Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Die wahrscheinlichere Variante ist...?
Dieses Wochenende ergab sich wieder einmal eine interessante Situation:
Mein Freundeskreis hat sich nach längerer Zeit wieder einmal vollständig in einem Nachtlokal versammelt und wir ergingen uns in Smalltalk über dieses und jenes. Unter anderem kamen wir auf Sachbücher und deren Inhalt zu sprechen, in welchem Zusammenhang weiß ich nicht mehr.
Auf jeden Fall beendete eine Freundin das Thema mit der Wendung: Jeder sagt etwas anderes, aber irgendwie werden schon alle trotz unterschiedlicher Perspektiven die Wahrheit sagen. Ich weiß nicht, was die Wahrheit ist.
Asche auf mein Haupt, ich brach den Fluss des Smalltalks und wurde mit Ablehung gestraft. Ich hätte nicht fragen dürfen, ob sie nicht weiß, wie man den Wahrheitsanspruch eines Textes prüft?! Ich dachte mir, als Frau mit wissenschaftlicher Ausbildung könne sie zumindest wissenschaftliche Texte von Romanen und Zeitungsberichten unterscheiden. Wenn sie wirklich die Qualität der Information eines Buches nicht werten kann, was wäre dann, wenn Erich von Däniken plötzlich Bücher über Bluttests schreiben würde? Müsste sie seine Argumentation als vollkommen gleichwertig mit einem anständigen Fachbuch nehmen? Sie kennt die Wahrheit ja schließlich nicht, und beide Bücher sind gleichwertig, da sie beide die Wahrheit zu sagen versuchen.
Ich weiß, ich argumentiere hier bösartig, aber die Frage an sich ist sehr ernst: Könnt ihr die Qualität einer Argumentation bewerten?
Denn meine Bekannte hat insofern recht, als wir selten die Möglichkeit haben, den Wahrheitsgehalt all der Thesen, die uns vorgelegt werden direkt zu überprüfen. Hilflos sind wir trotzdem nicht. Es gibt schließlich textimmanente Kriterien, welche wahrscheinlichere von unwahrscheinlicheren Theorien trennen. Die allein zu erkennen braucht glücklicherweise wenig bis kein Fachwissen über das behandelte Thema.
Bleiben wir bei Däniken, denn seine Bücher sind doch recht verbreitet. Wer kann mir sagen, was in seiner Argumentation seine Thesen disqualifiziert? Was macht er, dass seine Theorie verglichen mit dem etablierten Standard unglaubwürdig erscheinen lässt?
Jou, ich steh da auf deiner Seite glaubich. Ich trau mir zu, Argumentation zu bewerten.
Sachliche Bücher müssen prägnant und falsifizierbar sein sowie saubere Quellenangaben haben, wobei die Quellen einfach zugängliche Studien enthalten sollten im besten Fall.
Die Theorien sollten zudem sauber heuristisch begründet sein.
Bei Versuchsbeschreibungen und Studien kann man noch weiter gehen und darauf achten, dass sie auch blind durchgeführt wurden.
Womit ich eigentlich schon die wichtigsten Punkte echter, sauberer Wissenschaft genannt habe, eben Falsifikation (http://de.wikipedia.org/wiki/Falsifikationismus), Heuristik (http://de.wikipedia.org/wiki/Heuristik) und Blindstudien (http://de.wikipedia.org/wiki/Blindstudie), für Texte Quellenangaben.
Dähniken schreibt ganz klar reißerisch und nimmt allerlei Sachen an, ohne sich groß um Heuristik zu scheren.
Übrigens, auch Negativkriterien existieren, man kann in Argumentationen nach bekannten Tricks der Eristik (http://de.wikipedia.org/wiki/Kunstgriffe_(Schopenhauer)) Ausschau halten
Unterschätze niemals die Vielseitigkeit der Stochastik.
Und sag' einer Frau nie, dass sie dumm ist.
Dann darfst Du auch wieder ungestraft am Smalltalk teilnehmen.
(Über den Rest der Hochgeistigkeit zerlache ich mich gerade zu sehr, als dass ich was halbwegs vernünftiges dazu abgeben könnte... "Wert einer Argumentation" ... "echte, saubere Wissenschaft" ... bei den Himmeln... Hilfe.
*nach Luft schnapp* Für sowas bin ich einfach zu ungebildet.)
TheBiber
12.08.2008, 15:57
Eine Argumentation hat dann wert, wenn sie Argumente besitzt. Den richtigen, wissenschaftlichen Texten sieht man normalerweise an, dass sie sachlich genug sind und kann sie relativ einfach vom Rest unterscheiden. Däniken kenne ich nicht, vielleicht kann mir jemand mal ein Beispieltext zeigen.
@Valada: Was hat Stochastik damit zu tun? Nur weil das Wort "wahrscheinlichere" gefallen ist?
Taro Misaki
12.08.2008, 16:16
Von Dämiken ist ein stümperhafter Irrer, der sagt, dass vor 2000 Jahren Aliens auf der Erde gelandet sind.
Ehrlich, ich habe versucht mir eine Dokumentation von und mit ihm anzuschauen, aber so sehr ich mich auch bemühte sie zuende zu gucken, der Typ ist einfach so ein Psycho, ich musste es nach 10 Minuten wieder ausmachen, was schon eine Zumutung war.
Denke das war eher metaphorisch gemeint. So wie "Ich weiß dass ich nichts weiß" oder " Es gibt keine Wahrheit".
Nun, ansonsten denke ich auch dass es eher eine Art Eingrenzen ist, welches Argument welchen "Wert" hat. Nicht umsonst werden auch wissenschaftlich fundierte und "richtige" Ergebnisse hin und wieder revidiert. Neue Erkenntnisse und Methoden kommen hinzu und man kommt so zu einem leicht anderen Ergebnis - ohne dass das alte nun "falsch" sein muss. Es zeigt nur nicht die ~ganze~ Wahrheit.
Zu Däniken kann ich wenig sagen, ich denke mal dass seine Ansichten einfach Interesse wecken. Und sie lassen sich nicht zu 100% widerlegen, vielleicht auch weil ein Fünkchen Wahrheit drinsteckt. Letzteres ist ja auch wie ein Blueprint zu interessanten Geschichten, Erzählungen und auch Dokumentationen.
Schattenläufer
12.08.2008, 19:04
@Valada: Was hat Stochastik damit zu tun? Nur weil das Wort "wahrscheinlichere" gefallen ist?
Ohne mich jetzt zu weit aus dem Fenster lehnen zu wollen, denn ich hatte Wahrscheinlichkeitsrechnung bisher nie unter dem Namen Stochastik und weiß auch nicht genau, was da jetzt alles dazugehört:
Sie (oder er, keine Ahnung) meint damit wohl, dass in der Wahrscheinlichkeitsrechnung oft auch unerwartete Ergebnisse kommen. Ich kann mich eben an die Quantenmechanik erinnern, welche ja die Annahme eines Laien widerlegt, dass es immer eine Normalverteilung gibt - da gab es diese Wahrscheinlichkeitsgrafiken mit mehreren Spitzen und Nullpunkten.
Soll heißen: Das, was man erwartet, ist nicht unbedingt das, was wahrscheinlich ist.
Kaltblut
12.08.2008, 19:15
@Valada: Was hat Stochastik damit zu tun? Nur weil das Wort "wahrscheinlichere" gefallen ist?
Ohne mich weit aus dem Fenster lehnen zu müssen. Mit Wahrscheinlichkeitsrechung falsifiziert man Hypothesen in den Gesellschaftswissenschaften. Wenn etwas falsch ist, kanns nicht mehr richtig sein ^_^ und wenn etwas einfach nicht falsch wird, egal wie oft man etwas testet, dann ist es vielleicht eine ganz brauchbare Theorie.
Stochastik ist wohl eine der Grundlagen der Wahrscheinlichkeitsrechnung.
EDIT:
Unterschätze niemals die Vielseitigkeit der Stochastik.Dazu hab ich noch was. Unterschätze niemals die Unfähigkeit von Nicht mathematisch ausgebildeten Wissenschaftlern. Die meisten - so meine Erfahrung - kapieren die Wahrscheinlichkeitstheorie nicht, haben nicht vor sie zu verstehen und würden niemals zugeben, dass sie sie nicht verstehen. Ein Quell ewiger Ärgernis für mich.
Ich übersetzet Stochastik mit: "Welcher Zufall überrennt mich heute wieder?"
Außerdem ist so gut wie nichts, das scheint, wahr.
Außer die Sonne.
Die ist wirklich da.
*hochzeig*
Ach ne, der war um die Uhrzeit zu stumpf...
Zu Däniken kann ich wenig sagen, ich denke mal dass seine Ansichten einfach Interesse wecken. Und sie lassen sich nicht zu 100% widerlegen, vielleicht auch weil ein Fünkchen Wahrheit drinsteckt. Letzteres ist ja auch wie ein Blueprint zu interessanten Geschichten, Erzählungen und auch Dokumentationen. Das Problem an Däniken ist, dass seine Geschichten ihre Glaubwürdigkeit verlieren, sobald man sich die Mühe macht, seinen Quellen nachzugehen. Oder überhaupt Fragen stellt. Er ist ein schwacher Erzähler. Ich könnte das jetzt mit Beispielen aus Google unterlegen, aber im Moment geht es eher um Kritik am Text.
Däniken kenne ich nicht, vielleicht kann mir jemand mal ein Beispieltext zeigen.
Hier mal ein Text von ihm (http://www.daniken.com/d/texte/datierungen.pdf) (pdf)
Befasst sich mit dem "Pyramidenproblem", d.h. Aliens haben die Cheops-Pyramide in der vordynastischen Zeit gebaut und die überlieferten Königschroniken sind 100% glaubwürdig und korrekt. Will sich jemand die Mühe machen, einige der Schwächen seiner Argumentation aufzuzeigen? Geht mehr um den spezifischen Stil, den er pflegt und um den Unterschied zu einer fruchtbareren Arbeit. Ich bringe später zum Vergleich noch einen anderen Text, der ähnlich spekulativ IMO aber besser verfasst und begründet ist.
TheBiber
12.08.2008, 19:42
Ich kann mich eben an die Quantenmechanik erinnern, welche ja die Annahme eines Laien widerlegt, dass es immer eine Normalverteilung gibt - da gab es diese Wahrscheinlichkeitsgrafiken mit mehreren Spitzen und Nullpunkten.
Wieso der Laie eine Normalverteilung annehmen sollte, ist mir etwas schleierhaft. Grundsätzlich gibt es verschiedenste Arten von Wahrscheinlichkeitsverteilungen (stetig, diskret, darunter Normal, Poisson, Exponential, Chi-Quadrat, usw.). Ein klassisches Beispiel aus dem Alltag für eine Nicht-Normalverteilung ist die Wahrscheinlichkeitsverteilung für die Lebenserwartung einer Glühbirne. Die nimmt nämlich exponentiell ab.
In der Quantenmechanik sind es die Moden des Betragsquadrates der Materiewellen-Funktion, welche bei höheren Energien immer mehr Berge und Täler aufweist. Aber in diesem Gebiet geht sowieso so ziemlich alles gegen die Alltagsintuition.
Ohne mich weit aus dem Fenster lehnen zu müssen. Mit Wahrscheinlichkeitsrechung falsifiziert man Hypothesen in den Gesellschaftswissenschaften. Wenn etwas falsch ist, kanns nicht mehr richtig sein ^_^ und wenn etwas einfach nicht falsch wird, egal wie oft man etwas testet, dann ist es vielleicht eine ganz brauchbare Theorie.
Widerlegen der Nullhypothese, ich kenns, hab in einer Woche Klausur darüber. ;)
Ich fragte mich eher, was Valadas Aussage bezüglich Stochastik mit dem ganzen Thema zu tun hatte, da es ja um die Argumentationsweise an sich ging und nicht um wissenschaftliche Tests. Aber offenbar hat sich das jetzt geklärt.
Stochastik ist wohl eine der Grundlagen der Wahrscheinlichkeitsrechnung.
Nicht ganz. Als Begriff fasst Stochastik die Wahrscheinlichkeitsrechnung und die Statistik zusammen.
Hier mal ein Text von ihm (http://www.daniken.com/d/texte/datierungen.pdf) (pdf)
Brr, der erste Absatz zeugt schon von Unseriosität. Polemische Texte sind höchstens witzig zu lesen, aber nicht als Argumentationsbasis brauchbar. Ich les den jetzt trotzdem mal ganz durch.
EDIT:
Naja, der Däniken macht mir nicht wirklich Eindruck, der ist einfach nur lächerlich. Erst stellt er einige Behauptungen auf und bezeichnet dann andere als unwissenschaftlich. Anschliessend zitiert er eine Menge von Quellen mit den Kommentaren, dass sich Historiker und Archäologen ihre Geschichte selbst zurechtbiegen, ohne dies stichhaltig zu begründen.
Dann kam sein Beispiel mit der "Funkenkammer", welche aufgrund von kosmischer Strahlung irgendetwas nicht-genanntes messen sollten. Erst funktionierte es und dann doch wieder nicht und es wurden keine weiteren Hintergrundinformationen genannt.
Und dass er uns Elektroingenieure als Elektroniker bezeichnet, ist eine absolute Frechheit, der scheint keine Ahnung zu haben, was für Leute in seinem japanischem Forscherteam waren.
Dann spricht er über alte Chroniker, die bessere Quellen hätten als wir. Wusste nicht, dass damals schon wissenschaftlich gearbeitet wurde. Und dann plötzlich, sind wir wieder die Bösen, welche alte Quellen zerstört haben... damit degradiert er sich dann selbst.
Weiter geht es mit neunmalklugen Pseudo-Beweisen und Niedermachen der Wissenschaft. Der soll Geschichte studieren, wenn er mitreden will, aber so wirkt er einfach lachhaft.
So ist der
Mensch: Er weigert sich, die Tatsachen der Vergangenheit in sein modernes Wissen einzubauen.
Er fühlt immer “ich“ und “jetzt“ und pocht auf seine einzigartige Stellung in der Geschichte.
Und sowas kommt von jemanden mit diesem ungeheuren Geltungsdrang. Er gehört in die Kategorie von Menschen, die mir auf die Nerven gehen.
Schattenläufer
13.08.2008, 09:19
Aber in diesem Gebiet geht sowieso so ziemlich alles gegen die Alltagsintuition.
Genau das wollte ich eigentlich sagen - Quantenmechanik als Beispiel dafür, dass es nicht so ist, wie der Laie annimmt. Und Laien nehmen eigentlich zuerst eine Normalverteilung an. Dass ich da jetzt nicht von der Lebenserwartung einer Glühbirne oder von der Wahrscheinlichkeit, einen 30-jährigen Mann auf Deutschlands Straßen zu sehen, geredet habe, dürfte klar sein.
Das mit den Kunstgriffen der Eristik finde ich übrigens großartig, für mich war das einfach immer zusammengefasst "Arschlochverhalten" ^^
Wobei ja Arschlochverhalten nicht unbedingt bedeutet, dass man im Unrecht ist. Trotzdem würde ich Leuten, die auf diese Kunstgriffe zurückgreifen, in einer Diskussion oder in einem Vergleich zweier Theorien weniger vertrauen.
Naja, jedenfalls ja, ich kann Argumenten einen Wert beimessen. Und ich kann auch danach notfalls zugeben, dass ich mich geirrt habe. Ein Psychologe könnte jetzt wahrscheinlich noch hinzufügen, dass es für das Gehirn ungeheuer wichtig ist, auf eine solche Art und Weise auszusortieren.
TheBiber
13.08.2008, 10:35
Genau das wollte ich eigentlich sagen - Quantenmechanik als Beispiel dafür, dass es nicht so ist, wie der Laie annimmt. Und Laien nehmen eigentlich zuerst eine Normalverteilung an. Dass ich da jetzt nicht von der Lebenserwartung einer Glühbirne oder von der Wahrscheinlichkeit, einen 30-jährigen Mann auf Deutschlands Straßen zu sehen, geredet habe, dürfte klar sein.
So ganz klar war das nicht. Da ich wie gesagt einfach keinen Zusammenhang zwischen einer Argumentation und der Stochastik sehe. Texte lassen sich nicht empirisch messen und in ein statistisches Modell packen. Texte lassen sich nur hermeneutisch angehen und hiermit hat die Mathematik einfach nichts zu tun.
Schattenläufer
13.08.2008, 11:21
Die Frage ist, ob ein Mensch da wirklich so genau unterscheidet. Man liest ja einen Text und versucht dann genau das - ihn irgendwie empirisch zu bewerten, einen Wert an wahrscheinlichem Wahrheitsgehalt zu schätzen etc. Man versucht ja, alles irgendwie zu messen, auch wenn man dabei willkürlich vorgeht, so wie bei der Bewertung von Argumenten.
Ein Deutschlehrer z.B. bewertet auch Texte nach deren Argumentation, und je besser diese ist, desto bessere Noten erhalten die jeweiligen Texte (im Idealfall - und bei Vernachlässigung von Stil, Schreibfehlern etc.). Diese Noten ließen sich jetzt bereits in einen Wert umrechnen, der dir sagt, mit welcher Wahrscheinlichkeit der eine Aufsatz näher an der Wahrheit ist als der andere.
TheBiber
13.08.2008, 12:20
Die Frage ist, ob ein Mensch da wirklich so genau unterscheidet. Man liest ja einen Text und versucht dann genau das - ihn irgendwie empirisch zu bewerten, einen Wert an wahrscheinlichem Wahrheitsgehalt zu schätzen etc. Man versucht ja, alles irgendwie zu messen, auch wenn man dabei willkürlich vorgeht, so wie bei der Bewertung von Argumenten.
Texte interpretieren und bewerten ist aber eben genau Hermeneutik und nicht Empirie. Und deshalb passt der Begriff Stochastik nicht oder zumindest nicht so, wie er definiert ist.
Ein Deutschlehrer z.B. bewertet auch Texte nach deren Argumentation, und je besser diese ist, desto bessere Noten erhalten die jeweiligen Texte (im Idealfall - und bei Vernachlässigung von Stil, Schreibfehlern etc.). Diese Noten ließen sich jetzt bereits in einen Wert umrechnen, der dir sagt, mit welcher Wahrscheinlichkeit der eine Aufsatz näher an der Wahrheit ist als der andere.
So einfach ist es leider nicht. Deutschlehrer bewerten meiner Erfahrung nach in erster Linie nach Sympathie und subjektivem Ermessen. Zwei Schüler könnten den haargenau gleichen Text schreiben, der Deutschlehrer würde nur anhand des Namens den einen mindestens eine ganze Note besser bewerten.
Oder noch verallgemeinerter: Empirische Untersuchungen zeigten, dass verschiedene Deutschlehrer den gleichen Text mit einer durchschnittlichen Abweichung von zwei ganzen Noten bewerteten. Ich muss zwar eingestehen, dass dieses Problem selbst auch in der Mathematik besteht und generell eine erhebliche Schwäche des Schulsystems darstellt, dennoch bei letzterem die Abweichung doch deutlich geringer ausfiel.
Textinterpretation ist nie eine vollständig objektive Methode, da sie eben nicht auf Quantitäten, sondern Qualitäten beruht und diese letzten Endes auch subjektiv sind. Sicher lassen sich Argumente nach ihrer Richtigkeit prüfen oder Polemik von Sachlichkeit unterscheiden. Dennoch ist es Ansichtssache, wie vertrauenswürdig ein Text ist. Was man tun könnte, um dies empirisch zu überprüfen, wäre den Text einer Personengruppe vorzulegen, die den Text auf einer Skala bewerten sollen und diese Skala anschliessend statistisch auswerten. Dann erhält man zumindest ein quantitatives Abbild der Qualität des Textes bezogen auf eine Personengruppe. Aber als Einzelperson durch pure Interpretation des Textes erhält man keine Daten, die sich prüfen liessen, sondern lediglich begründete Meinungen. Und diese sind nicht objektiv.
Empirische Untersuchungen zeigten, dass verschiedene Deutschlehrer den gleichen Text mit einer durchschnittlichen Abweichung von zwei ganzen Noten bewerteten. Ich muss zwar eingestehen, dass dieses Problem selbst auch in der Mathematik besteht und generell eine erhebliche Schwäche des Schulsystems darstellt, dennoch bei letzterem die Abweichung doch deutlich geringer ausfiel.Das ist aber nicht nur die Schuld des Schulsystems.
Natürlich ist bei einem mathematisch geführten Beweis eindeutig zu entscheiden, ob er formal richtig geführt wurde, oder unvollständig bzw. fehlerhaft ist. Es gibt aber auch informelle Kriterien wie Anschaulichkeit, Verständlichkeit, Aufbau, Trickreichtum, Kürze und Eleganz, die zum Teil sehr subjektiv sind und verschieden gewichtet werden können.
Ich halte es für sinnvoll, auch diese Kriterien auf Kosten der Objektivität in die Bewertung mit einzubeziehen. Es geht letztendlich um die Lösung von Problemen - und da sucht man in der Regel nicht irgendeine Lösung, sondern die nach diesen Kriterien Beste.
Leider würden sich die Mathematiker bei dem Versuch einer Festschreibung dieser Kriterien eher die Köpfe einschlagen, als einander über Definition und Gewichtung einig zu werden. Es bleibt also abseits der streng formalen Kriterien eine Geschmacksfrage.
Zum ursprünglichen Thema:
http://www.zeit.de/zeit-wissen/2008/04/Institut-fuer-Volksverdummung?page=1
Das Magazin »Men’s Health« druckt regelmäßig Ertels Umfrageergebnisse ab. Im März 2006 ging es um den Mut der Männer in 60 deutschsprachigen Städten [4] . Die Kölner besitzen demnach einen »Mut-Quotienten« knapp unter der Schwelle zum Heldentum. Die Wiener dagegen zeichnen sich durch »sehr große Feigheit« aus. Die Methode hinter diesen Befunden war typisch Ertel. In jeder Stadt wurden angeblich mehrere Dutzend Männer verkabelt und bekamen Gefahrensituationen vorgespielt. Die dabei erfassten psychophysiologischen Werte vom Blutdruck über die Hautleitfähigkeit bis zu den Gehirnströmen wurden dann in nicht näher beschriebener Weise zum »Mut-Quotienten« verrechnet.Wie später im Text erwähnt wird, bastelt sich Ertel regelmäßig solche Berechnungen wie den Mut- oder den Glücks-Quotienten zusammen, ohne die Kriterien und Messgrößen offenzulegen. Interessiert nur niemanden, weil Ertels Studien zugleich billiger und spektakulärer sind, als die anderer Institute.
Schwer nachzuvollziehen ist auch die Finanzierung von Ertels aufwendiger Pornostudie, die 1990 als Buch erschien [6] . Demzufolge befragte die GRP fast 6000 Deutsche. Vor allem versorgte sie 2300 Frauen und Männer mit Pornofilmen und verfolgte bis zu 24 Wochen lang mit psychophysiologischen Messungen, wie die Probanden darauf reagierten.Beachtlich für ein Unternehmen mit zwei Beschäftigten. :D
Fast alle Studien des Instituts sind mangels genauer Angaben nicht nachprüfbar. Doch es gibt eine Untersuchung, in der kein selbst erfundenes Maß verwendet wird, sondern ein geläufiges: der aus Gewicht und Körperlänge errechnete Body-Mass-Index (BMI). Es war ein Vergleich der 50 größten deutschen Städte, aus dem Rostock als »Deutschlands dickste« hervorging, wie Men’s Health im Mai 2005 berichtete.
Das Statistische Bundesamt veröffentlichte später eine BMI-Tabelle für dasselbe Jahr. Die ist zwar nach Ländern aufgeschlüsselt, aber für die drei Stadtstaaten lassen sich beide Erhebungen vergleichen. Und da gibt es erhebliche Diskrepanzen [9] . In Hamburg liegen sie über zwei BMI-Punkte auseinander – mehr als der Unterschied zwischen dem ersten und dem letzten Platz im amtlichen Ländervergleich. Auf eine Nachfrage mit der Bitte um eine Erklärung reagierte die GRP nicht.
TheBiber
13.08.2008, 14:20
Das ist aber nicht nur die Schuld des Schulsystems.
Natürlich ist bei einem mathematisch geführten Beweis eindeutig zu entscheiden, ob er formal richtig geführt wurde, oder unvollständig bzw. fehlerhaft ist. Es gibt aber auch informelle Kriterien wie Anschaulichkeit, Verständlichkeit, Aufbau, Trickreichtum, Kürze und Eleganz, die zum Teil sehr subjektiv sind und verschieden gewichtet werden können.
Dass es nur am Schulsystem läge, behauptete ich ja nicht. Die anderen Kriterien hingegen erfüllen auch ausgebildete Mathematiker nicht. Gerade in der puren Mathematik ist eher das Gegenteil der Fall, nämlich dass vieles oft komplizierter, unanschaulicher und länger gemacht wird, als es eigentlich wäre. Deshalb finde ich, in der Schule reicht es, wenn eine Aufgabe richtig gelöst wird und die Lösung hinreichend gut begründet wurde. Wobei das "hinreichend" wieder zu diskutieren wäre.
Ich halte es für sinnvoll, auch diese Kriterien auf Kosten der Objektivität in die Bewertung mit einzubeziehen. Es geht letztendlich um die Lösung von Problemen - und da sucht man in der Regel nicht irgendeine Lösung, sondern die nach diesen Kriterien Beste.
Mathematiker und Probleme lösen? Der war gut. Mathematiker liefern formelle Konstrukte und sind nur an deren Struktur selbst interessiert. Wenn sie ein Problem sehen, interessiert sie die Lösbarkeit und nicht die etwa die Lösung selbst, dafür sind sie sich zu gut. Die Bewertung solcher Probleme hängt damit zusammen, was denn gelehrt werden soll: Der Mathematiker will Beweise, der Physiker will Formeln, der Ingenieur will Lösungen, der Informatiker will Algorithmen.
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