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Thema: Mid-Twen-Crisis - Ein semi-autobiografischer Slacker-Roman

  1. #21
    "steel" ist genehm Ich bumpe mal zwecks neuem Material bald.

  2. #22
    Erster Teil des neuen Outputs. Nächster Teil folgt morgen abend.
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    „Naja, ne. Also ich würde ja die voll so...“, fängt Takko an, zieht an seinem zweiten Joint heute und bläst mir Rauch ins Gesicht. „Verpfeifen, weißte. Das ist ja richtig furchtbar, was da abgeht, ne.“
    Ich sitze mit ihm hinterm Tresen von Film24, in meinem besten Gammelzwirn (= Pyjama, Bademantel, Ökolatschen), eine Kippe im Mund und eine halbleere Coladose in der rechten Hand. Ich hab auch schon zwei oder drei Züge von Takkos Tüten intus und mir ist ein bisschen schwindelig. Aber reden geht noch.
    „Eeeeeey...“, fange ich an. Kommt's mir nur so vor oder ist meine Stimme jetzt noch tiefer als sonst? Der Gedanke bringt mich zum lachen. Ich grinse über beide Backen und gacker mir den Arsch ab, Takko tut dasselbe ein paar Sekunden später.
    „Eeeeeeeey...“, wiederhole ich, diesmal noch tiefer und langgezogener. Jetzt kommen mir Tränen aus den Augen.
    „Hör auf, Junge. Hör auf!“, wimmert Takko und versucht, sich nicht in die Hose zu pinkeln vor lauter Gelächter.
    Nachdem der Lachflash abgeklungen ist, fange ich noch einmal von vorne an.
    „Ja. Voll die Kapitalisten-Nazi-...“, Takko reicht mir den Joint rüber, von dem zwei Züge nehme, bevor ich weiter rede und dabei Dampf aus dem Mund entweichen lasse, „...-Kommunistenschweine.“
    „Junge, du musst die Callcenter-Gestapo echt mal richtig fett niederreißen, ne.“
    „Ich arbeite dran.“
    „Haste 'n Plan oder...?“
    „Jo, das wird voll gut. Ich werd' einfach nie wieder arbeiten und nie wieder für irgendwas bezahlen.“
    „Geil.“
    „Ich weiß.“
    „Ach ja, apropos...“, sagt Takko und scheint plötzlich nicht mehr stoned zu sein, „Wann bezahlste eigentlich die Leihgebühren für 'Straßen in Flammen' und 'Hard Boiled Taiwan'?“
    Ich gucke verdutzt drein. „Hä, wie?“
    „Naja, du hast die immer noch nicht wiedergegeben und Tina wird langsam leicht ungehalten, sag ich mal, ne.“
    „Ich hab keine Kohle dabei und bezahle nie wieder für irgendwas.“
    Takko hält die Hand auf und schaut mich eindringlich an. „Fünf Euro.“
    „Nie wieder. Für irgendwas.“
    „Fünf Euro.“
    „Bezahle. Ich. Nie wieder.“
    „Fünf Eu...“
    „OKAY OKAY!“, rufe ich. „Mann, du bist echt unrelaxt beizeiten du Asi.“ Ich krame einen Fünfer aus der Bademanteltasche und reiche ihn Takko, der den Geldschein dankend entgegennimmt.
    „Arbeiten musst du ja trotzdem nicht mehr, ne. Und wen du bezahlst oder nicht – is' mir latex.“, sagt Takko, „Hauptsache ich krieg' Kohle, Junge. Sonst sagt's BUTZ!“
    „Butz?“
    „BUTZ, Junge!“
    „Also 'Butz' wie 'Butz, voll in die Fresse'?“
    „Ja, ne. Aber eigentlich bin ich friedliebend und so. Krieg ist richtig furchtbar, Junge.“
    Ich nehme einen Schluck aus der Coladose. Süßliche Chemie läuft mir die Kehle runter. „Ja, stimmt. Krieg ist die Hölle.“
    „..., ne?“
    Also bleiben wir in den speckigen, dunkelbraunen und gefühlt 5000 Jahre alten Ledersesseln 'ne Zeit lang sitzen und schweigen uns gegenseitig an. Ab und an lässt Takko die Tüte kreisen, wodurch ich wieder etwas entspannter werde. Ich hab seit Jahren nicht mehr gekifft, merke ich gerade. Fühlt sich auch nicht besonders gut an. Aber ist wohl besser als sich spackig fünf Bier morgens reinzutun und besoffen einkaufen zu gehen. Dann lieber bekifft im Bademantel in einer Hipster-Videothek abhängen und die Kunden verarschen. Obwohl: Was genau ist jetzt schlimmer? Ich muss in dem Aufzug auch wieder zurück nach Hause.
    Das Eingangstürsglöckchendings bimmelt. Ein Typ kommt rein und verschwindet direkt in der Ab 18-Abteilung. Takko grinst sich einen. Auf meine Frage hin, warum er grinst wie der Grinch, sagt er nur: „Wart's ab.“

    Der Porno-Typ kommt aus der per 70er-Gedächnis-Perlenvorhang vom Rest des Ladens abgeschirmten Ab 18-Abteilung rausgelatscht und nimmt direkten Kurs auf den Tresen, hinter dem Takko nun steht (und nicht mehr sitzt, logischerweise) und Mühe hat, sich ein Grinsen zu verkneifen. Der Porno-Typ hat einen beigefarbenen Porno-Pulli an, trägt eine Porno-Hornbrille (oder sollte ich besser sagen: Pornbrille? Ha ha. Nee, wat ist der Vaddi lustig heute.), seine Porno-Wichsgriffeln hat er in die Porno-Taschen seiner Porno-Cordhose gesteckt und er ist ungefähr 45 Porno-Jahre alt. Er lässt seine Porno-Augen kreisen und ihm steigt jetzt schon die Porno-Schamröte zu Kopf, welcher nun aussieht wie eine Porno-Tomate mit Porno-Schnurrbart.
    Ich mach mir gleich in die Hose, so sehr will ich lachen und so sehr habe ich Mühe, es mir zu verkneifen. Der Porno-Typ wirft einen kurzen Blick auf mich, wie ich mit Joint im Maul, Bademantel und Latschen an und einem fetten Grinsen auf dem Gesicht breitbeinig im Sessel lümmel. Ich winke kurz und schmetter ihm ein freundliches, langgezogenes „Moooohoooooooin!“ entgegen.
    Er steht nun also mit unruhigem Porno-Blick vorm Tresen und öffnet den Mund.
    „Moin.“
    „Moin.“, antwortet Takko freundlich.
    „Mooooooooohoooooooiiiiin!“, wiederhole ich noch einmal, diesmal lauter und langgezogener. Nachdem der Porno-Typ sich vom zweiten Schrecken erholt hat, sagt er: „Was... was ist denn in der...“, er stockt, „... Abteilung da hinten denn los?“
    „Oh, öhm. Is' grad problematisch, ne.“, fängt Takko an. „Also, wir versuchen gerade so, unser Marketingkonzept auch auf andere Zielgruppen auszudehnen, ne? Das ist 'ne voll furchtbare Regulierungsscheiße von DEM MANN. Weißte wer DER MANN ist?“ Er spricht die Worte 'Der' und 'Mann' aus, als würde er von einem Gott sprechen. Porno-Typ kennt den Gott nicht und schüttelt den Kopf. „Alter, Junge.“, Takko stockt und schaut Porno-Typ eindringlich (HA! Eindringlich!) an, „Junge, Alter.“
    Ich gebe einen kurzen, gellenden Schrei von mir, weil ich mich und meinen Lachflash nicht mehr unter Kontrolle habe.
    „Alter, sie wollen uns voll so vorschreiben, was wir dem Kunden nahebringen dürfen und was nicht, ne? Sie wollen nicht nur uns als Unternehmen regulieren, Junge. Ne?“, er legt eine ehrfürchtige Pause ein und beugt sich ein wenig zu Porno-Typ rüber, „Ey, die wollen dich auch regulieren. Und mich. Selbst den behinderten Penner, der da hinten rumgammelt, kifft und rumschreit.“
    Porno-Typ schaut nun mich wieder an und ich reagiere auf seinen Porno-Blick mit einem Geräusch, dass sich wie „Dörp!“ anhört.
    „Und jetzt, Junge. Jetzt, Junge!Jetzt regulieren sie noch unsere Pornos!“
    „Aha.“, reagiert Porno-Typ und schaut bedröppelt drein. Er hat keine Porno-Ahnung, was Takko da labert.
    „Unsere Pornos, Junge! Deshalb sieht's da hinten grad aus wie in einem motherfucking Fetischzirkus, ne! Voll furchtbar!“
    „Deshalb steht da hinten alles voll mit...“, fängt Porno-Typ an, aber Takko greift ein und ergänzt:
    „... Kacke-Pornos, Junge! Alles voller Kacke-Pornos!“
    „Koprophilie, ja richtig.“, murmelt Porno-Typ und bereut im selben Augenblick, dass er weiß, was das ist.
    Ich? Ich habe mich wieder unter Kontrolle, habe aber Angst davor, was Takko jetzt noch aus dem Hut zaubert, um Porno-Typ zu verunsichern.
    „Sie wollen, dass du's geil findest, wenn Mädels Kacke essen und sich ankacken und angekackt werden und weißt du, ich hab hier einen drin, ne? Der ist voll furchtbar: Da kackt eine Olle der anderen Ollen in den Arsch und die kacken sich gegenseitig die Wurst von Arsch zu Arsch, ne? Das ist richtig ekelhaft, Junge! Alter, hörst du mir zu?!“
    „Arsch, kacken, ja.“, wiederholt Porno-Typ die wesentlichen Satzbausteine und nickt dabei.
    „Du willst Geficke sehen, ne?“
    Porno-Typ nickt.
    „Ja, aber das geht heute nicht, hab nur Kacke hier. Es sei denn, du bist neugierig. Das wäre kein Ding.“
    „Nein, danke. Ich... ich...“, versucht sich Porno-Typ herauszuwieseln.
    Das Eingangsglöckchenbimmelding bimmelt.
    Mehr Kundschaft.
    Oh nein.
    Es sind drei Tussis, allesamt in hautengen Jeans in Washed Up-Optik, Band-T-Shirts und mit dicken Brillen (schwarz, rot und dunkelblau) gekleidet. Hipster-Chicks. Ich stehe also auf und denke mir, dass Takko bestimmt Hilfe braucht. Ich drücke den Joint im Aschenbecher aus, stehe mit Schwung aus dem Sessel auf und latsche langsam zu den Hipster-Chicks rüber, während Takko immer lauter wird. Die Gesprächsvielfalt wird zu einer Melange aus Satzfragmenten, die kein Schwein mehr in einen ordentlichen Zusammenhang bringen kann.
    „Ist ja auch nicht schlimm...“
    „Was kann ich euch denn gutes tun?“
    „Öhm, wir suchen so 'nen Arthouse-Film aus den 80ern für unser Kunstprojekt, ähm, Mensch Kathi wie hieß der noch?“
    „Sag' mal haste 'nen Bademantel an als Arbeitsoutfit?“
    „Na klar, wo denkst du hin, das ist ein relaxter Laden, min Deern.“
    „... wenn du Bock hast zu sehen wie sie sich gegenseitig ankoten. Hier: 'Kaviar-Omas 3' ist ein super Einstieg in das Genre! Der hat sogar 'ne richtig gute Story, ne?“
    „Kathi, sag' doch mal, Mensch, wie hieß der? War der nicht dänisch? So'n Dogmafilm oder so?“
    „Ja kann sein, ich glaub sowas von Trier-mäßiges. Von Trier kennste, oder?“
    „Ja. Der Typ ist eine talentlose ••••••••••.“
    „Was?“
    „Bitte?“
    „Hä?“
    „Der Typ kann gar nix, ist schon richtig, dass er sich selbst als Nazi bezeichnet, der Pansen hat keine signifikanten Qualitäten, alle seine behinderten Filme sehen gleich aus, abgesehen von 'Antichrist', mit dem er schamlos versucht hat, auf den Exploitation-Revival-Zug aufzuspringen...“
    „... und die hier links auf dem Cover ist Erna. Die hat 'nen Enkel, und der ist eigentlich so inzestmäßig-furchtbar-mäßig in sie verknallt. Also geht sie zu ihm ins Zimmer und alles sieht so voll normal aus, ne? Und fünf Minuten später leckt sie ihm sein Arschloch, er leckt ihr Arschloch und tut da seine halbe Faust rein – kein Gleitgel, Junge! Kein Gleitgel, nur Talent!
    „... mit seinem Artsy-Fartsy-Blödsinn, seinem Dogma-Trash, seiner dänischen...“
    „... und ehe du es dich versiehst ist sie voller Scheiße, er voller Scheiße, sein Bett voller Scheiße...!“
    „... talentbefreiten, frisch aus einem Ziegendarm herausgepurzelten...“
    „... einfach alles ist voller...“
    „SCHEISSE!“
    Für ein paar Sekunden ist es still. Und ich füge noch leise hinzu: „Alles verkappte Pornos.“
    „Das mein Freund, ist ein Kacke-Porno!“, fügt Takko seinerseits den ausschweifenden Ausführungen hinzu und drückt dem Porno-Typen eine komplett schwarze DVD-Box in die Hand als milde Gabe. „Viel Vergnügen.“, sagt er noch und setzt ein fettes Grinsen auf. Die Hipster-Chicks bezeichnen mich als kulturloses Arschloch und ziehen zusammen mit Porno-Typ von dannen. Takko und ich sind wieder alleine.
    „Haste ihm wirklich so 'nen Kacke-Porno gegeben?“, frage ich, ohne eine Miene zu verziehen.
    „Nö, in der DVD-Box ist 'Happy Feet'.“, antwortet Takko wiederum trocken, was ich mit einem „Cool. Cool.“ quittiere. Kurz darauf verabschiede ich mich und verziehe mich zurück nach Hause. Ich komme an niemanden auf dem Heimweg vorbei, den ich kenne oder der mich kennt. Somit bleibt meine Bademantelaktion halbwegs ungesehen von der Allgemeinheit.

    Freitag abend.
    „Ex! Ex! Ex!“, schreit Thomas. Er redet nicht von Sandra, was ich ganz gut finde. Ich trinke nur ein Glas Jim Beam/Cola und verrecke fast dabei, weil die Plörre so scheiße schmeckt. Aber ich ringe mich durch und schmetter' förmlich das leergetrunkene Glas auf den Tisch als wäre ich Inspektor Tequila in „Hard Boiled“.
    „Fuck ja!“, schreie ich und werfe triumphierend die Hände in die Luft. Wir sitzen wieder in der WG-Küche bei Orla und Kylie. Hund liegt vor meinen Füßen. Lilly und Charly sind nicht dabei.
    „Wo sind die beiden eigentlich?“, frage ich in die Runde und stoße kurz auf. Whiskey/Cola Nummer 5 meldet sich aus dem Magen. Er will raus. Ich tue ihm nicht den Gefallen.
    „Die sind schon auf Kiez. Wollen wir auch hin später oder is Quatsch?“, fragt Kylie.
    Allgemeine Zustimmung folgt. „Joa!“ „Ja klar.“ „Können wir machen.“
    „Und wo gehen wir hin?“, wirft sie (es ist eine Sie! Tatsache!) als zweite Frage in den Raum.
    „Welchen Club sind die beiden denn gegangen?“, fragt Thomas und vergewaltigt dabei bitterböse die deutsche Grammatik. Ich stecke mir derweil eine Zigarette an und lausche weiter.
    „Die sind 36 gegangen, glaub' ich.“, sagt Orla und kratzt sich dabei am Hinterkopf.
    „Lass' mal auch 36 gehen, oder Danny?“, beschließt Thomas und wendet sich mir zu. Ich nicke kurz und mach mich daran, Mische Nummer 6 zusammenzubrauen.

    Diese scheiß bekackte Große Freiheit 36. Fast jedes verdammte Wochenende dieser Scheißclub, in die dieselben Asis gehen, die ich nicht treffen will. Eine der bekanntesten Discos der Stadt, und ich habe keine Lust hinzugehen. Ich bin glaub' ich mittlerweile ein Hipster-Arschloch geworden, was das angeht. Aber ich lasse mich trotzdem widerwillig mitschleifen – ich weiß nur nicht warum. Wegen Lilly? Ich empfinde nicht wirklich was für sie. Sie ist ganz cool so, aber es war nur ein Fick. Nichts weiter. Man kann's gerne wiederholen, aber auch nicht mehr. Wozu den Stress machen und 'ne Beziehung starten, wenn ich doch gar keinen Bock darauf habe? Zumindest würde ich's nicht zugeben.
    Aber trotzdem würde ich sie gerne wiedersehen. Oder Charly?
    Keine Ahnung, ich lass mich einfach mitschleifen.

  3. #23
    „Du guckst so.“, sherlockhomest Thomas vor sich hin und sieht mich an. Wir sitzen in einer Viererreihe in der S-Bahn Richtung Reeperbahn, neben mir Kylie, mir gegenüber Orla und Thomas. Es riecht hier wie in allen Bahnen am Wochenende nach einem Mix aus Nikotin, Bier und Kaugummi, alles mit einem Hauch schlechtem Aftershave und billigem Tussi-Perfüm in jeweils zwanzig verschiedenen Ausführungen. 50 oder mehr Leute haben sich hier reingequetscht, allesamt mit Colaflaschen in der Hand, in denen ganz bestimmt nicht Cola drin ist. Eher Cola mit Korn/Whiskey/Havanna Club/Captain Morgan. Wir haben's genauso gemacht, so fällt den Sicherheitsleuten nicht sofort auf, dass wir in der S-Bahn saufen. Ich sitz am Fenster und schau aus selbigem heraus, obwohl es da nix zu sehen gibt außer vorbei schnellenden Tunnelwänden und ab und an einem scheiße hässlichen Bahnhof nach dem anderem, wo der Zug kurz anhält. Dann steigen noch mehr Asis ein, die heute abend saufen und/oder vögeln wollen, dann wieder Tunnel, dann Bahnhof, dann Asis, dann Tunnel und so weiter. Ich antworte nicht auf Thomas' Frage, sondern nicke nur einmal kurz. Das signalisiert ihm zumindest, dass ich ihn gehört habe. Als wir drei oder vier Haltestellen vor der Reeperbahn sind, sage ich dann endlich: „Wie gucke ich denn?“
    Thomas ist überrascht ob der verspäteten Reaktion meinerseits und bricht ein Gespräch mit Orla über die Schanze und wie „scheiße hippiemäßig“ die geworden wäre ab, um mich anzusehen und mich selten dämlich anzusehen. Dann hellt sich der Blick auf und er sagt: „Naja, so geistesabwesend. Sonst schaust du immer so mürrisch drein, heute siehst du fast aus, als hättest du Spaß.“
    „Spaß hab ich auch beim wichsen.“
    „Guckste dabei auch so mürrisch?“
    „Klar. Ich hab ja Scheißlaune wenn ich wichse.“
    „Aber Spaß dabei?“
    „Jo.“
    „Das ist 'n bisschen paradox, find'ste nicht auch?“
    „Jo.“
    „Was läuft da eigentlich zwischen dir und der Rothaarigen – ach wie hieß sie?“
    „Lilly.“
    „Genau.“
    „Kein Plan, wir haben nur gebumst. Mal sehen, was d'raus wird. Wahrscheinlich gar nix wie immer.“
    Thomas schaut mich bedröppelt an und nimmt einen tiefen Schluck von der Cola/Whiskey-Mische. Er reicht mir die Flasche rüber, ich nehme ebenfalls einen Schluck. Das reicht ihm dann wohl als Antwort, schätze ich. Denn jetzt sagt er gar nix mehr. In der Bahn nix, auf dem Weg nach draußen nix, vor der 36 nix. Er hängt dafür an seinem Smartphone (wie ich die Teile hasse...) und wartet darauf, dass ihm Charly sagt wo sie hingegangen sind.
    „36 meinten die doch, ne?“, sagt Orla. Sie wird nervig, das heißt, dass sie nüchtern wird. Nicht gut.
    „Jo, hatten sie gesagt gehabt.“, antwortet Thomas. Kylie lacht kurz auf und raucht weiter ihren dritten Joint heute.
    „Nich' wild, ruf sie ansonsten mal an, ob...“, fange ich an vorzuschlagen. Dann kommen die beiden Grazien schon aus dem Club heraus und winken uns zu.
    „Huhu!“, sagt Charly. Lilly dagegen bleibt stumm und winkt nur einmal kurz mir zu, um dann den Blick abzuwenden. Sie sieht stark geknickt aus. Ist das wegen der Sache letzte woche? Ich meine: Es war nur ein Fick und ich bin gegangen. Business as usual. Scheiß Business zwar, aber nix weltbewegendes. Gut, jetzt so vor ihr zu stehen, sie etwas zaghaft zu umarmen, nachdem man sie letzte Woche gebumst hat als gäbe es kein Morgen mehr – das ist ein merkwürdiges Gefühl. Und ein beschissenes gleich dazu. Ich glaube, das ist der Grund, warum ich nie ein guter Typ für One-Night-Stands war. Ich steigere mich immer zu schnell in Sachen hinein und bau Scheiße, wenn ich schon mal dabei bin. Und es tut mir erst leid, wenn es viel zu spät ist. Shit, ich denke an so 'nen Scheiß, wo ich eigentlich besoffen und glücklich sein sollte. Aber ich bin besoffen, ein bisschen glücklich und irgendwie überwiegend... ich weiß nicht. Ich schäme mich, so kann man's glaube ich ausdrücken.

    Zaghafte Umarmung Nummer 2 für Charly, die mir „Wie war's?“ ins Ohr flüstert. Ich nicke nur und setze ein halbwegs verschmitztes Grinsen auf, das sie mit einem ebenso verschmitzten Grinsen erwidert – nur dass sie dabei hübscher aussieht als ich, was für eine Frau ihres Kalibers keine Anstrengung ist. Sie ist nicht modelhübsch, einfach nur gutaussehend. Niedlich. Und ich weiß nicht, was ich von ihr halten soll. Lilly ist dagegen im Moment alles andere als redselig. Sie steht da, die roten Haare nach hinten zum Zopf gebunden, eine schwarze, enganliegende Lederjacke, einen schwarzes Minirock und dunkle Strumpfhosen an (weil es doch relativ arschkalt ist draußen), an den Füßen ein Paar hochhackiger Stilettos. Sie sieht verdammt scharf aus. Und ihr trauriger Gesichtsausdruck macht mich perverserweise noch schärfer auf sie.
    Ich bin eine schreckliche Person.

    Wir gehen also rein. Lilly und Charly zeigen dem Türsteher die Stempelabdrücke auf ihren Handrücken und dürfen passieren, der Rest muss zahlen. Da 2-für-1-Party ist – das heißt, man bezahlt für ein Getränk, aber bekommt zwei dafür, was auch für den Eintritt gilt – zahlen nur ich und Thomas den Eintritt für uns anderen vier. Durch den Eingangsbereich, der mit rotem Teppichboden ausgelegt ist, gelangen wir unter Neon- und Schwarzlichtbeleuchtung, vorbei an der Garderobe und zwei Zigarettenautomaten, auf die große Tanzfläche. Nervöses Flackerlicht, das so gar nicht zum Rhythmus der Musik passt, erzeugt bei mir einen leichten Brechreiz – aber das ist immer so, von daher stört es mich nicht wirklich. Es ist knapp 1 Uhr nachts und der Club ist bereits gut besucht. Da Rock-Nacht ist, spielt hier momentan das schönstschlimmste, was Rock aus den 80ern, 90ern und von heute zu bieten hat. Das heißt: Blink 182, Nirvana, Greenday, Mötley Crüe, all das überwiegend gute Zeug. Ich hätte nicht gedacht, dass Lilly und Charly auf so 'ne Mucke stehen – aber das macht die beiden in meinen Augen noch cooler.

    Nach drei Bier, vier Tequilas und ein paar Kippen in der Raucherlounge bin ich gut drauf. Lilly auch. Thomas, Charly, Orla und Kylie sind nach unten in den Kaiserkeller gegangen, im Prinzip der Metal-Bereich der 36. Nachdem ich halbwegs kompetent mit Lilly zu Nirvanas „Mells Like Teen Spirit“ abgezappelt habe, ziehen wir uns in die Raucherlounge zurück. Kaum hab ich mir eine Zigarette angesteckt merke ich, dass ich den beschissenen Pärchen, die um uns herum Kuschelblues zu jedem verdammten Song praktizieren und sich ekelige Zungenküsse geben, noch gar keine Aufmerksamkeit geschenkt habe. Wozu auch? Ich sitze an einem Tisch mit einer hübschen Dame und fühle mich einigermaßen gut. Auch wenn mir die Sache mit Lilly leid tut. Wir schweigen uns ein paar Sekunden lang an, dann sagt sie: „Hey, ich nehme dir das von letzter Woche übrigens nicht übel.“
    Ich bin überrascht, weil ich das Thema eigentlich nicht ansprechen wollte, aber krieg's dennoch hin, ein „Sorry.“ herauszubekommen.
    „One-Night-Stands halt. War klar, dass du nicht Bescheid sagst und einfach abhaust. Ich kenne das ganz gut. Hätte ich an deiner Stelle auch gemacht.“
    „Das macht die Sache trotzdem nicht besser.“, entgegne ich. Durch ein Fenster in der Plexiglaswand, die den Raucherbereich vom Rest-Club trennt und vor dem sich die Bar befindet, werden mir zwei Bier durchgereicht, die ich mit zwei Zwei Euro-Münzen bezahle. Mit einem „Passt so.“ erspare ich mir das Kleingeld und die nette Barkeeperin kriegt einen Euro Trinkgeld. Auch wenn das Trinkgeld am Schluss zwischen allen Barkeepern aufgeteilt wird, womit es von vorneherein nicht ihres ist. Eigentlich ist es somit unnötig, es ihr zuzustecken. Ich tu's aber trotzdem, vielleicht aus Gewöhnung.
    „Ich weiß.“, sagt Lilly leise. Ich reiche ihr eines der Biere rüber und wir stoßen an.
    „Ich hoffe, das entwickelt sich nicht zu einer Liebeskiste. Denn ich bin darauf momentan nicht scharf.“, halblüge ich ihr eiskalt ins Gesicht.
    „Okay.“, sagt sie und steckt sich nun auch eine Zigarette an. „Hat's wenigstens Spaß gemacht?“
    „Ja.“, antworte ich und bemerke den bitteren Ton in ihrer Stimme.
    „Schön. Schön.“
    „Pass auf, ich...“, fange ich an, doch sie unterbricht mich.
    „Nein nein, schon gut. Ich kenne das. Wir waren besoffen und verzweifelt, und da fickt man halt und gut is'. Alles kein Problem. Ist nur scheiße, dass es bei mir immer auf sowas hinausläuft. Wenigstens sehe ich dich noch einmal wieder und wenigstens bist du so ehrlich und sagst es mir ins Gesicht, dass wir nix miteinander haben können. Passt schon.“
    „Wir können uns trotzdem treffen und so. Ich meine, du bist cool, du bist hübsch, ich mag dich irgendwie und...“
    „... und deshalb bringst du so einen Kackspruch von wegen 'Treffen und so', damit du kein schlechtes Gewissen hast, oder?“
    So hat sich Sandra wohl letztens gefühlt im Hipster-Café.
    Fuck.
    „Ja. Also nein. Also...“, stottere ich.
    „Nein, lass nur. Ist immer dieselbe Scheiße. Ist anscheinend halt nicht möglich, in unserem Alter in dieser Zeit 'ne normale Beziehung zu führen, ohne irgendwelche 'guten Absichten' zu haben und 'nett gemeinte' Kommentare zu bringen. Find' ich gut, dass du sowas sagst, bevor überhaupt irgendwas anfangen kann zwischen uns.“
    Ich schlucke. Sie trinkt ihr Bier in einem Zug aus, drückt die Kippe im Aschenbecher vor ihr aus, ihr Blick hellt sich auf und sie sagt „Komm, lass uns tanzen. Ich liebe den Song.“
    Ich nicke überrascht. Sie hüpft von ihrem Barhocker herunter, zerrt mich am Arm von meinem hoch und zieht mich auf die Tanzfläche, wo sie mich direkt umklammert. Wir bewegen uns rhythmisch und eng umschlungen zu einem Song von der Band Bush namens „40 Miles from the Sun“, einer langsamen, melodischen und meiner Meinung nach unglaublich schönen Rockballade.

    There is nowhere left to hide, there is nothing to be done
    No people to be saved, no pets were ever named
    40 miles from the sun


    Ihr Kopf ist an meine Schulter geschmiegt. Ihre Haare riechen nach Pfirsich. Und an meiner Schulter wird's feucht. Ihr Körper bebt, doch sie bleibt weiter im Rhythmus des Lied. Sie heult. Scheiße. Und ich bring keine Träne raus, obwohl die Situation es zulassen würde.

    As darkness craves the mind, we come undone without our pride
    No time on earth to come, all the pleasure's just begun
    40 miles from the sun


    „Es tut mir leid.“, flüstere ich ihr ins Ohr und streichle über ihren Rücken. Wir kennen uns gar nicht wirklich. Wir sind umgeben von anderen, sich langsam über die Tanzfläche bewegenden Menschen, die alle irgendwie miteinander verbunden sind in trauter Zweisamkeit. Lilly und ich hingegen sind enger miteinander verbunden als jeder andere hier im Raum. Denn wir geben wenigstens zu, dass wir einfach nicht weiterkommen, nicht weiterziehen können. Dass Sex Spaß macht, aber nicht alles sein kann und darf. Im Endeffekt denke ich gerade, dass nichts mehr verbindet als Gefühle. Nicht unbedingt Gefühle zueinander, so von Person A zu Person B. Sondern Freude, Trauer, Wut. Was dich mit deinem Nebenmann verbinden sollte, ist nicht eure scheiß Modemarke, sondern die Empathie zueinander. Lilly und ich rebellieren in diesem Moment gegen oberflächliche Arsch-Beziehungen, die auf nichts als oberflächlicher Scheiße basieren. Naja, sie rebelliert eigentlich nur. Ich halt sie fest und hoffe darauf, dass sie mir vergeben wird. Irgendwann.

    I need to lose to make it right, I'll confront the stars tonight
    I will babble, I will bite, you'll never know how much you shine
    40 miles from the sun


    40 Meilen von der Sonne weg. Naja, eher drei Stunden von der Sonne weg. Es ist vier Uhr morgens, der Song ist zuende. Lilly und ich lassen uns los. Sie wischt sich mit dem Ärmel ihres schwarzen Kashmir-Pullis über die Augen, um nicht sofort den allgemeinen Anschein zu erwecken, dass sie geheult hätte.
    „Ich will nach Hause.“, sagt sie.
    „Ich auch.“, antworte ich und schaue sie dabei eindringlich ein. Bitte nicht. Nein Körper, doofe Idee. Abbrechen, abbrechen! Nein!

    Wir liegen zwei Stunden nackt bei ihr zuhause im Bett. Sie pennt neben mir schon und schnarcht leise. Ich finde das irgendwie niedlich. Was ich nicht niedlich finde, das bin ich. Ich bin doch echt zu dämlich. Erst große Töne spucken von wegen „Nee ich will ihr nicht wehtun!“ und „Nee ich will nix von ihr!“ und dann tue ich es schon wieder. Langsam ziehe ich die Decke herunter, kurz nach rechts zu ihr schauend, ob sie schon wach ist. Ich hebe langsam mein linkes Bein von unter der Decke hervor und will gerade mit dem Fuß den Boden berühren, als ich eine Hand an meinem Arm spüre. Langsam werde ich nach hinten gezogen, Lillys Arm legt sich um mich. Flucht missglückt. Scheiße. Gut, dann bleibe ich hier, kein Ding. Ich drehe mich zu ihr. Ihr Augen sind offen.
    „Wollt'ste abhauen?“
    „Nee, ich musste nur aufs Klo.“, lüge ich.
    „Lüg doch nicht.“, ertappt sie mich und grinst.
    „Was haste denn so Frühstücks-mäßig hier?“, lenke ich ab und frage die essentielle Frage.
    „Brot, Wurst, Ei – alles da.“
    „Cool, wann das so ist – dann bleibe ich hier.“
    Sanft wie eine Katzenpfote patscht sie mir ins Gesicht mit der flachen Hand. Dann dreht sie sich um, ich lege den Arm um sie.
    Jupp, ich bleibe heute Nacht hier.

    Das bin ich ihr schuldig.
    Währenddessen geht draußen die Sonne auf.
    Und ich hab kein einziges Mal Sandra angerufen.
    Sowas nennt man glaub ich „Fortschritt“.

  4. #24
    Für alle, die (wie ich) lieber eine PDF-Datei anstelle von Forum-Postings lesen:



    Rechtsklick, speichern, lesen, feiern. 8)

    @steel: Damit das nicht ganz ohne Feedback auskommt: Genial! Macht richtig Bock.

  5. #25
    Zitat Zitat von These Beitrag anzeigen
    Für alle, die (wie ich) lieber eine PDF-Datei anstelle von Forum-Postings lesen:



    Rechtsklick, speichern, lesen, feiern. 8)

    @steel: Damit das nicht ganz ohne Feedback auskommt: Genial! Macht richtig Bock.
    Heilige Scheiße, ist das geil. Danke, das ist richtig richtig cool aufgemacht. Kann ich mich irgendwie dafür revanchieren?

  6. #26
    Zitat Zitat von steel Beitrag anzeigen
    Heilige Scheiße, ist das geil. Danke, das ist richtig richtig cool aufgemacht. Kann ich mich irgendwie dafür revanchieren?
    Weiterschreiben! Ne, quatsch, das waren vielleicht 10 Minuten Arbeit, da brauchts keine Revanche. Aber freut mich dass es dir gefällt.

    Wenn du Mid-Twen-Crisis in Zukunft als PDF weiterführen willst, kannst du das hier gut benutzen. Dann braucht es nicht mehrere PDF's für neue Kapitel.

  7. #27
    Ich hab mir das knuffige PDF-Ding noch nicht angesehen (denn ich gehöre schlimmerweise zu den wenigen Menschen, die echte Forenbeiträge bevorzugen ^^), aber ich muss sagen: Toll! Wirkte erst etwas holprig, dass der Charakter etwas menschlicher wird, aber dann auf einmal doch genau richtig so.
    Kleine Fehlerchen: Am Anfang einmal „... um mich anzusehen und mich selten dämlich anzusehen.“ und dann war noch irgendwo Mells like teen spirit, ansonsten schaut's auch an der Front klasse aus. =)
    Wie gesagt: Geil! Mehr! =) (Egal, ob jetzt voll die Arschlochtour kommt, oder ein halber Roman kuscheln und Rosa-Brillen-Welt, du machst das schon. =Þ)

  8. #28
    Jo, hab mir Theses PDF-Version heute morgen in einem Zug reingepfiffen. Fazit: Liest sich extrem flüssig, denn das waren immerhin 38 voll-beschriebene PDF-Seiten, also gut doppelt so viel im normalen Taschenbuch-Format...
    Ich hoffe du bist offen für ein Bisschen konstruktive Kritik:
    Ein paar Dialoge kamen für mich etwas holprig rüber (normalerweise würde ich deshalb sogar "unauthentisch" sagen, aber da das ganze semi-autobiographisch sein soll ist dass ein Bisschen schwer zu beurteilen, denn wer weiß - vielleicht isses ja genau so passiert).
    An manchen Stellen fand ichs nicht ganz - in Ermangelung eines besseren Begriffs - "stilsicher". So ein paar Sachen. Zum Beispiel der Vergleich "ich kam mir so fehl am Platz vor wie Malcolm X bei nem Ku-Klux-Klan-Treffen" und auch ein paar andere Vergleiche waren imho ein Bisschen plump. Und diese Stelle im Video-Laden, wo du die beiden Dialoge vermischst, fand ich nicht so gelungen. Das Klischee, dass Studenten keine echten Probleme haben/so oberflächlich sind, dass sie nur über "Scheiße" reden, hättest du auch nicht unbedingt bemühen müssen
    Hauptsache ist aber meistens wars echt erfrischend und genial auf den Punkt geschrieben, da kann ich mich den anderen voll anschließen. Ich hoffe auf noch mehr vom satirischen No-Front-True-Story-Stil . Und der Identifikationsfaktor ist sehr hoch.

  9. #29
    Geiler Scheiß. Denn ich vielleicht nicht unbedingt mitten in der nacht lesen sollte wenn ich Libeskummerh abe, weils nciht wirklich helfen tut. Aber egal!
    Genialer Schreibstil, bewegende geschichte, geile Geschichte, GEILE GESCHICHTE! Achja und der Schreibstil ist geil. hab ich schon gesagt nich? Egal, bin saumüde.

    Schreib unbedingt weiter, das ist talen Junge! Pures Talent!

    Und jetzt gut nacht. echt mal.

  10. #30
    Wir liegen zwei Stunden nackt bei ihr zuhause im Bett. Sie pennt neben mir schon und schnarcht leise. Ich finde das irgendwie niedlich. Was ich nicht niedlich finde, das bin ich. Ich bin doch echt zu dämlich. Erst große Töne spucken von wegen „Nee ich will ihr nicht wehtun!“ und „Nee ich will nix von ihr!“ und dann tue ich es schon wieder. Langsam ziehe ich die Decke herunter, kurz nach rechts zu ihr schauend, ob sie schon wach ist. Ich hebe langsam mein linkes Bein von unter der Decke hervor und will gerade mit dem Fuß den Boden berühren, als ich eine Hand an meinem Arm spüre. Langsam werde ich nach hinten gezogen, Lillys Arm legt sich um mich. Flucht missglückt. Scheiße. Gut, dann bleibe ich hier, kein Ding. Ich drehe mich zu ihr. Ihr Augen sind offen.
    „Wollt'ste abhauen?“
    „Nee, ich musste nur aufs Klo.“, lüge ich.
    „Lüg doch nicht.“, ertappt sie mich und grinst.
    „Was haste denn so Frühstücks-mäßig hier?“, lenke ich ab und frage die essentielle Frage.
    „Brot, Wurst, Ei – alles da.“
    „Cool, wann das so ist – dann bleibe ich hier.“
    Sanft wie eine Katzenpfote patscht sie mir ins Gesicht mit der flachen Hand. Dann dreht sie sich um, ich lege den Arm um sie.
    Jupp, ich bleibe heute Nacht hier.

    Das bin ich ihr schuldig.
    Währenddessen geht draußen die Sonne auf.
    Und ich hab kein einziges Mal Sandra angerufen.
    Sowas nennt man glaub ich „Fortschritt“.

    „Du hast so komische Geräusche im Schlaf gemacht.“, sagt Lilly. Wir liegen nebeneinander im Bett, ihr Kopf ruht immer noch auf meinem linken Arm, auf meinem Bauch steht ein weißer Aschenbecher mit dem Logo der Zigarettenmarke „Union“ drauf, in meiner rechten Hand brennt eine Kippe. Die erste nach meinem Erwachen. Ich war vor ihr wach, einige Male sogar. Hab beschissen geschlafen, das Klo gesucht, bin auf der Suche über das Telefonkabel gestolpert, das einmal quer im Flur verlegt ist, und hab mich brutal aufs Fressbrett gelegt bei völliger Dunkelheit.
    „Ja, ich hab manchmal Albträume.“, antworte ich.
    „Ach ja?“, hakt sie nach und kuschelt sich an mich heran. Fast fällt der Aschenbecher herunter, aber ich kann ihn noch gerade so mit der rechten Hand auffangen, wobei ich mir fast die Finger an der Glut verbrenne.
    „Jupp.“, antworte ich knapp, ganz cool ob meiner körperlichen Anstrengung die ich aufbringe um den Aschenbecher zurück auf seinen Platz – meinen Bauch – zu stellen. Sie schaut mich an, als ob sie per Blickkontakt fragen wollen würde, was ich geträumt habe, also führe ich weiter aus: „Ich falle immer. Und alles zieht an mir vorbei, was ich so verbockt habe bis jetzt.“
    „'ne Menge?“, bohrt sie nach.
    „Jupp.“, antworte ich abermals und drücke die Kippe im Aschenbecher aus, welchen ich danach auf den mit Zigarettenasche, geöffneten Kondompackungen und ausgebrannten Kippen zugepflasterten Nachttisch neben dem Bett stell. Ich bleibe erst einmal flach auf dem Rücken liegen, meinen um Lilly gelegten linken Arm spüre ich schon gar nicht mehr. Er ist wohl eingeschlafen.
    „Und deshalb fängst du an, so rumzustöhnen?“, fragt Lilly und schaut mich dabei ungläubig an. Ich dreh' den Kopf zu ihr, schaue sie an und weiß nicht, was ich sagen soll.
    „Ich... stöhne im Schlaf?“
    „Ja, total laut. Wenn du nicht quer die Wohnung gelatscht und laut geflucht hast, haste neben mir gelegen, mich derbe fest gedrückt und die ganze Zeit gestöhnt, als würd'ste nicht mehr atmen können. Hatte richtig Angst, wenn ich nicht gerade über dein Gefalle und Gefluche gelacht habe.“ Sie schließt die Beweisaufnahme mit einem fetten, schadenfreudigen Grinsen.
    „Du hast das gehört?“
    „Hör ma', der Flur ist keine drei Meter Luftlinie vom Kopfende des Betts entfernt, natürlich hab' ich das gehört.“
    „Scheiße. Wie peinlich.“
    „Du bist nicht der erste, der über das Kabel gestolpert ist.“
    „Das macht die Sache nicht besser.“
    Sie krault mir über die Brust. Ich mag es, dass sie echte Fingernägel hat und nicht so 'ne Plastikdinger. Fühlt sich irgendwie besser an. Fühlt sich an wie... naja, gut einfach.
    „Soll ich mal Frühstück machen?“, fragt sie. Ich nicke stumm und kriege 'nen fetten Schmatzer auf die linke Wange verpasst. Sie springt auf und rennt in Richtung Küche, obwohl ich noch gar nicht „Ja.“ oder „Nein.“ gesagt habe. Osteuropäische Mädels sind einfach Fressmaschinen. Kaum reden die von Essen und darüber, wie „übertrieben hungrig“ sie sind, haben sie schon ein Sandwich zwischen den Zähnen. Und trotz – oder aufgrund?– dieser Mentalität so perfekte Ärsche wie der, dem ich gerade dabei zusehen darf, wie er mitsamt der Frau die an ihm dranhängt in die Küche verschwindet. Absolut faszinierend, immer wieder. Sandra hatte auch so einen Hintern zum reinbeißen, auch wenn sie – wie drückt man das aus ohne wie ein chauvinistisches Arschloch zu klingen? – in anderen Bereichen etwas unterproportioniert war, fand ich sie immer sexy aufgrund ihres gottverdammten Hinterns. Und solange man merkt, dass da zwei Erhöhungen im Brustbereich sind, ist doch alles fein, oder? Kein Grund, so einen Aufriss darum zu machen. Aber Lilly hat zumindest zum Arsch passende Titten und... Moment, ich hab' den Faden verloren.

    Ich bin in sie verknallt, glaube ich. Oder nur in ihren Hintern? Ich...

    Ein Klirren und Scheppern hallt von zwei Räumen weiter, gefolgt von einem markerschütternden Schrei. Was zum-? Ich springe auf, merke allerdings noch einen schweren Kopf (scheiß Kater), wodurch ich leicht ins Wanken komme für ein paar Sekunden. Die Küche ist etwas größer als bei mir zuhause, weiße Fliesen mit grauen Nahten am Boden, die Wände scheinen erst vor kurzem tapeziert worden zu sein, denn es riecht nach Tapetenkleister und frischer Farbe, vielleicht das Weiß an den Wänden? Neben einem umgefallenen, ergonomisch geformten roten IKEA-Stuhl liegt eine halbnackte Lilly auf dem Rücken, das Gesicht verzerrt vor Schmerz, die Arme verkrampft vor der Brust, den linken Fuß nach innen gedreht und das linke Bein angewinkelt. Ich schaue planlos im Schock auf sie herunter, Mund geöffnet und Augen weit aufgerissen.
    „Verfickte Scheiße!“, schreie ich und knie im nächsten Augenblick neben mir. Ich knalle mit den Knien auf die Fliesen, ein gewisser Schmerz zuckt durch beide Knie. Als ich eines hochhebe, merke ich, dass ich an beiden Knien blute. Aufgeschlagen. Egal.
    „Es tut weh.“, schreiflüstert Lilly und krallt sich mit einer Hand an meinem Arm fest.
    „Was soll ich tun? Krankenwagen? Soll ich 'nen Krank-?“, fange ich an doch werde jäh unterbrochen.
    „Nein! Nein, kein Krankenwagen!“, schreit Lilly und krallt sich noch tiefer in meinen Arm. „Sie werden herkommen, mich für drei Wochen festsetzen in ihrem Kack-Krankenhaus und mich dann ohne was zu tun entlassen. Ich bitte dich: Kein Krankenwagen!“ Während sie spricht, hat sie extreme Schnappatmung. Sie simuliert nicht, was auch immer sie hat.
    Ich nicke also, sage „Nicht bewegen!“ und humpel zurück ins Schlafzimmer. Hier rupfe ich eine der Bettdecken vom Bett und klemme sie unter den Arm während Lilly auf meine Anweisung mit „Wo soll ich denn hin du Ficker?!“ antwortet. Zurück in der Küche des Todes wickel ich die Decke um Lillys Oberkörper, um sie zumindest nicht komplett nackt auf dem arschkalten Fliesenboden liegen zu lassen.
    „Danke.“, sagt sie und krallt sich wieder in meinem Arm fest. „Es hört... es hört bestimmt gleich auf.“
    Ich nicke stumm und lege mich nach einer kurzen Denkpause langsam neben sie, umringt von Scherben eines zerdepperten Tellers, einer Pfanne die mit der Bratzone nach unten auf dem Boden liegt, diversen Besteckteilen und Zigarettenstummeln aus einem ebenfalls in Mitleidenschaft gezogenen Aschenbecher. Ich starre an die Decke, während sie links neben mir liegt und zunächst extrem schnell und schwer, nach einigen Sekunden etwas langsamer, dann wieder halbwegs normal atmet. Ich schaue nach unten. Der linke Fuß scheint entkrampft zu sein. Und erst jetzt fällt mir auch auf, dass er kleiner ist als der rechte Fuß. Oder sieht es von hier aus nur so aus? Ich verdränge den Gedanken kurz und schaue wieder an die Decke. Ebenfalls weiß gestrichen, an ihr hängt eine kugelförmige IKEA-Lampe, die wohl weniger Lichtquelle ist als reine Deko. Ich kenne die Scheißdinger doch selber.

    Ich wende mich kurz Lilly zu, die ebenfalls mit weit geöffneten Augen an die Decke starrt und immer noch ihre Fingernägel in meinem Oberarm vergraben hat.
    „Bist du okay?“, frage ich vorsichtig.
    Sie nickt.
    „Wollen wir versuchen aufzustehen?“
    Sie nickt wieder. Ihre Augen sind rot angelaufen vor lauter Tränen. Langsam helfe ich ihr hoch, gebückt vor ihr stehend, hebe sie an und verfrachte sie sachte – mitsamt Decke – auf einen der Stühle am Esstisch (nein, nicht auf den umgekippten...). Den umgekippten stelle ich gerade hin, nachdem ich kurz im Schlafzimemr verschwunden bin, um Kippen, Feuerzeug und Aschenbecher zu holen. Über diese Zeitspanne – circa zwei oder drei Minuten – wechseln wir kein Wort. Erst als wir beide eine Zigarette angesteckt haben, breche ich das Eis.
    „Was...“, fange ich an. Aber wie drückt man das aus? Ich hab Schiss, dass sich alles was folgt anhört wie „Sag' mal, biste behindert oder was?!“
    „Mein linkes Sprunggelenk ist wie das Sprunggelenk einer 80-jährigen.“, unterbricht sie mich, „Ich habe Arthritis seitdem ich 12 bin. Und seit ich 12 bin ist mein linker Fuß nicht wirklich gewachsen.“
    Ich schlucke laut. „Scheiße.“, entfleucht es mir leise.
    „Ach nein, weißt du – man arrangiert sich damit irgendwann. Ich bin offiziell zu 50% gehbehindert, eigentlich dürfte ich nicht mal ohne Krücken durch die Gegend rennen, geschweige denn überhaupt mich zu Fuß irgendwohin bewegen. Ich hab Tabletten genommen, aber die haben nicht geholfen. Dann hab ich 'ne Therapie gemacht, aber hab nach ein paar Wochen schon damit aufgehört. Und dann, als es richtig schlimm wurde, wurde mir eröffnet dass es für 'ne Komplettheilung oder sowas in der Art zu spät sei.“
    „Und deshalb kriegst du diese... Anfälle?“
    „Ja. Es ist als ob jemand ein Messer nimmt und es dir in die Verse stößt, weißte?“, führt sie aus, „Und dabei ist das nur mein Sprunggelenk, das 'Verdammte Scheiße ich kann nicht mehr' schreit.“
    Kurz ist es still, dann spricht sie weiter, kühl und fast schon monoton: „Mit 35 werd' ich im Rollstuhl sitzen, weißt du? Und solange will ich alles mitnehmen, überallhin mitgehen, überall mittanzen, soweit die Füße tragen. Oder eher der eine Fuß. Ich will saufen, tanzen, ficken, das ganze Programm, um dann in 10, 20 Jahren in meinem Rollie abzuchillen. Ich kapitulier' nicht, das könnte denen so passen. Wenn's nach denen ginge wäre ich schon mit 15 an die Krücken gekommen. Aber das... das...“, sie hält inne. Ich halte ihre Hand und schaue betroffen auf den Tisch. Nichts was ich sage, würde zur Situation irgendwas beitragen. Sie schaut mich an, ich spüre es.
    „Hilfst du mir, hier aufzuräumen?“, fragt sie mit einem fast traurigen Tonfall. Sie weiß genau, dass...
    „Nee, du machst keinen Finger krumm. Ich mach' das hier schon.“, … ich das sagen würde. Und ich weiß genau, dass...
    „Aber das geht nicht, nein. Ich hab's dreckig gemacht, geh' du...“, … sie dass sagen würde. Und sie müsste wissen, dass...
    „Nein, ich trage dich zurück ins Bett, dann mach' ich sauber und brate lecker Rührei. Ist das was?“, … von mir das hier kommen würde. Bevor sie noch irgendwas sagen kann, hebe ich sie vom Stuhl, den einen Arm unter ihren Knien und mit dem anderen ihren Rücken umschlingend, und trage sie ins Schlafzimmer, wo ich sie vorsichtig aufs Bett lege und die Decke auf ihr drapiere. Sie lächelt von einer Backe zur nächsten, während ich in der Küche verschwinde um dort den Besen zu schwingen.

    Geändert von T.U.F.K.A.S. (09.06.2012 um 01:45 Uhr)

  11. #31
    Zitat Zitat von steel Beitrag anzeigen
    Platzhalter.

  12. #32
    Gerade rechtzeitig aus dem Urlaub gekommen.
    Ich mag es, es klingt ehrlich und herrlich politisch unkorrekt. Bei den Vergleichen muss ich allerdings Olmann zustimmen, andererseits passen sie auch genau wieder zum Stil des ganzen, daher würde ich diese "Roman-Kanten" nicht schleifen. ;-)
    Weiter so.

  13. #33
    Hab es jetzt auch endlich geschafft zu "Ende" zu lesen und bin irgendwie begeistert, mein Lieber, bitte weiter so.
    Vor allem bei der letzten Szene mit Takko musste ich so herzlich lachen, ich konnte kaum noch

  14. #34

    It's time to get schwifty.
    stars5
    Ich werde nichts kritisieren weil ich mich weder Grammatikalisch noch Literarisch besonders gut auskenne. Aber wir haben es nun 07:10Uhr und ich war noch nicht schlafen. Hab oben angefangen und die überarbeitete Version nicht gelesen. . Zu meinen Erstaunen hat sichs trozdem runter gelesen wie nichts und ich bin ziemlich lese faul. Das beschriebene ist zwar nicht so meine Welt, aber, ja-
    Gutes Zeug Steel. Zeit nicht verschwendet.

  15. #35
    Der Traum ist immer derselbe.

    Ich fahre mit meinem Mountainbike (das ich schon seitdem ich 12 war nicht mehr habe) durch die Straße in der ich vorher gewohnt habe. Ich fahre straight auf das Haus meiner Eltern zu. Doch bevor ich in die Einfahrt zum Carport abbiege, unter den ich die Mühle normalerweise stelle, mache ich einen scharfen Linksschlenker und fahre zum Haus unserer Nachbarn, der Tolieskis. Nachdem ich den Drahtesel auf den noch mit Morgentau bedeckten Rasen ihres Vorgartens gelegt habe, betrete ich das Haus der Tolieskis durch die massive Dunkelholz-Tür. Der Hausflur ist steril-weiß, kein Stück so wie ich ihn in Erinnerung habe. Mehr wie das Marienthaler Krankenhaus, wenn ich es so recht bedenke. Die Bilder die im Hausflur an der Wand hängen sind nicht die IKEA-Bilder für 30 Tacken die normalerweise bei ihnen hängen, sondern nur kahle weiße Leinwände. Selbst die eigentlich im Terracotta-Ton gehaltenen Fliesen sind weiß. Ich weiß nicht, warum es so ist, aber ich denke mir "Hey, es ist ein Traum." - und in dem Moment, als dieser Gedanke durch meinen Kopf schießt, höre ich oben im Badezimmer das Wasser laufen.

    Ich besteige die Wendeltreppe, die nach rechts hin vom Hausflur abgeht und ins Obergeschoss führt, dann scharf nach links zum Badezimmer. Ich öffne die Tür und stehe in einem Raum, der aussieht wie ein römisches Badehaus, komprimiert auf sechs mal sechs Meter. Es ist im Prinzip nur ein Pool mit dunklem Marmorboden und -dekor, der sich über die gesamte Fläche des Badezimmers erstreckt, und er ist voll mit heißem Badewasser, das hier und da etwas Schaum aufweist. Und mittendrin - zwischen dem Dunst und der Schwüle und bestrahlt vom durch die beschlagenen Fenster hier und da eindringenden, dumpfen Sonnenlicht - steht diese Frau, nackt so wie Gott sie schuf. Diese perfekte, perfekte Frau. Sie hat rubinrote Haare die ihr bis zum Po gehen, ein hübsches kantiges Gesicht, stechend blaue Augen (ich weiß es obwohl sie die Augen geschlossen hat im ersten Moment wo ich sie sehe), sie ist ungefähr ein Meter siebzig groß, schlank, hat einen Hintern zum reinbeißen und Brüste, die mindestens ein C-Cup sein dürften. Einfach - mh. Ich möchte "Mh" machen. Also, "Samuel L. Jackson beißt in einen Burger"-Mh-mh-mmmmmh.

    Ich hinterfrage nicht einmal, warum meine Nachbarn eine Therme in ihrem Badezimmer haben, viel eher interessiert mich, warum diese Frau hier steht. Wer sie ist, was ihre Hobbies sind, und vor allem ob sie Single ist oder nicht.
    "Hey.", sagt sie und wendet sich mir zu. Mit ihren Händen verdeckt sie ihre Brüste, lässt aber den Blick auf ihre Scham mehr als offen.
    "Hey.", antworte ich. "Was machst du hier?"
    "Ich bade." Schön dass mich selbst meine Träume für einen Vollpfosten halten.
    "Oh. Okay." Schön, dass ich selbst im Traum keine Konversation mit einem weiblichen Wesen anfangen kann ohne mich dämlich aufzuführen.
    "Hey.", sagt sie abermals nach einer peinlichen, zehnsekündigen Pause.
    "Hey.", antworte ich abermals mit meinem massiven rhetorischem Geschick.
    "Ich bin so verspannt in letzter Zeit. Kannst du massieren? Mein Nacken tötet mich...", säuselt sie verführerisch und hält sich die Hände an ihren Nacken, massiert ihn in kleinen kreisförmigen Bewegungen. Ich schaue ihr direkt auf die nun entblößten Brüste, stehe da wie versteinert. Dann, endlich, sage ich: "Ja." Sie streckt ihre Hand vor sich und krümmt und streckt abwechselnd ihren Zeigefinger, als ob sie "Komm her." sagen wollen würde. Ich steige ohne großartig eine Frage zu stellen ins schaumüberwucherte Wasser, das - rein von seiner Temperatur her - genausogut Magma sein könnte. Es ist scheiße heiß. Sie steht immer noch da und gestikuliert mich zu ihr. Ich folge ihrem Ruf. Meine Klamotten sind nass. Der Dampf ist plötzlich so dermaßen dick dass ich nicht mehr sehen kann wohin ich gehe, die Entfernung zwischen mir und der heißen Rothaarigen wird einfach nicht kleiner - und im nächsten Augenblick stehe ich im selben Raum, in dem ich damals mein Abi geschrieben habe. Dieser dunkle, übergroße Raum, in dessen Mitte fünfzig Tische und Stühle stehen. An jedem Tisch sitzt ein fleißiger Schüler oder eine fleißige Schülerin, über mehrere Blätter voller Text gebeugt, das Klackern der Tintenfüller auf dem linierten Papier ist auf Dauer ohrenbetäubend. Ein Tisch ist leer. Mein Tisch. Ich bin drei Stunden zu spät. Ich habe noch zehn Minuten Zeit, um meine Englisch- und Deutsch-LK-Prüfungen zu schreiben. Ich hab's verkackt. Ich will Jura studieren. Ich will meine Probleme lösen indem ich einfach scheiße reich werde. Ich will meinen Vater zurück.

    Und alles woran es hängt sind ein paar behinderte Aufsätze. Alles was mir jetzt bleibt, sind lockere Geschäfte in beschissenen Mini-Jobs. Herzlichen Glückwunsch.

    Geändert von T.U.F.K.A.S. (31.01.2014 um 11:03 Uhr)

  16. #36
    MID-TWEN-CRISIS PART 2 - LILLY HAS LEFT THE BUILDING

    Und wenn es eine Sache gab, die ich aus dieser Nacht lernte, dann war es dass du dich definitiv, unter keinen Umständen, ohne Scheiße niemals mit einer Prostituierten wegen 5 Euro in die Haare kriegen solltest. Denn die Chance, dass die Nutte Kung Fu kann, ist nicht besonders hoch, aber hoch genug um eine dicke Lippe zu riskieren. Und eine Kung Fu-Nutte ist mit Abstand die gefährlichste Unterart von Nutte die dir unterkommen kann. Frag mein Nasenbein.

    Danny Schandelorz (und, ja, das ist immernoch sein echter Name) kommt wieder! Diesmal passiert ihm so fantastischer Kram wie...

    ... er bekommt endlich einen neuen Job und ihr wisst was heißt - MOBBING! Yaaay!
    ... mehr Hijinx mit Filmhipstern! Yaaay!
    ... mehr Parties! Yaaay!
    ... er zettelt versehentlich eine Massenschlägerei auf einer C-Promi-Party an! Yaaay!
    ... er wird wieder zurück in die linksextreme Szene gezerrt die er vor Jahren hinter sich gelassen hat! Yaaay!
    ... und zwischen all dem Chaos verschwindet seine Freundschaft+ ohne eine Spur zu hinterlassen. Und da war ja noch was mit seiner Ex...

    ... Yaaay!

    Erste Kapitel ab sofort hier in diesem Thread.

    Geändert von T.U.F.K.A.S. (07.07.2014 um 17:37 Uhr)

  17. #37
    Und gerade dann wenn man denkt, dass die Welt es aufgegeben hat, dir wieder und wieder Steine in den Weg zu legen (oder sie dir gezielt an die Rübe zu schmeißen), findet man sich zum gefühlt fünfttausendsten Mal in dieser blöden Situation wieder in der man merkt, dass einem nicht schwindelig ist weil sich die Welt um einen dreht - sondern weil man besoffen vor der Wohnungstür liegt, mit der einen Hand die fette Platzwunde unterm Auge mit einem blutdurchtränkten Fetzen Toilettenpapier aus 'nem Dixiklo abtupft und mit der anderen durch jede einzelne verkackte Tasche seiner Jacke grabbelt weil man den Wohnungsschlüssel nicht findet. Aber man grinst trotzdem. Denn immerhin hat man einem Gangsterrapper volles Pfund auf die Fresse geboxt. Und das ist auch etwas, worauf man ein bisschen stolz sein kann.

    Geändert von T.U.F.K.A.S. (25.07.2014 um 11:18 Uhr)

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