qed
09.04.2008, 14:34
Fragt mich nicht, warum das Endprodukt schlussendlich so geworden ist, ich komm selbst nicht raus, aber schätze das passiert halt wenn man so konzeptionslos drauflos schreibt. Eigentlich wäre es am besten das ganze noch ein paar Tage liegen zu lassen und es danach nochmals zu verbessern, aber da deserted-monkey die Geschichte schön öffentlich zerpflücken will, will ich ihm die Freude natürlich nicht nehmen. Viel Spass oder auch nicht :rolleyes:
Zug ins Nirvana
Während sich die Sonne langsam immer mehr gen Westen aufmachte, ihrem Untergang zuwandte, der Schattenwurf der Objekte immer länger wurde, drückte ich meine Nase gegen die verdreckten Scheiben des Schnellzuges. Mir war langweilig, ich hatte weder Lust zu lesen noch mich mit der hübschen Unbekannten gegenüber zu unterhalten und so schaute ich aus dem Fenster. Lange würde die Fahrt eh nicht mehr dauern, in absehbarer Zeit sollte ich am Bahnhof ankommen und dann würde ich mich erst einmal in mein Doppelbett hauen, in dem ich noch immer alleine pennte. Je länger ich über diesen schönen Gedanken nachdachte, desto müder wurde ich, längst wurden die Silhouetten draussen immer unschärfer und ihre Umrisse immer dunkler.
"Wach auf"
Ich schreckte auf, die Stimme hatte seltsam verzerrt geklungen, war unwahrscheinlich hoch und mir irgendwie suspekt. Ich sah mich um, überall um mich war es beinahe dunkel, das Lich brannte nur in einem sehr gedämmten Zustand. Was mir erst gar nicht auffiel war, dass der Zug sich immer noch bewegte, und nicht in irgendeinem Depot stand und man mich nur vergessen hatte aufzuwecken. Hatte ich nur so kurz geschlafen? Mir kam es vor, als hätte ich stundenlang vor mich hingedöst, ich fühlte mich seltsam erholt und ausgeschlafen. Ein Blick auf meine Uhr verriet mir, dass ich wohl doch nicht so lange weggewesen war, der kleinere Ziffernzeiger lag auf der Zwölf, während der andere auf die neun zeigte. Ich stand auf und lief durch den ganzen Waggon, er war verlassen, aber überall waren noch alte Zeitungen vom Vortag und sonstiger Müll der sich angesammelt hatte und noch nicht entsorgt worden war, was heissen musste, dass noch keine Putzkolonne vorbeigekommen war. Ich setzte mich wieder zurück an meinen Platz und schaute raus. Es war stockfinster, also entweder schien kein Mond oder wir mussten gerade durch einen Tunnel fahren. Jetzt schoss mir wieder die Stimme durch den Kopf und ich sah mich beunruhigt um, kam jedoch zum Schluss, dass dies nur ein Produkt aus meinem Traum sein konnte. Nach geschätzten fünf Minuten waren wir anscheinend immer noch nicht aus dem Tunnel gekommen, ich beschloss mich in einen anderen Wagen zu setzten, es war an sich nichts ungewöhnliches das es um die Zeit nicht mehr sehr viel Leute hatte, schliesslich hatte ich den letzten Zug nachhause genommen und es war ja auch schon fast Zwölf. Doch auch im nächsten Wagen war die Situation nicht anders, auch er war verlassen, langsam begann ich Panik zu schieben und ich stürzte schon voller Angst in den den nächsten Waggon, bei dem zu meiner Überraschung ein völliger Normalzustand herrschte. Das Licht leuchtete in üblicher Intensität und am anderen Ende des Eisenbahnwagen machte ich einen weiteren Mitreisenden, einen älteren Herr aus, der interessiert aus dem Fenster schaute. Anscheinend schien er dabei mehr als ich zusehen, vielleicht hing er aber auch einfach nur seinen Gedanken nach. Ich setzte mich in das leere Abteil vis-a-vis von ihm. Als er mich hörte, wandte er seinen Kopf kurz in meine Richtung, musterte mich von Fuss bis Kopf, nickte mir kurz zu und wandte sich dann wieder interessiert dem Fenster zu.
***
"Gott, so eine Schweinerei", der junge Polizist wandte sich mit einem vor Ekel verzogenen Gesicht von dem Tatort ab und atmete erst einmal tief durch. Er konnte das Essen aber doch nicht mehr zurückhalten das rückwärts wieder rauskommen wollte und nach einigem Keuchen, kotze er alles vor sich auf den Boden. Kommissar Gerber, der in unmittelbarer Nähe von dem jungen Polizisten stand, der erst vor ein paar Monaten die Akademie absolviert hatte, beachtete ihn gar nicht. Seine Augen waren immer noch gebannt auf den toten Körper gerichtet, der vor ihm auf dem Boden lag. Das an sich war ja nichts ungewöhnliches, schliesslich war er von der Mordkommission, aber das der jungen Frau, die ganze Kopfhaut abgezogen worden war, dieser Umstand kam schon seltener vor. Diese Tat übte eine ungeheure Faszination auf ihn aus. Er war angeekelt, aber die gute Frau war sowieso tot und jetzt war endlich wiedermal ein prekärer Fall gekommen, in dem er sich profilieren konnte. Er würde den Mörder finden und er würde dank ihm in der Karriereleiter weiter aufsteigen, was kümmerte ihn da schon den Tod einer Unschuldigen. Eine Beförderung war seiner Meinung nach eh schon seit Jahren längst überfällig. Als junger Polizist war er genau so idealistisch wie Kunz, der sich neben ihm gerade übergeben hatte, wollte das Böse bekämpfen und Verbrechen aufklären, aber mit den Jahren hatte er das System immer mehr durchschaut, was zählte war Erfolg, egal welchen Tribut es forderte. Es ging nicht mehr um das Wohl von anderen, einem unbekannte Personen, sondern um das Wohl seiner selbst willen. Es war ja nicht so, dass er ein schlechter Mensch gewesen wäre, er hatte lediglich seine Prioritätensetzung etwas geändert.
Ganz in Gedanken versunken, erschrak er als er eine Hand auf seiner Schulter fühlte und schaute zu dem Störenfried auf, der sich als sein junger Kollege herausstellte.
"Ich habe die Spurensicherung angerufen, sie sind in 20 Minuten hier."
"Sehr gut Kunz, Sie werden von Tag zu Tag selbständiger", erwiderte Gerber spöttisch, doch der junge Polizist überhörte den Sarkasmus in seiner Stimme und setzte eine selbstgefällige Miene auf. An seinen Backen klebte immer noch das gerade erbrochene Essen, doch Gerber hielt es nicht für nötig ihn darauf aufmerksam zu machen. Der junge Polizist vermied es seinen Kopf auch nur in die Richtung der Leiche zu drehen, die unterhalb der beiden lag.
"Komm lass uns eine Rauchen gehen, es hat keinen Sinn hier untätig herumzustehen", meinte Gerber, der schon ein unangenehmes Schweigen voraussah, dass sich zwischen ihnen breitmachte. Er legte dem jüngeren Kollegen seinen Arm über die Schulter und zusammen liefen Sie ein paar Schritte vom Tatort weg zu ihrem Auto, wo er Kunz eine Zigarette anbot, der sie jedoch dankend ablehnte. Er sei Nichtraucher begründete er seinen Entscheid.
Nach rund 20 Minuten tauchten die Beamten der Spurensicherung auf. Gerber führte sie zu der Leiche und liess sie ihre Arbeit tun. Er kehrte zu Kunz zurück, der immer noch auf der Haube des Peugeots sass und gedankenverloren die Landschaft begutachtete.
"Zigarette?", fragte er den jüngeren freundlich. Der sah ihn erst einen Augenblick lang mit einem undeutbaren Blick an, bevor er sich eine nahm und Gerber sie ihm anzündete.
***
Der Zug fuhr noch immer durch den endlos scheinenden Tunnel. Von draussen vernahm man jeglich das Ächzen der einzelnen Waggons, die sich in den Kurven neigten und das gleichmäßig ertönende Geräusch des Kontakts zwischen Rad und Schiene.
"Und warum sind Sie hier?" Das trockene Krächzen riss mich aus meiner Lethargie in die Gegenwart zurück. Ich schaute in die milchig wässerigen blauen Augen des Typen von Gegenüber, der nun in meinem Abteil sass und mich neugierig musterte.
"Bitte?"
"Ich habe Sie gefragt, warum Sie hier sind?" Sein Ton war diesmal bedeutend schärfer, wirkte schon fast ungeduldig drängend, eine raue Art, die mir nicht gefiel.
"Weil ich auf dem Heimweg bin?", erwiderte ich nicht minder unfreundlich, ich war sowieso schon gereizt, über diese seltsame Fahrt.
"Warum so unfreundlich, min Jung", erwiderte der Alte, dessen Art mir irgendwie unheimlich war.
"War ich das? Dann entschuldige ich mich," erwiderte ich nun deutlich freundlicher. Ich wollte den Typen nicht wütend machen, keine Ahnung zu was der alles fähig sein konnte.
"Ja das warst Du!" Seine Augen funkelten.
"Aber das macht nichts, bald wirst du das nicht mehr sein", und seine Mundwinkel schellten nach oben und entblössten ein fieses Grinsen das mir Einblick auf seine gelben, fauligen Zähne gewährte. Ich sah mich hilfesuchend nach einer Intervention von möglichen anderen Zugeästen um, aber da sass ja leider kein anderer, wir waren also alleine.
"Suchst du jemanden? Keine Angst du wirst ihn schon noch früh genug kennen lernen." Ein hässlich schrilles Lachen begleitete seine letzten Worte, so dass sich mein Magen innerlich zusammenzog, und ein mulmiges Gefühl aufkam. Ich war völlig perplex, konnte keinen rationalen Gedanken mehr fassen, wollte nur noch möglichst schnell von diesem Irren wegkommen. Ich stand auf und rannte so schnell ich konnte aus dem Waggon in den nächsten, begleitet von dem kreischenden Lachen des alten Irren, das erst verstarb nachdem ich die Waggontür hinter mir zugeschlagen hatte. Der ganze Wagen war stockfinster, ich konnte die eigene Hand nicht vor meinen Augen sehen und gerade als ich mich langsam vorantastete ergriff mich eine andere Hand und zog mich in das nächstliegende Abteil wo sie mir ihre andere freie Hand auf den Mund drückte. Ich versuchte mich zu wehren aber der Unbekannte war stärker als ich und drückte mir den rechten Arm mit seiner freien Hand unsanft den Rücken hinauf, das ich mir auf die Zunge beissen musste um keinen Schmerzenslaut von mir zu geben.
***
"Kunz, daher!" Der junge Polizist wandte sich unbehaglich wieder dem Tatort zu und machte die paar Schritte zu der verunstalteten Leiche wo schon Kommissar Gerber mit den Kollegen von der Spurensicherung stand. Auf dem Weg dorthin warf er die angerauchte Kippe achtlos vor sich auf den Boden und zertrat sie.
"Der Täter hat ein Haar zurück gelassen, die Jungs schicken es nun ins Labor."
"Gut... ist unsere Arbeit hier getan?"
Gerber warf einen fast wehleidigen Blick auf die verstümmelte Leiche.
"Ja, lass uns fahren, ich spendier dir auch ein Bier."
***
Die Hand die meinen Mund umschlungen hielt, löste sich von meinen genässten Lippen und ein "Shh" erklang, kurz bevor die Tür von dem alten Irren von vornhin aufgerissen wurde und dieser durch den stockfinsteren Gang stapfte. Dabei sang er ein Lied ohne festen Reim, das es mir schaurig den Rücken hinablief:
Komm, komm her kleiner Balg,
ich werde dich doch noch begraben,
Hüheyho, Hüheyo
Komm, komm her kleiner Balg,
heute werde ich dich noch backen,
Hüheyho, Hüheyo
Die zweite Strophe hörte ich glücklicherweise nicht mehr, da der Soziopath schon die Verbindungstür aufgerissen hatte und in den nächsten Waggon hechtete. Ich sah mich um, erkannte aber nichts als einen schwachen, sich leicht von der Dunkelheit abhebenden, Umriss.
"Wer ist das?" sprudelte es aus mir hervor. Noch seltsamer als mein Retter, dessen Funktion ich nun erkannte, erschien mir dieser eigenartige Spinner.
"Sein Name tut nichts zur Sache und ist für dich vollkommen irrelevant. Die einzige Relevanz ist, das der Typ existiert und real ist", flüsterte mir der andere in mein Ohr. "Aber sei still, falls er zurückkommen sollte, darf er uns nicht entdecken." Die Sekunden vergingen und mir kam es vor als wären es Stunden. Ich schaute auf meine Uhr, zehn vor zwölf. Die Zeit kann doch unmöglich so langsam gehen, irgendetwas konnte hier doch nicht stimmen. Ich war mir sicher vorher auch kein Teufelsgras geraucht zu haben oder eine sonstige Droge konsumiert zu haben. Nein das hatte ich schon seit Monaten nicht mehr gemacht, ich war vollständig clean was solche Dinge betraf.
Nach einer schier endlosen Zeit, sprach der mir noch Unbekannte. Zuerst flüsterte er, doch je mehr er erzählte, desto kräftiger wurde seine Stimme und desto mehr begann ich das Schlamassel meiner Lage zu erkennen.
***
"Kunz mein noch junger Freund, weisst du, du bist in Ordnung. Nein wirklich, am Anfang hatte ich ja ein Problem, schliesslich wurde ich nicht gefragt und für einen neuen Partner war ich nicht bereit, aber weisst du, du bist in Ordnung." Das lallen wurden von einem langen durchdringenden Rülpser begleitet und Simon blähte die Nasenflügel. Der alte hatte schon mehr als genug getrunken, es war Zeit, dass er ihn nach Hause bringen würde. Seit zwei Stunden sassen sie nun in der Route 66, einem dreckigen Pup wo sich all der Abschaum von der Strasse traf der sonst nirgendwo eingelassen wurde. Bar der nicht gelebten Träume und unwirklichen Illusionen. Eigentlich wollte Simon schon längstens nachhause zu seiner Freundin, Rahel, stattdessen musste er ständig auf die Uhr über der Theke schauen, und die Minuten und anzahl Biere zählen, die sein Vorgesetzter eines nach dem anderen nach hinten kippte. Rechts ober ihm war ein kleines Fernsehgerät das auf irgendeinem Sportkanal ein Fussballspiel zeigte. Es musste wohl ein recht wichtiges Spiel sein, denn die restlichen Pupbesucher jubelten und grölten immer wieder wenn ein Foul gemacht oder ein Freisstoss geschossen wurde. Doch Simon interessierte das alles nicht, er hatte sich noch nie etwas aus diesem männertypischen Sport gemacht. Fussball ist langweilig, da rennen doch einfach 22 Idioten hinter einem Ball her, was soll daran schon sonderlich interessant sein. Auch da waren er und Gerber grundsätzlich verschiedene Menschen, der schien nämlich ein ziemlicher Fan zu sein, pfiff bei Schwalben und jubelte bei Toren.
"Weisst du, Kunz, sowas wie heute erlebe auch ich nicht alle Tage, da kann man nur noch einen drauf trinken. Aber weisst du, nicht alles ist Schwarz oder Weiss, es hat immer mehrere Seite, die Sache ist für uns vielleicht auch von Vorteil. Die Pressefritzen sind jetzt sicher bereits fleissig darüber am Schreiben und falls wir den Fall lösen können, wovon ich ausgehe, da ich bis jetzt noch jeden Fall lösen konnte, dann wird auch unsere Reputation steigen."
"Du findest also, dass diese Tat heute gut war?"
"Mein junger Freund", erwiderte Gerber, "das habe ich nie so gesagt, ich habe nur gesagt, dass du nicht alles Schwarz malen sollst. Und ja, wenn man es so bedenkt, was hat ein Menschenleben schon wert? Was ist wenn du in den Bergen wandern gehst und neben einem Ameisenhaufen vorbeigehst, dann schaust du doch auch nicht ob ein paar von den Viechern draufgehen, die den selben Pfad wie du benutzen, oder?"
"Ja aber die Tat..."
"Jaja, sie war schlimm und? So ist unsere Welt nun mal. Kann man nichts gegen machen, aber du kannst einen persönlichen Nutzen daraus ziehen. Du kannst geschehenes nicht rückgängig machen, aber du kannst das beste daraus machen."
"Ja, aber dennoch sollte sowas nicht passieren."
"Ohne solche Taten gäbe es uns nicht, also... Und jetzt lass uns über etwas anderes reden..." und er grölte in Richtung Barkeeper: "Kellner ich bin durstig, noch einen Scotch!"
Kunz wusste nicht was er über den alternden, wohl bald in Pension gehenden Kollegen denken mochte. Ganz falsch lag er ja nicht, aber was er da faselte war moralisch nur schwer nachvollziehbar. Er schob es jedoch auf den aktuellen Zustand, den sein Gegenüber dazu veranlasste solche Dinge von sich zu geben.
Endlich, nach vierzig weiteren nervenaufreibenden Minuten, Gerber wollte unbedingt noch das Fussballspiel zuende schauen, dass nach der regulären Spielzeit in die Silver Goal Phase überging, konnten die beiden die marode Spelunke verlassen. Gerber wankte und stüzte sich auf den Schultern des jüngeren Kollegen ab während sie zu auf den Dienstwagen zugingen. Zu allem überfluss verkozte Gerber auf der Rückfahrt auch noch das ganze Armaturenbrett, aber das war Kunz im Moment egal, er wollte nur noch möglichst schnell nach Hause und sich in sein Bett hauen. Der heutige Tag war ein richtiger Scheisstag gewesen, aber wennschon hatte er seit der Tatortbesichtigung die fürchterlichen Bilder einigermassen verarbeiten können und dazu musste er sich nicht mal zur Bewusstlosigkeit saufen. Es war ein komisches Gefühl das ihn im Moment erfüllte, er war vollkommen teilnahmslos, es war ihm alles egal. Er hatte es damals nicht gewusst, aber er stand immer noch unter posttraumatischem Schock, was ihn schlussendlich auch in seine jetzige Lage gebracht hatte. Er lieferte Gerber vor dessem Haus ab, eine schicke kleine Hütte in einer richtig üblen Gegend, aber Gerber lebte dem Anschein nach gern hier, soweit Kunz das von anderen Kollegen gehört hatte, die ihn damit immer wieder aufzogen, warum er sich nicht mal nach einem richtigen Haus oder zumindest einer anständigen Wohnung umsah. Er hielt an der gegenüberliegenden Straßenseite an, Gerber öffnete die Tür und wankte über die Strasse. Kunz wendete und düste los, für heute hatte er die Nase gestrichen voll. Er schaut auf seine Uhr; viertel vor zwölf. Irgendwann unterwegs rumpelte das Auto für kurze Zeit, dann war es wieder totenstill und schon fünfzehn Minuten später fuhr er in die Garage des Blockes in dem er und seine Freundin wohnten, stieg aus und wollte gerade auf den Knopf des Liftes drücken als das Gefühl in ihm aufstieg das er im Auto irgendetwas vergessen hatte. Er spurtete zum Auto zurück und...
***
"Shit, er kommt zurück" und kaum 2 Sekunden später wurde die Abteiltür aufgerissen und der olle Spinner hechtete durch den Gang, doch er konnte uns nicht sehen und der Spuk war so schnell vorbei wie er gekommen war.
"Also" fuhr er fort, "Ich kam also zum Auto zurück und da sah ich ihn dann, Gerber. Er war noch nicht tot weisst du, ich denke das war das Schlimmste, sein Kopf war ganz verstümmelt wie bei der Leiche die wir vier Stunden vorher entdeckt hatten, bzw. von einem Anwohner geruft wurde, der sie entdeckt hatte.
***
"Das wirst du mir büssen, Junge" flüsterte die schleimige Masse, die früher mal ein Kopf gewesen war und jetzt nur noch ein blutiger Fetzen. "das wirst du mir büssen, fortan sollen deine letzten 15 Minuten die Meinen sein und die Meinen die Deinen." Und mit einem markerschütternden Kreischen erlag er schliesslich seinen Verletzungen. Kunz wurde schwindlig, alles drehte sich er sah nur noch verstümmelte Leichen und einen tanzenden Irren, weit weit weg in der Ferne der um ein seltsames Leuchtfeuer tanzte, dann wurde das Feuer plötzlich von einer mächtigen Dampflok zerstört die einfach durchfuhr, anscheinend war das Feuer auf Schienen erbaut worden. Er spürte wie sich seine Füsse selbständig auf den Geisterzug zu bewegten ohne dass er sie hätte kontrollieren können. Der Zug kam näher und auf ihm steckte der Kopf des Irren der vorher noch um das Feuer getanzt hatte, es war sein eigener Kopf. Dann erfasste ihn der Zug und alles wurde Schwarz.
***
Instinktiv schaute ich auf meine Uhr, beide Zeiger lagen schweremütig auf der Zwölf. Mitternacht. Ich begriff, ich begriff nun endlich und in diesem Moment wurde die Tür aufgerissen und der alte gesichtslose Spinner stürzte herein, legte seine beiden Hände um meinen Hals und erdrosselte mich. Diesmal wählte er das Ersticken als meinen Tod, welche Marter würde er nach der nächsten Periode, den 15 Minuten, wählen? Ich wusste es nicht, mir wurde schwarz und mein Kopf knallte gegen den Tisch, doch ich war schon eingeschlafen.
***
"Wach auf!" Ich schreckte auf. Nanu, wo waren denn alle?
Zug ins Nirvana
Während sich die Sonne langsam immer mehr gen Westen aufmachte, ihrem Untergang zuwandte, der Schattenwurf der Objekte immer länger wurde, drückte ich meine Nase gegen die verdreckten Scheiben des Schnellzuges. Mir war langweilig, ich hatte weder Lust zu lesen noch mich mit der hübschen Unbekannten gegenüber zu unterhalten und so schaute ich aus dem Fenster. Lange würde die Fahrt eh nicht mehr dauern, in absehbarer Zeit sollte ich am Bahnhof ankommen und dann würde ich mich erst einmal in mein Doppelbett hauen, in dem ich noch immer alleine pennte. Je länger ich über diesen schönen Gedanken nachdachte, desto müder wurde ich, längst wurden die Silhouetten draussen immer unschärfer und ihre Umrisse immer dunkler.
"Wach auf"
Ich schreckte auf, die Stimme hatte seltsam verzerrt geklungen, war unwahrscheinlich hoch und mir irgendwie suspekt. Ich sah mich um, überall um mich war es beinahe dunkel, das Lich brannte nur in einem sehr gedämmten Zustand. Was mir erst gar nicht auffiel war, dass der Zug sich immer noch bewegte, und nicht in irgendeinem Depot stand und man mich nur vergessen hatte aufzuwecken. Hatte ich nur so kurz geschlafen? Mir kam es vor, als hätte ich stundenlang vor mich hingedöst, ich fühlte mich seltsam erholt und ausgeschlafen. Ein Blick auf meine Uhr verriet mir, dass ich wohl doch nicht so lange weggewesen war, der kleinere Ziffernzeiger lag auf der Zwölf, während der andere auf die neun zeigte. Ich stand auf und lief durch den ganzen Waggon, er war verlassen, aber überall waren noch alte Zeitungen vom Vortag und sonstiger Müll der sich angesammelt hatte und noch nicht entsorgt worden war, was heissen musste, dass noch keine Putzkolonne vorbeigekommen war. Ich setzte mich wieder zurück an meinen Platz und schaute raus. Es war stockfinster, also entweder schien kein Mond oder wir mussten gerade durch einen Tunnel fahren. Jetzt schoss mir wieder die Stimme durch den Kopf und ich sah mich beunruhigt um, kam jedoch zum Schluss, dass dies nur ein Produkt aus meinem Traum sein konnte. Nach geschätzten fünf Minuten waren wir anscheinend immer noch nicht aus dem Tunnel gekommen, ich beschloss mich in einen anderen Wagen zu setzten, es war an sich nichts ungewöhnliches das es um die Zeit nicht mehr sehr viel Leute hatte, schliesslich hatte ich den letzten Zug nachhause genommen und es war ja auch schon fast Zwölf. Doch auch im nächsten Wagen war die Situation nicht anders, auch er war verlassen, langsam begann ich Panik zu schieben und ich stürzte schon voller Angst in den den nächsten Waggon, bei dem zu meiner Überraschung ein völliger Normalzustand herrschte. Das Licht leuchtete in üblicher Intensität und am anderen Ende des Eisenbahnwagen machte ich einen weiteren Mitreisenden, einen älteren Herr aus, der interessiert aus dem Fenster schaute. Anscheinend schien er dabei mehr als ich zusehen, vielleicht hing er aber auch einfach nur seinen Gedanken nach. Ich setzte mich in das leere Abteil vis-a-vis von ihm. Als er mich hörte, wandte er seinen Kopf kurz in meine Richtung, musterte mich von Fuss bis Kopf, nickte mir kurz zu und wandte sich dann wieder interessiert dem Fenster zu.
***
"Gott, so eine Schweinerei", der junge Polizist wandte sich mit einem vor Ekel verzogenen Gesicht von dem Tatort ab und atmete erst einmal tief durch. Er konnte das Essen aber doch nicht mehr zurückhalten das rückwärts wieder rauskommen wollte und nach einigem Keuchen, kotze er alles vor sich auf den Boden. Kommissar Gerber, der in unmittelbarer Nähe von dem jungen Polizisten stand, der erst vor ein paar Monaten die Akademie absolviert hatte, beachtete ihn gar nicht. Seine Augen waren immer noch gebannt auf den toten Körper gerichtet, der vor ihm auf dem Boden lag. Das an sich war ja nichts ungewöhnliches, schliesslich war er von der Mordkommission, aber das der jungen Frau, die ganze Kopfhaut abgezogen worden war, dieser Umstand kam schon seltener vor. Diese Tat übte eine ungeheure Faszination auf ihn aus. Er war angeekelt, aber die gute Frau war sowieso tot und jetzt war endlich wiedermal ein prekärer Fall gekommen, in dem er sich profilieren konnte. Er würde den Mörder finden und er würde dank ihm in der Karriereleiter weiter aufsteigen, was kümmerte ihn da schon den Tod einer Unschuldigen. Eine Beförderung war seiner Meinung nach eh schon seit Jahren längst überfällig. Als junger Polizist war er genau so idealistisch wie Kunz, der sich neben ihm gerade übergeben hatte, wollte das Böse bekämpfen und Verbrechen aufklären, aber mit den Jahren hatte er das System immer mehr durchschaut, was zählte war Erfolg, egal welchen Tribut es forderte. Es ging nicht mehr um das Wohl von anderen, einem unbekannte Personen, sondern um das Wohl seiner selbst willen. Es war ja nicht so, dass er ein schlechter Mensch gewesen wäre, er hatte lediglich seine Prioritätensetzung etwas geändert.
Ganz in Gedanken versunken, erschrak er als er eine Hand auf seiner Schulter fühlte und schaute zu dem Störenfried auf, der sich als sein junger Kollege herausstellte.
"Ich habe die Spurensicherung angerufen, sie sind in 20 Minuten hier."
"Sehr gut Kunz, Sie werden von Tag zu Tag selbständiger", erwiderte Gerber spöttisch, doch der junge Polizist überhörte den Sarkasmus in seiner Stimme und setzte eine selbstgefällige Miene auf. An seinen Backen klebte immer noch das gerade erbrochene Essen, doch Gerber hielt es nicht für nötig ihn darauf aufmerksam zu machen. Der junge Polizist vermied es seinen Kopf auch nur in die Richtung der Leiche zu drehen, die unterhalb der beiden lag.
"Komm lass uns eine Rauchen gehen, es hat keinen Sinn hier untätig herumzustehen", meinte Gerber, der schon ein unangenehmes Schweigen voraussah, dass sich zwischen ihnen breitmachte. Er legte dem jüngeren Kollegen seinen Arm über die Schulter und zusammen liefen Sie ein paar Schritte vom Tatort weg zu ihrem Auto, wo er Kunz eine Zigarette anbot, der sie jedoch dankend ablehnte. Er sei Nichtraucher begründete er seinen Entscheid.
Nach rund 20 Minuten tauchten die Beamten der Spurensicherung auf. Gerber führte sie zu der Leiche und liess sie ihre Arbeit tun. Er kehrte zu Kunz zurück, der immer noch auf der Haube des Peugeots sass und gedankenverloren die Landschaft begutachtete.
"Zigarette?", fragte er den jüngeren freundlich. Der sah ihn erst einen Augenblick lang mit einem undeutbaren Blick an, bevor er sich eine nahm und Gerber sie ihm anzündete.
***
Der Zug fuhr noch immer durch den endlos scheinenden Tunnel. Von draussen vernahm man jeglich das Ächzen der einzelnen Waggons, die sich in den Kurven neigten und das gleichmäßig ertönende Geräusch des Kontakts zwischen Rad und Schiene.
"Und warum sind Sie hier?" Das trockene Krächzen riss mich aus meiner Lethargie in die Gegenwart zurück. Ich schaute in die milchig wässerigen blauen Augen des Typen von Gegenüber, der nun in meinem Abteil sass und mich neugierig musterte.
"Bitte?"
"Ich habe Sie gefragt, warum Sie hier sind?" Sein Ton war diesmal bedeutend schärfer, wirkte schon fast ungeduldig drängend, eine raue Art, die mir nicht gefiel.
"Weil ich auf dem Heimweg bin?", erwiderte ich nicht minder unfreundlich, ich war sowieso schon gereizt, über diese seltsame Fahrt.
"Warum so unfreundlich, min Jung", erwiderte der Alte, dessen Art mir irgendwie unheimlich war.
"War ich das? Dann entschuldige ich mich," erwiderte ich nun deutlich freundlicher. Ich wollte den Typen nicht wütend machen, keine Ahnung zu was der alles fähig sein konnte.
"Ja das warst Du!" Seine Augen funkelten.
"Aber das macht nichts, bald wirst du das nicht mehr sein", und seine Mundwinkel schellten nach oben und entblössten ein fieses Grinsen das mir Einblick auf seine gelben, fauligen Zähne gewährte. Ich sah mich hilfesuchend nach einer Intervention von möglichen anderen Zugeästen um, aber da sass ja leider kein anderer, wir waren also alleine.
"Suchst du jemanden? Keine Angst du wirst ihn schon noch früh genug kennen lernen." Ein hässlich schrilles Lachen begleitete seine letzten Worte, so dass sich mein Magen innerlich zusammenzog, und ein mulmiges Gefühl aufkam. Ich war völlig perplex, konnte keinen rationalen Gedanken mehr fassen, wollte nur noch möglichst schnell von diesem Irren wegkommen. Ich stand auf und rannte so schnell ich konnte aus dem Waggon in den nächsten, begleitet von dem kreischenden Lachen des alten Irren, das erst verstarb nachdem ich die Waggontür hinter mir zugeschlagen hatte. Der ganze Wagen war stockfinster, ich konnte die eigene Hand nicht vor meinen Augen sehen und gerade als ich mich langsam vorantastete ergriff mich eine andere Hand und zog mich in das nächstliegende Abteil wo sie mir ihre andere freie Hand auf den Mund drückte. Ich versuchte mich zu wehren aber der Unbekannte war stärker als ich und drückte mir den rechten Arm mit seiner freien Hand unsanft den Rücken hinauf, das ich mir auf die Zunge beissen musste um keinen Schmerzenslaut von mir zu geben.
***
"Kunz, daher!" Der junge Polizist wandte sich unbehaglich wieder dem Tatort zu und machte die paar Schritte zu der verunstalteten Leiche wo schon Kommissar Gerber mit den Kollegen von der Spurensicherung stand. Auf dem Weg dorthin warf er die angerauchte Kippe achtlos vor sich auf den Boden und zertrat sie.
"Der Täter hat ein Haar zurück gelassen, die Jungs schicken es nun ins Labor."
"Gut... ist unsere Arbeit hier getan?"
Gerber warf einen fast wehleidigen Blick auf die verstümmelte Leiche.
"Ja, lass uns fahren, ich spendier dir auch ein Bier."
***
Die Hand die meinen Mund umschlungen hielt, löste sich von meinen genässten Lippen und ein "Shh" erklang, kurz bevor die Tür von dem alten Irren von vornhin aufgerissen wurde und dieser durch den stockfinsteren Gang stapfte. Dabei sang er ein Lied ohne festen Reim, das es mir schaurig den Rücken hinablief:
Komm, komm her kleiner Balg,
ich werde dich doch noch begraben,
Hüheyho, Hüheyo
Komm, komm her kleiner Balg,
heute werde ich dich noch backen,
Hüheyho, Hüheyo
Die zweite Strophe hörte ich glücklicherweise nicht mehr, da der Soziopath schon die Verbindungstür aufgerissen hatte und in den nächsten Waggon hechtete. Ich sah mich um, erkannte aber nichts als einen schwachen, sich leicht von der Dunkelheit abhebenden, Umriss.
"Wer ist das?" sprudelte es aus mir hervor. Noch seltsamer als mein Retter, dessen Funktion ich nun erkannte, erschien mir dieser eigenartige Spinner.
"Sein Name tut nichts zur Sache und ist für dich vollkommen irrelevant. Die einzige Relevanz ist, das der Typ existiert und real ist", flüsterte mir der andere in mein Ohr. "Aber sei still, falls er zurückkommen sollte, darf er uns nicht entdecken." Die Sekunden vergingen und mir kam es vor als wären es Stunden. Ich schaute auf meine Uhr, zehn vor zwölf. Die Zeit kann doch unmöglich so langsam gehen, irgendetwas konnte hier doch nicht stimmen. Ich war mir sicher vorher auch kein Teufelsgras geraucht zu haben oder eine sonstige Droge konsumiert zu haben. Nein das hatte ich schon seit Monaten nicht mehr gemacht, ich war vollständig clean was solche Dinge betraf.
Nach einer schier endlosen Zeit, sprach der mir noch Unbekannte. Zuerst flüsterte er, doch je mehr er erzählte, desto kräftiger wurde seine Stimme und desto mehr begann ich das Schlamassel meiner Lage zu erkennen.
***
"Kunz mein noch junger Freund, weisst du, du bist in Ordnung. Nein wirklich, am Anfang hatte ich ja ein Problem, schliesslich wurde ich nicht gefragt und für einen neuen Partner war ich nicht bereit, aber weisst du, du bist in Ordnung." Das lallen wurden von einem langen durchdringenden Rülpser begleitet und Simon blähte die Nasenflügel. Der alte hatte schon mehr als genug getrunken, es war Zeit, dass er ihn nach Hause bringen würde. Seit zwei Stunden sassen sie nun in der Route 66, einem dreckigen Pup wo sich all der Abschaum von der Strasse traf der sonst nirgendwo eingelassen wurde. Bar der nicht gelebten Träume und unwirklichen Illusionen. Eigentlich wollte Simon schon längstens nachhause zu seiner Freundin, Rahel, stattdessen musste er ständig auf die Uhr über der Theke schauen, und die Minuten und anzahl Biere zählen, die sein Vorgesetzter eines nach dem anderen nach hinten kippte. Rechts ober ihm war ein kleines Fernsehgerät das auf irgendeinem Sportkanal ein Fussballspiel zeigte. Es musste wohl ein recht wichtiges Spiel sein, denn die restlichen Pupbesucher jubelten und grölten immer wieder wenn ein Foul gemacht oder ein Freisstoss geschossen wurde. Doch Simon interessierte das alles nicht, er hatte sich noch nie etwas aus diesem männertypischen Sport gemacht. Fussball ist langweilig, da rennen doch einfach 22 Idioten hinter einem Ball her, was soll daran schon sonderlich interessant sein. Auch da waren er und Gerber grundsätzlich verschiedene Menschen, der schien nämlich ein ziemlicher Fan zu sein, pfiff bei Schwalben und jubelte bei Toren.
"Weisst du, Kunz, sowas wie heute erlebe auch ich nicht alle Tage, da kann man nur noch einen drauf trinken. Aber weisst du, nicht alles ist Schwarz oder Weiss, es hat immer mehrere Seite, die Sache ist für uns vielleicht auch von Vorteil. Die Pressefritzen sind jetzt sicher bereits fleissig darüber am Schreiben und falls wir den Fall lösen können, wovon ich ausgehe, da ich bis jetzt noch jeden Fall lösen konnte, dann wird auch unsere Reputation steigen."
"Du findest also, dass diese Tat heute gut war?"
"Mein junger Freund", erwiderte Gerber, "das habe ich nie so gesagt, ich habe nur gesagt, dass du nicht alles Schwarz malen sollst. Und ja, wenn man es so bedenkt, was hat ein Menschenleben schon wert? Was ist wenn du in den Bergen wandern gehst und neben einem Ameisenhaufen vorbeigehst, dann schaust du doch auch nicht ob ein paar von den Viechern draufgehen, die den selben Pfad wie du benutzen, oder?"
"Ja aber die Tat..."
"Jaja, sie war schlimm und? So ist unsere Welt nun mal. Kann man nichts gegen machen, aber du kannst einen persönlichen Nutzen daraus ziehen. Du kannst geschehenes nicht rückgängig machen, aber du kannst das beste daraus machen."
"Ja, aber dennoch sollte sowas nicht passieren."
"Ohne solche Taten gäbe es uns nicht, also... Und jetzt lass uns über etwas anderes reden..." und er grölte in Richtung Barkeeper: "Kellner ich bin durstig, noch einen Scotch!"
Kunz wusste nicht was er über den alternden, wohl bald in Pension gehenden Kollegen denken mochte. Ganz falsch lag er ja nicht, aber was er da faselte war moralisch nur schwer nachvollziehbar. Er schob es jedoch auf den aktuellen Zustand, den sein Gegenüber dazu veranlasste solche Dinge von sich zu geben.
Endlich, nach vierzig weiteren nervenaufreibenden Minuten, Gerber wollte unbedingt noch das Fussballspiel zuende schauen, dass nach der regulären Spielzeit in die Silver Goal Phase überging, konnten die beiden die marode Spelunke verlassen. Gerber wankte und stüzte sich auf den Schultern des jüngeren Kollegen ab während sie zu auf den Dienstwagen zugingen. Zu allem überfluss verkozte Gerber auf der Rückfahrt auch noch das ganze Armaturenbrett, aber das war Kunz im Moment egal, er wollte nur noch möglichst schnell nach Hause und sich in sein Bett hauen. Der heutige Tag war ein richtiger Scheisstag gewesen, aber wennschon hatte er seit der Tatortbesichtigung die fürchterlichen Bilder einigermassen verarbeiten können und dazu musste er sich nicht mal zur Bewusstlosigkeit saufen. Es war ein komisches Gefühl das ihn im Moment erfüllte, er war vollkommen teilnahmslos, es war ihm alles egal. Er hatte es damals nicht gewusst, aber er stand immer noch unter posttraumatischem Schock, was ihn schlussendlich auch in seine jetzige Lage gebracht hatte. Er lieferte Gerber vor dessem Haus ab, eine schicke kleine Hütte in einer richtig üblen Gegend, aber Gerber lebte dem Anschein nach gern hier, soweit Kunz das von anderen Kollegen gehört hatte, die ihn damit immer wieder aufzogen, warum er sich nicht mal nach einem richtigen Haus oder zumindest einer anständigen Wohnung umsah. Er hielt an der gegenüberliegenden Straßenseite an, Gerber öffnete die Tür und wankte über die Strasse. Kunz wendete und düste los, für heute hatte er die Nase gestrichen voll. Er schaut auf seine Uhr; viertel vor zwölf. Irgendwann unterwegs rumpelte das Auto für kurze Zeit, dann war es wieder totenstill und schon fünfzehn Minuten später fuhr er in die Garage des Blockes in dem er und seine Freundin wohnten, stieg aus und wollte gerade auf den Knopf des Liftes drücken als das Gefühl in ihm aufstieg das er im Auto irgendetwas vergessen hatte. Er spurtete zum Auto zurück und...
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"Shit, er kommt zurück" und kaum 2 Sekunden später wurde die Abteiltür aufgerissen und der olle Spinner hechtete durch den Gang, doch er konnte uns nicht sehen und der Spuk war so schnell vorbei wie er gekommen war.
"Also" fuhr er fort, "Ich kam also zum Auto zurück und da sah ich ihn dann, Gerber. Er war noch nicht tot weisst du, ich denke das war das Schlimmste, sein Kopf war ganz verstümmelt wie bei der Leiche die wir vier Stunden vorher entdeckt hatten, bzw. von einem Anwohner geruft wurde, der sie entdeckt hatte.
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"Das wirst du mir büssen, Junge" flüsterte die schleimige Masse, die früher mal ein Kopf gewesen war und jetzt nur noch ein blutiger Fetzen. "das wirst du mir büssen, fortan sollen deine letzten 15 Minuten die Meinen sein und die Meinen die Deinen." Und mit einem markerschütternden Kreischen erlag er schliesslich seinen Verletzungen. Kunz wurde schwindlig, alles drehte sich er sah nur noch verstümmelte Leichen und einen tanzenden Irren, weit weit weg in der Ferne der um ein seltsames Leuchtfeuer tanzte, dann wurde das Feuer plötzlich von einer mächtigen Dampflok zerstört die einfach durchfuhr, anscheinend war das Feuer auf Schienen erbaut worden. Er spürte wie sich seine Füsse selbständig auf den Geisterzug zu bewegten ohne dass er sie hätte kontrollieren können. Der Zug kam näher und auf ihm steckte der Kopf des Irren der vorher noch um das Feuer getanzt hatte, es war sein eigener Kopf. Dann erfasste ihn der Zug und alles wurde Schwarz.
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Instinktiv schaute ich auf meine Uhr, beide Zeiger lagen schweremütig auf der Zwölf. Mitternacht. Ich begriff, ich begriff nun endlich und in diesem Moment wurde die Tür aufgerissen und der alte gesichtslose Spinner stürzte herein, legte seine beiden Hände um meinen Hals und erdrosselte mich. Diesmal wählte er das Ersticken als meinen Tod, welche Marter würde er nach der nächsten Periode, den 15 Minuten, wählen? Ich wusste es nicht, mir wurde schwarz und mein Kopf knallte gegen den Tisch, doch ich war schon eingeschlafen.
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"Wach auf!" Ich schreckte auf. Nanu, wo waren denn alle?