Hallo alle zusammen,

nachdem ich in letzter Zeit mal wieder angefangen habe, diverse Makergames zu spielen, ist mir immer wieder aufgefallen, dass in diesen vor allem aus anderen Spielen entliehene Musik verwendet wird. Während viele ambitionierte Entwickler eigene Grafiken pixeln, das letztlich vergleichsweise umständliche und limitierte System des Makers hacken, um ausgeklügelte Spielmechaniken umzusetzen und oft spannende Geschichten, die in interessanten Welten spielen, schreiben, werden die Möglichkeiten, die Musik im Rahmen eines spannenden Spielerlebnisses bietet, vergleichsweise wenig ausgenutzt. Oft wird gefühlt auf die gleichen 100 Tracks zurückgegriffen, die ursprünglich mal aus irgendeinem Japano-RPG gerippt wurden und sich dann von einem Spiel aus über viele andere hinweg ausgebreitet haben. Diese werden auch oft nicht einmal schlecht eingesetzt, aber dennoch wird so die Möglichkeit verschenkt, innerhalb eines Spiels eigene Leitmotive und dergleichen zu etablieren, die zur Eigenständigkeit eines Spiels massiv beitragen können.

Dabei spielt der Soundtracks eines Spiels in kommerziellen Titeln eine enorm wichtige Rolle. Nicht umsonst sind etwa die Final Fantasy Soundtracks so beliebt, lassen sie die Hörer doch nostalgisch an die vielen schönen Stunden mit dem Spiel und seinen Charakteren zurückdenken. Oder das Gefühl von frischer, kühler Herbstluft wenn man in World of Warcraft den Howling Fjord betritt - getriggert durch die Musik und die verwendeten Soundscapes. Insgesamt tragen Musik und Soundscapes enorm zum Charakter eines Spiels bei. Mit Spielereihen wie Zelda, Mass Effect, Warcraft oder Silent Hill assoziiert man auch immer deren Soundtracks.

Nun mag sich der geneigte Makerspielersteller sagen: "Aber ich bin unmusikalisch. Besser gut geklaut als schlecht selbstgemacht." Das ist prinzipiell auch okay, aber dann muss er auch damit rechnen, dass sich beim Spielen seines Spiels tendenziell weniger Aha-Momente als viel mehr solche im Stile eines "Oh, das ist doch aus Final Fantasy" einstellen werden. Deshalb möchte ich nun mit diesem Thread einerseits eine Debatte über dieses Thema anstoßen und andererseits im Folgenden geneigten Entwicklern ein paar erste Ideen an die Hand geben, wie und womit sie starten können, um sich schrittweise an das Komponieren eigener Soundtracks heranzuarbeiten. Deshalb hier schonmal die Frage: wie seht ihr dieses Thema? Besteht überhaupt ein Interesse, sich in diesem Bereich durch Eigenkreationen hervorzutun? Nun zur Einführung.

Vorwort und Musiktheorie

Musikproduktion ist eine eigene Kunstform mit eigenen Werkzeugen, eigener Fachsprache und eigenen Regeln, die genau wie Pixeln, Zeichnen, Coden oder Gamedesign erlernt werden wollen. Im Endeffekt ist Musik in erster Linie ein sehr subjektiv empfundener Gegenstand, für dessen Einsatz zur Erzeugung bestimmter Stimmungen es dennoch klare Regeln und Anhaltspunkte gibt. Die Basis des ganzen bildet ein zumindest rudimentäres musiktheoretisches Wissen, das dem geneigten Ersteller hilft, Anhaltspunkte zu finden, wie er zum Erreichen eines bestimmten Ziels vorgehen könnte. Um gute Musik zu schreiben muss man natürlich nicht jede einzelne Harmonie in Beethovens 9. beim ersten Hören bestimmen können und auch nicht zwingend ein Musikinstrument beherrschen, aber zumindest ein rudimentäres Wissen über Harmonien, Skalen und Rhythmik sollte man sich aneignen, da dieses enorm dabei hilft, zu verstehen, was bei einem bestimmten Lied alles auch welche Art und Weise passiert, damit es so auf Leute wirkt wie es wirkt. Eine umfangreiche Einführung in die Musiktheorie würde den Rahmen dieses Posts allerdings sprengen, weshalb ich hierfür auf die Seite, weshalb ich hier einmal auf diese Youtubeplaylist verweisen möchte. Ferner gibt es viele weitere gute Internetquellen und Bücher zu dem Thema.

Die Werkzeuge

Wenn man sich nun das theoretische Wissen erarbeitet hat, möchte man nun natürlich auch eine Möglichkeit haben, dieses praktisch anwenden zu können. Und so wie es heutzutage für quasi alles hochqualitative Software gibt, gibt es diese auch fürs Musikmachen. Und anders als im Grafikbereich, wo Photoshop und Illustrator als gefühlte ewige Platzhirsche dominieren, gibt es im Bezug auf Musiksoftware ein sehr breiteres Spektrum an professioneller, hochqualitativer Software, welshalb ich hier im Folgenden einen groben Überblick geben will, was es denn so für Software auf dem Markt gibt. Ich werde hier allerdings nur auf Programme eingehen, die ich selbst zumindest einmal angetestet habe. In Endeffekt sollte man jedes der Programme mal antesten, um zu sehen, welches davon einem am ehesten liegt.

Image Line FL Studio
FL Studio besitzt seine Stärken vor allem im Bereich der elektronischen Musikproduktion, weshalb es schwerpunktmäßig für Elektro- und Hip-Hop-Produktionen genutzt wird. Es kann aber selbstverständlich viel mehr als nur diese beiden Musikstile und hat ebenfalls im Bereich der Indygameentwickler eine kleine Fandgemeinde, die es zum komponieren von Spielmusik einsetzt. Im Vergleich zu anderen Audioprogrammen besitzt FL Studio einen sehr eigenen Workflow, den man mögen oder auch nicht mögen kann, den man in jedem Fall aber einmal antesten sollte. Bis heute hat das Programm leider einen vergleichsweise schlechten Ruf, was daher rührt, dass es bis etwa Version 6 mehr ein Spielzeug als eine ernsthafte Musiksoftware war. Inzwischen ist das Programm aber bei Version 12 angekommen, gleichwertig zu allen anderen DAWs und Leute, die heute noch die Qualität der Software anzweifeln, entlarven sich meist schnell als ahnungslose Nachlaberer.

Ableton Live
Ableton Live ist wie FL Studio vor allem auf die Produktion elektronischer Musik ausgelegt. Es besitzt - wie bereits der Name suggeriert - einen Haufen von Funktionen, die es ermöglichen, die Software auch bei Liveauftritten einzusetzen. Beim Produzieren besticht es vor allem durch sein sehr logisches und aufgeräumtes Interface und einen intuitiven Workflow. Besonders die Arbeit mit Samples und Drum- und Percussionloops gestaltet sich bei Ableton sehr einfach und komfortabel, weshalb es sich unter anderem gut zur Komposition von percussionlastigen Stücken eignet.

Bitwig
Bitwig ist eine vergleichsweise neue Software, die von einigen ehemaligen Ableton-Mitarbeitern entwickelt wurde. Es ist vom Bedienkonzept sehr nahe an Ableton, unterscheidet sich in vielen Details dennoch von diesem. Es ist modular aufgebaut und lässt sich schnell und intuitiv an die eigenen Bedürfnisse anpassen. Für die Zukunft ist außerdem ein Kollaborationsfeature geplant, welches es ermöglichen soll, dass mehrere Leute über Netzwerk gleichzeitig an einem Stück arbeiten können. Bisher ist dieses allerdings noch nicht implementiert.

Steinberg Cubase
Cubase ist schon sehr lange auf dem Markt und ein wenig die Eierlegende Wollmilchsau unter den Musiksoftwares. Es ist ursprünglich zum Aufnehmen und Abmischen von Musikern und Bands in Tonstudios entstanden und bietet daher einen sehr klassichen, spurbasierten Workflow. Dies soll allerdings nicht heißen, dass man mit Cubase nicht auch rein elektronisch produzierte Musik machen könnte.Im Gegenteil. Es bietet alle Funktionen, die es dafür benötigt. Ich persönlich kenne es in erster Linie aus dem Bandkontext, wo es sehr gute Dienste leistet.

Apple Logic und Apple Garage Band
Da diese beiden Programme von Apple sind, laufen sie logischerweise auch nur auf Apple-Rechnern. Logic ist ein umfangreiches, professionelles Programm, welches vom Workflow am ehesten mit Cubase vergleichbar ist, da es insgesamt sehr klassisch aufgebaut ist. Es bietet wie Cubase auch sehr viele Funktionen zum Aufnehmen, ist allerdings auch beim Bearbeiten von Midi vergleichsweise komfortabel und brauchbar. Garage Band, welches auf allen neuern Apple-Rechnern vorinstalliert sein sollte, ist eine Abgespeckte Version von Logic, bei der viele Features fehlen, die sich aber trotzdem sehr gut zum Produzieren eignet und durch Einsteigerfreundlichkeit besticht.

Avid Pro Tools
Wie der Name bereits suggeriert ist Pro Tools vor allem für den Einsatz in professionellen Tonstudios konzipiert. Es ist dementsprechend vor allem im Bereich der Audioaufnahme und -bearbeitung, sowie bei der Integration von Studiohardware sehr stark. Es eignet sich aber ebenso für die rein digitale Produktion, und macht auch hierbei eine gute Figur.

Dies sind natürlich nicht alle Tools, die auf dem Markt sind, aber alle, mit denen ich bisher in irgendeinem Kontext gearbeitet habe. Es gibt aber noch weitere Tools wie Reaper, Motu Digital Performer, PreSonus Studio One, Cakewalk Sonar oder Propellerhead Reason, die sicherlich alle gute Arbeit leisten. Jedes neuere Lied, egal ob Niesche oder Radio, Films- oder Spielesoundtrack, wurde mit einer Wahrscheinlichkeit von 99% mit mindestens einem dieser Programme erstellt, aufgenommen, abgemischt und/oder gemastert. Im Endeffekt ist es das beste, alle mal anzutesten und dann eine Entscheidung darüber zu treffen, welches man sich nun kauft. Da alle hier aufgeführten Programme außer Garage Band (teilweise sehr viel) Geld kosten, und nicht jeder bereit ist, dieses auszugeben, gibt es mit Ardour und Rosegarden auch zwei Open Source Programme, die ebenfalls recht gut zur Komposition von Musik geeignet sind.

Weiterhin ist es, gerade wenn es um Musik für RPGs im SNES-Stil geht, interessant, sich auch mal die sog. Tracker anzuschauen. Tracker sind ebenfalls Programme zur Musikerzeugung, die einen sehr eigenen, patternbasierten Ansatz wählen. Mit Hilfe der Tracker sind in den 90ern viele Soundtracks für SNES-Spiele und außerdem die viele der damaligen Techno-Tracks entstanden. Eine moderne Implementierung des Trackerkonzepts gibt es zB. in Form des Programms Renoise.

Audioplugins

Wenn man nun eine Audiosoftware besitzt, möchte man natürlich auch Instrumente haben, mit der sich innerhalb dieser Software Klänge erzeugen lassen, sowie Effekte, mit denen sich diese Klänge bearbeiten lassen. Hier kommen die Audioplugins ins Spiel, welche sich in zwei Kategorien unterteilen lassen. Einerseits gibt es wie bereits angedeutet die Instrumente, welche zur Klangerzeugung dienen, worunter Synthesizer, Sampler, Drumcomputer und Soundfontplayer, sowie einige weitere Nieschenprodukte, die sich nicht klar in eine dieser Kategorien einordnen lassen, fallen, sowie Effekte, welche auf Spuren gelegt werden können, um den Klang dieser auf irgendeine Weise zu manipulieren. Jedes der obig erwähnten Programme kommt bereits mit einer Palette aller grundlegenden Plugins in mittlerer bis sehr guter Ausführung, sodass man nicht per se gezwungen ist, sich zusätzliche Plugins von Drittherstellern zu besorgen. Gerade wenn es darum geht, ganz bestimmte Klänge zu erzeugen, kommt man aber nicht immer drum herum. Im Endeffekt gibt es tausende hochqualitative Plugins, die kostenlos, aber genauso auch sehr teuer sein können, und während sich viele nahezu gleichen, gibt es genug, die sich jeweils durch ein ganz spezielles, besonderes Feature hervortun. Ein bekannte Hersteller von Audioplugins ist etwa Native Instruments. Auf Seiten wie Bedroomproducersblog lassen sich viele gute, kostenlose Plugins finden.

Lernen, Musik zu machen

Wenn man nun die Werkzeuge und das theoretische Basiswissen besitzt, ist der nächste Schritt natürlich, dies alles einzusetzen, um damit Musik zu machen. Nur wo anfangen? Im Endeffekt fängt Musikmachen mit Musikhören an. Am Besten lernt man, indem man versucht, ein aktives Gehör dafür zu entwickeln, was in verschiedenen Liedern denn so alles passiert. Welche Instrumente/Klänge kommen zum Einsatz? Welche Funktion erfüllen diese? Sind sie eher tief, oder hoch? Sorgen sie für einen Rhythmus, für eine Melodie, oder sind es Hintergrundflächen, die Grundtöne spielen und Athmosphäre erzeugen? Wirken die Klänge im Zusammenspiel fröhlich, traurig, nachdenklich, unheimlich oder bedrohlich? Was an diesen Tönen und ihrem Zusammenspiel sorgt dafür? Wenn man Lieder hört und sich dabei jeweils genau diese Fragen stellt, wird man nach und nach zu den entsprechenden Antworten gelangen. Genauso wie es beim Zeichnen/Pixeln einige Grundlagen wie das Verständnis von Proportionen oder Schattierung gibt, gibt es solche Grundlagen auch bei Musik. Und genauso wie das gezielte Analysieren von Zeichnungen einen im Schnitt zu einem besseren Zeichner macht, macht das gezielte Analysieren von Musik einen zu einem bessern Musiker.

Weiterhin sorgt Musikhören natürlich für viel Inspiration. In diesem einen Final Fantasy Track kommt an Stelle XY eine Trompete zum Einsatz? Was bewirkt diese an dieser Stelle? Warum probiere ich nicht auch mal mit einer solchen Trompete herum? Oft entwickeln sich aus solchen kleinen Impulsen ganze, umfangreiche Liedideen. Nur von einer Vorstellung sollte man weg kommen, da sie einem erfahrungsgemäß gerade am Anfang sehr oft im Weg steht: der Vorstellung davon, dass am Ende alles genau so klingen wird, wie man es sich anfangs vorgestellt hat. Man wird es nicht schaffen, gerade wenn man noch am Anfang steht und erst dabei ist, sich in die Materie einzuarbeiten. Dafür entstehen aber beim Versuch sich der Sache anzunähren oft andere, ebenso gute Ideen, die man dann verfolgen kann.

Ich hoffe, ich konnte an dieser Stelle mal eine kleine Einführung in die Materie geben, die den einen oder anderen dazu inspiriert, sich selbst einmal mit der Sache zu beschäftigen.

In diesem Sinne,

Peace und frohes Ausprobieren