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Thema: [Werwölfe IV] Tag 5

  1. #41
    Godfrey war ein Hexenjäger, mit allen Pflichten und Fähigkeiten, dies war ihm die letzten Tage immer wieder bewusst geworden und so glaubte er dank seiner Menschenkenntnis auch die Bitterkeit in der Stimme der Bäckerin wahrzunehmen, die dort lag.

    Godfreys Gesicht blieb wie so oft steinern, ausdruckslos, seine Augen starr, doch in seinem tiefsten Inneren seufzte er.
    Die Wahrheit war, dass er sich fast danach sehnte, dass sie den verdammten Speer einfach nehmen würde und diesen durch seinen Hals rammen würde, denn er war müde, erschöpft und am Straucheln.

    Das Böse hatte keine Furcht, sich zu binden, das Dunkle hatte sich stets auch mit dem Schild der Familie umgeben und wie oft war er schon gezwungen gewesen, Menschen aus der geliebten Mitte Unschuldiger zu reißen, weil sie sich mit der Macht Satans eingelassen hatten.

    Trotzdem spürte er in seinem Inneren den Glauben, die stete Quelle an Kraft, die Liebe eines Gottes, die ihn aufrichten würde, wie sie es immer getan hatte.
    So war es stets gewesen, er war an Orte gekommen, sich auf der Jagd befindend und seine Aufgabe hatte ihn gezwungen, sich mit den Bewohnern abzugeben, seine Pflicht hatte ihn dazu gebracht, die vermeintlich Schwachen und Schützenswerten zu beschirmen, für sie da zu sein, sich aufzuopfern. Doch die Wurzeln des Bösen gruben tief, waren stets im Wandel und manche Person, die er hatte beschützen wollen - mit jeder Faser seines Ansinnens - musste dann getötet werden.

    Er war froh, dass sein Herz vernarbt und seine Seele verödet war.
    Und doch... Es musste getan werden. Er musste Trauer säen, um die Welt zu einem besseren Ort zu machen, er musste Blut vergießen, damit die Kinder der Rechtschaffenen an Orten ohne Luzifers Macht aufwachsen durften.
    Und würde er es nicht machen, dann würde ein anderer es tun. Und solange er sich dafür opferte, wusste er, konnte er Einfluss nehmen auf die Geschehnisse und er dachte an Nadescha zurück und sein Herz flutete Wärme und Zuversicht.

    Im Paradies würde alles anders werden, doch den Weg bis dorthin musste er erst noch mit salzigen Tränen und blutigen Händen bauen.

    Er antwortete leise: "Da ich keine Stütze mehr sein kann, Lilith, behalte ihn nur. Alle sollen sehen und sich erinnern, dass du den größten Teil deines Lebens ein Kind Gottes warst und dich auch so in Erinnerung behalten."

    Dann sah er in einiger Entfernung Isabella stehen, sie hatte sich mit Beinschienen ausgerüstet und schien voll Tatendrang zu bersten, konnte trotz Verletzung nicht still daliegen und doch... strahlte sie eine erbarmungslose Stärke und Würde aus und Godfrey konnte die Vision nicht verdrängen, als Isabella wie ein Racheengel über Nadescha gekommen war...

    Widersprüchliche Gefühle drangen ungestüm in seine Brust, sie waren einander so ähnlich, sie war ein Abbild von ihm, als er in diesem Alter war und keine Schlacht scheute.
    Aber das Wichtigste war: Es war gut, dass sie da war und helfen konnte.

  2. #42
    Roland traf erneut am Marktplatz ein. Dort sah er die Hexenjäger zusammen mit Lilith und ein paar anderen Personen. Godfrey trug den Körper eines Mannes bei sich, der bei weitem nicht gesund aussah. Der Tag wurde von Minute zu Minute schlechter. "Ich habe schlechte Nachrichten. Bei meiner Verfolgung der Spuren der Werwölfe bin ich im Wald auf etwas Schreckliches gestoßen. Ihre Spuren führten mich zum Haus des Holzfällers Ewald, welcher heute Nacht in einem Kampf mit den Werwölfen tödlich verwundet wurde. Es machte ganz den Anschein, als ob es ein harter Kampf geworden war. Als ich mir das ganze angesehen hatte, bemerkte ich einen Zettel, den Ewald anscheinend kurz vor seinem Ableben geschrieben hatte. Der Inhalt macht mir ziemliche Sorgen", damit übergab er den Zettel. "Es scheint fast, als ob mit der gestrigen Wahl keinerlei Ängste in den Reihen der Wölfe geschührt worden wäre.", Roland musste dann kurz eine Pause machen. "Wen habt ihr da eigendlich gefunden, Godfrey? Er sieht aber nicht gerade gesund aus."

  3. #43
    Nicolo wandte sich wieder zu Laurenz:
    "Bis Samstag ist noch genug Zeit, jetzt müssen wir uns erstmal um die Wölfe kümmern. Wenn wir nischts gegen sie tun werden diese Söldner 'ier niemandem mehr antreffen."

  4. #44
    "Recht habt Ihr, Nicolo, doch behaltet das Risiko eines Angriffs im Hinterkopf. Und tauscht Euch auch mit Euren Kameraden aus.
    Aber ehe die Bedrohung klar ist, können wir ohnehin nichts anderes tun als warten."

  5. #45
    Die Bäckerin biss sich nach Godfreys Worten auf die Unterlippe, da es so viele mögliche Antworten gab, und sie doch keine davon aussprechen konnte. Ihr Kopf hatte längst realisiert, dass es nun keinen Verbündeten mehr gab, weshalb sie einfach schwieg, als die beiden sich auf den Weg zur Kapelle machten.
    Ihr Herz wollte es jedoch noch nicht wahrhaben, weshalb ihr hunderte Gedanken durch den Kopf gingen, die sie mit niemandem teilen konnte.

    Nur schemenhaft hatte sie wahrgenommen, dass Laurenz sich an Nicolo gewandt hatte, und ihn wohl kurzfristig davon ablenkte, sie mit seinen Blicken zu durchbohren. Dafür hatte sie die Nachricht über Ewald ganz genau gehört, und sie fragte sich, wer ihn wohl begraben würde, bei dem Tumult, der gerade herrschte. Genauso wie Winfried immer noch einsam in seinem Haus lag, ohne dass jemand sich die Mühe machte, ihn wenigstens wegzuschaffen.
    "Ist es in Ordnung, dass man sich mehr um mich kümmert, als die Toten zu betrauern und ihnen den letzten Frieden zu gewähren?" ,flüsterte sie leise zu sich selbst, denn sie wollte nicht, dass Godfrey sie hörte.
    Eine Gewohnheit aus alten Tagen... mit sich selbst sprechen. Früher hatte Lilith oft vor sich hingeplappert, obwohl niemand bei ihr war, um zu antworten. Damals war sie es nicht anders gewohnt, doch jetzt war es plötzlich so schwer geworden, für sich selbst zu sein.

    Bald kamen sie an der Kapelle an, die wie immer leer stand. Die Bäckerin erinnerte sich gut an das letzte Mal, wo sie hier gewesen war, durchnässt und deprimiert, und nur eines hatte ihr ein wenig Kraft gegeben.
    Lilith ging ein paar Schritte, bis sie an der Mauer war, an die sie sich damals gelehnt hatte, und Godfrey folgte ihr wortlos. Als wäre es etwas besonders Kostbares, strich sie über das karge Stück Wand, bevor sie die Hand an ihren Nacken legte, um das Amulett abzunehmen.
    Etwas abrupt drehte sie sich zu Godfrey um, streckte ihm das Kreuz entgegen und ein Sonnenstrahl, der durch eines der Fenster brach, schien zufällig genau darauf, als wäre es ein göttliches Zeichen. "Ihr wollt bestimmt nicht, dass Euer "Feind" dieses wertvolle Stück von Euch trägt. Also könnt Ihr es wieder haben, falls Ihr es wünscht." Ihre Stimme war ungewöhnlich fest, doch ihre Hand, die merklich zitterte, verriet ihre Angst, das Amulett loslassen zu müssen.

  6. #46
    Die Hand Godfreys zuckte mit eisiger und erbarmungsloser Entschlossenheit nach vorne, bereit, ihr das Amulett zu entreißen, doch in der Bewegung erstarrte seine Hand und es war ihm anzusehen, wie Erinnerungen und längt totgeglaubte Satzfetzen oder Bilder aus der Vergangenheit vor seinem geistigen Auge spukten.
    Dann legte er seine große Hand langsam und sanft um die Hand der Bäckerin herum.

    "Es war ein Geschenk aus schöneren Tagen, Lilith. Während sich Menschen ändern, streiten, sich verlieben, sich vergessen oder Hass zu gären beginnt, verliert ein Geschenk niemals seinen Charakter und steht für das, was am Tag des Anvertrauens des Geschenkes zwischen den beiden Menschen war.
    Wenn dir dieses Stück Holz auch nur in irgendeiner Art und Weise Kraft oder Trost spendet oder es nur einen Funken Seele in dir gibt, der dieses Amulett behalten möchte, dann bitte ich dich - behalte es bitte."


    Die raue Oberfläche seines Handschuhs lag noch immer auf der Hand der Bäckerin, sie spürte trotzdem die Wärme, die von seiner Handfläche ausging, als er seine Hand vorsichtig zurückzog.

    "Es mag dich wundern..." seufzte er leise "...aber ich wünsche Niemandem dem Tod, niemandem Schmerz, niemandem die Folter. Alles, was ich selbst meinem schlimmsten Feind wünsche und wofür ich bete, ist die Erlösung aus der Sünde.
    Wir sind alles Menschen, Gott, der HERR hat uns mit schwachen Herzen versehen, damit wir uns Seiner würdig erweisen können und alles Gute und alles Böse hat seinen Ursprung in unseren menschlichen Herzen."


    Er blickte sich in der kleinen Kapelle um, genoss die Kühle des Gebäudes, die sich auf seine Haut legte, die er als in Flammen stehend empfand.

    "Ich bin nur ein Soldat, Lilith. Ein Krieger Gottes. Wenn ich von 'Feind' spreche, dann nur, weil mir manche Feinde durch den Lauf der Jahrzehnte mehr ans Herz gewachsen sind als angebliche Verbündete. Wenn ich 'Feind' sage, dann als Soldat - mit allem was für mich dazugehört. Respekt, Gnade, Milde, aber auch Konsequenz und Entschlossenheit.

    Oft wäre es von Vorteil, jemand anders zu sein, ohne Bürde und Last..."


    Den letzten Satz hatte er nur geflüstert, doch dann straffte er sich und er blickte sie aus seinem hellblauen, verbliebenen Auge an.

    "Bete nun, Lilith."

  7. #47
    Grade als Godfrey mit der Bäckerin, die ein Bündel Papiere und ihren Speer bei sich trug, den Platz verließ humpelte Isabella, eifrig wie ein junges Mädchen auf den Marktplatz. Ein paar Blätter wurden hin und hergeweht, sie waren mit Zeichnungen und Kritzeleien bedeckt, wie im Wahn musste jemand hier seine Tusche verschwendet haben. Callan, der das Gesicht nur kurz von dem Leib Andreas' abwandte, zog nur entsetzt die Augenbrauen hoch, wagte aber die Frau nicht zurechtzuweisen die ihr Krankenbett verlassen hatte um an dem Kampf, der tobte teilzunehmen.

    Sie hatte den Zettel, den ihr Nicolo in die Bluse gesteckt hatte gefunden. Seine Handschrift war unverkennbar pedantisch und schrecklich ordentlich. Zudem schrieb er immer mit rosa Tinte. Sie knüllte ihre Hand darum und nahm sich vor mit ihm später, in einer ruhigeren Minute, über das was darauf stand zu reden – nachdem er es ihr vorgelesen hatte.

    „Freund und Hexenjäger Nicolo wäret ihr so freundlich mir von dem Zeichen zu erzählen, wegen dem ihr die Bäckerin anklagen wollt? Und wenn ihr grade dabei seid, seid so gut und lest uns diesen Zettel vor den Roland bei dem toten Holzfäller gefunden hat.“, sie verneigte sich leicht und grinste den Gelehrten an.

    Er erzählte ihr noch einmal von dem Zeichen, das Godfrey gesehen hatte und von den Goldlettern, die auf himmlische Weisung hin zu einem „B“ auf einem Bibeleinband verbrannt waren. Und er sprach von seiner Mutmaßung, das ein Wolf nur einen Wolf bestimmen würde um Hauptmann zu werden. Natürlich hatte sie die Nacht auch noch überlebt – und diese Zeichen machten sie in seinen Augen schuldig. Dann nahm er den Brief von Roland an und räusperte sich bevor er zu lesen begann. Als die Aufmerksamkeit auf den Franzosen gerichtet war, wischte sie sich schnell mit einem Tuch über die Stirn. Das laufen strengte sie mehr an als sie gedacht hatte.

    Sie kniff die Brauen zusammen und überlegte kurz. Jedes Wort zuviel könnte jetzt ein Todesurteil bedeuten. Also blieb sie vorerst still und lautschte. Während sie langsam und bedächtig über den Marktplatz humpelte schallten die Worte aus Ewalds Nachlass über den Hof. „Nathanael von Mähren war mein Geburtsname, und ich war der Zweitgeborene des Königs Theobald II...“

    Eines der Papiere wehte ihr vor die Füße. Sie hob es mühsam auf und sah etwas das ihr Blut kalt werden ließ und ihr Gesicht die Blässe eines Toten gab. Linien, die sich zart zu Schultern und Schlüsselbein vereinigten, die zarte Haut einer Frau – und Godfreys Amulett.

    „doch durch ein Wunder konnte eine der Bediensten mich retten …“ Averys Worte, die er erst vor ein paar Augenblicken gesagt hatte drangen nun in ihre Gedanken „Ich war regelrecht blind vor Bewunderung von ihr.“ Und falls sie sich doch nicht wegen der Bäckerin getäuscht hatte war Godfrey jetzt allein mit einer dieser Bestien.

    "aber letztenendes doch ein zufriedenes“
    Nachdem der Gelehrte geendet hatte wandte sich Isabella mit lauter, klarer Stimme an Roland. „Was ihr vorhin sagtet – das euch der Inhalt dieses Abschiedsbriefes sorgen mach und das keinerlei Ängste in den Reihen der Wölfe geschührt worden wäre. Das steht alles nicht in diesem Brief. Ewald erklärt uns nur wer er war und was seine Geschichte ist. Und dann beschuldigt ihr auch noch den Priester … Roland, ihr beschuldigt wieder einmal wahllos Menschen im selben Satz in dem ihr sagt „Lasst uns nicht zu voreilig handeln.“ Was wollt ihr damit bezwecken?“

    Sie wandt ihren Blick von den entsetzten Gesichtern der Leute ab, denn wieder einmal hatte sie es geschafft jemanden ohne mit der Wimper zu zucken zu verdächtigen. Aber was konnte sie sonst tun? Bewahren... beschützen... Wo war Avery? Der Junge musste sich zu Tode fürchten, wenn ihm zwei Hexenjäger bereits sein Todesurteil verkündet hatten. Sie suchte nach dem Blauschopf in der Menge, doch ihr Blick blieb bei Callan, dem Bader hängen. „B wie Bader?“, murmelte sie leise und näherte sich den beiden.

    Andreas lag auf der Bank, der Gestank nach Erbrochenem haftete ihm an. Sie war keine Heilerin, aber er sah ihrer Meinung nach mehr tot denn lebendig aus. Sie stellte sich neben den Mann, der sein Gesicht so lange vor der Sonne verborgen hatte, und strich ihm vorsichtig über die Stirn. „Was ist passiert, Andreas? Ihr seht wahrhaftig furchtbar aus, wie eine Gestalt aus einer Schauergeschichte die man Kindern erzählt.“ Mit einem kurzen Blick auf den Bader, der zwischen seinen Zähnen hindurch nur murmelte „Schont euch. Ich kümmer mich um ihn. Er kommt durch, er muss einfach.“ Setzte sie sich wieder in Bewegung. Der Gestank hatte ihr wahrlich den Atem genommen.

    Isabella musste einen scharfen Hustenreiz unterdrücken, der Geschmack von Blut fand sich in ihrem Gaumen wieder. Sie vertrieb ihn mit einem Schluck Schnaps und zerdrückte vorsichtig die kleine Kapsel Schlafmohn bis das Opium heraustrat. Ich hatte gehofft du gibst mir mehr Zeit, murmelte sie mit dem Blick gen Himmel und spülte das klebrige Sekret mit einem weiteren Schluck hinunter.

    Sie schloss die Augen, atmete tief durch und blickte dann in Richtung Kapelle, wohin Godfrey mit der Bäckerin verschwunden war. Aber die Steigung des Hügels machte ihr allein vom hinsehen Angst. Sie ließ sich also auf einer kleinen Bank ein wenig abseits nieder und wartete. Wartete auf die Wirkung des Opiums, auf die Rückkehr Godfreys und auf das Gefühl von Sicherheit, das sie wohl nie wieder verspüren würde.

  8. #48
    "Ich beschuldige niemanden, ich vermute lediglich. Außerdem, woher wollt ihr wissen, dass ich den Priester beschuldige? Bisher hab ich niemandem irgendetwas von meinen Vermutungen berichtet. Für mich sind wir alle gleichschuldig, aus diesem Grunde bemühe ich mich, nicht voreilig zu handeln. Was meine Befürchtungen angeht, so solltet ihr wissen, dass die Werwölfe sich bisher größtenteils mit Menschen begnügt haben, welche ursprünglich von außerhalb des Dorfes kamen. Vor einiger Zeit hatte ich diese Vermutung bereits unserem ehemaligen Hauptmann erläutert, doch hatte dieser, was im Nachhinein logisch ist, keinerlei Interesse gezeigt. Nun aber zu Ewald: mit seinem Tod wurde nun seine ganze Königslinie vernichtet, zwar hatte er sich schon seit einiger Zeit hierher zurückgezogen, dennoch war es bisher ruhig was dies anging. Jetzt, da er tot ist, ist es nur eine Frage der Zeit, bis in unseren Landen ein solches Chaos herrst, dass der normale Bürger kein friedliches Leben mehr führen kann. Irgendjemand muss diese Kreaturen kontrollieren, vielleicht ist er selbst auch ein Auswärtiger, auf jeden Fall hat er es bisher geschafft, unerkannt zu bleiben. Das lässt natürlich sofort neue Fragen aufkommen.", Roland bemerkte, dass er sich selbst mit dieser Aussage einige neue Fragen, auf die er eine Antwort finden musste, gestellt hatte und war deshalb in Gedanken versunken, auf der Suche nach einer Antwort.

  9. #49
    Die Bäckerin umschloss das Kreuz fest mit ihrer Hand und drückte diese an ihre Brust. Dabei fühlte sie, wie ihr Herzschlag sich allmählich beruhigte, der verrückt gespielt hatte bei der Gefahr, das Amulett zu verlieren.
    Natürlich hatte sie es absichtlich getan, wahrscheinlich hatte sie sogar gehofft, er würde es ihr wegnehmen, damit sie fühlte, wie sehr er sie verabscheute, und zu hoffen aufhörte, es würde sich noch etwas daran ändern.

    Diese Reaktion hatte sie allerdings nicht erwartet, und sie wusste nicht wohin mit den neuen Gedanken, die sie durchströmten. "Ich hatte angenommen, es wäre Euch leicht gefallen, mein Todesurteil herbeizuführen." ,sagte sie deshalb laut und sah den Hexenjäger beinahe entschuldigend an, während sie das Amulett wieder umlegte. Dann kniete sie sich vor den kleinen Altar - den Speer hatte sie schon am Eingang abgelegt - und schloss die Augen.

    Nach einem stillen Gebet, in dem sie versuchte, Gram und Enttäuschung hinter sich zu lassen, und das ihre Seele beruhigte, blieb sie in dieser Position, als sie sagte: "Ich werde mich nicht länger fragen, warum Ihr nicht einmal leise Zweifel hegt, ob Ihr richtig liegt. Eure Gründe kenne ich, und nun weiß ich auch, dass Ihr sie bestimmt sorgfältig durchdacht habt."
    Sie wusste gar nicht, ob Godfrey sie etwas weiter hinten überhaupt hörte, da nicht einmal ein Murren von ihm kam.
    "Die Gedanken einer einfach Bäckerin mögen mit Euren nicht vergleichbar sein, und doch..." Nun wurde ihre Stimme immer leiser, bis nur mehr ein leises Flüstern blieb, "Die Wölfe haben nur die Stummen geholt. Vielleicht, weil die Gefahr, erwischt zu werden, geringer war. Nun haben sie allerdings damit aufgehört, die Unauffälligen zu fressen, und Ewald, der uns eine große Hilfe war, wurde ihr Opfer. Ich frage mich..." Völlig unbewusst hatte sie aufgehört, mit Godfrey zu sprechen und richtete die Worte nun vielmehr an sich selbst. Der Hexenjäger, der wohl nicht viel verstehen konnte, dachte vielleicht, sie wäre immer noch in dem Gebet versunken.

    Ohne die Gedanken weiter zu spinnen, bekreuzigte sie sich und erhob sich langsam. Ohne den Speer, den sie nun gewohnt war, in der Rechten zu tragen, fühlte sie sich ein wenig, als würde sie haltlos über den Boden schweben. So holte sie sich ihre Waffe, und als sie mit dem Hexenjäger wieder vor der Kapelle stand, sah sie etwas wehmütig zum Dörfchen hinab, das durch Bäume und deren dichte Blätterdächer abgeschirmt war.
    "Sollte ich heute zum Sterben verurteilt werden..." ,richtete sie sich mit leiser Stimme an Godfrey, "...werdet Ihr dann derjenige sein, der mir den Todesstoß versetzt?"

  10. #50
    Godfrey blickte der stillen Bäckerin nach, als sie zum Gebet schritt und es wunderte ihn nicht, warum diese Frau so beliebt im Dorfe war und warum man ihre Gesellschaft suchte und sich nach ihrer Nähe sehnte.
    Er selbst konnte nicht umhin, sie zu bewundern.
    Auf seinen Reisen wurde er oft Zeuge von unwürdigen Spektakeln und aus dem tiefen Brunnen seiner Seele geschöpft war er froh, dass sie ihn nicht anflehte, sie zu verschonen oder mit ihren Tränen den letzten Funken Menschlichkeit in ihm erstickte.

    Das Amulett war dort, wo es hingehörte, wo er es gerne sah, wo der Anblick der Erinnerung nicht ganz so schmerzte.

    Er sah sie inbrünstig beten, ihr gewisperten Worte waren nicht zu verstehen und so senkte er selber sein Augenlid im im Stehen betend zu verharren.
    Er betete für Kraft.
    Und für den Mut, tun zu können, was notwendig war.
    Und mehr denn je für Seelenfrieden und ein Ende seiner langen Reise.

    Schließlich blickten sie beide mit sachtem Wehmut auf das Dorf hinab, sie standen länger schweigend nebeneinander als sie sich später erinnern sollten, die Gedankenfetzen zogen träge vorbei, es war ein vollkommener Moment der Stille und Herzen, die im Gleichtakt schlugen.
    Es war die Ruhe vor dem Sturm, gekrönt von herbstlichem warmen Wind und leisem Vogelgezwitscher. Vielleicht der Letzte, bevor der Krieg schließlich ausbrechen würde und mit dem Tod eines Menschen enden sollte.

    Schließlich war es Lilith, welche die Stille durchbrach und ihre Bitte ließ Godfrey nicht zögern.
    Seine Stimme war von tief, geprägt von sanfter Zärtlichkeit: "Wenn es eines Tages so weit ist, Ja. Es wird sehr schnell gehen und du wirst keinen Wimpernschlag leiden müssen."

  11. #51
    Immernoch mit vielen Fragen im Kopf, verließ Roland den Platz und wanderte die Strecke entlang, die genau vor ihm lag. Von der Tageszeit her schien gerade der Wechsel von Mittag auf Nachmittag stattzufinden und trotzdem war es auf den Straßen beängstigend ruhig. In ein paar Tagen würde Düsterwald eine komplette Geisterstadt sein, zumindest, wenn weiterhin so viele Menschen sterben. Der Großteil der Überlebenden befand sich nun auf dem Dorfplatz, oder dessen Umgebung, gestern Nacht schienen wiedereinmal einige Leute geflohen zu sein, so dass sie mittlerweile nur noch knapp über 10 Leute hier sein dürften. Das schränkte die Suche zwar erheblich ein, aber es verkürzte das Zeitlimit, das sie hatten, um die Werwölfe zu finden.

    Dann fiel Roland ein, dass es im Dorf jemanden gab, der sich, auf Grund seines Alters, aus all jenen Angelegenheiten, die das Dorf betraf, herausgehalten hatte. Es handelte sich um den alten Wilhelm, den Roland auf Grund dessen nicht wirklich zuordnen konnte. Er schien alt und gebrechlich, dennoch schaffte er es, jeden Tag am Marktplatz aufzutauchen und dort seine Stimme abzugeben. Überhaupt, bereits bevor die Überfälle angefangen hatten, wussten zwar alle, dass dieser Mann hier lebte, aber fast niemand hatte je mit ihm zu tun gehabt.

    Diese Gedanken aber halfen Roland nicht wirklich weiter, aber zumindest half es ihm, die Schmerzen zu verdrängen, die sich auf Grund der Anstrengungen am heutigen Tag wieder verschlimmert hatten. Dabei hatte ihm der Arzt gestern Ruhe verordnet. Doch nicht nur er war in einem eher schlechteren Zustand. Dieser Andreas schien auch irgendwie gelitten zu haben. Vielleicht war es dieser Brand und die mit ihm resultierende merkwürdige Wolke, die aus Dirans Villa hervorquoll. Zumindest hatten sie Andreas ab dem Zeitpunkt an nicht mehr gesehen, zumindest bis jetzt.

    Es machte alles keinen Sinn... Nun erinnerte Roland sich an die Worte, die die Hexenjäger heute auf dem Dorfplatz gesagt hatten. Gestern noch standen sie hinter dem Hauptmann und heute scheinen sie sich gegen diesen zu richten, was genau ging in ihnen nur vor sich... Lediglich der Abend konnte enthüllen, ob sie tatsächlich Recht behalten sollten, oder ob sie ihrem Wort folgen und sich selbst richten sollten, zumindest was Godfrey betraf.

    Apropos Hexenjäger... Nicht nur Lilith wurde von diesen verdächtigt, sondern auch Avery, dieser Junge, der scheinbar die ganze Zeit über bei ihr war. Roland hatte eigendlich kaum mit ihm zu tun gehabt, aber auch so konnte er nicht sagen, was Avery vor den Überfällen eigendlich genau gemacht hatte. Er war sich lediglich sicher, dass er erst dann angefangen hat, sich mit Lilith herumzutreiben, als diese Unfälle begannen. Was Roland auch noch wusste, war, dass Avery nach dem Begräbnis, zu dem er gegangen war, wieder ins Dorf zurückkehrte, aber wieso? Laut den Hexenjägern hatte er auch letzte Nacht vor Liliths Haus versucht Wache zu halten, aber war das jetzt gut, oder schlecht?

    Langsam bildete sich in Roland ein heftiger Frust, wusste er doch, dass er kurz vor dem Ziel war, aber trotzdem kam er nicht auf des Rätsels Lösung, wie man so schön sagt... Es gab noch mehr Leute hier im Dorf, da war z.B. dieser Bader, der eine gewisse Zeit einfach Spurlos verschwunden war, plötzlich auftauchte und seit dem bei jedem seiner Auftritte sehr verwirrt schien, fast, als wenn er irgendetwas verdrängen wollte, aber ständig wieder damit konfrontiert werden würde... Auf der anderen Seite schien er das Vertrauen der Hexenjäger zu haben, doch konnte man ihnen vertrauen? Tja, das würde man erst heute abend wissen, wenn der Nächste seinen Gang zum Galgen antreten würde. Wobei dieser gestern ja beim Tod von Lester durch das Feuer versengt wurde.

    Roland erinnerte sich an den gestrigen Tag zurück. An die Mine, in der er den anderen geholfen hatte, das Silber zu bergen, an die Schlacht, die daran anknüpfte, in der er ohne Rücksicht auf sich selbst für das Dorf gekämpft hatte, obwohl er sicher sein konnte, dass einige von ihnen Werwölfe waren. Dabei waren Schlachten alles andere als das, worin er sein volles Potenzial zeigen konnte, lagen seine kämpferischen Fähigkeiten doch eher im Duell mit dem Degen. Trotzdem gelang es ihm, einen Teil zum Gesamtsieg beizutragen, auch wenn Roland durch die vielen Toten, von denen er auch einige verschuldet hatte, bereits erneut übel wurde. Mittlerweile war er sich aber klar geworden, dass es wenigstens einen Sinn hatte, da er somit mit Sicherheit die Leben einiger gerettet hatte, die vielleicht durch diese Söldner ums Leben gekommen wären.

    Dann kam der Abend und mit ihm beinahe das Verhängnis Rolands. Angeschlagen durfte er feststellen, dass der Alphawolf, als derer sich Lester schlußendlich herausstellte, versucht hatte, die Bevölkerung, die Roland noch zuvor versucht hat, zu beschützen, gegen ihn aufzuwiegeln versuchte und der letztendlich sich selbst verraten hatte. Allzu viel der Umstände hatte Roland nicht mitbekommen, nur soviel, dass Lester sich ein eine Geliebte unter den Menschen angelacht hatte, welche auch noch diejenige der Händlerinnen war, welche zuvor durch eben jene Bestien ihre Schwester verlor. Nach Lesters Tod soll sie angeblich im Wald von den Hexenjägern hingerichtet worden sein, aber zumindest Roland konnten sie nichts in diesen Dingen vormachen, da er wusste, dass sie niemals wissendlich unschuldige Menschen töten würden. Das war ein Argument, was wenigstens dafür sprach, den Hexenjägern zu vertrauen.

    Lesters Tod war wohl eine der bizarrsten Szenen überhaupt. Als Alphawolf hatte er mehr Macht als alle restlichen Werwölfe zusammen, doch anstatt zu fliehen, nahm er sein Schicksal an und nicht nur das, so schien er nun darauf aus zu sein, auch jetzt, nachdem er in der Hölle gelandet war, noch seinen Fäden zu ziehen. Der teufel selbst war gekommen, um Lesters Seele einzufordern und Lester hatte um sein Leben gefleht, er hatte sogar gesagt, dass er den Guten helfen wolle, doch gnadenlos hatte der Teufel zugeschlagen. Das einzige, was Lester hinterlassen hatte, war ein verbrannter unbenutzter Galgen, Brandspuren auf dem kompletten Dorf verteilt, seine Taverne, die nur so von giftigen Flüssigkeiten vollgestopft war und eine Lilith, die er zum neuen Hauptmann ernannt hatte. War das doch ein weiterer Hinweis?

    Dann noch diese ominösen Zeichen, die scheinbar von einem Wesen ausgesendet werden, das selbst unter den lebenden weilte und unschuldig starb. Roland hatte das Zeichen gesehen, doch schien es ihm weniger eindeutig, dass damit Lilith gemeint war. Genauso gut konnte es auch Raphael sein, welcher selbst dem ehemaligen Hauptmann gefolgt war, auch, als dieser sich als Werwolf entpuppte. Doch als erfahrener Hexenjäger hätte Godfrey spüren müssen, wenn etwas mit der Kirche nicht stimmte. Wäre Raphael ein Werwolf, dann wäre diese bereits längst entweiht gewesen und die Hexenjäger hätten Raphael längst gerichtet. Nun gut, Roland würde Raphael noch eine letzte Chance geben, aber aus den Augen würde er ihn trotzdem nicht lassen.

    Langsam schritt Roland die Straße entlang und blieb letztendlich bei der Ruine der Villa Dirans stehen. Dort hatte er vor ein paar Tagen einen geheimen Raum entdeckt und er konnte auch einige Schriften retten, bevor alles durch Isabella eingestürzt war. Diran hatte sich mit der Bekämpfung der Werwölfe auseinandergesetzt, schon bevor die Überfälle begonnen hätte. Doch aus Angst, wegen Ketzerein angeklagt zu werden, muss er es wohl geheimgehalten haben. Selbst als die Angriffe begannen und jeder wusste, dass es Werwölfe waren, schweigte er lieber, bis er letztlich genau aus diesem Grund verurteilt wurde, weshalb er wohl seine Forschungen mit ins Grab nehmen wollte. darauf folge eine Explosion, die wohl noch lange ihre Spuren hinterlassen sollte.

    Ja, vor ein paar Tagen gab es hier viel mehr Menschen, aber nun waren sie fast alle verschwunden... Roland ließ die Ruine hinter sich und begab sich auf den Weg nach Hause. Was er dort suchte, wusste er nicht, aber er wusste wenigstens, dass es richtig war. Trotz, dass es immernoch nicht Nachmittag war, wurde die Sonne so durch den Hexenfelsen verborgen, dass man meinen könnte, es wäre bereits später Abend und es wäre das Abendrot. Nun stand Roland endlich vor seiner Haustür und kramte in den taschen seines Anzugs nach dem Schlüssel, den er aber nicht gleich fand. Es dauerte noch eine Weile, aber er schaffte es letztendlich den Schlüssel zu finden und seine Haustür aufzuschließen.

    Drinnen setzte Roland sich an seinen Tisch, auf dem noch immer die Pläne Dirans lagen und dachte nach, dass ihn viele der Menschen im Dorf bis zum ersten Überfall als nutzlosen Schnorrer gehalten hatten. Alles was Roland bisher gemacht hatte, war von Arbeitgeber zu Arbeitgeber zu rennen, um für eine weitere Woche genug Geld zum Überleben zu haben. Sein Geld war nun fast aufgebraucht, aber einen Arbeitgeber würde er in nächster Zeit bestimmt nicht mehr finden. So blieb ihm nichts anderes, als die Jagt nach diesen Bestien.

    Rolands Blick fiel auf den Degen, der an einer Ecke des Hauses lehnte. Das Silber, das er benutzt hatte, um die Waffe zu reparieren, schimmerte im fahlen Sonnelicht und blendete Roland leicht. Er stand auf, nehm die Waffe, nahm seinen Hut ab und setzte sich wieder hin. Daraufhin legte er beide Dinge auf den Tisch und es wurde ihm ganz schwer ums Herz. "Freunde, wenn ihr doch noch leben würdet..."

    Als er beides auf den Tisch gelegen hatte, kam der Zettel, den Roland vor vielen Jahren in den Hut eingenäht hatte zum Vorschein. Auf ihm stand ein Schwur, den Roland damals seinen Freunden gegeben hatte, einer, den er unbedingt einlösen musste und dem kein Werwolf in die Quere kommen durfte, jeder, der es wagte, würde sein Leben lassen. Roland würde das alles überleben und seinen Schwur erfüllen, seine Freunde sollen nicht umsonst gestorben sein. Er würde seine Kraft wiedererlangen und sie jagen, koste es, was es wolle!

    Zwar konnten seine Wunden nicht schneller heilen, trotzdem erfüllten die Erinnerungen an seine Freunde Roland wieder mit Kraft und Entschlossenheit. All seine Schmerzen waren wie weggeblasen und so machte er sich wieder auf, dieses Mal nahm er auch seinen Degen mit, denn wenn noch etwas anstünde, würde er auf jeden Fall dabei sein, egal wie anstrengen es auch werden würde, egal wie viele Feinde es zu besiegen galt.

    Entschlossen kehrte Roland zum Dorfplatz zurück.

    Geändert von R.F. (10.09.2010 um 16:43 Uhr)

  12. #52
    Godfrey hatte die von Stille geprägte Zeit mit Lilith sehr genossen, zumal es ihm schmerzlich klar war, das jeder Moment mit jeder Person im Dorf durch diesen Krieg sehr wertvoll wurde, da Niemand sicher schien.

    Schließlich aber verabschiedete er sich mit ernstem Blick in den Augen und er verneigte sich tief, ehe er wieder zum Dorfplatz stieß, wo er seine beiden Gefährten zu suchen, zu finden und zu unterstützen gedachte.

  13. #53
    Isabella war auf die euphorisierende Wirkung der Pflanze vorbereitet gewesen. Jetzt nur nicht überstürzen - auch wenn die Schmerzen weg sind musst du dich schonen. Sie schlug die Augen auf und betrachtete aufmerksam Roland, der mit einem silbern glänzenden Degen in der Hand den Dorfplatz betrat und ihr Blick schweifte dann bald zu einem kleinen Punkt, der sich von der Kirche aus dem Platz näherte. Alleine.

    Avery war nirgends zu sehen... sie machte sich Sorgen um den Knirps. Aber wenn er nicht hier war würden sie ihn auch nicht hängen können. Sie grinste vergnügt ob dieser Einsicht und irgendetwas in ihr fragte sich leise ob diese Lösung nicht zu einfach war.

    "Ach was!", seufzte sie leise und vergnügt und erhob sich umsichtig und ohne Schmerzen von der Bank. Sie hatte vor ein bisschen Leben in das melancholisch gewordene Dorf zu bringen - wenn es schon kein anderer Tat. Und sie brauchte Zeit um sich mit Nicolo und Godfrey zu beratschlagen. Je mehr desto besser.

    "Hört zu, Bewohner Düsterwalds! Da die meisten von euch den Umgang mit dem Speer vorzüglich erlernt und am gestrigen Tage auch angewandt haben würde ich vorschlagen das die geschicktesten von euch versuchen aus dem Silber das wir errungen haben Speerspitzen anzufertigen. Alles was an Verschnitt übrig bleibt könnt ihr zu Kugeln gießen, etwa so groß.", sie zog eine der Kugeln aus ihrem Munitionsvorrat heraus und ließ sie herumgehen.

    "Dann brauchen wir noch ein paar, die sich um die Versorgung kümmer, jetzt da die Bäckerin unter Verdacht steht. Und wir bleiben dabei und verteilen für heute Abend wieder Patrouillien - glaubt mir, wir sind näher am Sieg als je zuvor, zwei Pelzträger mussten ihr Leben schon lassen, und die Zeichen die auf den dritten deuten sind eindeutig zu lesen. Lasst euch nicht entmutigen, sondern kämpft weiter und bleibt stark, wie zuvor!"

    Einige Personen, darunter ein paar Frauen aus dem Dorf und einige kräftigere Männer, murmelten zustimmend lösten sich aus dem Grüppchen und liefen in Richtung Schmiede und Bäckerei. Eine kräftiger gebaute Bauersfrau namens Blanca rief "Sollnse doch mein letztes Schwein zum schlachten haben. Wenn wir morgen nicht mehr aufwachen essen wir wenigstens vorher noch ordentlich!" und aus einer anderen Ecke versprach ein junger Kerl nach ein paar trinkbaren Weinflaschen zu suchen, die in Lesters Schänke verborgen waren.

    Isabella lächelte zufrieden, als wieder Bewegung in die Dorfbewohner kam. "Nun zu dir, Gelehrter. Was hälst du davon wenn wir uns mit Godfrey zurückziehen und unsere Gedanken miteinander teilen? Bisher ist zu viel passiert als das wir jetzt einfach kopflos drauflosrennen sollten - jedenfalls was die weiteren Schritte angeht würde ich gerne eure Meinungen hören."

    Der Gelehrte nickte zustimmend und erkundigte sich nach ihrem Befinden. "Es ist gut. Das Atmen fällt mir ein wenig schwer, aber wir haben wichtigeres zu tun als uns um meine Wehwehchen zu kümmern."

    Neben ihnen hatte Callan anscheinend aufmerksam gelauscht. Seine Hände waren blutbefleckt, nachdem er sich um Andreas gekümmert hatte und sein Gesicht von nachdenklichen Falten durchzogen. "Werte Dame, ich weiß nicht wie ihr es schafft eure Schmerzen so stillschweigend zu erdulden, aber ich würde es doch sehr befürworten wenn ihr wenigstens heute Abend noch ein Bad in Rotkleesud nehmen würdet - eure Lungen sind sehr angeschlagen, ihr wisst wahrscheinlich auch um die Prellungen und Abschürfungen die wahrlich noch eine Woche zum ausheilen brauchen werden. Würdet ihr, während ich dafür sorge das Andreas die Nacht übersteht, bitte zurück zu eurer Lagerstatt kehren?"

    "Eine gute Idee Callan. Und wir werden der Dame Geleit anbieten, während ihr euch um Andreas kümmert, in Ordnung?

    Plötzlich stand Godfrey hinter Isa und Nicolo, was aber allerdings nur sie zu erschrecken schien. Aber nur für den ersten Moment, dann legte sie in einem freudigen Überschwang ihre Hand auf seine Schulter und strahlte ihn an. "Ihr seid zurück Godfrey. Isch hoffe sehr ihr seid auch bereit ein paar Augenblicke zu opfern? Es gibt viel zu bereden."

    Die schmunzelnde Isa und den nachdenklich aussehenden Nicolo im Schlepptau schritt Godfrey dann voran zum Badehaus.

    Callan drehte sich noch einmal kurz um und rief ihnen hinterher "Vergesst nicht diesesmal die Tür abzuriegeln!"


    Auf Nicolos Gesicht war ein breites Grinsen zu sehen, Isabella wurde ein wenig rot auf den Wangen und Godfrey nun er wusste das ihn nichts überraschen konnte, wenn er mit den beiden unterwegs war.

    Auf ihrem Weg kam ihnen der Junge entgegen, der Lesters Keller untersuchen wollte und auf seinem Gesicht konnten sie reichlich Verwirrung ablesen. "Meine Herren Hexenjäger? Also... ich habe zwar einen kleinen Vorrat an Weinflaschen gefunden, aber sie scheinen aus Frankreich zu stammen und sehr staubig zu sein. Ich hab hier einen ähm Château Pétrus von 1455 und einen Château Lafite Rothschild von ähm 1476 - meint ihr das ist trinkbar? Man weiß ja nicht was Lester in seinem Keller gelagert hat."

    Nicolos Augen leuchteten und er nahm dem Jungen beide Flaschen ab. "'eid unbesorgt junger 'ann - wir werden uns zu einer 'ostprobe überwinden müssen bevor sisch andere opfern."

    Der Junge sah glücklich aus und die drei Jäger liefen zielstrebig weiter. "Uns überwinden müssen?", murmelte Godfrey schmunzelnd. "Bevor sich andere opfern?", wiederholte Isa.

    Dann prusteten die drei los und beeilten sich ins Badehaus zu kommen.

  14. #54
    Raphael hat schon seit heute morgen darauf gewartet, endlich Silber für Waffen nutzen zu dürfen. Er fing an, Rohes vom Lager aus zur Schmiede zu tragen und daraus weitere handliche Barren zu gießen. Die Fertigen teilt er in mehrere Stapel auf und versucht herauszufinden, aus wievielen davon Kugeln werden könnten. Einen für Verbesserungen vorgesehenen Barren nutzt er für Kampfstab und Speer aus seiner Sammlung.

  15. #55
    Godfrey traute Lilith offenbar nicht zu, dass sie fliehen würde, und ihr wäre auch nie in den Sinn gekommen einfach in den Wald zu laufen, aber auch der Freitod war eine Form der Flucht. Er hatte sie alleine gelassen, doch sie verspürte nicht den Drang, etwas Überstürztes zu unternehmen, das ihr den Weg in die Hölle garantiert hätte. Vielleicht war sie doch stärker, als sie immer angenommen hatte.

    Die Bäckerin nutzte die Versammlung am Dorfplatz, um noch einen Spaziergang durch das Dorf zu machen, nur begleitet vom rötlichen Schimmer der Abendsonne, die sich langsam dem Horizont näherte. Melancholische Gedanken und Erinnerungen durchfluteten sie, als sie den schmalen Pfad zum Friedhof beschritt und sich vor dem frischen Grab, das dem Mädchen gehörte, das Avery und sie begraben hatten, bekreuzigte. Ihr Ziel war aber ein anderes, so ging sie zügigen Schrittes weiter, zur letzten Ruhestätte ihres Großvaters. Das Holzkästchen war immer noch da, fast in dem Zustand, in dem sie es hier gelassen hatte. Sie nahm die Flöte heraus und setzte sie an ihre Lippen, und ihr schien, als würde es ihr zum ersten Mal überhaupt gelingen, einen schönen Ton zu spielen. Vielleicht machte es nicht viel Unterschied, da sie keine Melodie konnte, aber ihr Herz tat vor Freude einen Sprung. “Hast du das gehört?” ,flüsterte sie fröhlich gen Himmel, und legte das Instrument zurück in die Schatulle. Ohne ein weiteres Wort grub sie eine kleine Vertiefung in die Erde des Grabes und legte das Kästchen sanft hinein. “Ich hätte sie dir schon längst zurück geben müssen.” Sie vergrub die Flöte, dann schloss sie die Augen, und stellte sich vor, dass ihr Großvater nun, da er diesen Schatz zurück hatte, noch einmal für sie spielte.
    Der Mond geht auf, der Abendwind weht” ,sang sie vor sich hin, doch sie wollte den Text nicht zu Ende singen. Er entsprach der Realität mehr denn je, und gerade deshalb konnte sie die Worte nicht aussprechen. Sie wollte dankbar sein für alles, was ihr im Leben geschenkt worden war, und nicht den Gram zurück kehren lassen.
    So machte sie sich nun endlich auf den Weg zum Dorfplatz, endlich bereit, dem Schicksal entgegen zu treten.

    Die Menge hatte sich deutlich gelichtet, bis auf ein paar Vereinzelte waren alle anderen verschwunden. Lilith sprach niemanden an, sondern schritt direkt auf die Tafel zu, auf denen ihr Name so anklagend geschrieben stand. Ihre Zeichenkünste hielten sich in Grenzen, und ihre Nervosität war nicht unbedingt förderlich, gerade, saubere Linien zu malen. Ohne jegliche Schreibfähigkeit blieb ihr jedoch nichts anderes übrig, als ihre Anklage bildlich darzustellen.
    Dass dies kaum jemand mitbekam, machte nichts, so konnte sie sich immerhin darauf konzentrieren, das Objekt erkennbar zu machen.

  16. #56
    Trotz Motivation flog Roland sowohl aus der Schmiede, als auch aus der Bäckerei. Mit halboffenen Wunden wollte ihn niemand dort helfen lassen. Aus diesem Grund musste Roland sich damit begnügen, ziellos im Dorf umherzuirren und wie es der Zufall so will, kam er letztlich am Marktplatz an.

    Dort sah er, wie Lilith gerade etas an die Tafel am Schulhaus malte. Anscheinend hatte sich niemand die Mühe gemacht, einen neuen Wahlzettel auszuhängen, weshalb Lilith nun Probleme bekam, warum auch immer. "Ist es schon wieder Zeit dafür?" Rolands Wahl stand heute zumindest schon fest, doch wollte er noch warten, bis noch etwas Zeit vergangen war.

  17. #57
    Godfrey schloss die Tür des Badehauses und er atmete tief durch.
    Eigentlich hasste er dieses Haus der Sünde, gestand er sich ein.
    Es war heiß, stickig, es roch nach kranken Menschen und... er legte seine Pistole mit einem lauten Klicken auf den Tisch - es gab nur wenig Platz zu kämpfen.

    Trotzdem war er sichtlich froh, den Tag hinter sich lassen zu können, die Dorfbewohner und ihren Zank. Er war sichtlich froh, dass er nicht der Hauptmann war, sein Pflichtgefühl hätte ihn längst zerrissen.

    Und er war sehr glücklich, endlich reine Worte ohne Maske mit seinen Kameraden sprechen zu können, keine Diplomatie mehr, keine Winkelzüge, sondern reine Überlebensstrategie von Jägern und der Plan, wie die Bestien aus dem Dorf zu prügeln seien.

  18. #58
    Kaum waren die drei Gefährten im Badehaus angekommen brach aus Isa ein "oh ist das schön endlich einmal wieder seine Ruhe zu haben! Dieses Dorf, all diese Menschen, Söldner, Höhlenbären und der Leibhaftige selbst - das ist zuviel für weniger als eine Woche ohne das wir eine Hexe erwischt hätten. Aber einen Wolf haben wir ja immerhin schon."

    Sie humpelte eifrig an dem in sich gekehrten Godfrey vorbei, Nicolo ging schnurstracks auf das Kräuterregal zu und sammelte, mit den beiden Weinflaschen im Arm, Kräuter für das Bad heraus. Das war auch gut so, denn auf den vergilbten Tiegeln und Fläschchen waren die lateinischen Namen geschrieben - Isa hätte ihr ganzes Leben damit verbracht nach "Rotklee" zu suchen.

    Doch die schöne Hexenjägerin hatte grade ganz andere Dinge zu tun - versonnen und mit einem wohligen Lächen beobachtete die den Sonnenuntergang - einmal in der klaren, einfachen Glasscheibe die neben dem Kräuterregal einen Blick nach draussen gewährte, dann wieder mit einem leichten Kopfrucken nach rechts durch die bunte Butzenglalsscheibe. Sie kicherte leise vor sich hin.

    Godfrey betrachtete sie mit einem Stirnrunzeln - eine Lagebesprechung sah für ihn anders aus. Weniger unterhaltsam, dafür mit dem nötigen Ernst der ihrer lebensbedrohlichen Situation gerecht wurde. Er legte vorsichtig das Holz vor die Türinnenseite um sie zu blockieren, dann fachte er den Ofen an und richtete Isabellas Lagerstatt.

    Nicolo hatte inzwischen die Kräuter in einem Kessel erhitzt und die Weinflaschen geöffnet, als es klopfte. Der Gelehrte öffnete die Tür, während Godfrey dahinter mit geladener Waffe stand - es war die dicke Bauersfrau und die hatte Essen mitgebracht. "Wir dachten das wir ein wenig aus dem Vorratshaus entbehren können - sie sind alle selbst gemacht." Damit verbeugte sie sich und drückte Nicolo einen Korb in die Hand. Darin verbargen sich Würste, ein schönes Stück gut abgehangener Schinken, sahnige Butter und ein recht kleiner aber gut gebackener Brotlaib.
    "Hab dank für deine Gaben, Frau. Wir sind dankbar in solch harten Zeiten solche Gastfreundschaft erleben zu dürfen."

    Sie verabschiedeten sich, legten wieder den Riegel vor und Nico machte das Badewasser fertig. Isa saß weiterhin munter und glücklich auf dem Zuberrand, Godfrey versuchte so gut es ging in dem kleinen Haus Abstand zu halten um nachzudenken. "Ich würde vorschlagen wir tragen alle nocheinmal unsere Gedanken vor.", murmelte er,"ich les dir zuerst einmal Nicolos Brief vor, Isabella, mit dem ich übrigends so gut wie in allen Punkten übereinstimme." Er räusperte sich und begann die wichtigsten Punkte herauszustellen:

    "Ich rechne weiterhin mit ungefähr 7 Wölfen, die meisten Dorfbewohner werden heute Nacht vermutlich das Dorf verlassen sodass wir nicht mehr als 14 sein sollten.

    Zuviel wissen wir über diese Wölfe. Lesters Nachfolgerin wird vermutlich auch zu ihnen gehören, denn warum sollte er einen Menschen zu seinem Nachfolger gemacht haben.

    Zusätzlich zur Bäckerin halte ich mit großer Wahrscheinlichkeit Raphael und Avery für Wölfe. Avery wird zu sehr von ihnen in Schutz genommen und auch Raphael versuchte gezielt die Aufmerksamkeit von Lester zu lenken.

    Vertrauen kann ich, außer Godfre und Isabella, noch Roland, denn dieser wurde immer das Ziel der Wölfe.

    Laurenz wird kein Wolf sein. Er wollte Lester schon vor dem heutigen Tage einmal töten. Auch meine Kameradin Isabella hat dies getan womit ich mir sicher sein kann, dass sie auf meiner Seite ist.

    Andreas versuchte sich sehr auffällig nicht verdächtig zu machen.Zur Zeit ist er verschwunden, doch er wird sicher wiederkommen.

    Wilhelm und Ewald sind vermutlich auch keine Wölfe. Sie haben sehr ehrlich Lester angeklagt.
    Übrig bleiben noch Callan und Winfried. Ich habe keine Idee was mit ihnen ist, aber wenn noch Wölfe da sind, wird mindestens einer von ihnen wohl dazugehören."


    Als er geendet hatte setzte sich hinter den Paravan, zog den Fresskorb zu sich und schnitt das Brot in breite Scheiben. Nicolo hatte Isa noch Handtücher und Seife bereitgelegt und huschte zu Godfrey hinter die Trennwand. "Was 'älst du von dem ganzen, Isa? Meinst du wir 'aben uns irgendwo geirrt?"

    Leicht gedämpft dran ihre weiche, warme Stimme zu ihnen hinüber. "Bei der Anzahl bin ich mir ebenso unsicher wie ihr – ich denke aber das wir es mit weniger Wölfen zu tun haben und daher umso umsichtiger agieren sollten um keinen Unschuldigen zu treffen.

    Was Lilith angeht deutet ihr die Zeichen die uns Konrad geschickt hat – ich gebe aber nochmal zu bedenken das B auch für Blauschopf oder Bader stehen könnte. Eure weiteren Vermutungen sind teils vollkommen nachvollziehbar, teils erschreckend, sogar für jemanden wie mich der schon einiges gesehen hat.

    Raphael ist ohne Zweifel verdächtig, Avery... bei ihm habe ich eigentlich ein gutes Gefühl. Er scheint aus guten Absichten zu handeln, vielleicht sogar nur aus Liebe zu einer Frau die er bewundert – ich weiß nicht ob irgendetwas daran verkehrt sein soll. Aber ihr habt recht, falls sie ein Wolf ist ist er wohl auch einer..."


    Sie seufzte als ihr der Junge wieder einfiel. Er tat ihr so Leid. Während sie geredet hatte versuchte sie aus ihrer Kleidung zu schlüpfen – aber es gelang ihr gerade mal so bei ihrer Hose. Die Bluse wehrte sich, die Knöpfe des Mieders schienen unüberwindlich zu sein. Noch ein Seufzer entrang sich ihrer Kehle.

    „Alles in Ordnung da drüben?“ „'u solltest langsam anfangen zu 'aden, sonst wird das Wasser kalt.“

    „Ja, ich würde ja gerne... aber irgendetwas hat sie da wohl verhakt und ich bekomm die Schließen meines Mieders nicht auf. Würdet ihr mir schnell helfen?“

    Ein panischer Blick flog von Nicolo zu Godfrey und vom Krieger zum Gelehrten. „Ihr macht das“, klang es leise aus beiden Mündern und dann debattierten sie kurz „Ich bin ein Gelehrter der Bücher, nicht des Körpers.“ „Schießpulver und Butter an den Händen – ich würde nur ihre Kleidung ruinieren.“

    Dann sagten beide gleichzeitig "Ihr wisst was für ein Sukkubus sie ist, ich habe meinen Ruf zu verliern!" blickten sich schräg an und dann stellten sich die beiden Männer zu allem entschlossen neben dem Ofen hin, wie zum Duell und spielten das Kinderspiel „Wer zuerst blinzelt verliert“.

    Eigentlich wäre Godfrey mit seinem starren Blick prädestiniert dafür zu gewinnen, aber schicksalshafterweise flog in eben jenem Moment ein kleiner Funken vor seinem Auge vorbei und er verlor. Brummend griff er sich mit seinen Pranken zwei Brote und ein Glas mit Wein und ging um den Raumtrenner herum.

    Isabella hatte ihre Beine mit einem Handtuch bedeckt und lächelte ihn ungewohnt verlegen an, wärend hinter ihr das Wasser dampfend einen süßen und entspannenden Geruch von sich gab der auch dem Jäger das atmen erleichterte. Er stellte das Essen neben die Waffen, die auf dem Tisch lagen und näherte sich vorsichtig der lächelnden Schönheit. In ihrem Blick konnte er keine versteckten Emotionen finden, keine Hinterlist, trotzdem fühlte er sich alles andere als Wohl in seiner Haut als seine Hand sich ihrem Oberkörper näherte.

    Nicolo erwiederte schmatzend etwas auf Isabellas Äußerungen und lobte das blumige Bouquet des Weines, aber Godfrey und Isabella hörten es nur schemenhaft. Sie wurde mädchenhaft rot und wandte den Blick ab, murmelte "Verzeiht die Umstände, Lehrmeister. Vielleicht hätte ich einfach hier ruhen sollen bis ihr wiederkommt." und Godfrey war still, doch hätte sie ihm in diesem Moment in die Augen gesehen hätte sie darin lesen können wie sehr er sie dafür bewunderte das sie sich aufgerafft hatte.

    Die Schließen öffneten sich leicht und vorsichtig entkleidete der Hüne die schlanke Frau, die immernoch nur mit dem Rücken zu ihm saß. Er war gerade daran sein Herz wieder zu verschließen als er sie leise flüstern hörte "Danke Godfrey. Das ihr heute Nacht hier wart. Ich habe eure Stimmen gehört und es war als hätte ich endlich eine Last von mir geworfen die mein ganzes Leben lang auf mir lag. Wisst ihr, ich wollte euch schon lange etwas sagen...", damit drehte sie sich um und blickte ihm ins Gesicht.

    Hätte Nicolo die beiden in dem Moment gesehen hätte er das Knistern in der Luft wohl bemerkt, die Gänsehaut die beide durchfuhr und das Leuchten in ihren Augen als sie in denen des anderen etwas lasen das nur in der Sprache der tiefsten Zuneigung darin geschrieben stand.

    Isabella legte vorsichtig die Hand auf die Wange des Einäugigen und streichelte sie vorsichtig. "Als ich sagte das ihr mehr als ein Vater für mich seid hieß das nicht nur das ich in euch meinen Lehrer sehe. Vielmehr weiß ich seit ihr euer Amulett der Bäckerin geschenkt habt auch um das Laster des Neides und der Eifersucht. Und es wäre doch nur eine logische Folge wenn das hieße... also wenn ich in euch...", sie verstummte und sah den Jäger vor sich an der unglücklich zu sein schien in der Lage in der sie sich befanden.

    Rasch entledigte sie sich der Verbände, wobei er ihr wieder half und in Gedanken versunken wie er war bemerkte der Krieger auch nicht das die Frau die vor ihm stand, so gut wie unverwundet war. Sie hatte nicht vor ihn darauf aufmerksam zu machen und glitt vorsichtig ins heiße Wasser, wo sie erstmal tief durchatmete.

    Nico hatte anscheinend fertig gegessen und hob wieder an die Strategie zu erläutern. Hier und da ergänzte Isabella seine Überlegungen und fügte ein paar Gedanken hinzu.

    Roland war unschuldig, da war sich Isabella auch sicher. Laurenz verhielt sich ihrzufolge zwar komisch aber er war ein Krieger im Herzen und sicherlich auch unschuldig. Wilhelm schien auch ihr unbedenklich, aber er war jemand den sie nicht aus den Augen lassen würde.

    Was mit Andreas passiert war würde der kommende Tag zeigen wenn er wieder sprechen konnte. Bis dahin würden sie nur Mutmaßen können.

    Callan war anders als Avery in ihren Augen zwar nicht verdächtig aber der Bader schien ein Geheimnis zu haben.

    Ab und zu warfen sie und Godfrey sich einen warmen aber schüchternen Blick zu. Sie hatte gemerkt das er befangen war und würde ihn zu nichts zwingen was ihn in Ungnade bringen könnte. Auch wenn sie oft schon davon geträumt hatte die weichen, vollmundigen Lippen dieses Mannes zu küssen scheute sie nun davor zurück. Aber seine warmen Hände, die über ihren Rücken striffen wie scheue Vogelschwingen brachten sie zum träumen.

    Als sie mit der Diskussion am Ende waren hob Isabella noch einmal die Stimme.
    "Keiner von uns ist ein unbeschriebenes Blatt, nicht wahr Godfrey, Nicolo? Auch ich nicht. Meine Geschichte ist schnell erzählt, aber es wäre sinnlos sie zu hören wenn wir den nächsten Tag nicht erleben. Darum bitt ich euch Freunde seid auf der Hut und genießt diese Tage und betet mit mir das wir heil aus diesem Schlamassel entkommen. Dann werde ich euch erzählen weshalb ich mich entschlossen habe zu leben", sie streichelte über eine verheilte Narbe,"und weshalb ich mich entschlossen habe Leben zu nehmen. Ihr habt mir gestern Nacht treu zur Seite gestanden, wie ich es nicht erwartet hätte nach Lesters Anschuldigung. Ich hatte heute sogar damit gerechnet das ihr mich hängen wollt."

    Sie schwieg und blickte nur Godfrey aus tiefen, nachdenklichen Augen an. Er legte seine Hand auf ihre Schulter, Haut an Haut, und sagte: "Wahrlich zu leben und nicht einfach nur zu überleben, das ist eine Kunst die nur wenige beherrschen. Ihr habt euch gut geschlagen heute, Hexenjägerin."

    Und dann schwiegen sie einvernehmlich und schauten auf den Sonnenuntergang, tranken Wein und aßen von dem köstlichen Mahl.

  19. #59
    "Seit gestern Nacht hat sich noch ein wenig geändert. Bei Laurenz bin sich mir immer unsicherer. Isch weiß nischt, ob es Unwissen'eit ist, dass er Godfrey und mich ständig 'interfragt und das Thema auf andere Dinge lenken will oder ob er dies gezielt macht. Wir sollten ihn auf jeden Fall im Auge be'alten.
    Avery macht sisch auch immer verdächtiger. Auch 'ier vermag isch nicht genau zu sagen ob es die Verzweiflung ist, dass wir seine wahre Identität erkannt 'aben, die ihn treibt oder es einfach nur die Unerfahren'eit eines kleinen Jungen ist, der sich mit den falschen Leuten abgegeben 'at."

    Nicolo machte eine kleine Pause um einen Schluck Wein zu trinken. Er seufzte: "Es ist wahr'aftig nicht leicht seine neu gewonnenen Kameraden anzuklagen, doch uns bleibt keine andere Wahl. Wichtig ist, dass wir zusammen'alten. Je mehr Leute angeklagt werden, desto größer ist der Einfluss der Wölfe auf die Entscheidung."
    Er stellte sein Glas wieder ab und ging zu Isabella: "Isch weiß, dass ihr ein guter Mensch seid und ihr schon einige Zeit mit uns auf der Jagd nach Un'eiligem seid. Doch trotz unseres gemeinsamen Zieles 'atten wir Godfrey, du, der arme Konrad und isch nie viel was uns verband. Wir waren nie mehr als Kampfgefährten. Auch 'eute verlange isch nicht mehr von euch als uns im Kampf beizuste'en. Können wir auf euch zählen, Isabella?"

  20. #60
    "Ja, Not und Elend schenkt uns die ungewöhnlichsten Kampfgefährten.", ließ Godfrey leise vernehmen, der - ganz der Anführer - in der Mitte der drei Platz genommen hatte, noch immer aber respektvoll Abstand wahrte und trotzdem sichtlich aufgewühlt war.

    Die letzten Tage waren nicht leicht gewesen, aber sie waren nicht anders wie die meisten Aufgaben, die er im Laufe der letzten 3 Jahrzehnte übernommen hatte, er konnte - wenn es notwendig war - mit dem Hass einer ganzen Nation leben, solange er nur seine Gefährten neben sich wusste, die von Gott genauso geliebt wurden wie er.

    Doch es war eben auch eine Gefährtin, die sein Weltbild wanken ließ, sein selbst auferlegtes Gelübde zum schwanken brachte und den warmen Hauch lange vergessener Gefühle durch sein verödetetes Herz wehen ließ.

    Wie gerne hätte er ihr von damals erzählt, von einem jungen Mann, der im Namen der Liebe Schreckliches getan hatte und den Weg zurückfand ins Licht und der sich selbst das Herz herausgerissen hatte, um Jäger zu werden.
    Wie gerne hätte er die Zärtlichkeiten erwidert und auf das dünne Stimmchen vertraut, welches ihn anleiten wollte, sich in die Hände dieser Frau zu begeben, um sich nach all den Jahren wieder lebendig zu fühlen.
    Wie nur hätte er je von dem Fluch erzählen können, Unglück über die zu bringen, die ihn liebten...?

    Und so war er stumm geblieben und nur sein Auge hatten zuvor verraten, wie sehr er sich nach ihr sehnte.

    "Laurenz hat vor allen Dingen ein Problem mit Authoritäten. Es liegt diesen Freigeistern im Blut und ist ihnen ein lästiger Zwang, alles Gesagte zu hinterfragen. Dies entlastet ihn aber nicht, wir sollten ihn weiter beobachten, auch wenn ich persönlich an seine Unschuld glaube."

    Er nahm einen Bissen vom Brot, welches leicht mit Butter bestrichen war und kaute nachdenklich.

    "Avery ist in meinen Augen weit oben auf der Liste der Verdächtigen einzuordnen - aber nur, wenn die Frau Hauptmann sich als Feind herausstellen sollte. Viel hängt auch von seiner Wahl heute Abend ab. Er wäre vollkommen töricht, würde er nicht die Zeichen unseres geliebten Freundes Konrad anerkennen, zusammen mit der Tatsache, dass die Wölfe die Frau Hauptmann heute Nacht nicht angerührt haben und dass sie mit 'Winfried dem Wolf' liiert war. Das macht sie nicht schuldig, in Summe aber ohne Frage zur absoluten Hauptverdächtigen.
    Wir können nur hoffen und beten, dass das Dorf dieselben Schlüsse zieht - wir sind nach wie vor in der Defensive und unser Überleben hängt auch maßgeblich von den heute getroffenen Entscheidungen ab."

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