Zitat
Es vergingen bereits über 850 Erdenjahre, seitdem die Rassen des eisigen Planeten Glaziar von ihren gemäßigten Heimatwelten getrennt sind. Vor diesen Jahren zog man noch mit Lanzen zu Pferd in die Schlacht, als Streiter eines Kriegsherrens mit unzähligen Plänen und Ideen. Hinter sich erblickte man Mannen mit Bögen, seltener auch Gewandträger, mit Stäben aus Ebenholz und Beuteln voller magischer Utensilien, welche so einige Wunder vollbringen konnten. Zu damaligen Zeiten schlugen noch die Schmiede auf heißes Eisen, damit weitere Armeen, bestehend aus Zwergen, Elfen, Halblingen, Menschen für Ruhm und Ehre streiten konnten.
Doch vor 150 Erdenjahren begannen rasende Veränderungen. Der damalige Kaiser des Ampalischen Reiches, einer glaziarischen Weltmacht, ließ erste Fabriken errichten und damit die traditionellen Handwerkszünfte überflüssig werden. Wissenschaftler aller Gebiete: der Chemie, der Magie & Physik, der Lebenslehre und der Maschinen erweiterten durch die neuen Industriezweige ihren Horizont und brachten die noch recht kleine Bevölkerung dem Fortschritt näher. Ärzte entwickeln neue Methoden, Gliedmaßen von Lebewesen mit mechanischem Zubehör aufzubessern oder zu ersetzen. Die Archive der Maschineriemanufakturen beinhalteten Pläne von Flugmaschinen, stählernen Schiffsflotten und ersten Raumschiffen. Die gesamte Wirtschaft und Kultur erlebte einen Boom, welchen man mit dem der Erde ab der Hälfte des 18. Jahrhunderts vergleichen kann.
Auch wurde über die Jahrhunderte das traditionelle Gesellschaftssystem des feudalistischen Frühmittelalters völlig über den Kopf geworfen und abgeschafft - allerdings kristallisierte sich aus dem Fortschritt auch eine neue, unterdrückendere Gesellschaftsklasse heraus. Eine, welche heute Schuld an einer viel mächtigeren Revolution trägt, die sämtliche glaziarische Völker betrifft:
Schon immer ließ der Adel den Bauern, den Bergmann und den Handwerker unter sich schuften, damit er seine Schatzkammern mit Silberschätzen - Gold dürfte eine Seltenheit auf diesem Planeten sein - füllen konnte. Die Gesellschaft wandelte sich. Der Adel behielt zwar immernoch große Teile seiner Macht, doch das Volk unter ihm durfte sich hinaufarbeiten - aber diejenigen, welche es tatsächlich schafften, mussten sich gegen ihren Willen dem “Fluch des Reichtums” verschwören. Der einfache Proletarier hatte mehr Rechte, aber immernoch keine Chance, zufrieden in der zeitigen sozialen Ordnung zu werden. So spitzte sich die Feindschaft zwischen Bürgertum und Arbeiterschaft im Laufe des industriellen Jahrhunderts drastisch zu. Allerdings bildete sich plötzlich ein weiteres Problem, welches das Ölfass zum Überlaufen brachte.
Ein glaziarisches Jahr beträgt fast 2,07 Erdenjahre. So schrieben das Jahr 388 nach Claeros, dem ersten Kaiser. "Ein Krieg gegen Kreaturen außerhalb unseres Planeten!", schrien Zeitungsknaben in kältedichter Kleidung durch die Straßen der wenigen großen Städte aller ampalischer Nationen. Die Regierungen gaben der Bevölkerung, welche bislang nur wenig von Bewohnern anderer Planeten wusste, kaum nähere Informationen bekannt, außer, dass es sich bei diesem Krieg um die “Befreiung eines von “Piraten unterdrückten Planeten” handeln würde.
Die Worte der meisten Bürokraten und Offiziere waren nun "Aufrüstung!". Fabriken für Alltagsgebrauch wechselten auf die Produktion von Waffen und Munition. Unsoziale Überstunden mussten eingeführt, Löhne gestrichen und immermehr kampffähige Bürger mäßig ausgebildet in den Allkrieg geschickt werden - mit noch unausgereiften Raumschiffen.
So quetschte der Staat die letzten Kraftreserven aus den verkrampften Adern der müden und hungernden Arbeiter. Glücklich waren noch die Zwangsrekruten, welchen, zu ihrem Glück, nicht erzählt wurde, was auf sie zukam - und das reiche Bürgertum saß sowieso fett und grinsend in ihren sorgenlosen Stuben. 23 glaziarische Jahre lang ließ man sich die radikaen Anordnungen der Regierungen gefallen.
Doch am 14. Julius 401 nach Claeros war es endlich soweit. Der zentrale Stadtplatz von Charlestauo, der Hauptstadt des Königreiches Reuss, einem Satellitenstaat Ampalias, wurde von Arbeitern aus allen Wohnblöcken und Höhlen des Stadtrandes nahezu geflutet. Man schrie nach Essen, denn die Bauern und Fischer lieferten seit Anbeginn der Industriezeit ohnehin nur mangelhafte Nahrungsmengen für die wachsende Bevölkerung, und heute blieben die Marktstände und Bäckereien vollständig leer. Dies waren nun die Öltropfen, welche den Motor zum Überhitzen und Brennen brachten.
Mit dem Hunger wurde auch der Schrei nach Emanzipation und Gerechtigkeit auf einen Schlag lauter. Eskalierende Arbeitsstreiks und Protestmärsche verdeutlichten den Drang nach einem kollektiven Staat und massenweise fehlende Waffenlieferungen brachten selbst die besten Generäle in starkes Schwitzen. Viele Maler, Dichter und Musiker heitzen mit rebellischen Werken die Arbeiterschaft noch weiter an.
Die monarchistischen Reiche unter Ampalia mussten aufgrund radikalster Kriminalität ihre Arbeiterviertel militärisch absichern. Der Adel traut sich so langsam nicht mehr auf die Straßen, da stets das Risiko besteht, anstatt Geld auch mal Wurfsteine oder gar Gewehrkugeln zu kassieren. Und von der Lage des Krieges bekommt auch kein normaler Arbeiter irgendetwas mit - die Sorgen wachsen, die Lage wird immer verzweifelter.
Doch im Untergrund waren und sind, neben organisierten Verbrechern und Auftragsmördern, politische Aktivisten unterwegs, welche Tag für Tag ihre Pläne immer weiter fortentwickeln und immermehr Arbeiter an ihre Seite gewinnen. Sie werden von den oberen Schichten gefürchtet und gehasst, da man viele Fabrikbrände und Anschläge jenen Revolutionisten zu verdanken hat. Einer von diesen Untergrundkämpfern ist gebürtiger Reusser und gab sich den Decknamen "Gear". Er schrieb bedeutsame politisch-wirtschaftliche Bücher und schuf Theorien über den idealen Staat der Arbeiterschaft. Wenn er etwas gesagt hat, dann mit Vernunft und einem faszinierenden Charisma. Auch wenn er einer "seltenen Rasse" angehört, vertraute man stets auf seine Worte und Befehle. Es dauerte nicht lange, bis er sogar zum Repräsentanten der "Reusser Arbeiterpartei" gewählt wurde. Dies machte ihn, als Vorbild aller unterdrückten Arbeiter, zu einer der mächtigsten Personen Glaziars - allerdings mit allen damit verbundenen Feinden und Sorgen.
Wir schrieben den 26. Dezember 488 nach Claeros. Reuss wurde unter militärischer Anarchie lahmgelegt. Gear rief fünf Tage zuvor den Bürgerkrieg aus und wollte den Arbeiterstaat mit einer revolutionären Auflehnung gegen den König beginnen. Die Motivation und Menge des widerständigen reussischen Volkes unter Gear war beeindruckend. In binnen zwei Tagen fiel der königlich-militärische Widerstand der Regierung Charlestauos durch Häuserkämpfe und der Überzahl der Revolutionisten. Weitere Städte im ganzen Königreich wurden von Schüssen, Schreien und sogar Trommelfeuer geweckt. Bauern durchsangen Landstriche mit Liedern des Widerstandes und ließen die Knie königlicher Soldaten, welche für Ordnung sorgen sollten, zittern. Solche Soldaten liefen sogar zum blau-weißen Banner der Arbeiterschaft über. Zwar kämpfte das Reusser Militär gewaltig gegen die Arbeitermassen an, aber ohne ampalische Streitkräfte, welche im Raumkrieg und in Ampalia selbst gebraucht wurden, musste der König nach einem Dreivierteljahr kapitulieren. Am 10. September trat Gear an die Macht und rief unter dem ihm gegebenen Beinamen "Da Sdonna" ("der Große") eine Räterepublik aus. Dies dürfte der Anbeginn eines neuen Zeitalters sein. In Reuss wird es "Zervadrastrak" genannt. "Die Zeit der Revolutionen".
...