Oriental Blue: Ao no Tengai
Oriental Blue: Ao no Tengai für GameBoy Advance ist ein Spiel, das mich schon lange interessiert hat. Das hat mehrere Gründe. Es ist der einzige (fan)übersetzte Vertreter der in Japan recht umfangreichenn JRPG-Reihe Far East of Eden (Tengai Makyou), und außerdem eines der umfangreichsten RPGs – vermutlich sogar das umfangreichste – für den GameBoy Advance. Der dritte Grund ist das ansprechende asiatische Setting mit vielen historischen und mythologischen Einflüssen, das man so in RPGs selten vorfindet.
Repräsentativ ist Oriental Blue für die Serie allerdings absolut nicht. Das Spiel hat nicht einmal Tengai Makyou im Titel, ihm fehlt der sonst so serienprägende Humor und die größte Gemeinsamkeit ist das Kampfsystem, das dem des zweiten Teils von Tengai Makyou sehr ähnlich ist.
Oriental Blue ist durch und durch ein klassisches RPG. Es gibt rundenbasierte Kämpfe, eine Weltkarte, viele Städte und Dungeons, viele Charaktere, viele Antagonisten und eine epische Rette-die-Welt-Geschichte.
Was das Spiel etwas von anderen Genrevertretern abgrenzt ist das sogenannte "Free Scenario System", das es ja beispielsweise auch in den Romancing-SaGa-Spielen gibt. Spiele mit diesem System sind wenig linear. Sie geben nicht immer vor, in welcher Reihenfolge etwas erledigt werden muss, ermöglichen dem Spieler große Freiheit und teilweise auch Wahlmöglichkeiten im Laufe der Handlung, die den weiteren Spielverlauf leicht oder stark beeinflussen.
In Oriental Blue sind beispielsweise viele Charaktere optional, selbst einige storyrelevante Charaktere muss man nicht rekrutieren oder kann ihnen den Beitritt verweigern.
Das Spiel hat keine wirklich großen Schwächen. Die Kämpfe sind recht flott, sodass die Zufallskämpfe erst primär im späteren Verlauf nervig werden können. Handlung und Charaktere sind nicht dominant, aber doch ganz gut ausgearbeitet, auch wenn die richtige emotionale Nähe ausbleibt – aber das ist ja bei den meisten 16-Bit-Spielen der Fall.
Eine große Stärke von Oriental Blue ist, dass es in der Welt richtig viel zu tun gibt, und die notwendigen und optionalen Inhalte gut über die gesamte Spieldauer verteilt sind. So bietet das Spiel eine Menge anreize, auch mehrfach an alte Orte zurückzukehren, weil es dort neue Sidequests gibt, oder Truhen, die man anfangs nicht öffnen kann. Die verschiedenen Vehikel – Schiff, U-Boot, Torpedo-U-Boot, eine Art Flugschiff – öffnen einem die Welt nach und nach, und verschiedene Schlüssel und Charaktere mit besonderen Fähigkeiten tragen ebenso dazu bei. Selbst ohne alle Sidequests zu erledigen, kann man weit über 50 Stunden mit dem Spiel zubringen.
Visuell gehört Oriental Blue zur Spitzenklasse des Gameboy Advance. Die Charaktersprites sind nicht bemerkenswert gut, aber das Setting wird durch sehr schöne Maps, tolle Artworks und herausragende Gegnerdesigns wirklich gut und atmosphärisch zum Leben erweckt. Die Sprites sind außerdem sehr gut animiert, was Zwischensequenzen lebendig erscheinen lässt.
Wenig beeindruckend fand ich jedoch die Musik. Es gibt ein paar nette Stücke, auch die asiatischen Klänge fügen sich gut ins Gesamtbild ein, aber umgehauen hat mich kein Stück so richtig. Es ist kein schlechter Soundtrack, aber definitiv auch keiner der Top-Soundtracks der 16-Bit-Zeit.
Abwechslung bietet Oriental Blue auch. Man verbringt zwar spielerisch schon die meiste Zeit mit dem Kämpfen, aber es gibt noch eine Menge anderer Dinge zu tun. Neben den erwähnten Erkundungen sind das Minispiele in einem Casino, das Fusionieren von Zaubern, die Modifizierung von Ausrüstungsgegenstände durch Magiesteine und das Erledigen eine Vielzahl von Sidequests, die teils Fetchquests, teils storyrelevant sind.
Die Welt des Spiels ist nicht einmal gigantisch groß, aber im Verlauf der Handlung besucht man viele Orte mehrmals. Die große Freiheit erlaubt es einem außerdem, Orte, die erst spät handlungsrelevant sind, bereits früh zu entdecken. Auch ein paar optionale Orte gibt es, darunter eine Unterwasserstadt.
Daumen hoch auch für das gambitartige Strategie-System, das in den Kämpfen viel Zeit einspart, besonders beim monotonen Grinden (wenn man denn grinden will; das Spiel zwingt einen nicht dazu). Ein paar andere nette Komfortfunktionen gibt es auch, wenn auch teilweise erst spät. Nur eine Möglichkeit, die Zufallskämpfe zu reduzieren oder ganz zu vermeiden wäre im späteren Verlauf noch nett gewesen.
Unterm Strich mochte ich Oriental Blue echt gern. Es war nicht unbedingt ein Highlight, aber ein absolut grundsolides, klassisches RPG, das durch Setting und Stil auch recht momorabel ist. Die Story ist zwar nicht weltbewegend und hat nur ein paar richtig tolle Momente, durch das Free-Scenario-System ist es aber interessant, zu sehen, dass die eigene Spielweise den Ablauf der Handlung beeinflusst, primär im Kleinen, aber manchmal auch bei größeren Mometen.
Es wäre auf jeden Fall ein großer Fehler, das Spiel zu ignorieren, nur weil man wenig davon gehört hat. Oriental Blue ist ein vollwertiges 16-Bit-RPG, und eines der umfangreichsten noch dazu. Ich kann jedem Liebhaber klassischer RPGs nur empfehlen, mal einen Blick draufzuwerfen. 
Story |
5.0 |
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Charaktere |
6.0 |
Gameplay |
7.5 |
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Kämpfe |
7.0 |
Optik |
8.5 |
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Musik |
5.0 |
Atmosphäre |
7.5 |
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Spielzeit |
57:00* |
Memorability |
7.5 |
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Gesamt |
7.0 |
*Ingame-Uhr, tatsächliche Zeit wegen Emulator geringer