toho
26.10.2007, 22:44
http://curse.de/germany/wp-content/uploads/2007/10/cover.jpg
“Ich will einfach schreiben was ich will, ohne Kompromisse”
Ein Konzept, das einfacher nicht sein könnte. Und doch scheint es in diesen Tagen bei all den Ankündigungen von „Ehrlichem Rap“ und „Ich sag nur was ich denke!“ fast schon unmöglich, dass man als Hörer tatsächlich das Gefühl gewinnt, dass ein Rapper auf seinem gesamten Album kompromisslose Ehrlichkeit präsentiert. „Ich mach nur mein Ding“ ist zu einer Phrase verkommen, etwas, das man sagt, um an Glaubwürdigkeit zu gewinnen. Häufig findet sich das Gefühl von Ehrlichkeit und Wahrhaftigkeit nur bruchstückhaft in den durchgestylten, auf potenzielle Käufergruppen zugeschnittenen Tracks wieder. Kommerz hat Ehrlichkeit und Wahrheit verdrängt.
Das ehrlichste Album des Jahres
Abgekapselt und in sich selbst zurückgezogen hat Germany auf „Die Stunde Der Wahrheit“ Rückschläge, Niederlagen und Krisen zu (s)einem ganz persönlichen Album verdichtet.
Die ehrlichste Hip Hop Platte des Jahres. Voller Glaubwürdigkeit und Gefühl, doch gleichzeitig unmissverständlich direkt und kompromisslos. Kein geplanter Prozess, kein Schnellschuss, kein durchgestyltes Endprodukt, das lieblos auf den Markt geworfen versucht etwas Aufmerksamkeit zu erregen und Geld zu machen. Germany gewährt dem Hörer einen tiefen Einblick in sein Leben und seine Seele. „Zurück mit Soul in den Sachen“ heißt es bereits im Opener „Welcome to Germany“, einem intensiven, fast schon heroischen Beat von Claud. Germany ist nicht auf ein kurzes, trendgemäßes „Ich fick alles“-Album aus, er will dem Hörer ein persönliches Erlebnis geben – und genau das bekommt man mit diesem Album auch.
Es geht um Themen die jeder kennt, über die aber selten jemand spricht. Das Gefühl alleine dazustehen, das Gefühl, dass niemand einem etwas zutraut: „Der Meist Unterschätzte bei jedem Freund oder Feind“ zu sein. Und trotzdem – Germany verliert seinen Weg nicht aus dem Blickfeld, egal was zwischen ihm und seinen Träumen steht. „So lange ich leb, so lange es geht, jede Erfahrung auf dem Weg den ich geh hat mich geprägt“, heißt es in „Mein Weg“, irgendwo zwischen aggressionsgeladen und verzweifelt hoffnungsvoll, gerappt auf einem unheimlich mitziehenden, einem geradezu in den Text hineinsaugenden Beat von Curse. Germany zeigt, dass Kool Savas nicht übertrieben hat, als er ihm „die beste Rapstimme Deutschlands“ attestierte.
Germanys selbstreflektierter Blick auf seine Vergangenheit sowie die starke Bindung zu seiner Familie fallen auf – Sein Stiefvater führt in Form von kurzen, gesprochenen Interludes durch das gesamte Album, der Track „Linda“ ist Germanys Großmutter gewidmet, bei der er aufwuchs, während seine Mutter versuchte, in Minden einen Grundstein für die kleine Familie zu legen; „Du das Rückgrat der Familie, oft hattest du’s schwer, dein Herz trägt Lasten doch du lachst damit’s keiner merkt, hier ist dein Enkel und hier ist mein Liebesgeständnis“ … „Warst immer für mich da, vom Tag an seitdem ich denken kann“.
Germany kommt mit 7 nach Minden. 8 Jahre später ist er auf dem „Hip Hop Film“, fängt an eigene Texte zu schreiben. Reno kennt er seit dem 10. Lebensjahr. Auf einer Jam in Bad Oeynhausen, einem kleinen Ort in der Nähe von Minden, wird das Fundament gegossen. Die zukünftigen Mitglieder des inzwischen legendären „Der Klan“ lernen sich kennen. Die Chemie zwischen Reno, Germany und Lord Scan stimmt. Germany schreibt inzwischen jeden Tag Texte und wird immer besser und entwickelt mit seinen Klan-Kollegen eine völlig eigene Rap-Sprache und Ästhetik. Der Rest ist deutsche Rapgeschichte – Der Klan veröffentlicht die vielbeachtete „Ultimate Chiefrockers EP“ und setzt sich schließlich ans legendäre „Flash Punks“-Album, auf dem damals wohl progressivsten deutschen Hip Hop Label; PDNTDR. Doch Der Klan löst sich auf bevor die Früchte geerntet sind und auch wenn sie einen Untergrund-Klassiker hinterlassen, so ist und bleibt die Trennung aus künstlerischen und persönlichen Differenzen unabwendbar. Scan zieht nach Münster, Enrico und Denis beschließen zu zweit als „Italo Reno & Germany“ weiterzumachen. 2004 erscheint das „Hart aber Herzlich“-Album der beiden Mindener (#62/Top 100), nebenbei gibt es jede Menge Features auf anderen Alben und Mixtapes von Curse bis Savas. Während dieser Zeit wird Germany klar, dass er „das Musikding“ komplett durchziehen will. In den folgenden Jahren kommt er viel rum, ist auf der “Der Beste Tag meines Lebens”-Tour von Kool Savas dabei, sowie auf den “Von Innen Nach Außen”-, “Innere Sicherheit”- und “Und was ist Jetzt?”-Tourneen von Curse, die ihn auch über Deutschland heraus in Österreich und in der Schweiz bekannt machen. Dazu kommen zahlreiche Features auf Compilations, Produceralben (u.a. Plattenpapzt, Kool DJ GQ und Roey Marquis II.) sowie Mixtapes.
Die wenigen Features die es auf „Die Stunde Der Wahrheit“ gibt, stammen von engen Freunden Germanys – Samir, der wenn es nach Germany ginge „längst ein Superstar“ wäre, und der Schweizer Greis, der auf „Welcome to Germany (Le Retour)“ eine französisch gerappte Hook beisteuert. In der Schweiz hat Germany auch einen großen Teil der Beats gefunden, die den Sound von „Die Stunde der Wahrheit“ so prägnant und außergewöhnlich machen: Claud (Curse, Sektion Kuchikäschtli, Gimma) liefert ganze 10 der insgesamt 19 Tracks und Interludes, teilweise in enger Zusammenarbeit mit Patrick Ahrend („Und was ist Jetzt“ von Curse). Darüber hinaus haben Sashliq von Sieben (Curse, Rasul, Tefla&Jaleel) und Curse Beats beigesteuert, die mal intensiv, mal tragend, mal einfach nur „klatschend“, aber immer voller Energie und Soulfullness den perfekten Rahmen für Germanys Geschichten und Gedanken geben! Entstanden ist ein Album, das in sich geschlossen ist. Keine bloße Tracksammlung, sondern ein Gesamtwerk, das man immer wieder hören will - extrem persönlich, doch gleichzeitig weit entfernt von jeder Egozentrik. Germany weiß, wer er ist. Und wo er hingeht.
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videostatements und damit auch kurze einblicke in die einzelnen songs findet ihr auf http://germany-arr.de/
text von mir, nach einem an der weser geführten interview mit germany.
ohne scheiss und ohne werbeauftrag:
ich hab das album seit ca zwei monaten. ich hab es was-weiß-ich-wie-oft gehört, allein schon, um diese info schreiben zu können. und manchmal gefällt mir vielleicht ein beat nicht, aber das album als ganzes...haut einfach rein. ich glaube nicht, das ein snippet da ausreicht. germany ist einfach ehrlich, hat seine ganze gedanken und gefühlswelt auf diese cd gespittet, und man merkt es. hab seit langem kein album mehr gehört, was soviel ehrlichkeit und wissen um das, was gesagt wird, ausstrahlt. im rap geht es ja immer mehr um inhalt - und das album hat verdammt viel davon. und keine sekunde hat man das gefühl, das der kerl bullshit erzählt. kein faker gangstascheiss, kein "uh, ich bin voll der partymacher und frauenabschlepper" - weil er weiß, das man als hörer spürt, das das nicht stimmt.
gebt dem ding ne chance. wenigstens mal reinhören :P
“Ich will einfach schreiben was ich will, ohne Kompromisse”
Ein Konzept, das einfacher nicht sein könnte. Und doch scheint es in diesen Tagen bei all den Ankündigungen von „Ehrlichem Rap“ und „Ich sag nur was ich denke!“ fast schon unmöglich, dass man als Hörer tatsächlich das Gefühl gewinnt, dass ein Rapper auf seinem gesamten Album kompromisslose Ehrlichkeit präsentiert. „Ich mach nur mein Ding“ ist zu einer Phrase verkommen, etwas, das man sagt, um an Glaubwürdigkeit zu gewinnen. Häufig findet sich das Gefühl von Ehrlichkeit und Wahrhaftigkeit nur bruchstückhaft in den durchgestylten, auf potenzielle Käufergruppen zugeschnittenen Tracks wieder. Kommerz hat Ehrlichkeit und Wahrheit verdrängt.
Das ehrlichste Album des Jahres
Abgekapselt und in sich selbst zurückgezogen hat Germany auf „Die Stunde Der Wahrheit“ Rückschläge, Niederlagen und Krisen zu (s)einem ganz persönlichen Album verdichtet.
Die ehrlichste Hip Hop Platte des Jahres. Voller Glaubwürdigkeit und Gefühl, doch gleichzeitig unmissverständlich direkt und kompromisslos. Kein geplanter Prozess, kein Schnellschuss, kein durchgestyltes Endprodukt, das lieblos auf den Markt geworfen versucht etwas Aufmerksamkeit zu erregen und Geld zu machen. Germany gewährt dem Hörer einen tiefen Einblick in sein Leben und seine Seele. „Zurück mit Soul in den Sachen“ heißt es bereits im Opener „Welcome to Germany“, einem intensiven, fast schon heroischen Beat von Claud. Germany ist nicht auf ein kurzes, trendgemäßes „Ich fick alles“-Album aus, er will dem Hörer ein persönliches Erlebnis geben – und genau das bekommt man mit diesem Album auch.
Es geht um Themen die jeder kennt, über die aber selten jemand spricht. Das Gefühl alleine dazustehen, das Gefühl, dass niemand einem etwas zutraut: „Der Meist Unterschätzte bei jedem Freund oder Feind“ zu sein. Und trotzdem – Germany verliert seinen Weg nicht aus dem Blickfeld, egal was zwischen ihm und seinen Träumen steht. „So lange ich leb, so lange es geht, jede Erfahrung auf dem Weg den ich geh hat mich geprägt“, heißt es in „Mein Weg“, irgendwo zwischen aggressionsgeladen und verzweifelt hoffnungsvoll, gerappt auf einem unheimlich mitziehenden, einem geradezu in den Text hineinsaugenden Beat von Curse. Germany zeigt, dass Kool Savas nicht übertrieben hat, als er ihm „die beste Rapstimme Deutschlands“ attestierte.
Germanys selbstreflektierter Blick auf seine Vergangenheit sowie die starke Bindung zu seiner Familie fallen auf – Sein Stiefvater führt in Form von kurzen, gesprochenen Interludes durch das gesamte Album, der Track „Linda“ ist Germanys Großmutter gewidmet, bei der er aufwuchs, während seine Mutter versuchte, in Minden einen Grundstein für die kleine Familie zu legen; „Du das Rückgrat der Familie, oft hattest du’s schwer, dein Herz trägt Lasten doch du lachst damit’s keiner merkt, hier ist dein Enkel und hier ist mein Liebesgeständnis“ … „Warst immer für mich da, vom Tag an seitdem ich denken kann“.
Germany kommt mit 7 nach Minden. 8 Jahre später ist er auf dem „Hip Hop Film“, fängt an eigene Texte zu schreiben. Reno kennt er seit dem 10. Lebensjahr. Auf einer Jam in Bad Oeynhausen, einem kleinen Ort in der Nähe von Minden, wird das Fundament gegossen. Die zukünftigen Mitglieder des inzwischen legendären „Der Klan“ lernen sich kennen. Die Chemie zwischen Reno, Germany und Lord Scan stimmt. Germany schreibt inzwischen jeden Tag Texte und wird immer besser und entwickelt mit seinen Klan-Kollegen eine völlig eigene Rap-Sprache und Ästhetik. Der Rest ist deutsche Rapgeschichte – Der Klan veröffentlicht die vielbeachtete „Ultimate Chiefrockers EP“ und setzt sich schließlich ans legendäre „Flash Punks“-Album, auf dem damals wohl progressivsten deutschen Hip Hop Label; PDNTDR. Doch Der Klan löst sich auf bevor die Früchte geerntet sind und auch wenn sie einen Untergrund-Klassiker hinterlassen, so ist und bleibt die Trennung aus künstlerischen und persönlichen Differenzen unabwendbar. Scan zieht nach Münster, Enrico und Denis beschließen zu zweit als „Italo Reno & Germany“ weiterzumachen. 2004 erscheint das „Hart aber Herzlich“-Album der beiden Mindener (#62/Top 100), nebenbei gibt es jede Menge Features auf anderen Alben und Mixtapes von Curse bis Savas. Während dieser Zeit wird Germany klar, dass er „das Musikding“ komplett durchziehen will. In den folgenden Jahren kommt er viel rum, ist auf der “Der Beste Tag meines Lebens”-Tour von Kool Savas dabei, sowie auf den “Von Innen Nach Außen”-, “Innere Sicherheit”- und “Und was ist Jetzt?”-Tourneen von Curse, die ihn auch über Deutschland heraus in Österreich und in der Schweiz bekannt machen. Dazu kommen zahlreiche Features auf Compilations, Produceralben (u.a. Plattenpapzt, Kool DJ GQ und Roey Marquis II.) sowie Mixtapes.
Die wenigen Features die es auf „Die Stunde Der Wahrheit“ gibt, stammen von engen Freunden Germanys – Samir, der wenn es nach Germany ginge „längst ein Superstar“ wäre, und der Schweizer Greis, der auf „Welcome to Germany (Le Retour)“ eine französisch gerappte Hook beisteuert. In der Schweiz hat Germany auch einen großen Teil der Beats gefunden, die den Sound von „Die Stunde der Wahrheit“ so prägnant und außergewöhnlich machen: Claud (Curse, Sektion Kuchikäschtli, Gimma) liefert ganze 10 der insgesamt 19 Tracks und Interludes, teilweise in enger Zusammenarbeit mit Patrick Ahrend („Und was ist Jetzt“ von Curse). Darüber hinaus haben Sashliq von Sieben (Curse, Rasul, Tefla&Jaleel) und Curse Beats beigesteuert, die mal intensiv, mal tragend, mal einfach nur „klatschend“, aber immer voller Energie und Soulfullness den perfekten Rahmen für Germanys Geschichten und Gedanken geben! Entstanden ist ein Album, das in sich geschlossen ist. Keine bloße Tracksammlung, sondern ein Gesamtwerk, das man immer wieder hören will - extrem persönlich, doch gleichzeitig weit entfernt von jeder Egozentrik. Germany weiß, wer er ist. Und wo er hingeht.
_______________________________
videostatements und damit auch kurze einblicke in die einzelnen songs findet ihr auf http://germany-arr.de/
text von mir, nach einem an der weser geführten interview mit germany.
ohne scheiss und ohne werbeauftrag:
ich hab das album seit ca zwei monaten. ich hab es was-weiß-ich-wie-oft gehört, allein schon, um diese info schreiben zu können. und manchmal gefällt mir vielleicht ein beat nicht, aber das album als ganzes...haut einfach rein. ich glaube nicht, das ein snippet da ausreicht. germany ist einfach ehrlich, hat seine ganze gedanken und gefühlswelt auf diese cd gespittet, und man merkt es. hab seit langem kein album mehr gehört, was soviel ehrlichkeit und wissen um das, was gesagt wird, ausstrahlt. im rap geht es ja immer mehr um inhalt - und das album hat verdammt viel davon. und keine sekunde hat man das gefühl, das der kerl bullshit erzählt. kein faker gangstascheiss, kein "uh, ich bin voll der partymacher und frauenabschlepper" - weil er weiß, das man als hörer spürt, das das nicht stimmt.
gebt dem ding ne chance. wenigstens mal reinhören :P