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Gonzo
15.06.2008, 18:35
Aufschrei der Liebe
-

Ihre Worte glitten an mir vorüber
wie schneeweiße Wolken am Himmel.
Sie hockte sich vor mir auf die Knie,
umschlang meine Waden mit ihrer
vollkommenen Leidenschaft und flehte
mich an als wäre sie ein Bettler,
ich solle nicht fortgehen, ich solle
bei ihr bleiben und sie lieben,
noch mehr als den ersten Lichtstrahl
der Sonne am Morgen. Tränen liefen
ihr in zwei voneinander getrennten
Rinnsalen über die Wangen. Ihre
Nüstern vibrierten im Takt ihrer
Schluchzer und ihr Antlitz war
umgarnt von einer Traurigkeit wie
sie allenfalls Angehörigen von
Todesopfern des Krieges anhaftet.

Ich war so dumm und glaubte dem
Inhalt ihrer Worte, ignorierte ihr
Gebaren in Anwesenheit anderer
Individuen und rechtfertigte ihre
Handlungen mit dem Alkoholgehalt
ihres Blutes.

Nie wieder falle ich auf die Heuchlerei
dieser Persönlichkeiten herein. Ihrer
verzweifelten Suche nach Liebe
entgegne ich nun tiefen Hass
gegenüber ihrem Verhältnis. Sie
springen von einem Mann zum
anderen, in der Hoffnung, der
nächste sei besser als der letzte. Ist
dem nicht so, wollen sie wieder
zum vorherigen zurück und
entschuldigen sich mit Tränen in den
Augen. Aber es wird der nächste
Mann kommen, den sie für besser als
dich erachten und sie werden dich
verlassen, dich liegen lassen wie
einen toten Fisch, der seelenwund nach
Luft schnappt, sie aber nicht erhält.
Und dann wollen sie wieder zurück zu
dir wie zu einem Ausgangspunkt, an
dem sie sich besseres erhoffen. Der
Mann ist aber kein Punkt, an dem man
sich regelmäßig wiedertrifft,
sondern ein fühlendes Subjekt, das
nach Liebe giert wie ein Dehydrierter
nach Wasser, das er nicht fähig ist
zu trinken.

Es ist kein Aufschrei der Liebe, den
sie mir entgegen bringt, sondern
die Flucht vor der Einsamkeit, der
sie sich entziehen möchte.

Ich bin aber keine Zufluchtsstätte
für Verlorene, sondern ein Mann, der
nach Liebe
______________fleht.

Mordechaj
15.06.2008, 20:37
Ist Einsamkeit nicht das Gegenteil von Liebe, also die Flucht davor das Streben danach?

Du sagst es ja auch selbst:

[...]Ihrer
verzweifelten Suche nach Liebe
entgegne ich nun tiefen Hass

...während du die ganze Zeit ziemlich schwarz/weiß malst.


Aber fangen wir mal mit der Form an:
Rein formal ist das für mich weniger ein Gedicht, als ein in Verse gestückeltes Memorandum. Warum reflektierst du nicht offen, warum bietest du deinem Leser nicht die entsprechende und meiner Meinung nach auch nötige Schlussfolgerung?
Du hast zwei entscheidende Dinge falsch gemacht: Du hast das formlose Gedicht gewählt, deine Gedanken aber einzeln nach zufälligem Prinzip gekappt und durch die ganzen Enjambements verwehrst du deinem Leser zu allererst, den Text wie ein Gedicht zu lesen, eine Sprechmelodie zu entwickeln.
Du hast die Form des Gedichts für einen Text gewählt, der deinem Gedankenfluss entspricht und verwehrst dir und deinem Leser damit sowohl eine ordentliche Conclusio, als auch die entscheidende Verpackung.

Es reicht nunmal nicht, Gedicht drüber zu schreiben und hier und da ein paar Stilmittel einzubauen. Es hat einen Grund, warum man Gedichte und poetische Prosa trennt - dir wäre hier zweiteres entschieden besser gekommen, das beweisen nicht nur deine unregelmäßigen Sinnabschnitte.


Und wieder zum Inhalt:

Ich habe denke ich ein lebhaftes Bild von dem, was dich dazu veranlasst hat, das zu schreiben, aber denkst du nicht, dass es besser gewesen wäre, eine reife Reflexion anzustellen, anstatt eines Hasstextes? Meine Sympathie als dein potenziell geneigter Leser liegt eindeutig bei der Frau in der Geschichte; während du dir den Hass und die Opferrolle zu eigen machst, charakterisierst du ihre menschlichen Züge ziemlich grobschlächtig. Zumindest für mich wird es dadurch leichter, mich um ihre Verfassung im Geschehen zu kümmern; denn du musst bedenken: wir leben in einer aufgeklärten Welt und in einem Land, dass schon das ein oder andere propagandistische System hinter sich hat - dein Leser wird es merken, wenn du die Dinge so banalisiert auslegst.

Auch werfen Aussagen wie gerade die letzte:

Ich bin aber keine Zufluchtsstätte
für Verlorene, sondern ein Mann, der
nach Liebe
______________fleht.
oder

entschuldigen sich mit Tränen in den
Augen.
- oder eben die Sache mit dem Hass - eine gewisse Antipatie gegenüber deinem erzählenden Ich auf. Es wehrt sich dagegen, Zuflucht zu sein, bleibt kalt im Angesicht von Leid, hasst, pauschalisiert... und noch einmal die Frage: was unterscheidet dich als Mann von jener Frau, die wie du nach Liebe sucht? Die Tatsache, dass sie dir dabei weh tut, bereuht, und dann doch das Lager wechselt? Die Tatsache, dass du deine Triebe auf ein und die selbe Partnerschaft richtest und nicht wie sie aus dem Schema ausbrichst, wenn es dir nicht das erfüllt, was es sollte? Die Tatsache, dass du ein Mann bist und sie eine Frau?

Ohne dir irgendeine Unterstellung machen zu wollen, allein anhand des Textes, tendiere ich als dein Leser dazu, dass deine Meinung nach Letzterem strebt, zumindest aber, dass Vorletzteres der Fall ist, und die Vorstellungen einfach nicht kompatibel sind. Und gleichzeitig fällt da dann der Gedanke auf, dass es deine - du, als erzählendes Ich - Schuld ist, weil sie die Beziehung nicht so erfüllt hat, als dass es ihr Bedürfnis nach Liebe hätte stillen können.

Ich weiß nicht, ob ich das alles richtig ausdrücke, aber dadurch, dass du in dem Text soviele Pauschalisierungen anstellst und dazu dein Stil noch ziemlich lapidar über dieses und jenes erzählt, kommt keine wirkliche Reflexion zustande, vorallem aber lässt du deinen Leser aber im Dunkeln stehen, was deine Beweggründe betrifft, so zu denken, wie du es hier tust.
Wie falsch sind denn die Tränen, die sie vergießt? Was ist der Fehler, der ihre Suche nach Liebe von der deinen unterscheidet?
Du wirfst bei deinem Leser tausend und eine Frage auf, stellst aber keine gewollt und wer nach Antworten sucht, findet den oben geschilderten Eindruck - zumindest geht es mir so.


Der Stil:


Ihre Worte glitten an mir vorüber
wie schneeweiße Wolken am Himmel.
Das ist ein reicht eingängiges Bild, das du da erzeugst - was bezweckst du damit?


[...]mit ihrer
vollkommenen Leidenschaft und flehte
mich an als wäre sie ein Bettler
Das ist ziemlich paradox, ich denke aber mal, auf eine eher ungewollte Weise. Vollkommene Leidenschaft und Flehen? Sie gibt dir alles, was ihr Geist und ihr Körper zu bieten hat und fleht doch wie ein Bettler? Das Bild hinkt.


[...]Tränen liefen
ihr in zwei voneinander getrennten
Rinnsalen über die Wangen. Ihre
Nüstern vibrierten im Takt ihrer
Schluchzer und ihr Antlitz war
umgarnt von einer Traurigkeit wie
sie allenfalls Angehörigen von
Todesopfern des Krieges anhaftet.
Das ist eine ziemlich entrückte Darstellung, vorallem, weil der Ton in ihr sehr abfällig ist. "umgarnt von einer Traurigkeit..." ist sprachlich alles andere als schlecht, aber zeichnest du hier ein ziemlich befremdendes Bild, in dem du praktisch mit dem Finger hinzeigst und schließt dann mit aller Abfälligkeit Trauernde aus dem Krieg mit ein. Entscheidend ist auch allein die Attributierung, die normalerweise verraten müsste, dass die Angehörigen von Todesopfern des Krieges anders trauern, als normale Trauernde - die Frage dabei ist, wieso dieser Unterschied hier von Bedeutung ist.


Ich war so dumm und glaubte dem
Inhalt ihrer Worte, ignorierte ihr
Gebaren in Anwesenheit anderer
Individuen und rechtfertigte ihre
Handlungen mit dem Alkoholgehalt
ihres Blutes.
Was genau sagt dieser Abschnitt aus?


Nie wieder falle ich auf die Heuchelei
dieser Persönlichkeiten herein. Ihrer
verzweifelten Suche nach Liebe
entgegne ich nun tiefen Hass
gegenüber ihrem Verhältnis.
Und schon pauschalisierst du vollkommen. Warum springst du auf einmal in ein generalistisches Bild? Wer genau sind diese "Persönlichkeiten"?
Und welchem Verhältnis genau entgegnest du Hass?


[...]Sie
springen von einem Mann zum
anderen, [...]
Und dann wollen sie wieder zurück zu
dir wie zu einem Ausgangspunkt, an
dem sie sich besseres erhoffen.
Du zeichnest das Bild der gewieften Schwarzen Witwe - die, die ihre Opfer leben lässt. Aber was bezweckst du mit diesem Bild und was sagt dir, dass es noch mehr von ihnen gibt; mehr von denen, die dir wehtun werden? Die Erfahrung? Ein Beschluss? Die schlechten amerikanischen Filme über die handelsübliche "••••••••"?
Du als erzählerisches Ich kannst nicht schreien: "Es gibt mehr da draußen, ich hab sie gesehen!", weil dir eine einzige weh getan hat.


[...]Der
Mann ist aber kein Punkt, an dem man
sich regelmäßig wiedertrifft,
sondern ein fühlendes Subjekt, das
nach Liebe giert wie ein Dehydrierter
nach Wasser, das er nicht fähig ist
zu trinken.
Die Stelle gefällt mir von der Symbolik her schon nicht schlecht, du greifst hier auch nochmal das Bild, das du zuvor mit dem Fisch schonmal angesprochen hast, auf (übrigens: kommt dir ein nach Luft schnappender Fisch nicht etwas absurd vor? ;) ).
Aber was genau bezweckst du damit, welchen Eindruck soll der Satz hinterlassen? Das ist entschieden eines der Bilder, die du zuende malen musst und nicht einfach skizzieren darfst.
Was viel mehr hält: Natürlich bist du als Mann ein fühlendes Subjekt - aber sie doch auch! Sie stellst du als robusten Wanderstein dar, dich selbst als Fisch auf dem Trockenen. Dieses Ungleichgewicht macht dich nicht glaubwürdig.


Ich bin aber keine Zufluchtsstätte
für Verlorene, sondern ein Mann, der
nach Liebe
______________fleht.
Warum der Sprung bis zum "fleht"? Was soll das erzeugen?


Du scheinst es dir ein bisschen zu leicht vorgestellt zu haben, das ganze wirklich zu verarbeiten. Das Problem bei Gedichttexten ist eben, dass sie Ausschnitte, fliegende Gedanken sind, keine solide Basis für eine angemessene Reflexion.
Es ist gut, darüber zu schreiben, aber tu das doch als Gedankentext, nicht als in Stücke gehauenes, unvollendetes Etwas.
Auch denke ich, ist ein normaler Text auch deinen "Fähigkeiten" (oh Schreck, das klingt megafies =/ ) eher angemessen; ein Gedicht sagt wenig und meint viel; ein Poltiker sagt viel und meint wenig ... zumindest in diesem Text sagst du wenig und meinst praktisch garnichts, obwohl du doch viel zu erzählen hättest...

Gonzo
16.06.2008, 00:36
Zuerst einmal vielen Dank für deine ausführliche Kritik. Ich werde mir einiges zu Herzen nehmen, weil du mit vielem, was du da schilderst, vollkommen recht hast. Aber einige deiner Eindrücke hast du falsch verstanden bzw. du hast dich von der Oberflächligkeit mancher Ausschnitte betören lassen und hast nicht hinter ihre Fassade geblickt. Aber verstehe mich bitte nicht falsch; das ist keinesfalls auf Unfähigkeit deinerseits zurückzuführen, sondern umgekehrt! Es zeigt lediglich auf, dass ich einige Fehler gemacht habe, die dich in eine von mir unbeabsichtigte Richtung denken ließen. ;)

Vorweg: das von mir im Gedicht geschilderte beruht auf keinen Fall auf persönlichen Erfahrungen. Mir hat eine Frau solcherlei Dinge nicht angetan! Ich wollte mit dem Gedicht ein Klischee bearbeiten, das in dieser Gesellschaft bei vielen Männer - teilweise auch berechtigt - vorherrscht. Ich wollte versuchen Klischees etwas Wahrheit einzuhauchen, indem ich hinter ihre Oberfläche eine Bedeutung einflechte. Hat wohl nicht so gut geklappt. Aber im folgenden möchte ich diesen Fehler beheben, indem ich dir (und hoffentlich auch anderen) einige Denkanstöße gebe, die dich in der von mir gewollten Sphäre denken lassen.

Zur Form:
Ein Gedicht muss nach der Definition, die ich gelernt habe, folgendes erfüllen:
1.) Verse (sind gegeben!)
2.) es darf nichts szenisch ablaufen, also kein Rollenspiel wie in einem Drama (ist gegeben!)

Diese beiden Kategorien müssen gegeben sein. Sind sie auch. Demnach ist mein Text ein Gedicht. Nur so zum Klarwerden. ;)

Weitere Kategorien wie Liedhaftigkeit, Kürze, Abweichung von der Alltagssprache, Selbstreflexivität, strukturell einfache Redesituation, Direktheit, etc. können gegeben sein, sind es teilweise auch, müssen letztlich aber nicht bestehen! Ich denke aber, dass dies weitesgehend nachvollziehen kannst.

Freie Verse:
Freie Verse sind bekanntlich von einer metrischen Struktur gelöst. Dafür sind sie auf anderer Ebene überstrukturiert. Beispielsweise bei der Satzkonstruktion oder Bildhaftigkeit. Leider muss ich zugeben, dass ich hierbei nicht sonderlich professionel vorgegangen bin und mir mehr Freiheiten erlaubt habe als es strukturell vielleicht erlaubt ist. Aber ich lege sehr großen Wert auf Freiheit. Ich mag es nicht durch Oberflächligkeiten eingeengt zu werden. Metrik und Reime haben zwar einen hohen ästhetischen Wert, keine Frage, aber sie schrenken jemanden wie mich zu stark in seiner Entfaltung ein. Ich könnte dort (zumindest derzeit) keine Leidenschaft einfließen lassen, weshalb ich mir die Freiheit erlaube, meinen eigenen Weg zu gehen.


Es reicht nunmal nicht, Gedicht drüber zu schreiben und hier und da ein paar Stilmittel einzubauen. Es hat einen Grund, warum man Gedichte und poetische Prosa trennt - dir wäre hier zweiteres entschieden besser gekommen, das beweisen nicht nur deine unregelmäßigen Sinnabschnitte.
Orientiert habe ich mich größtenteils bei Charles Bukowski, aber auch an einigen Sachen von Klopstock. Falls du Bukowski kennst, dann weißt du, wovon ich rede. Hier mal ein imo sehr gutes Werk von ihm: da! (http://de.youtube.com/watch?v=gifEn61dZBc&feature=related)

Weiter im Text:


Ist Einsamkeit nicht das Gegenteil von Liebe, also die Flucht davor das Streben danach?

Du sagst es ja auch selbst:

[...]Ihrer
verzweifelten Suche nach Liebe
entgegne ich nun tiefen Hass
...während du die ganze Zeit ziemlich schwarz/weiß malst.
Hier machst du direkt einen Fehler:

Ist Einsamkeit nicht das Gegenteil von Liebe, also die Flucht davor das Streben danach?
Ersteres stimmt vollkommen, zweiteres aber nicht. Nur weil man vor der Einsamkeit auf der Flucht ist, heißt es nicht gleich, dass man nach Liebe strebt. Zweisamkeit fernab jeglicher Liebe ist für manche Menschen immer noch besser als kalte Einsamkeit alleine, insbesondere bei Frauen. Und hier spreche mal nicht von Klischees, sondern von allgemeinen Erfahrungen vieler Frauen, mit denen ich gesprochen habe. Natürlich haben sie mir dies nicht so geschildert, wie ich es in meinem Gedicht wiedergegeben habe. Aber das wird später anhand einiger Gedichtabschnitte erklärt. =)

Kommen wir nun zum eigentlichen:
Ich hoffe dir ist klar, aus wessen Kehle der "Aufschrei nach Liebe" ertönt. =)


[...]- oder eben die Sache mit dem Hass - eine gewisse Antipatie gegenüber deinem erzählenden Ich auf. Es wehrt sich dagegen, Zuflucht zu sein, bleibt kalt im Angesicht von Leid, hasst, pauschalisiert...
Er tut dies, weil er sich nicht ausnutzen lassen möchte. Er ist so hart, weil er nicht noch mehr verletzt werden möchte von der Frau, die ihn so hart verletzt hat. Alles hat seine Grenzen, ALLES; sie hat ihre überschritten, bereut es (bist du dir sicher, dass sie es auch wirklich bereut? Davon ist nämlich nicht ausdrücklich die Rede (es wird von dir impliziert), denn ihre Sicht wird vollkommen ausgeklammert! Aber sie ist auch nur zweitrangig in diesem Gedicht. Du schiebst ihr imo etwas zu viel Bedeutung zu, dem lyrischen Ich etwas zu wenig. Vielleicht liegt es an deiner Antipathie ihm gegenüber. Die wollte ich nicht bezwecken. -.-)


und noch einmal die Frage: was unterscheidet dich als Mann von jener Frau, die wie du nach Liebe sucht?
Antwort:


[...]Sie
springen von einem Mann zum
anderen, [...]
Und dann wollen sie wieder zurück zu
dir wie zu einem Ausgangspunkt, an
dem sie sich besseres erhoffen.
Du zeichnest das Bild der gewieften Schwarzen Witwe - die, die ihre Opfer leben lässt. Aber was bezweckst du mit diesem Bild und was sagt dir, dass es noch mehr von ihnen gibt; mehr von denen, die dir wehtun werden? Die Erfahrung? Ein Beschluss? Die schlechten amerikanischen Filme über die handelsübliche "••••••••"?
Du als erzählerisches Ich kannst nicht schreien: "Es gibt mehr da draußen, ich hab sie gesehen!", weil dir eine einzige weh getan hat.
1. Nicht mir, dem lyrischen Ich! ;)
2. Sie springt von einem Mann zum anderen mit der Hoffnung, dass er der näcshte ist. Ist er aber nicht und sie will zum letzten zurück. Dort bleibt sie solange, bis sie wieder denkt, dass sie einen besseren gefunden hat. Also liebt sie ihn anscheinend nicht wirklich. Warum verschwendet sie also seine Zeit oder anders ausgedrückt: Warum soll er seine Zeit weiterhin mit ihr verschwenden, wenn dies seine Gedanken sind? Es ist einerseits eine Antwort auf deine Frage, andererseits ist es selber eine berechtigte Frage. Die Antwort muss aus dem Gedicht erschlossen werden. Siehe hier:

[...]Aber es wird der nächste
Mann kommen, den sie für besser als
dich erachten und sie werden dich
verlassen, dich liegen lassen wie
einen toten Fisch, der seelenwund nach
Luft schnappt, sie aber nicht erhält.
Und dann wollen sie wieder zurück zu
dir wie zu einem Ausgangspunkt, an
dem sie sich besseres erhoffen. Der
Mann ist aber kein Punkt, an dem man
sich regelmäßig wiedertrifft,
sondern ein fühlendes Subjekt, das
nach Liebe giert wie ein Dehydrierter
nach Wasser, das er nicht fähig ist
zu trinken.

Deswegen will er seine Zeit nicht mit ihr verschwenden. Das erklärt auch folgendes:

Was ist der Fehler, der ihre Suche nach Liebe von der deinen unterscheidet?


3. Pauschalisierungen sind fehl am Platze, das habe ich begriffen und werde es mir auf jeden Fall zu Herzen nehmen, aber sie bezwecken in diesem Abschnitt etwas, nämlich, dass die Bedeutung der Frau vor seinen Füßen auf eine Allgemeinheit übertragen wird. Dadurch wird ihr als Individuum weniger Bedeutung zugesprochen. Mir fiel in diesem Fall keine andere Möglichkeit als diese ein, um von ihr abzulenken, sie aber nicht komplett vergessen zu lassen. Sie sollte durch die Verallgemeinerung an den Rand der Aufmerksamkeit gedrängt werden. Ist mir anscheinend nicht gelungen! Die Verallgemeinerung lag zu sehr im Mittelpunkt. Wird in den nächsten Gedichten nicht mehr getan!

Zum Stil:



Ihre Worte glitten an mir vorüber
wie schneeweiße Wolken am Himmel.
Das ist ein reicht eingängiges Bild, das du da erzeugst - was bezweckst du damit?
Er zeigt die Einstellung des lyrischen Ichs zur besagten Person. Er gibt die Grundstimmung des Gedichtes wieder. Er deutet darauf hin, wie es enden wird. Er hat viele Funktionen, die er in meinen Augen auch erfüllt. Ich meine, bemerkst du jede einzelne Wolke, die am Himmel täglich an dir vorübergleiten?



[...]mit ihrer
vollkommenen Leidenschaft und flehte
mich an als wäre sie ein Bettler
Das ist ziemlich paradox, ich denke aber mal, auf eine eher ungewollte Weise. Vollkommene Leidenschaft und Flehen? Sie gibt dir alles, was ihr Geist und ihr Körper zu bieten hat und fleht doch wie ein Bettler? Das Bild hinkt.
Das mit dem Bettler sollte zeigen, was das für eine Art von Leidenschaft ist, nämlich die eines Bettlers. Es ist eine heuchlerische Leidenschaft. Ein Bettler bettelt um Geld für Brot und kauft sich ein Bier. Wobei das wieder ein Klischee ist. Ja, das Bild hinkt.



[...]Tränen liefen
ihr in zwei voneinander getrennten
Rinnsalen über die Wangen. Ihre
Nüstern vibrierten im Takt ihrer
Schluchzer und ihr Antlitz war
umgarnt von einer Traurigkeit wie
sie allenfalls Angehörigen von
Todesopfern des Krieges anhaftet.
Das ist eine ziemlich entrückte Darstellung, vorallem, weil der Ton in ihr sehr abfällig ist. "umgarnt von einer Traurigkeit..." ist sprachlich alles andere als schlecht, aber zeichnest du hier ein ziemlich befremdendes Bild, in dem du praktisch mit dem Finger hinzeigst und schließt dann mit aller Abfälligkeit Trauernde aus dem Krieg mit ein. Entscheidend ist auch allein die Attributierung, die normalerweise verraten müsste, dass die Angehörigen von Todesopfern des Krieges anders trauern, als normale Trauernde - die Frage dabei ist, wieso dieser Unterschied hier von Bedeutung ist.
Die Abfälligkeit sollte lediglich auf die Dame vor seinen Füßen zielen, an die Trauernden habe ich nicht gedacht. Sie wollte ich nicht abwerten. Das war vielmehr als Vergleich gedacht, der die Intensität aufzeigt, in der sie auftrat. Mehr auch nicht. Ein anderer Vergleich ist mir nicht in den Sinn gekommen, deshalb habe ich auf diesen zurückgegriffen. Werde mir das nochmal überlegen. Danke für den Hinweis.



Nie wieder falle ich auf die Heuchelei
dieser Persönlichkeiten herein. Ihrer
verzweifelten Suche nach Liebe
entgegne ich nun tiefen Hass
gegenüber ihrem Verhältnis.
Und schon pauschalisierst du vollkommen. Warum springst du auf einmal in ein generalistisches Bild? Wer genau sind diese "Persönlichkeiten"?
Das muss ich auf jeden Fall ändern. Die Pauschalisierung ist hier absolut fehl am Platze. Ich find sie ehrlich gesagt total lächerlich! :rolleyes:


Und welchem Verhältnis genau entgegnest du Hass?
Hast du direkt im Anschluss sogar zitiert -->

[...]Sie
springen von einem Mann zum
anderen, [...]
Und dann wollen sie wieder zurück zu
dir wie zu einem Ausgangspunkt, an
dem sie sich besseres erhoffen.
Das müsste aber imo auf der Hand liegen, oder nicht?


Was viel mehr hält: Natürlich bist du als Mann ein fühlendes Subjekt - aber sie doch auch!
Ja, sie ist ein fühlendes Subjekt, aber auf die Kosten des lyrischen Ichs. Was bringen Gefühle, wenn sie anderem schaden? Das, was das lyrische Ich die gesamte Zeit schildert!



[...]Der
Mann ist aber kein Punkt, an dem man
sich regelmäßig wiedertrifft,
sondern ein fühlendes Subjekt, das
nach Liebe giert wie ein Dehydrierter
nach Wasser, das er nicht fähig ist
zu trinken.
Aber was genau bezweckst du damit, welchen Eindruck soll der Satz hinterlassen? Das ist entschieden eines der Bilder, die du zuende malen musst und nicht einfach skizzieren darfst.
Das Bild war wie folgt gedacht: Das Wasser ist die Liebe der Frau vor seinen Füßen. Diese Liebe ist er nicht fähig zu fühlen, weil sein Bild von ihr nunmehr von seinen Schilderungen dominiert ist. Er hat eingesehen, dass aus ihnen in Sachen Liebe nichts mehr werden kann, weil die Frau ihn (seiner Ansicht nach) doch nur ausnutzen möchte. Mit dieser Haltung hat es keinen Sinn auf erfüllte Liebe zu hoffen.



Ich bin aber keine Zufluchtsstätte
für Verlorene, sondern ein Mann, der
nach Liebe
______________fleht.
Warum der Sprung bis zum "fleht"? Was soll das erzeugen?
Ein kleiner Schnörkel. Betonung sollte auf fleht liegen, es noch mehr hervorheben. Deiner Aussage nach zu urteilen wird das aber nicht so gedeutet. Na ja...


(übrigens: kommt dir ein nach Luft schnappender Fisch nicht etwas absurd vor? ;))
Jap. Aber das Bild ist klasse. 8)

Es ist spät, ich bin müde. Verzeih mir meine Strukturveränderungen gegenüber deiner Vorgehensweise. Ich musste sie meiner anpassen. Hoffe, ich konnte deine Fragen einigermaßen verständlich beantworten. Bis dann. :)

Mordechaj
16.06.2008, 06:11
Huhu =)

Es ist früh, also nur kurz eine Sache: Ich wollte dir umgotteswillen nicht andrehen, ich würde dich und nicht das Ich hinter dem Text sehen - entschuldige, das ist wahrscheinlich zu selten rausgekommen, weil ich immer wieder ins "Du" abgetriftet bin =/.

Und eine andere: Natürlich sind freie Verse genauso ein Gedicht, wie was metrisches, aber auch bei Bukowski enthält jeder Vers einen eigenen Sinnabschnitt ;). Das kommt vorallem raus, wenn du dir mal anschaust, wo er die Anaphern setzt, nämlich am Anfang; bei der Struktur selbst geb ich dir recht, die kann auch mal frei sein, wie's scheint. Aber du hackst eben wirklich nur wahllos in Stücke, fängt praktisch in jedem zweiten Vers einen neuen Satz partikelhalber an ;).

Ianus
16.06.2008, 16:35
Zur Form:
Ein Gedicht muss nach der Definition, die ich gelernt habe, folgendes erfüllen:
1.) Verse (sind gegeben!)
2.) es darf nichts szenisch ablaufen, also kein Rollenspiel wie in einem Drama (ist gegeben!) Hast du die freien Versformen mal studiert? Jeder schreibt heutzutage freie Verse aber mir scheint, keiner hat eine Ahnung, was dahinter steckt. Beweis mir jetzt das Gegenteil.

Gonzo
16.06.2008, 23:23
Hast du die freien Versformen mal studiert? Jeder schreibt heutzutage freie Verse aber mir scheint, keiner hat eine Ahnung, was dahinter steckt. Beweis mir jetzt das Gegenteil.
Für freie Verse gibt es sicherlich keine stringente Definition. Ich persönlich mag den freien Spielraum, der einem für Sachen wie Stilmittel gegeben ist. Dadurch werden Allegorien und Metaphern imo deutlicher hervorgehoben als bei metrisch einwandfreien Versen.

In den Flüssen nördlich der Zukunft
werf ich das Netz aus, das du
zögernd beschwerst
Mit von Steinen geschriebenen Schatten.
(Celan)

Dieses Gedicht bietet einem einen nahezu zwanglosen Deutungsansatz, den es beispielsweise bei Dichtern wie Hesse in dieser Form nicht gibt. Sicherlich könnte man Celans Vergangenheit als verknüpfendes Mittel für einen Interpretationsversuch in betracht ziehen, aber es gibt keinen zwingenden Anlass dies zu tun. Zieht man die Deutung aus dem Text selber, hat der Rezipient so viel Freiraum, dass er irgendwann kirre wird. Ich kenne keinen besseren Dichter, der absolute Metaphern in der Form wie Celan verwendet, sich aber gleichzeitig strikt an das metrische System hält.

Gewiss spielen da persönliche Vorlieben von Dichtern ebenfalls eine Rolle. Ich habe hier meinen eigenen Geschmack wiedergegeben. Andere sehen dies sicherlich anders. Berechtigt. Ich erhebe hier keine Ansprüche oder dergleichen. ;)

Ianus
17.06.2008, 07:05
Aber weißt du, die haben einen Ursprung und eine Motivation und die verbietet, dass man einfach so daherschreibt. Wenn du schreiben willst wie Bukovsky, dann setzt dich mal mit amerikanischen freien Versen auseinandern.

Whitman, Williams Carlos William, Ezra Pound (besonders er und der Imagismus haben Williams und seine Nachfolger beeinflusst), T.S. Eliot, Jack Kerouac, Gregory Coros und Allen Ginsberg - das sind Leute, deren Theorie und Motivation du zumindest kennen solltest. Es ist nämlich nicht so, als ob sie total strukturlose Verse propagiert hätten.
Williams entwickelte einen speziellen Dreischritt, der seiner Meinung nach den Idom des Amerikanischen widergab, Ginsberg nutzte diesen für Howl. Jack Kerouac und Ginsberg brachten das Musikalische in die Lesung zurück, indem sie die Zeilen nach Atemlängen strukturierten, wie es der Jazz mit seinen Abschnitten tat. Darum wurden sie später so oft mit Musikbegleitung gelesen.

Whitman nahm die St. James Bible als Struktur für seine extrem freien Leaves of Grass und T.S. Eliot hat strickt durchgearbeitete Metaphern als Ordnungselement, wenn ich mich recht entsinne.

Die Form ist frei, ja, aber nicht so frei, dass die Struktur den Bildern untertan ist. Man macht keine schlechte Collage, sondern Poesie. In dieser Form ist Perfektion alles.

Mordechaj
17.06.2008, 15:44
In den Flüssen nördlich der Zukunft
werf ich das Netz aus, das du
zögernd beschwerst
Mit von Steinen geschriebenen Schatten.
(Celan)


Celan versteht sich hier aber darauf, jedem Vers ein eigenes, ganz persönliches Bild zu verpassen. Der anscheinliche Bruch in der Satzstruktur ist mit verfrorerem Kalkül gesetzt und lässt, wie du schon sagst, Spielraum zur Interpretation.
Hier ist es auch Poesie, die Zusammensetzung des Gesamtbildes in der Strophe aus den Einzelbildern der Verse. Nun schau aber mal 4 Zeilen deines Textes an:


Nie wieder falle ich auf die Heuchelei
dieser Persönlichkeiten herein. Ihrer
verzweifelten Suche nach Liebe
entgegne ich nun tiefen Hass
gegenüber ihrem Verhältnis.

Erstes Bild wird angerissen, Bruch
Bild wird zuendegeführt, ein Satzpartikel, Bruch
Bild wird fortgeführt, Bruch
Bild wird fortgeführt, Bruch
Bild wird vollendet, Bruch...

Das Problem ist, dass du von Vornherein in Sätzen sprichst, was dir die Bildhaftigkeit vollkommen versagt. Im Übrigen hackst du das ganze doch auch selber in so ziemlich zufällige Abschnitte... beispielsweise versteh ich nicht, wo du einen künstlerischen Ansatz dafür finden könntest, dass bei

dir wie zu einem Ausgangspunkt, an
dem sie sich besseres erhoffen. Der
"an" und "der" am Ende von unvollendeten Satzausschnitten stehen müssen. Für meine Begriffe entbehrt das nur der Lesbarkeit (ist nicht so böse gemeint, wie es klingt =3 ).
Bei Celan ist dieser Ansatz von vornherein klar und ich käme als Laie nicht einmal auf die Idee, zu fragen, warum er so schreibt, wie er schreibt. Aber warum machst du denn solche abrupten Zeilensprünge?

Und was mehr hält: Warum keine durch und durch stilistische Sprache, wenn schon nichts anderes als Gedicht ausweist? Denn du hast recht: Bei Celan hab ich Deutungsraum von hier bis nach Mexiko - bei deinem Gedicht hingegen wird mir das Thema schon auf die Nase gebunden (mal abgesehen davon, dass es rein vom Inhalt her nichts Poetisches hergibt).


PS: Ich weiß, das ist eine sehr subjektiv geprägte Frage und vermutlich auch dem Umstand unterlegen, dass der Typ einem ständig bei diesem grausamen "Dead Poets Society"-Zeug vor die Füße läuft, aber:
Warum zählt man Whitman eigentlich noch zu guten und lesenswerten Dichtern?

Gonzo
17.06.2008, 17:56
Ich begreife jetzt, was das Problem mit meinen Versen ist. Dein Beispiel, Eynes'Prayer, zeigt mir, dass ich überhaupt keine Struktur in meinen Versen habe, sondern meinen Satz einfach "willkürlich" auseinander geschnibbelt habe. Ich werde Ianus' Rat befolgen und mich mal mit amerikanischen Gedichten auseinandersetzen. So wie mein Gedicht jetzt dasteht, kann es nicht dastehen. Da tun mir selber, ehrlich gesagt, auch die Augen von weh. xD

Danke für eure Hilfe. ;)

Ianus
17.06.2008, 20:04
PS: Ich weiß, das ist eine sehr subjektiv geprägte Frage und vermutlich auch dem Umstand unterlegen, dass der Typ einem ständig bei diesem grausamen "Dead Poets Society"-Zeug vor die Füße läuft, aber:
Warum zählt man Whitman eigentlich noch zu guten und lesenswerten Dichtern? Weil er Sex mit einem Busfahrer hatte. :A

Ich meine, für Amerikaner gelten da andere Maßstäbe, glaube ich, aber für Europäer ist er ein Witz. :D Dieses pseudoromantische Thoreauesque nackt durch die Amerikanische Landschaft laufen und NO U!-Rufen ist angebracht für eine junge Nation. :D Allerdings hat er immer noch recht, wenn er sagt, dass man für Gedichte die aktuelle Sprache seiner Zeit verwenden sollte, und nicht pseudo-Idome aus der Vorzeit und aus schlechten Popsongs.

Ich finde die sarada kinenbi immer noch so berührend, gerade weil sie in höchst alltäglicher Sprache sprechen und Element of Crime sind gut geworden, als sie aus dem Recycling amerikanischer Popkultur ausstiegen. Du solltest mal ihre alten, englischen Songs hören - purer Kinostumpfsinn in der Poesie.

Mordechaj
18.06.2008, 18:26
Weil er Sex mit einem Busfahrer hatte. :A

Ich meine, für Amerikaner gelten da andere Maßstäbe, glaube ich, aber für Europäer ist er ein Witz. :D Dieses pseudoromantische Thoreauesque nackt durch die Amerikanische Landschaft laufen und NO U!-Rufen ist angebracht für eine junge Nation. :D Allerdings hat er immer noch recht, wenn er sagt, dass man für Gedichte die aktuelle Sprache seiner Zeit verwenden sollte, und nicht pseudo-Idome aus der Vorzeit und aus schlechten Popsongs.


Das ist wahr =3. Allerdings finde ich gerade dieses Pseudoromantische so störend (Gott, das Wort trifft's wirklich von oben bis unten...) - er benutzt vollkommen unschöne Bilder und erzählt ein bisschen wie ein Laie... Da gefällt mir selbst Goethe besser, der verstand wenigstens, was er tut, auch, wenn er's irgendwie so typisch deutsch-stockig gemacht hat. :o
Naja, wie gesagt; kann an den Dead Poets liegen, die von ähnlich unehrlicher Qualität sind.