deserted-monkey
20.11.2007, 21:40
Draht in der Wunde
... Eins – Augen auf
Als ich die Augen aufschlug, umgab mich undurchdringliche Finsternis. Es herrschte eine Stille, die mir unheimlich und unwirklich erschien, so als wäre alles Leben auf Erden ausgelöscht worden. Allein mein eigener Atem war zu hören, für jedes andere Geräusch schienen meine Ohren taub zu sein, oder aber, es gab wirklich keine anderen Geräusche. Doch das war Unsinn, die Stille war nie völlig lautlos, da gab es immer etwas, was man bei angestrengtem Lauschen vernehmen konnte. Ausser vielleicht, wenn man in einem zugenagelten Sarg sechs Fuss unter der Erde lag. Dort musste es wahrhaftig totenstill sein, aber für gewöhnlich hörte man dann sowieso nichts mehr.
Die Dunkelheit roch muffig, modrig und irgendwie alt, ich spürte Nässe in meiner Kleidung. Wo war ich?
Natürlich konnte ich mir diese Frage nicht selbst beantworten, ich hatte nämlich nicht die geringste Ahnung, wo ich mich befand. In meinem warmen Bett war ich aber mit grösster Bestimmtheit nicht, das war klar. Aber wo dann? Und wo war mein Bett überhaupt? Was war ein warmes Bett? Hatte ich je ein solches mein Eigen genannt?
Mein Verstand war völlig durcheinander, stellte mir absurde Fragen, ich konnte keinen klaren Gedanken fassen, es war wie Achterbahnfahren, nur mit meinem Kopf. Ich fühlte mich schwer und träge, ausgelaugt und leer, aber Angst verspürte ich komischerweise keine. Um mich zurück zur Besinnung zu rufen, wollte ich mir selber mit der linken (oder war’s die rechte?, alles war durcheinander) Hand einen Schlag gegen den Kopf verpassen, traf jedoch aufgrund der herrschenden Dunkelheit unglücklicherweise genau meine Nase und zuckte leicht zusammen. Unangenehmer Schmerz fuhr durch die Leere meiner Gefühle. Ein paar warme Blutstropfen sickerten aus meiner Nase. Ich stützte mich mit den Händen auf dem Untergrund ab, er war feucht und glatt. Wie aus Metall. Erst jetzt begann sich mein Orientierungssinn erkenntlich zu zeigen, ich bemerkte, dass ich mich in einer liegenden Position befand, auf dem Rücken. Vorsichtig versuchte ich mich zu erheben und stiess mir dabei schmerzhaft den Kopf an einer Art Deckel an. Als ich in der Dunkelheit gegen das für mich unsichtbare Hindernis stiess, hob es sich für einen kurzen Augenblick und durch einen dünnen Spalt fluteten Strahlen weissen Lichts durch das Dunkel.
Kurz lehnte ich mich zurück, um den hämmernden Schmerz in meinem Kopf verklingen zu lassen, ertastete dabei die Finsternis wie ein Blinder. Soweit ich das beurteilen konnte, befand ich mich in einem viereckigen Kasten, der leicht grösser war als ich, bestehend aus vier kalten, nassen Wänden um mich herum. Bevor ich mich noch einmal fragen konnte, wo ich mich wohl befinden möge, stiess ich mit beiden Händen den Deckel zur Seite.
Meine Augen schienen mit einem Schlag nun wirklich blind, das Licht blendete mich dermassen, dass ich mich zügeln musste, nicht zu schreien. Dann bemerkte ich es. Was mich blendete war nicht das vertraute, warme Licht der Sonne, sondern ein anderes, viel zu weisses, irgendwie schmutziges Licht, dass sich durch meine Augen zu brennen schien wie ätzende Säure. Kurzerhand schloss ich die Augenlider und zählte bis zwanzig, bevor ich sie langsam wieder öffnete. Nun war das seltsame Licht schon erträglicher geworden, stach mir aber immer noch unangenehm in die Augen. Was war die Quelle dieses Lichts? Die Sonne mit Sicherheit nicht. Nur wusste ich nicht, was Sonnenlicht überhaupt war, wie es sich anfühlte. Mein Hirn war ein Nichts, lieferte mir Wörter und Begriffe, deren Bedeutungen mir nicht bewusst waren. Darum kam mir dieses Licht anfangs fast normal vor. Ansonsten war der Himmel über mir leer, nur dieses kränklich weisse Licht erfüllte den Horizont. Sonst nichts. War das normal? Ich konnte es wirklich nicht sagen, hatte keine Erinnerung daran, an nichts, mein Hirn glich einer gefundenen Schatztruhe ohne Inhalt.
Langsam hatte sich mein Augenlicht an die herrschende Helligkeit gewöhnt, ich hob meinen Kopf gerade so weit, dass ich über die Kante des Dings hinausblicken konnte, in dem ich lag. Vor mir in der Luft hing ein grauer, dreckiger Fleck, etwa von der Grösse eines Fussballs (mein Hirn sandte mir diesen Ausdruck ohne weitere Erklärungen zu), wie ein schmuddeliger Klecks in all dem Weiss. Er schein leicht zu pulsieren und eigenartige Schlieren und Fetzen umgaben ihn. Beinahe wie ein Schandfleck mutete mir die Sonne in diesem Himmel an, ein hässliches, unrundes Ding, das krankhaftes Licht verströmte. Aber handelte es sich dabei überhaupt um so etwas wie eine Sonne? Schwer zu sagen, wenn man nicht einmal mehr weiss, was eine Sonne ist.
Ungläubig starrte ich den Fetzen im Himmel noch einen Moment an, dann erhob ich mich. Das erste, was mir auffiel, war dieser eiskalte Wind, der mir entgegenschlug, durch meine Haut und meinen ganzen Körper hindurchfuhr und mich plötzlich frösteln liess. Das zweite, was ich bemerkte, war das Ding, in dem ich gelegen hatte. Es war ein grosser, weisser Schrank. Wie nannten sich die Dinger noch mal?
Ach ja, Kühlschrank.
... Zwei – Die tote Grube
Von meinem Standpunkt aus bot sich mir ein fantastischer Ausblick, wie man so schön zu sagen pflegte, nur war dieser Anblick alles andere als fantastisch. Er war schrecklich, einfach nur schrecklich.
Der Kühlschrank (ja, so hiess das Ding, aber wozu war es gut?), in dem ich aufgewacht war, befand sich auf einem riesigen Hügel aus grünen Glasflaschen, rostigen Drähten, verbogenen Metallplatten, Auto- und Fahrradreifen, allerhand kaputten Küchen- und Badezimmergeräten und noch vielem mehr. Aus einem Wirrwarr von Stacheldraht lugte ein blutverschmierter menschlicher Fuss hervor. Allein er schien aus Fleisch und Blut zu bestehen, alles andere war kaltes, totes Metall, von dessen Oberflächen ein unheimlicher, düsterer Glanz abgestrahlt wurde.
Nebst dem Haufen mit dem Kühlschrank, konnte ich um mich herum noch dutzende weitere dieser Ansammlungen von Bergen aus Schrott erkennen. Hier war alles vorhanden, von zerquetschten Automobilen bis hin zu verbogenen Kinderwägen und einer Waschmaschine, deren offene Klappe mich anstarrte wie ein leeres Auge.
Wo war ich gelandet? Was war das alles? War das die Erde, die Welt, mein vertrautes Umfeld? Ohne das ich es wusste, glaubte ich, dass dem nicht so war. Es konnte und durfte nicht so sein. Leichte Angst und ein flaues Gefühl in der Magengegend machten sich in mir breit. Etwas war hier ganz und gar nicht in Ordnung. Dieser weisse Himmel, all dieses kaputte, leblose Metall, die bedrückende Stille und dieser eiskalte, schreckliche Wind, der weder heulte noch pfiff. Der gleichzeitig da war und auch nicht, meinen Körper bis in die Haarspitzen erschauern liess und in mir ein Gefühl hinterliess, als würde ich innerlich sterben. Aber vielleicht war ich das schon, nur noch ein wandelnder Toter, der sich in dieser Ruhestätte seinen Platz für die Ewigkeit suchte. War es so?
Rasch verdrängte ich den Gedanken. Spürte den eisigen Wind auf meiner Haut, also musste ich noch am Leben sein, Tote fühlten nicht mehr. Nur wo in Gottes Namen war ich hier gestrandet?
Schwerfällig erkämpfte ich mir meinen Weg von dem Geröllberg herunter, musste immer wieder aufpassen, mich nicht an vorstehenden Drähten oder scharfen Kanten zu verletzen. Dann kam ich an dem blutigen Fuss vorbei, dessen Haut schon fast gänzlich abgefault war, und plötzlich hatte ich Angst. Sah mich selber zerquetscht unter diesem Haufen liegen, meinen Fuss herausstechen, tot und verdorben.
Zitternd liess ich das groteske menschliche Überbleibsel hinter mir, aus den Augenwinkeln glaubte ich zu sehen, wie die Zehen sich bewegten. Dabei gaben sie ein leises, knackendes Geräusch von sich, dass mich innerlich zusammenfahren liess.
Schwer atmend betrat ich den Boden, der aus blanken Stahlplatten bestand, sauber aneinandergereiht wie Pflastersteine. Unwirklich grell reflektierten sie das Licht, wie eine Art Schleim oder weissliches Eiter. Langsam drehte ich mich einmal um die eigene Achse, nichts ausser Draht und Stahl und Metall. So verloren kam ich mir vor, dass ich nicht bemerkte, wie sich die Tür eines weiteren Kühlschranks mit einem lauten Knarren öffnete, ganz in der Nähe.
Per Zufall, so schien es, fiel mein Blick gen Himmel, an die Stelle, wo sich der Schandfleck namens Sonne hätte befinden sollen, aber er, oder sie, war nicht mehr da.
„Sie verschieben sich immerzu. Bleiben nie am gleichen Ort.“
Beim heiseren Klang der Stimme fuhr ich herum, erblickte den offenen Kühlschrank, der in einer Pfütze aus schmierigem, öligem Wasser nicht weit von mir lag. Stolpernd näherte ich mich ihm auf ein paar Schritte, um die Gestalt darin erkennen zu können. Mein Atem pfiff und rasselte, der Abstieg hatte mich einige Anstrengungen gekostet, mehr als ich es erwartet hatte.
Im Kühlschrank lag ein dürrer Mann von unschätzbarem Alter, seine Haut war gelb und faltig, das Haar schütter und strähnig, hing ihm ins Gesicht wie Fetzen von Stahlwolle. Eine unbeschreiblich krumme Nase sass in seinem eingefallenen Gesicht, unter der pergamentartigen Haut schimmerte der weisse Schädel. Der Körper des Mannes war so abgemagert, dass die Rippen beinahe durch den Brustkorb stachen. Völlig nackt lag er mit gefalteten Händen in dem Kühlschrank, als läge er in einem Sarg, der darauf wartete, tief in die Erde hinabgelassen zu werden. In die beinahe nicht vorhandene Brust des Mannes waren die Worte „Hazard! Human Virus“ mit einem scharfen Gegenstand hineingeritzt worden, wahrscheinlich mit Rasierklingen. Nein, er hatte die Scherben benutzt, die blutverkrustet neben ihm im Kühlschrank lagen. Plötzlich war der Himmel erfüllt von den schmutzigen Flecken, erschienen pulsierend und verschwanden wieder, um an einer anderen Stelle aufzutauchen.
„Immer wenn sie erlöschen, stirbt eine weitere Seele eines weiteren Menschen. Kommt hierher, zu uns, in die tote Grube. Aber du fühlst nichts, mein Junge, hab ich recht?“
Doch, ich fühlte eine leise Angst, die sich aus meinen Eingeweiden wand wie eine Made aus totem Fleisch. Aber das sprach ich nicht laut aus. Konnte es schlicht nicht, meine Stimmbänder versagten mir ihren Dienst und mein Mund öffnete und schloss sich, wie der eines Fisches auf dem Trockenen.
„Was ist die tote Grube?“, brachte ich schliesslich doch hervor, meine Stimme hörte sich nicht an wie meine eigene. Klang rau und verzerrt, unwirklich, wie alles an diesem grauenvollen Ort. Der Mann im Kühlschrank lachte irr und es klang fast so, als riss man Papier in lange Streifen.
„Das hier“, röchelte er und hob die Arme, die nicht viel mehr waren als hautumspannte Knochen. „Das hier, mein Junge. Weisst du, noch nie hat ein lebender Mensch diesen Ort erblickt. Du bist der erste, aber bist ja auch kein menschliches Wesen.“
Und er lachte sein verrücktes Lachen, dass mich beinahe um den Verstand brachte. Kein Mensch? Ich, kein Mensch? Wie konnte das sein?
„Was bin ich?“, fragte ich so undeutlich, dass ich mich nicht einmal selbst hören konnte. Meine Knie waren plötzlich weich wie Pudding.
„Du bist ein Androide“, antwortete er mir. „Siehst menschlich aus, bist sogar fast menschlich, benimmst dich menschlich. Aber tief in deinem Inneren bist du nur ein verdammter gezüchteter Blechhaufen ohne Seele und Verstand. Und du weisst das, mein Junge.“
Nein, das wusste ich nicht. War es wirklich so? Konnte es sein, dass ich nur aus Drähten und pumpender Flüssigkeit bestand, die kein Blut war? Mehr Zeit zum überlegen blieb mir nicht, die ganze Erde erbebte unter einem markerschütternden, reissenden Knirschen und die dreckigen Sonnen funkelten wie verlorene Sterne am weissen Himmelszelt.
... Drei – In den Zähnen
„Die alles zermalmenden Zähne“, kreischte der verrückte Mann und seine Augen rollten wie die eines Geisteskranken. Nun erzitterte der Grund immer stärker, die Metallplatten am Boden begannen zu vibrieren, das Knirschen wurde immer lauter, bis es sich schliesslich zu einem ohrenbetäubenden Lärm entwickelte. Fassungslos blickte ich den Mann im Kühlschrank noch einen Augenblick an, fühlte keine Angst, keinen Ekel. War ich wirklich nur ein gefühlloser Androide, wie er behauptet hatte?
Hastig verwarf ich den Gedanken, um mich herum begannen die Schrottberge in sich zusammen zu fallen. Wegen der Berge aus Draht und Stahl konnte ich nicht erkennen, was da auf mich zu raste, aber ich wusste, es musste etwas verdammt grosses sein. Etwas mahlendes, knirschendes, zerreissendes... Wie riesige, knirschende Zähne.
Dann sah ich es, das Ding kam direkt auf mich zu und der Mann kreischte so irre, dass ich mir die Ohren zu halten musste, um nicht selbst auch verrückt zu werden. Ich konnte beim besten Willen nicht sagen, was da auf mich zu donnerte, das Metall zermalmend und zerdrückend, ein hohes, kreischendes Geräusch verursachend, wie von einer laufenden Kreissäge. Dann erkannte ich die übergrossen, spitzen Zähne, gleich langen Dolchen flirrend im Licht, die sich durch die Hügel frassen und alles zerfetzten, was ihnen in den Weg kam. Sie sassen in einem riesenhaften Maul aus Metall, welches zu einer Art Maschine gehörte und unaufhörlich auf- und zuschnappte. Das wilde Kreischen des Mannes ging im Knirschen der Zähne unter, welche nun rasend schnell näher kamen.
Stücke des Schrotts flogen durch die Luft, wie abgetrennte Glieder, als sich die Maschine weiter durch die Berge vor mir frass. Meine Ohren waren wegen des Lärms ganz taub geworden, hörten nichts mehr ausser einem einzigen hohen, heulenden Ton, der sich anfühlte, als würden mir nächstens die Trommelfelle reissen. Aber das taten sie zum Glück nicht wirklich.
Als die Zähne durch den Berg direkt vor mir brachen und mir ein halber Autoreifen beinahe den Schädel zertrümmerte, sah ich die schreckliche Apparatur zum ersten Mal richtig aus der Nähe. Hinter dem schnappenden Kiefer voller langer, gebogener Zähne, sah sie aus wie ein gewaltiger Schlachtpanzer, nur ohne Drehturm und Raupen. Das Ding schien einfach über den Boden zu gleiten, oder besser gesagt zu schleifen, Funken sprühten in einem wilden Tanz vom Boden hoch. Über dem Kiefer sassen zwei gelbe Nebelscheinwerfer, die eine gewisse Ähnlichkeit mit Katzenaugen aufwiesen, deren grelles Licht die weisse Umgebung zerschnitt wie ein scharfes Messer. Aus mehreren senkrecht angebrachten Rohren entwich pechschwarzer, stinkender Rauch aus dem Bauch der Maschine, der den Himmel augenblicklich verdunkelte und mir den süsslichen Geruch von brennendem Fleisch in die Nase trieb. Ich war zu geschockt um mich irgendwie bewegen zu können, doch mit wachsendem Grauen und geweiteten Augen beobachtete ich, wie der Mann im Kühlschrank in die Fänge der Maschine geriet und samt seinem weissen Sarg in tausend Stücke gerissen wurde. Dünne Blutfäden, zerborstenes Plastik und halbierte Kühlstäbe spritzten durch die Luft. Groteskerweise flog mir der abgetrennte Kopf des verrückten Mannes genau vor die Füsse, seine Augen rollten immer noch, bis sie mit einem unhörbaren Laut zerspritzten und eine gelbliche Flüssigkeit meine Schuhe und Hosen benässte.
Mit einem wütenden Schnauben und eine schwarze Wolke gen Himmel stossend, schnellte die Maschine auf mich zu. Mir blieb keine Zeit auszuweichen, konnte mich nicht mehr zur Seite retten, also sprang ich unter Aufbringung allen Mutes und aller verbleibender Kraft, die ich noch erübrigen konnte, genau in die Fänge hinein. Das letzte, was mir auffiel, bevor mich eine absolute Finsternis verschlang, waren die Zähne. Diese waren nicht aus massivem Metall, wie der Rest der Maschine, sondern von anderer Beschaffenheit. Konnte nicht abschätzen, aus welchem Material genau, aber es hätte mich nicht verwundert, wären sie aus Millionen von menschlichen Zähnen geschmiedet worden.
... Vier – Der menschliche Brennofen
Zu meinem Erstaunen wurde ich nicht einfach in Stücke gerissen, nachdem ich mich in den finsteren Schlund warf, mir wurde nur der linke Zeigefinger abgeschnitten, als ich einem der unglaublich scharfen Zähne zu Nahe kam. Hart schlug ich im Inneren der Maschine auf den Boden, in vollkommene Schwärze gehüllt. Alles hier drinnen zitterte und bebte, die Vibrationen durchfuhren meinen Körper wie Blitze aus Schmerz. Von meiner linken Hand sprudelte Blut, dort wo der Finger fehlte, ich fühlte die Wunde, sah aber nichts. Zitternd versuchte ich mich aufzurichten, doch es gelang mir nicht, die Maschine schüttelte viel zu stark, als sie den nächsten Berg verschlang. Hastig, und nun doch in Panik geraten, krabbelte ich nach vorne, tiefer in die Maschine hinein, und hinter mir prasselten die Teile der nächsten Mahlzeit der grauenvollen Apparatur zu Boden.
Dann konnte ich ein Flimmern vor mir in der Dunkelheit erkennen, wie vom Schein eines Feuers. Mühselig kroch ich weiter auf den tanzenden Schein der Flammen zu. Sie schienen so weit entfernt, von innen erschien die Maschine noch grösser und massiver als von aussen. Schliesslich erreichte ich einen viereckigen Raum ohne Türen und Fenster, der nur von einem gewaltigen Feuer in einem grossen Ofen in gespenstisches Licht getaucht wurde. Vor diesem Ofen stand eine gekrümmte, unmenschliche Gestalt, die mit einer blutigen Schaufel Menschenteile in den Ofen schippte. Dort zerbruzelten sie knackend und fauchend, schwängerten die Luft mit einem grässlichen Geruch und lieferten den Antrieb für die Maschine, welche immer schneller dahinzurasen begann. Beinahe konnte ich die Geschwindigkeit steigen fühlen, mit jedem Glied, das die Kreatur in den Brennofen warf. Plötzlich drehte sie sich mit einem lauten Schrei, der mir das Blut in den Adern gefrieren liess, herum, achtlos entglitt die schwere, blutverschmierte Schaufel ihren Händen und dann blickte sie mich aus roten, glühenden Augenschlitzen an. Geifer troff aus ihrem deformierten Mund, der aus dem kahlen, schwarzen Schädel abstand wie eine abgrundtief hässliche Wulst aus Knochen und nadelspitzen Zähnen. An ihrem Kopf sassen keine Ohren und keine Nase, nur diese bös leuchtenden Augen, hinter denen eine schwarze Flüssigkeit brodelte. Der muskulöse Körper der Kreatur war umspannt von einer schwarzen, mit Schwären übersähten Haut, die stellenweise aufgeplatzt war und verfaultes, madendurchfressenes Fleisch entblösste. Finger und Zehen endeten in wahren Klauen, die ein Klicken von sich gaben, als das Ungeheuer sich herumdrehte. Als das Schrecklichste und Abscheulichste empfand ich jedoch das erigierte Glied, das zwischen den Beinen der Kreatur auf- und abhüpfte und dabei Eiter verspritzte. Voller Entsetzen beobachtete ich, wie das Scheusal sein Maul weit aufriss und eine meterlange, pinkfarbene Zunge aus seinem Inneren herausschoss. Sie kam genau auf mich zugeschnellt, klatschte vor mir auf den Boden, rollte sich weiter aus und begann, am blutenden Stumpf meines Fingers zu lecken. Dabei gab sie ein grässliches, schmatzendes Geräusch von sich, dass meinen Verstand beinahe zum Bersten brachte.
Genau in diesem Augenblick bemerkte ich den Draht, der aus meinem Finger ragte. Ein Draht, der aus meiner Wunde kam, aus meinem Inneren. War ich also doch nur ein wertloser Androide? Ein beschissener Roboter, welcher der Menschheit gedient hatte und zu nichts anderem fähig gewesen war?
Wahrscheinlich war es so, der Draht in meiner Wunde erklärte vieles, aber irgendwie verlieh mir diese Erkenntnis neue Kraft. Mit einem Ruck stiess ich den vorstehenden Draht durch die kalte Zunge des Monsters und nagelte sie so am Boden fest. Das Wesen kreischte und fauchte, mehr vor Wut als vor Schmerzen, wie ich erkannte, denn es spannte sichtlich die Muskeln an, um auf mich zu zustürzen. Hastig glitt ich mit der freien Hand nach vorne, bekam mit den Fingerspitzen den Stiel der Schaufel zu fassen. Zog sie zu mir heran und gerade als das Wesen abspringen wollte, hackte ich mit ihrer scharfen Kante die gespannte Zunge entzwei. Hoch heulend und keifend stolperte das Ungeheuer zwei Schritte zurück, die Krallen schabten über den Boden und warfen Funken, dann hielt ich die Schaufel mit beiden Händen. Gerade genügend Zeit bot sich mir, um mich auf die Knie zu erheben, der abgehackte Teil der Zunge unter mir immer noch zuckend und sich windend.
Ich lehnte zurück und stiess die Schaufel mit aller Kraft flach nach vorne. Wird das fest genug sein?, fragte ich mich, als die Schaufel nach unten sauste. Das war es tatsächlich.
Schaufel und Kopf des Monstrums knallten aufeinander und der Stiel entglitt unter der Wucht des Aufpralls meinen Fingern. Benommen taumelte die Kreatur weiter nach hinten, schlug ihren Arm an dem mit Gliedern gefüllten Behälter an und fiel rücklings in den Brennofen. Sie schrie mir abscheuliche, gequälte Schreie entgegen, als das Feuer ihr Fleisch zu zerstören begann. An seinem ganzen Körper zerplatzten die Schwären und Blasen, Eiter und dickflüssiges, schwarzes Blut brodelten im alles verschlingenden Feuer, das Wesen litt Todesqualen, bis das sengende Feuer des Ofens es verschlang. Mit einem Anflug von Ekel warf ich ihm die abgetrennte Zunge hinterher.
Nun bemerkte ich deutlich, wie die gesamte Maschine an Geschwindigkeit verlor, nun, da der Brennofen nicht mehr mit menschlichen Leichenteilen gespiesen wurde. Langsam erhob ich mich vollständig, das Zittern und Beben wurde immer schwächer und erlaubte mir das Stehen. Mein Blick fiel nach oben, zur Decke der Maschine, suchte hektisch eine Luke, einen Weg nach draussen. Aber da war nichts dergleichen, stattdessen erblickte ich die Unterseite eines riesigen, pulsierenden Gehirns, dass in der Decke sass. Was war das? Oh Gott, was war das für ein grässliches, pumpendes und vor Allem lebendes Gehirn?
Es steuert die Maschine, das war der erste Gedanke, der mir panisch durchs Gehirn fuhr. Und damit hatte ich gar nicht so unrecht, denn die Maschine kurvte immer noch umher, dass spürte ich deutlich. Also nahm ich wild entschlossen noch einmal die Schaufel zur Hand, holte zu einem mächtigen Schlag mit der Kante aus und begann, in das weiche Fleisch des Riesengehirns zu hacken und hinein zu wühlen. Blut und Gehirnflüssigkeit regneten auf mich herab, aber ich spürte nichts mehr, hackte und grub immer weiter, in einen wahren Wahn hineinversetzt, bis ich vor Erschöpfung zusammenbrach.
... Fünf – Das graue Feld
Als ich zu mir kam, lag ich zitternd und schüttelnd auf dem Boden, aber nicht mehr im Inneren der Maschine. Aus dem Augenwinkel konnte ich sie sehen, stand dort rauchend und brennend, in sich zusammenfallend, zerstört und vernichtet. Kaum glaubte ich, dass ich es wirklich fertiggebracht hatte, ihr zu entkommen. Aber die sterbenden Überreste der Maschine überzeugten mich davon, erfüllten mich mit Stolz und Glauben. Glauben an mich selbst. Doch wie konnte das sein, wie konnte ein gefühlloser Androide wie ich solche Gefühle empfinden? Bildete ich mir diese Gefühle nur ein?
Der Himmel über mir war so krankhaft weiss wie immer, aber die Schandflecken waren daraus verschwunden. Auch das hatte ich irgendwie erreicht, selbst die Hügel aus Schrott und Abfall waren alle unauffindbar, ich lag auf einem endlosen, weiten Feld. Als ich mich herumdrehte, bemerkte ich, dass sich auch der Untergrund verändert hatte. Er bestand nicht mehr aus säuberlich aufgereihten Metallplatten, sondern aus einer Art wabernder, grauer Masse, die floss und zuckte. Erst nach genauem Hinsehen erkannte ich, dass sie leicht durchsichtig war. Und ich blickte durch die graue Masse hindurch und sah die Welt da unten, die Erde, mein vertrautes Umfeld. Autos fuhren dort und Züge und Busse, Menschen lachten, weinten, gingen zur Arbeit, lasen Zeitung und tranken Kaffee dazu. Hausfrauen putzten emsig, hübsche Kinder waren auf dem Weg zur Schule, betrunkene Ehemänner betrogen ihre Frauen. All das sah ich durch die graue Masse hindruch, all die Menschen, die lebten und glücklich oder traurig oder beides zusammen waren. Nur ich ...
...
...
fühlte
...
...
plötzlich Tränen in meinen Augen. Ehe ich mich versah, lag ich dort auf der wabernden Masse, die mir die wirkliche Welt zeigte, die in Ordnung war und ich weinte hemmungslos. Ich empfand Freude und Trauer gleichzeitig. Freude, über meinen Sieg, bei dem ich nichts weiter gewonnen hatte als mein Androidenleben, Trauer, weil ich eben genau ein solcher Androide war und niemals zurück zu den Menschen konnte, wenn ich denn je dort gewesen war. Nun begannen sich meine aufwühlenden Gefühle mit Wut zu vermischen und ich entsinnte mich an den Draht, der aus meiner Wunde herausstach. Ich beschloss, ihn aus mir herauszureissen, wollte nicht mehr von pumpenden Schläuchen und irgendwelchen metallischen Computerkomponenten abhängig sein. Entschlossen riss ich an dem Draht an meinem Fingerstumpf, während mir die sonderbar klaren Tränen weiter das Gesicht benetzten.
... Sechs – Das Ende
Ich riss mir nicht meine lebensnotwendigen Innereien raus, der Draht war nur kurz. Viel zu kurz. Achtlos schleuderte ich ihn von mir, leckte mit der Zunge über die nun wieder blutende Wunde. Es schmeckte rostig. Wie Menschenblut. Wahrscheinlich hatte sich der Draht in meine Hand gebohrt, als ich im Inneren der scheusslichen Maschine aufgeschlagen war. Dann traf mich die Erkenntnis wie mit einem heftigen Schlag, warf mich nach hinten, drückte mich zu Boden und raubte mir den Atem. Ach Gott, Jesus, nach Allem war ich doch nur ein Mensch gewesen.
... Eins – Augen auf
Als ich die Augen aufschlug, umgab mich undurchdringliche Finsternis. Es herrschte eine Stille, die mir unheimlich und unwirklich erschien, so als wäre alles Leben auf Erden ausgelöscht worden. Allein mein eigener Atem war zu hören, für jedes andere Geräusch schienen meine Ohren taub zu sein, oder aber, es gab wirklich keine anderen Geräusche. Doch das war Unsinn, die Stille war nie völlig lautlos, da gab es immer etwas, was man bei angestrengtem Lauschen vernehmen konnte. Ausser vielleicht, wenn man in einem zugenagelten Sarg sechs Fuss unter der Erde lag. Dort musste es wahrhaftig totenstill sein, aber für gewöhnlich hörte man dann sowieso nichts mehr.
Die Dunkelheit roch muffig, modrig und irgendwie alt, ich spürte Nässe in meiner Kleidung. Wo war ich?
Natürlich konnte ich mir diese Frage nicht selbst beantworten, ich hatte nämlich nicht die geringste Ahnung, wo ich mich befand. In meinem warmen Bett war ich aber mit grösster Bestimmtheit nicht, das war klar. Aber wo dann? Und wo war mein Bett überhaupt? Was war ein warmes Bett? Hatte ich je ein solches mein Eigen genannt?
Mein Verstand war völlig durcheinander, stellte mir absurde Fragen, ich konnte keinen klaren Gedanken fassen, es war wie Achterbahnfahren, nur mit meinem Kopf. Ich fühlte mich schwer und träge, ausgelaugt und leer, aber Angst verspürte ich komischerweise keine. Um mich zurück zur Besinnung zu rufen, wollte ich mir selber mit der linken (oder war’s die rechte?, alles war durcheinander) Hand einen Schlag gegen den Kopf verpassen, traf jedoch aufgrund der herrschenden Dunkelheit unglücklicherweise genau meine Nase und zuckte leicht zusammen. Unangenehmer Schmerz fuhr durch die Leere meiner Gefühle. Ein paar warme Blutstropfen sickerten aus meiner Nase. Ich stützte mich mit den Händen auf dem Untergrund ab, er war feucht und glatt. Wie aus Metall. Erst jetzt begann sich mein Orientierungssinn erkenntlich zu zeigen, ich bemerkte, dass ich mich in einer liegenden Position befand, auf dem Rücken. Vorsichtig versuchte ich mich zu erheben und stiess mir dabei schmerzhaft den Kopf an einer Art Deckel an. Als ich in der Dunkelheit gegen das für mich unsichtbare Hindernis stiess, hob es sich für einen kurzen Augenblick und durch einen dünnen Spalt fluteten Strahlen weissen Lichts durch das Dunkel.
Kurz lehnte ich mich zurück, um den hämmernden Schmerz in meinem Kopf verklingen zu lassen, ertastete dabei die Finsternis wie ein Blinder. Soweit ich das beurteilen konnte, befand ich mich in einem viereckigen Kasten, der leicht grösser war als ich, bestehend aus vier kalten, nassen Wänden um mich herum. Bevor ich mich noch einmal fragen konnte, wo ich mich wohl befinden möge, stiess ich mit beiden Händen den Deckel zur Seite.
Meine Augen schienen mit einem Schlag nun wirklich blind, das Licht blendete mich dermassen, dass ich mich zügeln musste, nicht zu schreien. Dann bemerkte ich es. Was mich blendete war nicht das vertraute, warme Licht der Sonne, sondern ein anderes, viel zu weisses, irgendwie schmutziges Licht, dass sich durch meine Augen zu brennen schien wie ätzende Säure. Kurzerhand schloss ich die Augenlider und zählte bis zwanzig, bevor ich sie langsam wieder öffnete. Nun war das seltsame Licht schon erträglicher geworden, stach mir aber immer noch unangenehm in die Augen. Was war die Quelle dieses Lichts? Die Sonne mit Sicherheit nicht. Nur wusste ich nicht, was Sonnenlicht überhaupt war, wie es sich anfühlte. Mein Hirn war ein Nichts, lieferte mir Wörter und Begriffe, deren Bedeutungen mir nicht bewusst waren. Darum kam mir dieses Licht anfangs fast normal vor. Ansonsten war der Himmel über mir leer, nur dieses kränklich weisse Licht erfüllte den Horizont. Sonst nichts. War das normal? Ich konnte es wirklich nicht sagen, hatte keine Erinnerung daran, an nichts, mein Hirn glich einer gefundenen Schatztruhe ohne Inhalt.
Langsam hatte sich mein Augenlicht an die herrschende Helligkeit gewöhnt, ich hob meinen Kopf gerade so weit, dass ich über die Kante des Dings hinausblicken konnte, in dem ich lag. Vor mir in der Luft hing ein grauer, dreckiger Fleck, etwa von der Grösse eines Fussballs (mein Hirn sandte mir diesen Ausdruck ohne weitere Erklärungen zu), wie ein schmuddeliger Klecks in all dem Weiss. Er schein leicht zu pulsieren und eigenartige Schlieren und Fetzen umgaben ihn. Beinahe wie ein Schandfleck mutete mir die Sonne in diesem Himmel an, ein hässliches, unrundes Ding, das krankhaftes Licht verströmte. Aber handelte es sich dabei überhaupt um so etwas wie eine Sonne? Schwer zu sagen, wenn man nicht einmal mehr weiss, was eine Sonne ist.
Ungläubig starrte ich den Fetzen im Himmel noch einen Moment an, dann erhob ich mich. Das erste, was mir auffiel, war dieser eiskalte Wind, der mir entgegenschlug, durch meine Haut und meinen ganzen Körper hindurchfuhr und mich plötzlich frösteln liess. Das zweite, was ich bemerkte, war das Ding, in dem ich gelegen hatte. Es war ein grosser, weisser Schrank. Wie nannten sich die Dinger noch mal?
Ach ja, Kühlschrank.
... Zwei – Die tote Grube
Von meinem Standpunkt aus bot sich mir ein fantastischer Ausblick, wie man so schön zu sagen pflegte, nur war dieser Anblick alles andere als fantastisch. Er war schrecklich, einfach nur schrecklich.
Der Kühlschrank (ja, so hiess das Ding, aber wozu war es gut?), in dem ich aufgewacht war, befand sich auf einem riesigen Hügel aus grünen Glasflaschen, rostigen Drähten, verbogenen Metallplatten, Auto- und Fahrradreifen, allerhand kaputten Küchen- und Badezimmergeräten und noch vielem mehr. Aus einem Wirrwarr von Stacheldraht lugte ein blutverschmierter menschlicher Fuss hervor. Allein er schien aus Fleisch und Blut zu bestehen, alles andere war kaltes, totes Metall, von dessen Oberflächen ein unheimlicher, düsterer Glanz abgestrahlt wurde.
Nebst dem Haufen mit dem Kühlschrank, konnte ich um mich herum noch dutzende weitere dieser Ansammlungen von Bergen aus Schrott erkennen. Hier war alles vorhanden, von zerquetschten Automobilen bis hin zu verbogenen Kinderwägen und einer Waschmaschine, deren offene Klappe mich anstarrte wie ein leeres Auge.
Wo war ich gelandet? Was war das alles? War das die Erde, die Welt, mein vertrautes Umfeld? Ohne das ich es wusste, glaubte ich, dass dem nicht so war. Es konnte und durfte nicht so sein. Leichte Angst und ein flaues Gefühl in der Magengegend machten sich in mir breit. Etwas war hier ganz und gar nicht in Ordnung. Dieser weisse Himmel, all dieses kaputte, leblose Metall, die bedrückende Stille und dieser eiskalte, schreckliche Wind, der weder heulte noch pfiff. Der gleichzeitig da war und auch nicht, meinen Körper bis in die Haarspitzen erschauern liess und in mir ein Gefühl hinterliess, als würde ich innerlich sterben. Aber vielleicht war ich das schon, nur noch ein wandelnder Toter, der sich in dieser Ruhestätte seinen Platz für die Ewigkeit suchte. War es so?
Rasch verdrängte ich den Gedanken. Spürte den eisigen Wind auf meiner Haut, also musste ich noch am Leben sein, Tote fühlten nicht mehr. Nur wo in Gottes Namen war ich hier gestrandet?
Schwerfällig erkämpfte ich mir meinen Weg von dem Geröllberg herunter, musste immer wieder aufpassen, mich nicht an vorstehenden Drähten oder scharfen Kanten zu verletzen. Dann kam ich an dem blutigen Fuss vorbei, dessen Haut schon fast gänzlich abgefault war, und plötzlich hatte ich Angst. Sah mich selber zerquetscht unter diesem Haufen liegen, meinen Fuss herausstechen, tot und verdorben.
Zitternd liess ich das groteske menschliche Überbleibsel hinter mir, aus den Augenwinkeln glaubte ich zu sehen, wie die Zehen sich bewegten. Dabei gaben sie ein leises, knackendes Geräusch von sich, dass mich innerlich zusammenfahren liess.
Schwer atmend betrat ich den Boden, der aus blanken Stahlplatten bestand, sauber aneinandergereiht wie Pflastersteine. Unwirklich grell reflektierten sie das Licht, wie eine Art Schleim oder weissliches Eiter. Langsam drehte ich mich einmal um die eigene Achse, nichts ausser Draht und Stahl und Metall. So verloren kam ich mir vor, dass ich nicht bemerkte, wie sich die Tür eines weiteren Kühlschranks mit einem lauten Knarren öffnete, ganz in der Nähe.
Per Zufall, so schien es, fiel mein Blick gen Himmel, an die Stelle, wo sich der Schandfleck namens Sonne hätte befinden sollen, aber er, oder sie, war nicht mehr da.
„Sie verschieben sich immerzu. Bleiben nie am gleichen Ort.“
Beim heiseren Klang der Stimme fuhr ich herum, erblickte den offenen Kühlschrank, der in einer Pfütze aus schmierigem, öligem Wasser nicht weit von mir lag. Stolpernd näherte ich mich ihm auf ein paar Schritte, um die Gestalt darin erkennen zu können. Mein Atem pfiff und rasselte, der Abstieg hatte mich einige Anstrengungen gekostet, mehr als ich es erwartet hatte.
Im Kühlschrank lag ein dürrer Mann von unschätzbarem Alter, seine Haut war gelb und faltig, das Haar schütter und strähnig, hing ihm ins Gesicht wie Fetzen von Stahlwolle. Eine unbeschreiblich krumme Nase sass in seinem eingefallenen Gesicht, unter der pergamentartigen Haut schimmerte der weisse Schädel. Der Körper des Mannes war so abgemagert, dass die Rippen beinahe durch den Brustkorb stachen. Völlig nackt lag er mit gefalteten Händen in dem Kühlschrank, als läge er in einem Sarg, der darauf wartete, tief in die Erde hinabgelassen zu werden. In die beinahe nicht vorhandene Brust des Mannes waren die Worte „Hazard! Human Virus“ mit einem scharfen Gegenstand hineingeritzt worden, wahrscheinlich mit Rasierklingen. Nein, er hatte die Scherben benutzt, die blutverkrustet neben ihm im Kühlschrank lagen. Plötzlich war der Himmel erfüllt von den schmutzigen Flecken, erschienen pulsierend und verschwanden wieder, um an einer anderen Stelle aufzutauchen.
„Immer wenn sie erlöschen, stirbt eine weitere Seele eines weiteren Menschen. Kommt hierher, zu uns, in die tote Grube. Aber du fühlst nichts, mein Junge, hab ich recht?“
Doch, ich fühlte eine leise Angst, die sich aus meinen Eingeweiden wand wie eine Made aus totem Fleisch. Aber das sprach ich nicht laut aus. Konnte es schlicht nicht, meine Stimmbänder versagten mir ihren Dienst und mein Mund öffnete und schloss sich, wie der eines Fisches auf dem Trockenen.
„Was ist die tote Grube?“, brachte ich schliesslich doch hervor, meine Stimme hörte sich nicht an wie meine eigene. Klang rau und verzerrt, unwirklich, wie alles an diesem grauenvollen Ort. Der Mann im Kühlschrank lachte irr und es klang fast so, als riss man Papier in lange Streifen.
„Das hier“, röchelte er und hob die Arme, die nicht viel mehr waren als hautumspannte Knochen. „Das hier, mein Junge. Weisst du, noch nie hat ein lebender Mensch diesen Ort erblickt. Du bist der erste, aber bist ja auch kein menschliches Wesen.“
Und er lachte sein verrücktes Lachen, dass mich beinahe um den Verstand brachte. Kein Mensch? Ich, kein Mensch? Wie konnte das sein?
„Was bin ich?“, fragte ich so undeutlich, dass ich mich nicht einmal selbst hören konnte. Meine Knie waren plötzlich weich wie Pudding.
„Du bist ein Androide“, antwortete er mir. „Siehst menschlich aus, bist sogar fast menschlich, benimmst dich menschlich. Aber tief in deinem Inneren bist du nur ein verdammter gezüchteter Blechhaufen ohne Seele und Verstand. Und du weisst das, mein Junge.“
Nein, das wusste ich nicht. War es wirklich so? Konnte es sein, dass ich nur aus Drähten und pumpender Flüssigkeit bestand, die kein Blut war? Mehr Zeit zum überlegen blieb mir nicht, die ganze Erde erbebte unter einem markerschütternden, reissenden Knirschen und die dreckigen Sonnen funkelten wie verlorene Sterne am weissen Himmelszelt.
... Drei – In den Zähnen
„Die alles zermalmenden Zähne“, kreischte der verrückte Mann und seine Augen rollten wie die eines Geisteskranken. Nun erzitterte der Grund immer stärker, die Metallplatten am Boden begannen zu vibrieren, das Knirschen wurde immer lauter, bis es sich schliesslich zu einem ohrenbetäubenden Lärm entwickelte. Fassungslos blickte ich den Mann im Kühlschrank noch einen Augenblick an, fühlte keine Angst, keinen Ekel. War ich wirklich nur ein gefühlloser Androide, wie er behauptet hatte?
Hastig verwarf ich den Gedanken, um mich herum begannen die Schrottberge in sich zusammen zu fallen. Wegen der Berge aus Draht und Stahl konnte ich nicht erkennen, was da auf mich zu raste, aber ich wusste, es musste etwas verdammt grosses sein. Etwas mahlendes, knirschendes, zerreissendes... Wie riesige, knirschende Zähne.
Dann sah ich es, das Ding kam direkt auf mich zu und der Mann kreischte so irre, dass ich mir die Ohren zu halten musste, um nicht selbst auch verrückt zu werden. Ich konnte beim besten Willen nicht sagen, was da auf mich zu donnerte, das Metall zermalmend und zerdrückend, ein hohes, kreischendes Geräusch verursachend, wie von einer laufenden Kreissäge. Dann erkannte ich die übergrossen, spitzen Zähne, gleich langen Dolchen flirrend im Licht, die sich durch die Hügel frassen und alles zerfetzten, was ihnen in den Weg kam. Sie sassen in einem riesenhaften Maul aus Metall, welches zu einer Art Maschine gehörte und unaufhörlich auf- und zuschnappte. Das wilde Kreischen des Mannes ging im Knirschen der Zähne unter, welche nun rasend schnell näher kamen.
Stücke des Schrotts flogen durch die Luft, wie abgetrennte Glieder, als sich die Maschine weiter durch die Berge vor mir frass. Meine Ohren waren wegen des Lärms ganz taub geworden, hörten nichts mehr ausser einem einzigen hohen, heulenden Ton, der sich anfühlte, als würden mir nächstens die Trommelfelle reissen. Aber das taten sie zum Glück nicht wirklich.
Als die Zähne durch den Berg direkt vor mir brachen und mir ein halber Autoreifen beinahe den Schädel zertrümmerte, sah ich die schreckliche Apparatur zum ersten Mal richtig aus der Nähe. Hinter dem schnappenden Kiefer voller langer, gebogener Zähne, sah sie aus wie ein gewaltiger Schlachtpanzer, nur ohne Drehturm und Raupen. Das Ding schien einfach über den Boden zu gleiten, oder besser gesagt zu schleifen, Funken sprühten in einem wilden Tanz vom Boden hoch. Über dem Kiefer sassen zwei gelbe Nebelscheinwerfer, die eine gewisse Ähnlichkeit mit Katzenaugen aufwiesen, deren grelles Licht die weisse Umgebung zerschnitt wie ein scharfes Messer. Aus mehreren senkrecht angebrachten Rohren entwich pechschwarzer, stinkender Rauch aus dem Bauch der Maschine, der den Himmel augenblicklich verdunkelte und mir den süsslichen Geruch von brennendem Fleisch in die Nase trieb. Ich war zu geschockt um mich irgendwie bewegen zu können, doch mit wachsendem Grauen und geweiteten Augen beobachtete ich, wie der Mann im Kühlschrank in die Fänge der Maschine geriet und samt seinem weissen Sarg in tausend Stücke gerissen wurde. Dünne Blutfäden, zerborstenes Plastik und halbierte Kühlstäbe spritzten durch die Luft. Groteskerweise flog mir der abgetrennte Kopf des verrückten Mannes genau vor die Füsse, seine Augen rollten immer noch, bis sie mit einem unhörbaren Laut zerspritzten und eine gelbliche Flüssigkeit meine Schuhe und Hosen benässte.
Mit einem wütenden Schnauben und eine schwarze Wolke gen Himmel stossend, schnellte die Maschine auf mich zu. Mir blieb keine Zeit auszuweichen, konnte mich nicht mehr zur Seite retten, also sprang ich unter Aufbringung allen Mutes und aller verbleibender Kraft, die ich noch erübrigen konnte, genau in die Fänge hinein. Das letzte, was mir auffiel, bevor mich eine absolute Finsternis verschlang, waren die Zähne. Diese waren nicht aus massivem Metall, wie der Rest der Maschine, sondern von anderer Beschaffenheit. Konnte nicht abschätzen, aus welchem Material genau, aber es hätte mich nicht verwundert, wären sie aus Millionen von menschlichen Zähnen geschmiedet worden.
... Vier – Der menschliche Brennofen
Zu meinem Erstaunen wurde ich nicht einfach in Stücke gerissen, nachdem ich mich in den finsteren Schlund warf, mir wurde nur der linke Zeigefinger abgeschnitten, als ich einem der unglaublich scharfen Zähne zu Nahe kam. Hart schlug ich im Inneren der Maschine auf den Boden, in vollkommene Schwärze gehüllt. Alles hier drinnen zitterte und bebte, die Vibrationen durchfuhren meinen Körper wie Blitze aus Schmerz. Von meiner linken Hand sprudelte Blut, dort wo der Finger fehlte, ich fühlte die Wunde, sah aber nichts. Zitternd versuchte ich mich aufzurichten, doch es gelang mir nicht, die Maschine schüttelte viel zu stark, als sie den nächsten Berg verschlang. Hastig, und nun doch in Panik geraten, krabbelte ich nach vorne, tiefer in die Maschine hinein, und hinter mir prasselten die Teile der nächsten Mahlzeit der grauenvollen Apparatur zu Boden.
Dann konnte ich ein Flimmern vor mir in der Dunkelheit erkennen, wie vom Schein eines Feuers. Mühselig kroch ich weiter auf den tanzenden Schein der Flammen zu. Sie schienen so weit entfernt, von innen erschien die Maschine noch grösser und massiver als von aussen. Schliesslich erreichte ich einen viereckigen Raum ohne Türen und Fenster, der nur von einem gewaltigen Feuer in einem grossen Ofen in gespenstisches Licht getaucht wurde. Vor diesem Ofen stand eine gekrümmte, unmenschliche Gestalt, die mit einer blutigen Schaufel Menschenteile in den Ofen schippte. Dort zerbruzelten sie knackend und fauchend, schwängerten die Luft mit einem grässlichen Geruch und lieferten den Antrieb für die Maschine, welche immer schneller dahinzurasen begann. Beinahe konnte ich die Geschwindigkeit steigen fühlen, mit jedem Glied, das die Kreatur in den Brennofen warf. Plötzlich drehte sie sich mit einem lauten Schrei, der mir das Blut in den Adern gefrieren liess, herum, achtlos entglitt die schwere, blutverschmierte Schaufel ihren Händen und dann blickte sie mich aus roten, glühenden Augenschlitzen an. Geifer troff aus ihrem deformierten Mund, der aus dem kahlen, schwarzen Schädel abstand wie eine abgrundtief hässliche Wulst aus Knochen und nadelspitzen Zähnen. An ihrem Kopf sassen keine Ohren und keine Nase, nur diese bös leuchtenden Augen, hinter denen eine schwarze Flüssigkeit brodelte. Der muskulöse Körper der Kreatur war umspannt von einer schwarzen, mit Schwären übersähten Haut, die stellenweise aufgeplatzt war und verfaultes, madendurchfressenes Fleisch entblösste. Finger und Zehen endeten in wahren Klauen, die ein Klicken von sich gaben, als das Ungeheuer sich herumdrehte. Als das Schrecklichste und Abscheulichste empfand ich jedoch das erigierte Glied, das zwischen den Beinen der Kreatur auf- und abhüpfte und dabei Eiter verspritzte. Voller Entsetzen beobachtete ich, wie das Scheusal sein Maul weit aufriss und eine meterlange, pinkfarbene Zunge aus seinem Inneren herausschoss. Sie kam genau auf mich zugeschnellt, klatschte vor mir auf den Boden, rollte sich weiter aus und begann, am blutenden Stumpf meines Fingers zu lecken. Dabei gab sie ein grässliches, schmatzendes Geräusch von sich, dass meinen Verstand beinahe zum Bersten brachte.
Genau in diesem Augenblick bemerkte ich den Draht, der aus meinem Finger ragte. Ein Draht, der aus meiner Wunde kam, aus meinem Inneren. War ich also doch nur ein wertloser Androide? Ein beschissener Roboter, welcher der Menschheit gedient hatte und zu nichts anderem fähig gewesen war?
Wahrscheinlich war es so, der Draht in meiner Wunde erklärte vieles, aber irgendwie verlieh mir diese Erkenntnis neue Kraft. Mit einem Ruck stiess ich den vorstehenden Draht durch die kalte Zunge des Monsters und nagelte sie so am Boden fest. Das Wesen kreischte und fauchte, mehr vor Wut als vor Schmerzen, wie ich erkannte, denn es spannte sichtlich die Muskeln an, um auf mich zu zustürzen. Hastig glitt ich mit der freien Hand nach vorne, bekam mit den Fingerspitzen den Stiel der Schaufel zu fassen. Zog sie zu mir heran und gerade als das Wesen abspringen wollte, hackte ich mit ihrer scharfen Kante die gespannte Zunge entzwei. Hoch heulend und keifend stolperte das Ungeheuer zwei Schritte zurück, die Krallen schabten über den Boden und warfen Funken, dann hielt ich die Schaufel mit beiden Händen. Gerade genügend Zeit bot sich mir, um mich auf die Knie zu erheben, der abgehackte Teil der Zunge unter mir immer noch zuckend und sich windend.
Ich lehnte zurück und stiess die Schaufel mit aller Kraft flach nach vorne. Wird das fest genug sein?, fragte ich mich, als die Schaufel nach unten sauste. Das war es tatsächlich.
Schaufel und Kopf des Monstrums knallten aufeinander und der Stiel entglitt unter der Wucht des Aufpralls meinen Fingern. Benommen taumelte die Kreatur weiter nach hinten, schlug ihren Arm an dem mit Gliedern gefüllten Behälter an und fiel rücklings in den Brennofen. Sie schrie mir abscheuliche, gequälte Schreie entgegen, als das Feuer ihr Fleisch zu zerstören begann. An seinem ganzen Körper zerplatzten die Schwären und Blasen, Eiter und dickflüssiges, schwarzes Blut brodelten im alles verschlingenden Feuer, das Wesen litt Todesqualen, bis das sengende Feuer des Ofens es verschlang. Mit einem Anflug von Ekel warf ich ihm die abgetrennte Zunge hinterher.
Nun bemerkte ich deutlich, wie die gesamte Maschine an Geschwindigkeit verlor, nun, da der Brennofen nicht mehr mit menschlichen Leichenteilen gespiesen wurde. Langsam erhob ich mich vollständig, das Zittern und Beben wurde immer schwächer und erlaubte mir das Stehen. Mein Blick fiel nach oben, zur Decke der Maschine, suchte hektisch eine Luke, einen Weg nach draussen. Aber da war nichts dergleichen, stattdessen erblickte ich die Unterseite eines riesigen, pulsierenden Gehirns, dass in der Decke sass. Was war das? Oh Gott, was war das für ein grässliches, pumpendes und vor Allem lebendes Gehirn?
Es steuert die Maschine, das war der erste Gedanke, der mir panisch durchs Gehirn fuhr. Und damit hatte ich gar nicht so unrecht, denn die Maschine kurvte immer noch umher, dass spürte ich deutlich. Also nahm ich wild entschlossen noch einmal die Schaufel zur Hand, holte zu einem mächtigen Schlag mit der Kante aus und begann, in das weiche Fleisch des Riesengehirns zu hacken und hinein zu wühlen. Blut und Gehirnflüssigkeit regneten auf mich herab, aber ich spürte nichts mehr, hackte und grub immer weiter, in einen wahren Wahn hineinversetzt, bis ich vor Erschöpfung zusammenbrach.
... Fünf – Das graue Feld
Als ich zu mir kam, lag ich zitternd und schüttelnd auf dem Boden, aber nicht mehr im Inneren der Maschine. Aus dem Augenwinkel konnte ich sie sehen, stand dort rauchend und brennend, in sich zusammenfallend, zerstört und vernichtet. Kaum glaubte ich, dass ich es wirklich fertiggebracht hatte, ihr zu entkommen. Aber die sterbenden Überreste der Maschine überzeugten mich davon, erfüllten mich mit Stolz und Glauben. Glauben an mich selbst. Doch wie konnte das sein, wie konnte ein gefühlloser Androide wie ich solche Gefühle empfinden? Bildete ich mir diese Gefühle nur ein?
Der Himmel über mir war so krankhaft weiss wie immer, aber die Schandflecken waren daraus verschwunden. Auch das hatte ich irgendwie erreicht, selbst die Hügel aus Schrott und Abfall waren alle unauffindbar, ich lag auf einem endlosen, weiten Feld. Als ich mich herumdrehte, bemerkte ich, dass sich auch der Untergrund verändert hatte. Er bestand nicht mehr aus säuberlich aufgereihten Metallplatten, sondern aus einer Art wabernder, grauer Masse, die floss und zuckte. Erst nach genauem Hinsehen erkannte ich, dass sie leicht durchsichtig war. Und ich blickte durch die graue Masse hindurch und sah die Welt da unten, die Erde, mein vertrautes Umfeld. Autos fuhren dort und Züge und Busse, Menschen lachten, weinten, gingen zur Arbeit, lasen Zeitung und tranken Kaffee dazu. Hausfrauen putzten emsig, hübsche Kinder waren auf dem Weg zur Schule, betrunkene Ehemänner betrogen ihre Frauen. All das sah ich durch die graue Masse hindruch, all die Menschen, die lebten und glücklich oder traurig oder beides zusammen waren. Nur ich ...
...
...
fühlte
...
...
plötzlich Tränen in meinen Augen. Ehe ich mich versah, lag ich dort auf der wabernden Masse, die mir die wirkliche Welt zeigte, die in Ordnung war und ich weinte hemmungslos. Ich empfand Freude und Trauer gleichzeitig. Freude, über meinen Sieg, bei dem ich nichts weiter gewonnen hatte als mein Androidenleben, Trauer, weil ich eben genau ein solcher Androide war und niemals zurück zu den Menschen konnte, wenn ich denn je dort gewesen war. Nun begannen sich meine aufwühlenden Gefühle mit Wut zu vermischen und ich entsinnte mich an den Draht, der aus meiner Wunde herausstach. Ich beschloss, ihn aus mir herauszureissen, wollte nicht mehr von pumpenden Schläuchen und irgendwelchen metallischen Computerkomponenten abhängig sein. Entschlossen riss ich an dem Draht an meinem Fingerstumpf, während mir die sonderbar klaren Tränen weiter das Gesicht benetzten.
... Sechs – Das Ende
Ich riss mir nicht meine lebensnotwendigen Innereien raus, der Draht war nur kurz. Viel zu kurz. Achtlos schleuderte ich ihn von mir, leckte mit der Zunge über die nun wieder blutende Wunde. Es schmeckte rostig. Wie Menschenblut. Wahrscheinlich hatte sich der Draht in meine Hand gebohrt, als ich im Inneren der scheusslichen Maschine aufgeschlagen war. Dann traf mich die Erkenntnis wie mit einem heftigen Schlag, warf mich nach hinten, drückte mich zu Boden und raubte mir den Atem. Ach Gott, Jesus, nach Allem war ich doch nur ein Mensch gewesen.