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Thema: Geschichte ohne titel (ab16?)

  1. #1

    Geschichte ohne titel (ab16?)

    Mein Name ist James Johns und ich soll ein Buch schreiben.
    So hat man es mir jedenfalls gesagt. Mein Name ist nicht wirklich James Johns, aber das ich ein Buch schreiben soll, das entspricht voll und ganz der Wahrheit, das können Sie mir glauben, mein Bester, oder meine Beste. Da ich noch nicht weiß, was das hier für eine Art von Text wird, ist mir natürlich auch noch nicht klar, was für eine Zielgruppe davon angesprochen sein wird. Sie könnten eine weiße Hausfrau Mitte dreißig sein, oder ein Angestellter in einer großen Anwaltskanzlei. Ich will nicht weiter mutmaßen, also lassen wir das.
    Das Wesen dieses Experimentes ist, einfach zu schreiben, und das ganze erst am Schluss irgendwie zu ordnen. Natürlich werde ich ihnen nicht erzählen, dass ich den Finger nie auf die Löschtaste legen würde, dass glauben sie mir ja sowieso nicht. Ich will keinen Zusammenhanglosen Müll schreiben (obwohl ich ihnen nicht versprechen kann, dass am Ende nicht genau das dabei rauskommt…). Ich weiß nicht mal, ob das hier ein Buch wird. Vielleicht höre ich nach ein paar Sätzen auf und werfe das ganze in den Papierkorb.
    Im Moment sitze ich vor meinem Schreibtisch und sehne mich nach einer Zigarette, will aber erstmal abwarten, wie sich die Dinge weiter entwickeln. Man sollte solche Sachen nicht ohne triftigen Grund unterbrechen, vor allem nicht für eine Zigarette.
    Nebenan liegt meine Frau auf dem Bett und liest ein Buch von einem Schriftsteller Namens „Pen Tags“. Keine Ahnung wo der Name herkommt, aber ich heiße ja auch nicht wirklich James Johns.

    Meine Frau.

    Vielleicht sollte ich damit beginnen. Sie ist Ende Zwanzig (das genaue Alter einer Frau verrät man nicht) und könnte genau so gut erst fünfzehn sein, und gewissermaßen ist sie das auch, genau so wie ich sechsunddreißig, achtzehn und einundzwanzig bin. Machen sie sich keine Sorgen, ich finde gerade etwas, worüber ich ihnen erzählen kann, später wird alles aufgeklärt werden. Nun gut, vielleicht nicht alles, aber die meisten Dinge schon (das mit dem Alter erkläre ich ihnen später, falls Sie nicht selbst drauf kommen.).
    Also, weiter. Wenn ich sie als Ende Zwanzigerin beschreibe, dann kann ich nur sagen, dass sie es wirklich noch drauf hatte. Nicht, dass das ein Alter wäre, in dem man sich sorgen darüber macht es zu verlieren, aber ich kenne Leute die sagen, dass ihre Frauen ab dreißig stark nachgelassen haben. Meine nicht. Äh-Äh, nicht meine Kleine. Sie ist eins siebzig groß, hat Beine, die sich selbst wenn ich hundertfünfzig Kilo mehr wiegen würde noch um meine Hüften schlingen könnten und einen Bauch, der so flach ist wie der Humor von Adam Sandler. Ihre Haare fallen in kleinen Löckchen in ihr wunderbares Gesicht, das immer noch eine Spur der Niedlichkeit einer Teenagerin beinhaltet. Und ihre Brüste. Mann, ihre Brüste. Sie sind weder klein noch riesig, sie sind genau das, was in eine Hand passt und bei den richtigen Bewegungsabläufen so sehr hüpft, dass es einen Mann gerade dazu bringen kann, seinen Blick von seiner eigenen Frau abzuwenden und dieses Bild in einem Ordner mit dem Titel „•••• deine Frau und denk an eine andere“ abzulegen. Glauben sie mir, ich habe das oft genug beobachtet.
    Meine Wundervolle kleine Frau hat nie eine Ausbildung abgeschlossen, geschweige denn eine Angefangen. Nachdem sie die Schule mit der vorgeschriebenen Anzahl an Lehrjahren beendet hatte, verkaufte sie einige sehr gelungene Selbstporträts und konzentrierte sich einige Zeit nur noch auf die Malerei (und auf mich, natürlich, wir sind zusammen seit sie vierzehn ist). Wir lebten von dem Geld, welches ihre Bilder abwarfen und ich steuerte meinen Teil bei, indem ich weiterhin meinem verhassten Beruf als Bürokaufmann nachging. Aber ich will nicht über langweilige und unnütze Dinge wie Geldverdienen Sprechen. Sagen wir es ganz einfach, wir hatten genug Geld und mussten nie Hunger leiden.
    Doch auch der Hunger ist so eine Sache. Ich habe lange Zeit darüber nachgedacht, warum ich in letzter Zeit diesen Hunger verspüre. Nicht nach Chicken Wings oder Ente Süß-sauer.

    Vor ein paar Tagen fiel mir ein Buch in die Hände. Ich stöberte bei dem kleinen An- und Verkauf bei uns in der Strasse und irgendwie zog es meinen Blick auf sich. Ich will nicht behaupten, es wäre eine magische Anziehungskraft gewesen, oder eine art spiritueller Drang, der mich dieses Buch in die Hand nehmen ließ. Es war einfach ein Gefühl. Ich sah das unspektakuläre Cover zwischen all diesen Bunten Aufgepushten Schrei Farben und es erschien mir wie eine Art Ruhepool in dem ganzen Chaos um mich herum. Klingt das übertrieben? Wahrscheinlich.
    In diesem Buch geht es um einen Mann, der plötzlich angeekelt ist von den Menschen und von den Gegenständen um ihn herum. Er hat Angst und scheint nicht zu wissen, warum. Ich habe es noch nicht ganz gelesen, was seltsam genug ist, bei einem Buch das ich eigentlich verschlingen und danach noch einmal und noch einmal Lesen sollte. Aber so ist es nicht. Ich kann es nicht zu Ende bringen, ich weiß nicht, warum. Dieser Mann in dem Buch ist einsam und geht nur manchmal zu einer Frau, die in der Nähe wohnt um seine „körperlichen gelüste“ zu beruhigen. Allerdings wendet sich diese Frau eines Tages von ihm ab. Was nicht weiter wichtig für das Buch ist, aber für den Autor dieser Zeilen hatte es eine einschneidende Bedeutung: Die Frau wendet sich von ihm ab. Sie haben beide ihren Spaß gehabt (soweit ihm das Möglich ist, ich wage zu behaupten, dass sie bei der ganzen Sache mehr Spaß hatte als er) und eines Tages hat sie einfach keine Lust mehr und geht. Ich bedaure diesen Mann, der doch nur eines wollte, auch wenn er sich vielleicht nicht ganz darüber im Klaren war: Er wollte etwas Zuneigung, Zärtlichkeit. Diese Frau gab ihm, was er brauchte. Er war nicht zu normalen Beziehungen fähig, was sollte er also sonst tun, um versteckt die Nähe zu genießen, die er nicht auf „normaler“ Ebene erhalten konnte? Und dann geht sie und lässt ihn sich selbst überlassen zurück, einen Kranken, verzweifelten Mann, der nichts wollte als ein paar Stunden in der Woche das Gefühl der Zärtlichkeit und Nähe zu genießen, die sie ihm so lange gegeben hat.
    All dies macht mir Angst. Und ich kann nicht mal verstehen warum.
    Ich sehe meine Frau an und erkenne sie kaum, wie durch einen dünnen Stoffvorhang, der sich über das Bild legt und nur die Kurven ihrer Persönlichkeit enthüllt, welche herausragend und als solche auf der Stelle zu Identifizieren sind. Doch es ist nicht nur die Beziehung zu meiner geliebten Frau, die mir solche Angst macht. Hatten wir nicht lange Zeit alles, was Liebende brauchen? Und hat sich etwas verändert? Nein, ich muss zugeben, dass sie immer noch dieselbe ist, ebenso, wie die äußeren Umstände den selben Anschein erzeugen, wie sie es seit Jahren tun. Ich muss erkennen, muss es zwangsläufig ganz klar vor mir sehen, wie ich sie schon lange nicht mehr sehe, dass ich es bin, der sich verändert hat. Der sich immer noch verändert. Ich habe Angst davor, aber ich verspüre auch eine Aufregung, die ich nun schon lange vergessen glaubte, nicht mehr existent seit langen Jahren, doch plötzlich wieder aufgetaucht und sich nun meiner annehmend und leitend von Stunde zu Stunde. Es gibt keine ruhigen Minuten mehr. Ich möchte wissen, was mit mir passiert. Ich werde weiter abwarten.













    Ich stehe im Regen. Mein Schirm fängt die silbern glänzenden Tropfen auf und verwandelt sie in Geräusche, durch das reine Aufeinanderprallen von Masse und Gegenmasse. Es ist halb Zehn, Kalt und die Menschen gehen lachend und plaudernd an mir vorbei. Es ist Zeit etwas zu tun. Ich setze mich langsam in Bewegung, ein einsamer in einer Welt voller Paare, Strotzend vor Selbstmitleid und dem Gefühl, sich beweisen zu müssen, wenn auch nur dem Gefühl, dass heute stärker von mir besitz ergriffen hat, als je zuvor. Mein Mantel tropft vom Regen und ich höre ganz deutlich meine Schritte unter all den anderen Schuhen, die über die überfüllte, nass Spiegelnde Strasse schlendern um wer weiß wohin zu gehen und dort wer weiß was zu tun. Ich sehe mich langsam um und entdecke gegenüber ein Mädchen, vielleicht achtzehn oder neunzehn Jahre alt. Sie hält eine Zigarette zwischen den feingliederigen Fingern ihrer rechten Hand und spricht aufgeregt in ihr kleines Chromglänzendes Handy. Sie sieht mich auch einen Moment lang an, dann konzentriert sie sich wieder auf ihr Telefongespräch. Sie erscheint mir aufgebracht zu sein und spricht nun schneller und legt plötzlich auf. Ich nicke ihr noch einmal zu, dann betrete ich eine kleine Bar, die sich wie durch ein Wunder zu meiner Rechten auftut.
    Der Raum ist klein und nicht besonders voll. Nur einige wenige Männer lehnen an der Bar und reden wenig und trinken viel. Ich setze mich auf einen Hocker direkt an der Bar, durch mindestens Zwei Plätze von den bemitleidenswerten Geschöpfen getrennt. Ich bestelle ein Bier und nehme einen Tiefen Zug aus dem Glas. Dann höre ich, wie die Tür geöffnet wird und drehe mich halb um. Das Mädchen von draußen steht da. Sie sieht mich ein paar Sekunden lang an, dann kommt sie näher und setzt sich neben mich. Sie fragt: „Gibst du mir ein Bier aus?“
    Ich bestelle das Bier und beobachte, wie ihre Kehle sich beim Schlucken öffnet und wieder zusammenzieht. Dann reden wir. Wir reden wenig, aber ich weiß, worauf es am Ende hinauslaufen wird. Sie erzählt von ihrem Freund, mit dem sie gerade am Telefon Schlussgemacht hat, dann wechselt sie das Thema und erzählt von ihrer Ausbildung als Zahnarzthelferin. Ich höre kaum zu, gerade genug um an den richtigen Stellen zu lächeln und zu nicken oder einige karge Worte hinzu zugeben. Werde ich nun meine Frau betrügen? Nach den Jahren unsere Freundschaft, Liebe und Ehe? Ich denke, ja das werde ich. Denn es gibt nur noch wenig, was ich sonst tun kann. Was habe ich auch für eine Wahl? Denn das Gefühl treibt mich an, die Angst und die Aufregung. Hier geschieht etwas. Dieses Mädchen mag noch keine Achtzehn sein (sie ist im ersten Ausbildungsjahr, was bedeutet das?), aber das interessiert mich im Moment nicht besonders. Sie ist hübsch, nicht außergewöhnlich, aber das ist im Moment unwichtig. Es ist mir egal. Sie ist mir aufgefallen, und aus irgendeinem Grund bin auch ich ihr aufgefallen. Das ist das einzige, was zählt. Sie wohnt alleine in einer Wohnung in der Innenstadt und eine halbe Stunde später betreten wir ihre kleine, unaufgeräumte Bude und sie bietet mir etwas zutrinken an. Ich setze mich auf das Sofa und sie bringt mir ein Bier. Ich trinke die halbe Flasche in zwei Zügen und lehne mich zurück. Die Angst hat aufgehört, aber dafür scheint sich die Aufregung minütlich zu verstärken. Das Mädchen setzt sich neben mich. Sie starrt auf ihre Knie, dann sieht sie mich an.
    Sie sieht wirklich sehr hübsch aus in diesem gelblichen Licht, das diffuse Schatten auf ihre Wangen und ihren Körper wirft. Sie öffnet ihren Zopf und lächelt mich an. Ich denke, wir sind beide etwas unsicher, wie wir es angehen sollen, ohne das es gekünstelt wirkt. Ich betrachte ihr Gesicht und denke, dass ich sie gerne Küssen möchte.
    Es soll eine Schöne Nacht werden. Für uns beide. Wenn ich schon so etwas tue, dann möchte ich dabei das Gefühl haben, etwas Gutes zu tun. Ich weiß natürlich, dass die Mehrheit der Menschen mich für diese Tat öffentlich verurteilen würde, aber wie viele von diesen Männern und Frauen haben ähnliches getan. Ich befinde mich selbstverständlich nicht in dem Irrglauben, eine Heldentat zu begehen in dem ich meine Frau mit einer minderjährigen betrüge und so ist mir vollkommen klar, das ich etwas tue, von dem ich selbst nicht möchte, dass man es mir antut.
    Möchte ich es? Ich denke, dass es mir egal geworden ist. Meine Frau ist mir nicht ganz egal geworden. Ich Liebe sie immer noch, aber was hat das noch zu bedeuten. Denn ich verspüre nicht die Liebe, die man seiner Frau gegenüber empfinden sollte. Das Mädchen. Ich nehme ihre Hand in meine und streichle sie sanft mit der Kuppe meines Daumens. Ich kann die glatte Haut an meiner Spüren. Ihre Hand ist warm und ich meine, ein leichtes Zittern zu spüren. Sie atmet schwer durch die ein kleines Stück geöffneten Lippen. Ich denke, es wäre mir egal, wenn meine Frau einen anderen hätte. Darum kann ich das hier tun. Ich stelle die Bierflasche weg und frage sie, ob ich sie Küssen darf. Sie nickt. Also Küssen wir uns. Es sind sanfte zärtliche Küsse. Lang anhaltende Küsse, die sich immer weiter steigern, immer wilder werden. Schließlich streicht ihre Hand über meinen Oberschenkel und meine Lippen streichen über ihren Hals. Ich erinnere mich an mein Buch. Mag es ihm ebenso ergangen sein, wenn er die fast fremde Frau in seinen Armen spürte? Wenn sich ihre Hände an ihm zu schaffen machten? Ich trage sie durch die offene Tür in das kleine Schlafzimmer und lege sie auf das Bett. Ich knie neben dem Bett und beginne, ihre Hose aufzuknöpfen. Ich küsse ihren flachen Bauch und ihren hellblauen Slip. Sie stöhnt leise, als ich mit der Zunge über die Innenseite ihres Oberschenkels streiche. Sie zerrt an meinem Pullover und ich ziehe ihn aus. Sie sieht einen Moment lang bewundernd auf die Tätowierung, die sich über meine Brust zieht. Für sie eine reine Äußerlichkeit, aber diese erregt sie scheinbar noch mehr, steigert ihre Empfindungen und schließt und öffnet Schaltkreise in ihrem Gehirn. Vielleicht erinnert sie dieses Bild an etwas, vielleicht erliegt sie auch dem Irrglauben, dass etwas Farbe unter der Haut einen Menschen zu etwas besonderem macht.
    Sie küsst meine Brust und streicht mit ihrer Zungenspitze über meine Brustwarzen. Ihre Augen sind jetzt geschlossen und ich überlege einen Moment lang, wie es wohl wäre, wenn die Farbe aus den Poren fließen würde und sie die einzelnen Tropfen in ihren kleinen Mund aufnähme.
    Ich hatte nie eine andere Frau als meine eigene. Es ist seltsam. Das jetzt zu erleben. Mit dieser Fremden.
    Ich lasse mir Zeit. Bin sanft und bringe sie mit meiner Zunge zum Orgasmus. Sie zieht mich hoch und wir Lieben uns in dieser Nacht dreimal. Gegen drei Uhr verlasse ich ihre Wohnung. Sie hat mich gebeten, zu bleiben, doch ich möchte nach Hause.

    Meine Frau schläft bereits. Als ich unser Schlafzimmer betrete. Sie ist Nackt, so wie jede Nacht. Als ich mich ausgezogen habe und mich neben sie lege, fragt sie mit verschlafener Stimme: „Wo warst du?“
    „Ich hab was getrunken. Musste nachdenken.“
    Sie sieht mich im Dunkeln an, ich kann es spüren. Dann küsst sie mich zärtlich und beginnt, meinen Bauch zu streicheln. Sie legt sich auf mich und ich streichle ihren Rücken. Nach ein paar Minuten drehe ich den Kopf zur Seite und sage: „Tut mir leid. Ich kann nicht.“
    Sie hört auf und sagt sanft. „Ist Ok. Streichelst du mich trotzdem noch ein bisschen?“
    Ich streichle ihren Rücken, bis wir beide einschlafen.

    Es ist Samstag. Ich habe im Büro angerufen und mir ein paar Tage freigeben lassen.
    Draußen Regnet es immer noch. Ich mag den Regen. Er lässt die Strassen glänzen und dämpft die Geräusche. Ich habe diese Stille nie zu schätzen gewusst. Jetzt kann ich spüren, wie es mich nach draußen zieht. Auf die Strasse.
    Meine Frau ist in ihrem Atelier und malt an einem Bild.
    Ich sage ihr, dass ich einen Spaziergang mache und sie lächelt mich an. Dann gehe ich.
    Ich weiß nicht, ob meine Frau enttäuscht ist, wegen gestern Nacht. Es ist mir Egal. Wir sind doch keine Maschinen, die auf Kommando losvögeln können. Das heißt, manche Menschen schon. Aber ich nicht. Gestern Nacht ist mir intensiv in Erinnerung geblieben. Ich hätte gedacht, dass mein Gehirn dieses Abenteuer schnell verschleiert, in der Monströsen Macht, die von den Menschen Gewissen genannt wird, doch ich kann mich an jedes Detail erinnern. Das Gefühl ihrer Haut, den Geruch ihres Körpers, ihre Stimme, jedes noch so kleine Augenzwinkern, ihr Stöhnen. Ich verspüre eine Erregung in mir, die weit über jedes Sexuelle Gefühl hinausgeht. Ich glaube nicht, dass dies alles überhaupt etwas mit Sex zu tun hat. Ich weiß nicht, was es ist. Aber ich werde es sicher herausfinden. Deshalb bin ich wieder hier.
    Der Regen trommelt auf meinen Schirm. Ich bin seit Stunden unterwegs, und inzwischen ist es Dunkel. Die Straßenlaternen erleuchten die Vorbeigehenden Menschen. Alles ist wie gestern Nacht. Nur ich, ich habe mich verändert. Ich gehe weiter in die Richtung, die ich vor einigen Wochen eingeschlagen habe, und die letzte Nacht in ihrem bisherigen Höhepunkt gipfelte. Was suche ich? Ich weiß es nicht. Mein Körper wird von einem Namenlosen Verlangen angetrieben, dass ich kaum Kontrollieren kann, dass sich meiner Bemächtigt und sich in meinem Gehirn einen Schlafplatz sucht, aber sich nie zur Ruhe legt. Es hat sich in mir festgesetzt und will mich nun nicht mehr loslassen, bis es erfüllt ist und bis ich weiß, wer ich bin. Ich weiß nicht, wer ich bin. Ich habe meinen Namen vergessen, habe vergessen, dass ich eine Frau und eine Arbeit habe, Freunde und Geld, ja selbst, dass ich zur Menschlichen Rasse gehöre. Ich weiß nicht mal mehr, was ein Mensch überhaupt ist, welchen Bestrebungen er nachgehen sollte, wie er sich anderen Gegenüber verhalten sollte, um etwas zu erreichen, von dem ich nicht weiß, welchen Zweck es erfüllt, welchen Namen man ihm geben soll, was dieser Name bedeutet und ob er überhaupt einfangen kann, was der Zweck für einen Sinn macht. Ich sehe in Schaufenster, die hell erleuchtet sind und in andere, die im Dunkeln liegen. Und all dies berührt mich und strömt auf mich ein. Ich nehme das erste Mal in meinem Leben die Farbe der Luft war, spüre jeden Tropfen des Regens einzeln auf meiner Haut und auf meiner Kleidung. Mein Regenschirm liegt hinter mir auf dem Boden, Menschen gehen darüber und ich kann auch ihre Berührung auf dem schwarzen Plastik spüren. Was hat das alles zu bedeuten, warum empfinde ich so, und warum tue ich es sonst nicht?
    Ein Mann rempelt mich an und ich kann einen Moment lang spüren, wie genervt er von mir ist und das er sich umdrehen will, um mir ein hartes Wort nachzuwerfen, doch ich gehe um eine Ecke und bin schon fort, verlasse ihn und sehe weiter. Ich bleibe stehen und schließe die Augen. Als ich sie öffne, ist alles wie es war. Die Menschen sind wieder das, was sie immer waren, ebenso ich. Ich kann mich wieder an meinen Namen erinnern und an meine Frau. Doch ich habe vergessen, was es heißt ein Mensch zu sein. Ich weiß, dass ich einer seien sollte, doch ich weiß nicht, wie ich zu seien habe. Ich lehne mich mit der Schulter an eine Wand und schließe die Augen. Mir ist Schwindlig, und die Angst ist zurückgekehrt. Ist es das? Die Angst, nicht zu wissen, wer ich sein soll? Nein, das ist zu wenig. Die meisten Menschen glauben zu wissen, wer sie sind, und vor nur ein paar Minuten wusste ich es ebenso. Wusste ich, dass ich nach Hause gehen sollte, dass ich meine Frau nicht betrügen sollte und, dass ich am Montag wieder zur Arbeit gehen sollte. Das ich lächeln sollte, wenn mich jemand grüsst und dass ich eine Wichtige Rolle im Ganzen Spiele.

    Aber das Ganze hat den Sinn gewechselt. Wenn ich recht überlege, weiß ich überhaupt nichts mehr.
    Ich stehe vor dem Haus, in dem ich letzte Nacht gewesen bin. Ich drücke auf eine Klingel und bete, dass sie da ist. Ich weiß nicht einmal, zu wem ich bete.
    Sie meldet sich über die Gegensprechanlage.
    „Hi, hier ist James, von gestern.“
    Ich weiß nicht, was ich noch sagen soll. Ich habe keine Übung in solchen Dingen.
    „Oh, Hi. Möchtest du rauf kommen?“
    Ich komme rauf. Und dann steht sie vor mir. Ich habe mich gestern Nacht geirrt. Sie ist wunderschön.




    Ich lasse mich auf ihrem Sofa nieder, auf dem Sofa, auf dem ich auch letzte Nacht gesessen habe. Die Fenster sind auf Kipp und der Wind leitet die Blätter einer Pflanze zu leichtem Wiegen an.
    Wenn ich am Anfang gesagt habe, dass dieses Buch ein Experiment ist, dann habe ich ihnen vielleicht eine falsche Erklärung des Experimentellen Vorganges gegeben. Ich schreibe in jedem Moment, in dem ich lebe. Wie kann das sein? Ich verstehe es nicht. Schreibe ich dies?
    Sie lächelt und setzt sich mir gegenüber auf in einen Sessel.
    „Es ist schön, dass du gekommen bist.“
    Ich weiß nicht was ich darauf antworten soll. Also sage ich einfach ja.
    Goldi Locks Loved it.
    Jetzt sitzt sie neben mir und dreht eine Marijuhana Zigarette. So etwas habe ich seit Sechs Jahren nicht mehr getan.
    Warum eigentlich nicht? Habe ich vergessen, was all dies bedeutet? Mein Kopf ist zu klein, um zu verstehen. Aber vielleicht muss ich das gar nicht. Vielleicht kann ich das erste mal seit Jahren alles fließen lassen. Und dann zurückkehren. Zufrieden.
    Wir rauchen, dann will sie mit mir schlafen. Aber ich kann nicht. Das ist scheinbar OK für sie.

    Es ist früher Morgen. Ich werde nicht zurückgehen. Ich habe ihr in der Nacht von meiner Frau erzählt. Von meiner Situation. Sie hat es irgendwie verstanden. Sie hat gesagt, sie hätte im Moment nichts zu tun, ich könnte erst mal bei ihr bleiben. Ich werde es tun.
    Ich gehe nicht zurück. Die Welt ist nun anders. Sie scheint größer. Ich weiß, dass das nur der aufregende Anfang von etwas neuem ist. Von etwas gänzlich unbekanntem. Ich mache mir nichts vor. Aber ich weiß, dass irgendetwas anders ist. Es liegt nicht an ihr. Aber irgendwie schon.
    Ich schreibe immer noch. Ich habe nicht vor, aufzuhören.

    Draußen geht die Sonne auf.

    Sie ist weiß.

    Guten Morgen.

  2. #2
    Hmmm, positiv kann ich dieses Stück nicht nennen, eher richtig.
    Dennoch bin ich nicht grade der Richtige dafür, dieses Stück nachvollziehen zu können.
    Letztendlich reichen nichtmal unsere Erfahrungen aus, da Gefühle für jeden Menschen anders wirken.
    Ich beneide James für sein Gefühl während seines Spazierganges.

    tzzz, 1 Jahr...

    Geändert von flow (05.01.2006 um 02:51 Uhr)

  3. #3
    Ich finde, die Geschichte ist nicht da, richtig oder falsch zu bestimmen, zum Nachdenken bringt sie so oder so. Ich finde das Ende sehr schön, für mich zeigt der Text, dass ein Mensch immer wählen kann und an nichts gebunden ist. Außerdem ist die Atmosphäre angenehm weich und ruhig. (Frag mich niemand, wie eine Atmosphäre weich sein kann ._. )

    Hab ihn schon vor nem halben Jahr gelesen und wohl vergessen, zu posten, sorry... <.<

  4. #4
    Verdammt , ich muss duschen und zur Arbeit >.<

    Hab den ersten langen Abschnitt gelesen , nein verschlungen und wenn auch nicht viel passiert ist bis jetzt , so wird man vom Text doch mitgerissen und aufgesogen.

    Ich will wissen wie es weiter geht, doch muss ich weg.....Hölle ich muss bleiben und lesen , nein und doch kann ich es nicht. Ich seh es kommen , es wird ein verdammt langer Tag bis heute Abend nach dem Feierabend und zur besseren Stimmung werd ich dann wohl noch einmal ganz von vorne beginnen.

    * Eindeutig mehr ins Atelier schauen sollte*

    Geändert von Wohan (05.01.2006 um 12:31 Uhr)

  5. #5
    Oo

    was geht denn jetzt....^^
    Zitat Zitat
    Letztendlich reichen nichtmal unsere Erfahrungen aus, da Gefühle für jeden Menschen anders wirken.
    wie meinst du das, das nichtmal unsere erfahrungen ausreichen? Um etwas nachzuvollziehen, was jemand anders erlebt hat?

    Zitat Zitat
    (Frag mich niemand, wie eine Atmosphäre weich sein kann ._. )
    ich versteh das sehr genau^^ genauso hab ich mich beim schreiben gefühlt.

    Zitat Zitat
    Ich finde das Ende sehr schön, für mich zeigt der Text, dass ein Mensch immer wählen kann und an nichts gebunden ist.
    AFAIR war das auch so gedacht xD kann ich kaum noch dran erinnern....verdammt, ich sollte mal wieder schreiben. hab schon seit nem halben jahr nichts mehr geschrieben glaube ich...

    @wohan: bin gespannt auf den rest deines postes

  6. #6
    Zitat Zitat von es
    wie meinst du das, das nichtmal unsere erfahrungen ausreichen? Um etwas nachzuvollziehen, was jemand anders erlebt hat?
    Richtig. Egal wie wir sie schildern, man kann sich nunmal nicht in Menschen hinein versetzen was die Gefühlsebene angeht. Man geht von einem groben Gefühl aus, dennoch setzt es sich aus verschiedenen Faktoren zusammen, die kein anderer Mensch miterleben kann. Weil auch die Wirkung der Faktoren verschieden auf jeden einzelnen Menschen wirken. Das grobe kann man einem Menschen erzählen/geben, aber nicht was es genau zusammensetzt bzw. wie schwer welcher Faktor zählt. Weil man es einfach nicht nachvollziehen kann.

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