Zitat von DieHeiligeSandale
Gegenteiltag
Ich wache auf und wünschte, ich hätte das nicht getan. Von gestern bin ich noch reichlich restbetrunken, ich habe Schrammen und Beulen vom ständigen Hinfallen, meine Klamotten sind durch das Zimmer verteilt, bis auf meine Hose, die fehlt. Wo habe ich die denn schon wieder gelassen? Kurze Erinnerungsfetzen machen mir klar, dass ich mich nicht daran erinnern möchte, also denke ich lieber an etwas Anderes. Halb neben und halb unter meinem Kopf liegt eine Pizza. Ich habe sie mir gestern nach dem Nachhausekommen aus der Tiefkühltruhe genommen und leider vergessen sie aufzubacken. Als ich, ausgezogen und im Bett liegend, bemerkt habe, dass ich sie so nicht essen kann, bin ich frustriert eingeschlafen. Mittlerweile ist die Pizza aufgetaut und Teile des weichen, wabbeligen Teiges sind eine Symbiose mit meinem Kopfkissen und meinen Haaren eingegangen. Faszinierend.
Nach kurzer Faszinationsstarre bin ich bereit für neue Entdeckungen und weiß auch, woher ich diese beziehen kann. Zum Glück liegt die Fernbedienung in Reichweite, denn wenn ich aufstehen und sie suchen müsste zöge das verschiedene Komplikationen nach sich. Sowohl die in meinen Haaren und am Kissen klebende Pizza als auch mein Kreislauf würden mir eine solche Aktion wahrscheinlich übel nehmen und zur Zeit reicht es mir, dass mein Magen signalisiert, dass er mir eigentlich meine komplette Existenz übel nimmt. Mehr Feinde als ihn brauche ich nicht.
Im Fernsehen läuft nur Scheiß, außer auf Nick, da läuft Sponge Bob, das finde ich gut. Sponge Bob und Patrick spielen Gegenteiltag. Mann wär das toll, so ein Gegenteiltag.
Am Gegenteiltag würde ich aufwachen und mir wünschen, das schon immer getan zu haben. Klingt paradox, aber am Gegenteiltag wäre eine solche Aussage vollkommen logisch. Am Gegenteiltag wäre ich grundnüchtern, hätte makellose Haut ohne jegliche Blessuren und meine Hose läge im Zimmer, ordentlich zusammen gefaltet. Meine restliche Kleidung wäre nicht da, und ich wüsste auch ganz genau warum und wäre sogar sehr froh, das zu wissen. Die Pizza gäbe es wahrscheinlich gar nicht mehr, ich würde sie gestern Abend zubereitet und gegessen haben und mein Magen würde mir mit liebevollem, zutraulichem Schnurren mitteilen, dass er mich genau dafür sehr, sehr lieb hat.
Der Gegenteiltag wäre toll! Am Gegenteiltag würde nur gehobene, anspruchsvolle Kost im Fernsehen laufen, außer auf Arte, dort gäbe es den ganzen Tag nur dämliche Doku Soaps die keine Sau guckt. Es gäbe eine Fernsehshow, in der Mitglieder der Regierung mit Kameras ausspioniert würden, damit der Staat für die Bürger transparent und durchschaubar ist, und natürlich um voyeuristische Triebe zu befriedigen, die am Gegenteiltag genau diejenigen hätten, die in der echten Welt wirklich nicht Big Brother gucken und nicht nur immer behaupten sie täten es nicht. Das wäre immerhin eine große Mehrheit, Big Brother steckt nämlich in echt in einer ziemlichen Quotenkrise.
Am Gegenteiltag würden mehrere Millionen Angestellte Opel feuern. Die Polizei würde die Nazis mit Wasserwerfern von der Straße treiben, damit die Antifa feiern kann. Die Reichen würden aus Hamburg und Berlin verschwinden, weil die Mietpreise rapide fallen würden und die Reichen fänden, dass solche Preise weit unter ihrem Niveau seien.
Schwarzfahrer würden sich Namen, Adressen und Telefonnummern von Kontrolleuren der Bahn aufschreiben, und zwar weil die so attraktiv wären! Tausende Verkäufer würden plündernd und marodierend durch die Discounter des Landes ziehen und danach Witze über Stefan Raab machen.
Ich hätte mit meiner Freundin Schluss gemacht. Das wäre ganz schön dumm gewesen. Afrika würde den Westen ausbeuten. Asylanten würden den deutschen Mob anzünden und islamistische Armeen würden westliche Demokratien besetzen um Zivilisation zu bringen. Das Klima würde von Tag zu Tag kälter werden, die Sahara würde einfrieren und Eisbären würden die ganze Welt überrennen.
Irgendwie wird das alles immer düsterer. Die Welt ist so verkehrt, die wäre nicht mal in Ordnung, wenn sie ihr eigenes Gegenteil wäre. Sponge Bob hat mich deprimiert. Ich nehme ein Stück Schinken von der rohen Pizza und esse es. Schmeckt komisch. Mein Magen erklärt mir den Dschihad. Ich muss kotzen. Wenn heute Gegenteiltag wäre, dann würde ich jetzt literweise bröckelige Kotze trinken. Irgendwie bin ich froh, dass es so etwas wie den Gegenteiltag in echt nicht gibt.
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