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eoc
14.01.2008, 20:20
Timo war auf dem Nachhauseweg. Ein weiterer Schultag war vorbei und durchaus nicht schlecht gelaufen, er durfte berechtigte Hoffnungen darauf hegen, dass die Mathearbeit gut ausfallen würde. In Sport hatte er es geschafft, ohne schwerwiegende Verletzung davon zu kommen und jetzt stand einem Nachmittag zu Hause, alleine und ruhig, eigentlich nichts im Wege.

Er bog in eine Seitenstraße ein. Das Viertel, dem er nun näher kam, war nicht gerade für reiche Anwohner bekannt, was sich auch in der Architektur der Häuserfronten widerspiegelte. Wohin man sah, eintöniges Grau, mit etwas Glück unterbrochen von Fenstern oder Türen in einem fast schon abwechslungsreichen Grau-Braun-Ton. Timo schnappte von der gegenüberliegenden Straßenseite einige Gesprächsfetzen auf und drehte seinen Kopf leicht in Richtung der Geräusche.
Belangloses Zeug, das sich zwei Klatschtanten etwa hundert Dezibel zu laut und fünf Oktaven zu hoch unbedingt zu sagen hatten. Wieso musste man eigentlich in dieser Gesellschaft immer so tun, als sei man hoch erfreut über die Anwesenheit von potentiellen Gesprächsopfern? Timo würde es nicht verstehen. Aber es hatte auch keinen Zweck, länger darüber zu sinnieren, also setzte er den Weg fort.
Hier wohnte ein Kollege aus seiner Klasse. Timo hatte nicht viele Freunde in der Klasse, aber es war ihm auch gleich, sie konnten seine Begeisterung für Mathematik oder Chemie nicht verstehen, dafür verstand er nicht, wieso man immer so tun musste, als sei Anerkennung durch Andere das Bedeutsamste im Leben.
Gestern erst hatte er dem Kollegen, von dem er gerade vielleicht fünf Meter entfernt war, in einem Gespräch erklärt, was er von dessen Gebaren hielt. Albernes Händchenhalten vor zwanzig Leuten, damit auch bloß jeder mitbekommen hat, wer hier gerade wichtig ist. Timo verabscheute Selbstdarsteller, nur leider war er anscheinend in einer Welt voll dieser Wesen gefangen. Nun, er war der Meinung, dass sie vielleicht einfach zu jung waren, um die Idiotie zu erkennen – aber Timo war genauso alt wie sie, mit seinen 15 Jahren sogar fast noch einer der Jüngsten. Vielleicht sehnten sie sich aber auch nur nach solcher Anerkennung, weil sie andere Formen nicht kannten oder weil sie mit solchen Formen zuerst bekannt wurden...

Gedankenversunken war er fast in ein Schlagloch im Bürgersteig gelaufen und konnte sich gerade noch fangen. Ja, das ist wahrscheinlich das größte Problem. Man wird in eine Klasse mit dreißig Leuten gestopft. Man ist jetzt für lange Zeit einfach ein Teil jener Gruppe und unter dreißig Leuten findet sich immer jemand, der sich durchsetzen kann. Um diesen Anführer schart sich dann eine Gruppe, die sich in seinem Licht mitsonnen will. Schon hat man die perfekten Ausgangsbedingungen, eine Bühne für die grandiosen Nachwuchsheuchler, die alles für etwas Applaus vom großen Boss tun würden. Aber Timo wusste auch ganz genau, dass es ihm nicht viel half, wenn er durch diese Illusionen des Lebens durchstieg – er musste es den Leuten begreiflich machen. Und die lachten sowieso nur. Wahrscheinlich eher auch aus Gruppenzwang als aus Unverständnis.
Drüben lief jetzt durch das, was die Stadtväter Park nannten, eine Ansammlung Halbstarker und schien sich mächtig zu amüsieren. Zumindest, was die Lautstärke anbetraf, und Laut-Stärke war ein sehr angebrachter Begriff, denn ihre gegrölten Laute waren selbst mit viel Phantasie keiner Sprache zuzuordnen. Die ganz coole Schiene von Leuten, irgendwo Alkohol geklaut und jetzt auf Prügeltour. Für ein bisschen Anerkennung. Mal wieder. Timo machte sich nicht die Mühe, weiterzudenken, er wiederholte sich eh ständig.
Es hatte aber auch keinen Zweck, jeden Tag in die Schule zu gehen und trotzdem tat er es... musste es tun...
Manchmal war es ganz schön bequem, nicht alles zu verstehen.


Hmmh. Kurze Sozialreflexion oder whatever. Tieferer Sinn: actually missing. Einfach nur die Frage, warum wir uns so verschieden verhalten?

qed
15.01.2008, 13:24
Moin

Nunja, bei deiner Geschichte bin ich etwas zwiegeteilt, einerseits kann ich die Gedanken des Prots teilweise durchaus gut nachvollziehen und gebe ihm auch recht, andererseits pauschalisiert er, bzw. du durch ihn, dann auch wieder genau so indifferenziert, wie jene Leute die du angreifst.
Ansonsten ist mir die Geschichte zu alltäglich, es hat einen interessanten Ansatz den du hier verfolgst, aber schlussendlich kommt er einfach zu kurz. Die Geschichte ist, es klingt jetzt böser als ich es meine, im Endeffekt belanglos. Du hättest das ganze vielleicht anonymer abhandeln müssen, oder ansonsten die Geschichte noch etwas ausbauen. Ich fände es besser wenn der Protagonist nur "er" heissen würde und nicht einen konkreten Namen hat. Und eben, vielleicht solltest du das ganze noch etwas differenzieren oder solche Klischees wie diese hier (zwei Klatschtanten etwa hundert Dezibel, irgendwo Alkohol geklaut und jetzt auf Prügeltour) entklischesieren, denn die Thematik hat durchaus Potential.

eoc
15.01.2008, 20:12
Erstmal danke fürs Lesen (-.

Nunja, ich denke, dass in seinem Alter eben genau dieser (Selbstfindungs-?)Prozess stattfinden muss und hab das auch ganz bewusst untergemischt. Zumal auch eine gewisse Spur von Misanthropie in seinem Charakter enthalten sein soll, die ihn dazu bringt, alles zu pauschalisieren und negativ zu sehen. Dementsprechend
ansonsten die Geschichte noch etwas ausbauen.bloß nicht, denn abgehackte oder unfertige, sich wiederholende Gedanken gehören einfach dazu, wenn man in solchem Maß nachdenklich irgendwo rumläuft.


Ich fände es besser wenn der Protagonist nur "er" heissen würdeHatte ich letztens erst, kann nicht nur Geschichten über einen 'ihn' schreiben... Auch wenn es mich durchaus anspricht (-,

Phryx
16.01.2008, 23:46
Irgendwie... wenn es ein Zeitungsartikel über den Sinn und Unsinn von Ansehen im Leben oder "Warum nicht jeder das gleiche will" währe es interessant, dann würde leider der Aufbau nicht stimmen. Was mich aber an vielen Kurzgeschichten hier stört ist der ständige philosophische Hintergedanke, den man nicht interpretieren muss, sondern der ständig und sich wiederholend eingebaut wird. Viel schwieriger ist es eine Geschichte zu schreiben ohne diesen offen darzulegen. Denn sonst kann man gleich anfangen sein philosophisches Alltagswerk a'la Kants (Ich erkläre euch die Welt vom Ursumpf bis zum Sinn des Lebens" oder Schopenhauers "Mein Leben ist so schlecht, aber Selbstmord ist auch blöd". Auch wenn es oft so ist das normale Bürger sich als kleine Philosophen darstellen wollen (besonders in Verbindung mit Alkohol) glaube ich das man die Denkweise in Geschichten etwas differenzieren muss. Kein Mensch brauch eine Geschichte für etwas was eh schon jeder weiß bzw. was einen nicht fasziniert. Ehrlich? Mich hat Timo nicht fasziniert.. denn Timo sitzt jeden Tag in jeder handelsüblichen Stadt in D und macht sich Gedanken darüber warum keiner so gern Mathe mag wie er. Aber ist ja alles ansichtssache. :)