.
Okay. Danke.


Ansonsten aber Gut, finde ich.
Besonders gegen Ende.
Freut mich!

Gruss,
d-m