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Legende
Niki war ja unendlich froh, Eryn dann doch noch gut gelaunt anzutreffen und ließ sich und Alex sofort nach hinten verfrachten. Während sie noch draußen die Bestellungen sammelte, erblickten die beiden sogleich einen großen Haufen an Geschirr, das sich nicht gerade von seiner Glanzseite zeigte. Ein Blick in die fast-leeren Schränke verriet, dass es wohl gewaschen werden musste. Wer macht diesen Kram denn sonst eigentlich?
"Spätzchen, das Frühstück muss noch ein bisschen warten", setzte er zum Reden an und schaute nur in Alex' nichtssagendes Gesicht, "wir helfen hier ein bisschen aus und dann mach' ich uns was Leckeres, okay?"
"Oookaaay", entgegnete ihm Alex ausdruckslos beim Laufen zum Geschirrbecken, der noch leer war. Es war nicht deren erster Zug, das Geschirr abzuwaschen, so nahm Alex gleich die darunter liegenden Eimer mit Wasser, stellte sich auf einen Hocker und füllte damit das Becken. Niki tat noch zwei/drei Spritzer Seife rein und eine fluffige Schaummasse breitete sich vor ihnen aus.
"Mann, das sieht sooo cool aus!", zeigte sich Alex begeistert. Ein Lappen auf die Hand gedrückt, begann Niki daneben stehend über den ersten Teller zu wischen. "Trödel nicht zu sehr rum - du hast ja noch genug Zeit, den Schaum beim Abwaschen zu beobachten. Außerdem macht das so mehr Spaß, findest du nicht auch?" Er lächelte aufrichtig. Alex antwortete mit einem grinsenden Nicken, nahm einen Teil des Geschirrhaufens zu der anderen Seite und begann sodann selbst, den ersten Teller abzuwaschen. Nach einer Weile kam Eryn wieder zurück, mit einem ganzen Haufen an Arbeit. "So, ihr habt einiges zu tun, aber es ist gerade noch übersichtlich, jetzt wo ihr helft!" Sie legte ihnen eine Zettelwirtschaft an Bestellungen hin. "Lasst euch Zeit. Das Pack hat keine Anforderungen zu stelle, bei dem, was sie zum Teil als Zahlungsmittel anbieten wollen... und ihr sollt euch nicht überarbeiten." Sie ging zur Tür hinaus und drehte ihren Kopf leicht zurück, sie anlächelnd: "Wenn etwas ist: Ihr findet mich und Vincent vorne!"
Niki überblickte kurz die Bestellungen. Diese zeugten nicht sonderlich von Abwechslung, war das meiste irgendwas mit Kartoffeln. Gekocht, gebraten, als Suppe, als Fritten - ab und zu gab es ja tatsächlich jemanden, der sich noch Gemüse oder gar Fisch - nein, FLEISCH dazu gönnte! Alex würde das Wasser im Mund zusammenfließen, würde Niki all die Gerichte laut vorlesen. Aber vor allem dachte er daran, dass es bei der Menge an Bestellungen wohl noch ewig dauern könnte, bis Alex selbst etwas essen könnte. Also fing er ohne zu Zögern gleich an, die ersten vier bis fünf Gerichte simultan vorzubereiten. Alex währenddessen schälte den Berg an Kartoffeln, der sie erwartete.
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Eine ganze Menge an Essen verließ bereits die Küche, sehr zum Leidwesen von Niki, der immer noch nichts gegessen hatte. Alex ließ von dem Hunger nichts anmerken, aber Niki selbst wusste nur zu gut, wie sich das Kind nun fühlen musste. Dass der fettige Geruch von Kartoffeln sich durch die Burger-Durchreiche in die Küche wie ein Bumerang zurückschlich, machte die Sache nicht gerade einfacher, einfach so hinzunehmen. Also wandte sich Niki an Alex' Gesicht:
"Hör mal, du hattest erstmal genug zu tun. Setz dich da an den Tisch, ich mache dir etwas zu essen, ja?"
Alex nickte wieder, diesmal mit einem noch breiteren Gesichtssausdruck und tappste glückgetrunken zu der Stelle, auf die Niki deutete. Dieser packte eine Dose heraus, gefüllt mit einem kostbaren Eintopf, den Alex wohl unmöglich allein schaffen würde. Der Rest ginge dann an Niki, dessen Magen über die Jahre wahrscheinlich auf die Größe eines Apfels geschrunken war und er daher sowieso nicht sonderlich viel Essen vertrug. Sie hatten, so betrachtet, also ein recht ausgeklügeltes System in ihrer Ernährung unbewusst entwickelt. Niki öffnete die Dose mit einem Messer, schüttete das Gut in einen Topf, ließ es köcheln und nahm den Eintopf samt dem Topf zu Alex' Tisch, legte einen Lappen drunter und überreichte dem Kind einen Löffel.
"Hau rein!"
"EINTOOOPF!", rief Alex, die Arme hochwerfend, "aber isst du denn nicht mit...?"
"Doch, doch", antwortete er besorgt lächelnd, die Hände wedelnd, "du schaffst diese Portion ja eh nicht. Ich esse dann den Rest auf."
Alex zuckte resignierend mit den Schultern und fing an, zu essen. Ein permanentes Lächeln ließ sich dabei nicht vermeiden, machte das Essen einem Menschen in einer Welt wie dieser doch tatsächlich riesen Spaß. Niki drehte sich wieder zur Küchenzeile um und nahm sich ein paar weitere Zettel, wobei einer sich kaum entziffern ließ. Es wäre höchst unglücklich gewesen, wenn einer der Gäste eine falsche Bestellung aufgetischt bekommen hätte. Es war immerhin Essen, und mit Essen würde man in einer Epoche wie dieser nicht mal zuletzt scherzen. Er nahm ebendiesen Fetzen und verließ kurz die Küche, um Eryn zu fragem, was denn da drauf stünde, als er plötzlich in der Ferne Vincent, röchelnd und sich die Kehle greifend, rot anlaufen sah. Er verstand im ersten Moment nicht wirklich, wie das passieren konnte, sah er doch nur Wein und Gläser auf dem Tisch vor ihm stehen, aber im unmittelbaren zweiten Moment realisierte er, dass das nichts an der Tatsache ändern würde, dass er wohl gerade am Ersticken war. Niki ging - zack - dorthin, legte den Zettel kurz zur Seite, hielt Vincent an seiner Schulter fest und schlug mit der rechten Handfläche mehrmals auf seinen Nackenbereich, bis endlich die Korkenkrümel zum Vorschein kamen, die ihm die Luft zuschnüren wollten. Er spuckte sie auf den Boden, wo sie feucht und - natürlich - regungslos da lagen, als würden sie nicht imstande dazu sein, auch nur einer Fliege etwas antun zu können.
"Geht's Ihnen gut, Vincent? Sie wollen in einer Welt wie dieser, wo wir uns gegenseitig Postkarten mit Überlebenswünschen zuschreiben, ja nicht wirklich an so etwas verenden, oder?", versuchte Niki ihn aufzumuntern und grinste schwer.
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