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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Kunsthistoriker und Philosophen gesucht



Mordechaj
12.08.2008, 20:03
Huhu,

Ich schreibe im Moment an einer BeLL ("Besonderen Lernleistung", in anderen Bundesländern heißt das wohl schlicht "Facharbeit") über das Thema Portrait als solches - im Moment titelt das ganze äußert hochtrabend "Das Portrait zwischen Psychogramm und Anthropologie und am Beispiel der Fotographie".

Für den theoretischen Teil hab ich mir dabei unter anderem die Abhandlung der philosophischen und der historischen Hintergründe zurechtgelegt. Das Problem dabei ist, dass die meisten Lektüren zu dem Thema u.a. diese zwei Punkte eher abschweifend, oder nur sehr kompakt darstellen und mir für ausschweifende Buchrecherche schlicht und ergreifend die Zeit fehlt (laut Plan müsste ich die Theorie eigentlich in 2 Wochen abgeschlossen haben).
Das Gute daran ist, dass mir die Tatsache, dass Quellenbelege eher nebesächlich und Eigenausarbeitungen sehr erwünscht sind, rein vom Arbeitsaufwand her zugute kommt.


Nun gibt es aber eben diese zwei Stellen, an denen mein spärliches Wissen und die ebenso spärliche Lektüre doch nicht ganz hinreichen, um die Themen umfassend beleuchten zu können. Eigentlich hatte ich dafür meine Quellen, allerdings sind da bestimmte Komplikationen vu der familiären Angelegenheiten aufgetreten.
Meine Hoffnung nun, dass ihr mir da weiterhelfen könnt:


Historisches:

Renaissance:
1. Inwieweit standen die Medici (bzw. auch die Sforzas) im Machtkonflikt mit der Kirche?
2. Inwieweit kann man sagen, dass die abbildenden Künste in ihrer Machtpolitik eine Rolle gespielt haben? (beispielsweise meinte die florentiner Stadtführerin, die Statue von David stände für den Sieg des Schwächeren nach der Verbannung der Medici und der Hercules für den Sieg des Stärkeren, nach ihrer Rückkehr) Inwieweit bestand das vorallem im Bezug zu den zwei Polen sakrale Obrigkeit - weltliches Herrschertum?
3. Die theologische Lehrmeinung des Katholizismus hat im Mittelalter viele Einschränkungen erzwungen, die in der Renaissance gelöst wurden (Stilisierte Vertreterbildnisse --> exakte anatomische Zeichnungen, Ikonisierung im Kleinen --> übermächtige Fresken und Gemälde Heiliger). Geht das vielleicht mit einer Anpassung der Kirche an den Takt der Zeit einher? Wie lässt sich die Kirche als Auftraggeber der Meister bewerten?
4. Gibt es ungefähre Zahlen, wieviele figurliche und portraithafte Darstellungen die Kunstsammlung der Uffizien bzw. ganz Florenz' umfasst?
5. Die europäische Kultur findet die antiken Philosophenschmöker in den Klosterbibliotheken wieder und wird schlagartig mit dem hellenistischen Kunststil konfrontiert. Warum genau kommt es eigentlich zu der Wiederbelebung des klassischen Altertums? Inwieweit ist das mit dem Geniekult der Meister, der sich zu der Zeit entwickelt, in Verbindung zu sehen? (die Kunstakademien weisen bspw. große Ähnlichkeit den den Philosophenschulen der Antike auf)

Barock:
1. Ist die These richtig, dass der Vanitas-Gedanke dazu führte, dass dem Portrait eine zusätzlich gehobene Stellung zukam? (Das Portrait - in seiner abbildenden, teils religiösen Funktion - als Vergegenwärtigung von Verschiedenen oder Abwesenden) Gibt es vielleicht Belege dafür?
2. Gibt es Beispiele von portraithaften Darstellungen, in denen die Polarität von Sein und Vergehen auftaucht? (was beispielsweise in der Lyrik mit dem Sonnett oft aufgegriffen wurde)
3. Inwieweit hat sich die Technik, bzw. das Material der Kunstwerke im Hinblick auf die Renaissance weiterentwickelt?


Philosophisches:

Ich lass das mal noch offen, weil ich dazu noch ein Buch zu lesen hab, das sicher noch eine Hand voll Fragen aufwirft. Ich wollte die Philosophie aber schonmal im Titel haben, gleichzeitig aber nicht warten, euch mein Anliegen zwecks der historischen Hintergründe aufzudrängeln. In ein, zwei, drei Tagen könnt ihr allerdings unter Beweis stellen, was ihr einem absoluten phänomenologischen Banausen noch bezubringen vermögt =).



Es wäre wirklich nett, wenn ihr darauf ein paar Antworten hättet. Es braucht auch gar keine ausgetüftelten Ausarbeitungen, manchmal reicht ein kleiner Schubs in die richtige Richtung oder vielleicht sogar nur ein Link (ein bisschen seltsam ist das schon: sonst bin ich überraschend spitzfindig in der Internetrecherche), schließlich soll ich ja auch selber noch ein bisschen was machen.

Ianus
14.08.2008, 20:10
Hinweise kann ich gerade noch geben.



2. Inwieweit kann man sagen, dass die abbildenden Künste in ihrer Machtpolitik eine Rolle gespielt haben? (beispielsweise meinte die florentiner Stadtführerin, die Statue von David stände für den Sieg des Schwächeren nach der Verbannung der Medici und der Hercules für den Sieg des Stärkeren, nach ihrer Rückkehr) Inwieweit bestand das vorallem im Bezug zu den zwei Polen sakrale Obrigkeit - weltliches Herrschertum? Bilder spielten eine Rolle - in Florenz, wenn ich mich recht entsinne, ließ man eine ganze Reihe von gefemmten Personen und ihre Wappen an die Wand des Rathauses malen - allerdings kann die Bildbenutzung IMO nicht mit der des Barocks gleichgesetzt werden da die Ideologie des Absoluten Herrschers noch in der Entwicklung war. Die Sache mit dem David und dem Hercules würde ich als Beispiel von Rhetorik annehmen. Man liebte solch bildliche Vergleiche, mit der Realität mussten sie nichts zu tun haben.
Von einer Polarisierung zwischen weltlicher und kirchlicher Herrschaft in Bildern habe ich bisher erst während des Barocks gehört (Inszenierung von Ludwig XVI als Sonnengott z.B.)


3. Die theologische Lehrmeinung des Katholizismus hat im Mittelalter viele Einschränkungen erzwungen, die in der Renaissance gelöst wurden (Stilisierte Vertreterbildnisse --> exakte anatomische Zeichnungen, Ikonisierung im Kleinen --> übermächtige Fresken und Gemälde Heiliger). Geht das vielleicht mit einer Anpassung der Kirche an den Takt der Zeit einher? Wie lässt sich die Kirche als Auftraggeber der Meister bewerten? Malen "gleich der Natur" wurde in den Niederlanden erfunden und von dort nach Italien geführt. Die Kirche hatte sehr wenig damit zu tun, da man im Westen verglichen mit der Ostkirche generell weniger Bildkritisch eingestellt war. "Die Kirche" als Auftraggeberin ist ebenfalls sehr relativ, da viele Teile der Kirchen durch Mäzenen und Stifter ausgeschmückt wurden. Diese heuerten ihre eigenen Maler an und ließen sie nach ihrem Geschmack arbeiten.


5. Die europäische Kultur findet die antiken Philosophenschmöker in den Klosterbibliotheken wieder und wird schlagartig mit dem hellenistischen Kunststil konfrontiert. Warum genau kommt es eigentlich zu der Wiederbelebung des klassischen Altertums? Inwieweit ist das mit dem Geniekult der Meister, der sich zu der Zeit entwickelt, in Verbindung zu sehen? (die Kunstakademien weisen bspw. große Ähnlichkeit den den Philosophenschulen der Antike auf) Die Texte kamen aus Byzanz, in Europas Klöstern fand man bestenfalls korrumpierte Versionen davon. Was geschah, war das Italien mit römischen und griechischen Texten konfrontiert wurde, das hellenistische Erbe lag vollständig auf dem Gebiet der Türken und konnte dementsprechend nicht studiert werden. Die Rennaissance ist eher eine Interpretation des römischen Altertums durch die Brille des Mittelalters als eine "Konfrontation mit dem hellenistischen Kunststil". Wenn du das suchst, wirst du weiter vorgreifen müssen - Zu Hinckelman und Goethe und dem Klassizismus. Rom, nicht Hellas war der Trend der Renaissance.
Der Geniekult steht in keinem Zusammenhang mit den Altertumstexten, da der Begriff unter Römern und Griechen nicht existierte. Der Geniekult ist eine Entwicklung der Zeit - die Maler betrachteten sich als Schöpfer im christlichen Sinne, welche die Natur nach ihrem Sinne bilden konnten. Dies war ihnen durch die "neuen" Techniken der der Darstellung "gleich der Natur" möglich. Müsste jetzt die Bücher wieder auspacken, wenn ich das Thema verbreitern sollte.

Kannst du mir Input bezüglich der Kunstakademien der Renaissance geben? Ich dachte, die Ausbildung lief damals noch in den Werkstätten ab? Das Akademiewesen begann doch erst später in Frankreich und die mittelalterliche Universität ist ein ganz anderes Biest gewesen.


Barock:
1. Ist die These richtig, dass der Vanitas-Gedanke dazu führte, dass dem Portrait eine zusätzlich gehobene Stellung zukam? (Das Portrait - in seiner abbildenden, teils religiösen Funktion - als Vergegenwärtigung von Verschiedenen oder Abwesenden) Gibt es vielleicht Belege dafür? Was meinst du damit? Religiöse Portraits und Vanitas-Darstellungen gibt es in Deutschland seit dem späten Mittelalter. Siehe die ganzen Totentanz-Darstellungen und die Stifterportraits in den Kirchen. Inwiefern kann man den Dreißigjährigen Krieg aber zum Barock zählen? Der deutsche Barock begann doch erst danach?!


2. Gibt es Beispiele von portraithaften Darstellungen, in denen die Polarität von Sein und Vergehen auftaucht? (was beispielsweise in der Lyrik mit dem Sonnett oft aufgegriffen wurde) Der Manierismus hat eine Reihe von solchen hervorgebracht - mir fallen spontan das Portrait des Jünglings mit dem Totenschädel und das Doppelportrait mit dem verzerrten Totenschädel ein. Sonst habe ich irgendwo aufgeschnappt, dass Vanitas-Ideen eher in Stilleben verarbeitet wurden.


3. Inwieweit hat sich die Technik, bzw. das Material der Kunstwerke im Hinblick auf die Renaissance weiterentwickelt? Die Erforschung der Optik machte Fortschritte, die Sehunschärfe wurde während der Renaissance noch nicht in die Bildplanung eingezogen. Materialtechnisch wäre mir kein Fortschritt bekannt.

Mordechaj
16.08.2008, 20:32
Danke dir vielmals für die Mühe, das bringt mich erstmal ein großes Stück weiter =)).


Kannst du mir Input bezüglich der Kunstakademien der Renaissance geben? Ich dachte, die Ausbildung lief damals noch in den Werkstätten ab? Das Akademiewesen begann doch erst später in Frankreich und die mittelalterliche Universität ist ein ganz anderes Biest gewesen.

Damit meinte ich auch die Werkstätten =/. Ich wusste nich, wie ichs hätte nennen sollen, ich hatte nur das Bild von dunklen Räumen voll mit Jungspunten und einem bärtigen DaVinci im Hinterkopf (ja, mein Weltbild ist inzwischen sehr geplagt mit Büchern über irgendwelche großen Verschwörungen)


Was meinst du damit? Religiöse Portraits und Vanitas-Darstellungen gibt es in Deutschland seit dem späten Mittelalter. Siehe die ganzen Totentanz-Darstellungen und die Stifterportraits in den Kirchen. Inwiefern kann man den Dreißigjährigen Krieg aber zum Barock zählen? Der deutsche Barock begann doch erst danach?!
Laut unseren Deutschaufzeichnungen erreicht der Vanitas-Gedanke im Barock seinen Höhepunkt (die Memento Mori aus dem Mittelalter haben wir beispielsweise auch vollkommen diskriminiert und das böse dem Barock untergeschoben), Wiki gibt mir da übrigens recht.


Der Manierismus hat eine Reihe von solchen hervorgebracht - mir fallen spontan das Portrait des Jünglings mit dem Totenschädel und das Doppelportrait mit dem verzerrten Totenschädel ein. Sonst habe ich irgendwo aufgeschnappt, dass Vanitas-Ideen eher in Stilleben verarbeitet wurden.
Du spielst auf das hier an, oder?:
http://de.wikipedia.org/wiki/Bild:Picture_puzzle.jpg
Aber gut, das Wissen, dass die Verarbeitung in portraithaften eher weniger zum Zuge kam, ist auch schonmal was wert.
Hast du vielleicht Anhaltspunkte, wo sich das Bild mit Jüngling und Totenschädel auftreiben lässt?


Bis hierhin jedenfalls nochmal großen Dank, das ist echt nett ;).
Wenn es noch weitere Anmerkungen gibt, bitte bloß her damit, ich nehm auch unvollständige Sachen =).

Ianus
16.08.2008, 21:22
Damit meinte ich auch die Werkstätten =/. Ich wusste nich, wie ichs hätte nennen sollen, ich hatte nur das Bild von dunklen Räumen voll mit Jungspunten und einem bärtigen DaVinci im Hinterkopf (ja, mein Weltbild ist inzwischen sehr geplagt mit Büchern über irgendwelche großen Verschwörungen) Und wo siehst du die Paralellen zu den Philosophenschulen?


Du spielst auf das hier an, oder?:
http://de.wikipedia.org/wiki/Bild:Picture_puzzle.jpg
Aber gut, das Wissen, dass die Verarbeitung in portraithaften eher weniger zum Zuge kam, ist auch schonmal was wert.
Hast du vielleicht Anhaltspunkte, wo sich das Bild mit Jüngling und Totenschädel auftreiben lässt? Das hier:

http://de.wikipedia.org/wiki/Bild:Holbein-ambassadors.jpg

Beim anderen komme ich leider erst frühestens nächsten Samstag zum Nachschlagen. Ich glaube, ich habe es in Gustav René Hockes "Die Welt als Labyrinth. Manier und Manie in der europäischen Kunst" gesehen.

Mordechaj
17.08.2008, 09:15
Und wo siehst du die Paralellen zu den Philosophenschulen?
Nunja, im Bezug auf den Geniekult sind die Philosophen ja nichts anderes als die Meister ihrer Zeit; beide scharen ihre 'Jünger' um sich und beide übertreten strenggenommen die Grenzen der Zeit - den Sophistenhammer scheint man in Griechenland ja schnell mal gezückt zu haben, Studien der Anatomie standen in der Renaissance laut einschlägiger Quellen unter Todesstrafe.
Streng genommen könnte man auch sagen, dass sich DaVinci bei Verrocchio ähnlich wie Platon von Sokrates entfernt hat (natürlich ist das jetzt unheimlich verallgemeinernd und nicht wirklich vergleichbar, der Punkt ist aber, dass Meister aus den Werkstätten anderer Meister hervorgehen).
Zumindest aus heutiger Sicht kann man denke ich soweit sagen, dass beide den Takt der Zeit effektiv beeinflusst haben und an ihrer halbgöttischen Darstellung zumindest insofern etwas dran ist, als dass beide 'Gruppen' ihrer Zeit rein ideologisch weit überlegen waren. Meine Überlegung war nun, dass sich die Meister an den großen Philosophen dahingehend doch sicher orientiert haben.
(hab ich mir grad selber geantwortet? .___.")



http://de.wikipedia.org/wiki/Bild:Holbein-ambassadors.jpg
Dafür ein ganz großes Dankeschön. Als Referenz macht sich das unglaublich gut und mit ein bisschen Glück kann ich das auch für die Philosophie des Portraits nochmal zu Rate ziehen.



Beim anderen komme ich leider erst frühestens nächsten Samstag zum Nachschlagen. Ich glaube, ich habe es in Gustav René Hockes "Die Welt als Labyrinth. Manier und Manie in der europäischen Kunst" gesehen.
Es wäre wirklich super nett von dir, wenn du mir den Gefallen tun könntest, das noch einmal nachzuschlagen, wenn dir das möglich ist. Ich weiß, dass du das alles "ehrenamtlich" tust und sobald ich endlich mal mit dem philosophischen Zeug rausrücke, du sicherlich auch meine erste Adresse sein wirst, aber gerade diese kleinen Hintergrundinformationen sind für die Arbeit eben ziemlich wichtig =/. Dass ich dir jetzt schon hundertfachen Dank zolle, ist hoffentlich auf meine gewohnt anbiedernde Weise zum Tragen gekommen ._." .