"Godfrey, ihr seid schon wach? Nehmt euch ruhig noch etwas von dem Eintopf, den hab ich vorhin frisch zubereitet. Brot und Butter ist auch noch in Rauhen Mengen da.", sie erhob sich und schüttelte den Regen vorsichtig von ihren Schultern. Dann ging sie, ganz nah an dem Hexenjäger vorbei, streifte mit ihren Fingerspitzen den Kragen seines Mantels und lächelte ihn an. Sie verschwand kurz in ihrem Zelt, wo sie den weißen Schal zum trocknen ausgebreitet hatte, legte ihn sorgfältig zusammen und bestäubte ihn vorsichtig um die Schrift nicht zu verwischen mit ihrem Parfüm, das nach Zimt, Vanille und Honig roch. Und nach ihrem eigenen Duft - nach Wildrosen.
Im Mantel verborgen lief sie damit wieder hinaus in den Regen und stand dann dem Mann gegenüber, dem sie mehr vertraute als jedem anderen hier. "Godfrey ich möchte mich bei euch bedanken. Eure Worte haben wahrlich mein Herz berührt und ich möchte euch etwas geben, damit ihr auch etwas als Talisman bei euch tragen könnt... so wie ich jetzt." Sie griff keck in ihr Mieder und zauberte den zusammengefalteten Brief von Godfrey heraus. Der verschwand auch blitzschnell wieder, als sie plötzlich blitzschnell zu ihrer Waffe griff und sie auf einen Hasen richtete der panisch durchs Lager sprang und einen Haken schlug als der die Jäger sah.
"Er kam aus dem Dorf. Ich denke wir sollten uns nicht mehr allzuviel Zeit lassen, was meint ihr?" Sie steckte die Waffe weg und das fiebrige Glänzen in ihren Augen erstarb langsam und machte einem weichen lächeln Platz. "Ich würde es aber auch sicherlich nicht bereuen noch ein wenig Zeit mit euch hier zu verbringen und lesen zu lernen. Oder mich in anderen Künsten zu üben." Sie grinste frech und übergab mit einem Kuss auf die vernarbte Wange ihr weißes Seidentuch auf dem in weichen, geschwungenen Lettern stand "Unter dem Schatten deiner Flügel habe ich Zuflucht, bis das Unglück vorübergehe."
Ihr Hände zitterten leicht als sie Godfreys warme Haut bei der Übergabe sanft berührte. Er würde sicherlich hören das ihr Herz so rasch klopfte wie das des Hasen der vorübergeeilt war. Er würde es hören und vielleicht würde er sich entsinnen was dieses Klopfen früher bedeutet hatte. Sie blickte ihn mit festem Blick an und sagte "Ich vertraue euch, Godfrey. Und ihr seid der einzige dem ich wirklich und wahrhaftig vertraue. Und ja zusammen jagen heißt zusammen leben. Es gibt nichts was ich mir mehr wünschen würde als mit euch diesen düsteren Ort zu verlassen und weiterzuleben."
In den groben Händen des Jägers sah das Tuch ein wenig fehl am Platze aus, aber sie sah dieses versteckte Schmunzeln in seinen Wangengrübchen als er es in eine Innentasche seines Mantels steckte. Graziös faltete sie die Hände hinter dem Rücken und begann zu erzählen - vom Pater, der die Waffen entwendet hatte und sich mehr schlecht als recht versuchte herauszureden. Von dem Händler Laurenz von dem sie auch nicht wusste was sie halten sollte. Von dem Jungen Kael, der ausgesehen hatte wie ein Geist als sie ihn nach der Patroullie gesehen hatte.
Und sie griff nach seiner Hand und erzählte, dass sie hoffte Konrad würde ihnen heute wieder beistehen. Es würde soviel einfacher machen. "Und dann reisen wir mit Nicolo weiter und treffen im nächsten Dorf sicherlich die Vampyrplage von der Raphael erzählt hat. Aber Werwölfchen und Vampyre - es gibt nichts wogegen wir nicht ankommen würden." Sie drückte ihren schmalen Körper an seinen und der Regen stieg in leichten Schwaden vor ihnen auf. Ihr Atem bildete kleine Wölkchen, es war kühl geworden. Wie selbstverständlich legte Godfrey seinen Arm um sie und staunte, wie richtig es sich anfühlte.
Vielleicht war er nicht ganz so unfähig Zuneigung zu zeigen wie er dachte. Isabella zumindest hätte geschnurrt, wenn sie es gekonnt hätte. So blickte sie nur entspannt ins Feuer und murmelte
"Ein wunderliches Zwielicht spielt
Beschaulich über Berg und Tal;
Natur, halb warm und halb verkühlt,
Sie lächelt noch und weint zumal.
Die Hoffnung, das Verlorensein
Sind gleicher Stärke in mir wach;
Die Lebenslust, die Todespein,
Sie ziehn auf meinem Herzen Schach.
Ich aber, mein bewusstes Ich,
Beschau das Spiel in stiller Ruh,
Und meine Seele rüstet sich
Zum Kampfe mit dem Schicksal zu."
Ein letzter zärtlicher Seitenblick, dann wand sich die bleiche und schöne Gestalt aus den Armen des Schotten und rang einen Moment mit sich als der kalte Regen sie wieder ohne Schutz umfing.
"Wir müssen gehen. Wir müssen."
Trauer war in ihrem schönen Gesicht zu sehen und der Regen mischte sich mit ihren Tränen. Sie hatte bis eben gedacht das Liebe sie retten konnte. Wenigstens einen Teil von ihr. Aber etwas in ihr ahnte das die Bürger Düsterwalds und vor allem die Wölfe mitzuentscheiden hatten wie es endete. Wie alles endete.
Sie fing Godfreys Blick ein und hörte auf zu weinen. Es war gut, er war da. Und er würde an ihrer Seite sein. Wenn alles endete.